Raab-Comeback, Kloeppel-Abschied, 24 Stunden Joko & Klaas und viel Sport: Das deutsche Fernsehjahr 2024 im Rückblick

Themen, Trends, Ereignisse, Aufreger und Jubiläen des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2024, 08:30 Uhr

Öffentlich-Rechtliche: Sparkurs und umfangreiche Rundfunkreform

ARD/​ZDF

Die Öffentlich-Rechtlichen haben einen drastischen Sparkurs ausgerufen, dessen Auswirkungen auf das Programm immer mehr zu spüren sind. Vor dem Hintergrund der deutlich höheren Kostensteigerungen muss vor allem der SWR Einschnitte in Verwaltung, Produktion, Infrastruktur und Programm vornehmen. Vom Samstagabendklassiker „Verstehen Sie Spaß?“ werden 2025 nur noch drei statt wie zuletzt fünf Ausgaben pro Jahr zu sehen sein. Im SWR Fernsehen werden diverse Formate beendet: „Meister des Alltags“, „Die Mathias Richling Show“, „Advent live“, „Menschen & Momente“ und „Comedy vom Rhein“. Den Sparmaßnahmen zum Opfer fällt auch die Literatursendung „lesenswert“. Aus dem Programm gestrichen werden künftig außerdem die Übertragungen „Rhein in Flammen“, „Deutsches Weinlesefest“ und „Seenachtsfest“. Das vom SWR produzierte „ARD-Buffet“ wird ab 2025 ebenfalls eingestellt. Im Vorjahr trennte sich der Sender bereits von der „Spätschicht“ und „Ich trage einen großen Namen“. Ganz offen gesteht der SWR ein, dass man insbesondere im linearen Fernsehen noch immer den überwiegenden Teil der Mittel für Programm ausgibt, das vor allem ein älteres Publikum erreicht. Hier sollen nun Mittel weiter reduziert werden, um Angebote für jüngere und digitalaffine Zielgruppen fortsetzen und ausbauen zu können.

Weniger Shows pro Jahr für Florian Silbereisen MDR/​JürgensTV/​Beckmann

Auch anderweitig wird reduziert: Erneut auf wackligen Beinen stand die Zukunft der enorm erfolgreichen, aber auch teuren „Feste-Shows“ von Florian Silbereisen im Ersten. Erzielt wurde eine zweijährige Vertragsverlängerung für 2025 und 2026, jedoch reduziert sich die Anzahl der Shows von fünf auf vier pro Jahr. Bereits in diesem Jahr wurden die zusätzlichen, kleineren Silbereisen-Shows für das MDR Fernsehen eingespart und ersatzlos gestrichen. Darüber hinaus streicht der MDR Formate wie „Fröhlich lesen“, „Außenseiter-Spitzenreiter“, „Quickie“, „Biwak“ und „MDR Zeitreise“.

Von den Donnerstags-Krimireihen wie „Der Irland-Krimi“, „Der Amsterdam-Krimi“, „Der Kroatien-Krimi“, „Der Bozen-Krimi“, „Wolfsland“ und „Nord bei Nordwest“ sollen weniger Folgen als bisher produziert werden. Dabei soll keine Reihe komplett eingestellt werden, stattdessen sieht der Plan vor, dass jede reihum ein Jahr mal pausieren soll. Das eingesparte Budget soll stattdessen in die Produktion von Serien für die ARD Mediathek fließen. Mit solchen Umschichtungen wolle man parallel zu den Sparmaßnahmen auf die veränderten Sehgewohnheiten reagieren. Die freigewordenen Sendeplätze im linearen Fernsehen am Donnerstag werden künftig mit mehr Wiederholungen bestückt.

Telenovela-Rettung: „Sturm der Liebe“ und „Rote Rosen“ bleiben bis 2027

ARD/​Christof Arnold/​Torsten Jander

Aufatmen können Telenovela-Fans: Ein ursprünglicher Plan sah vor, dass die Folgen der beiden Serien „Sturm der Liebe“ und „Rote Rosen“ ab 2025 nur noch halb so lang sein sollten – also von 48 gekürzt auf 24 Minuten pro Episode. Die Gründe hierfür waren vor allem finanzieller Natur, da die Produktion der beiden Serien verhältnismäßig teuer ist – bei tendenziell sinkenden Quoten. Für eine Fortsetzung der Telenovelas sprachen hingegen die Abrufe in der ARD Mediathek, die im hohen zweistelligen Millionen-Bereich liegen und damit zu den erfolgreichsten abgerufenen Inhalten zählen. Nur zwei Monate nach der Ankündigung folgte die Rolle rückwärts: Die ARD teilte mit, dass beide Serien bis 2027 in ihrer gewohnten Episodenlänge fortgesetzt werden. ‚Rote Rosen‘ und ‚Sturm der Liebe‘ sind beim Publikum sehr beliebt und erzielen in der ARD Mediathek Spitzenreichweiten. Durch Optimierung der Produktionsabläufe und Umschichtungen im Etat konnten wir nun ein Fortbestehen der beiden Dailys in gewohnter Sendelänge bis 2027 sichern, so ARD-Programmdirektorin Christine Strobl.

Die überraschende Kehrtwende dürfte vor allem zwei Gründe haben: Bei einer Kürzung der Episodenlänge auf 24 Minuten würde der Minutenpreis für die beiden Serien nicht unwesentlich ansteigen. Die Kostenersparnis bei einer halb so langen Episodenlänge wäre also nicht sonderlich hoch. Darüber hinaus haben sich in den vergangenen Jahren sämtliche Versuche, mit alternativen Formaten am Nachmittag im Ersten zu punkten, als Rohrkrepierer entpuppt. Ob „Hofgeschichten“, „Die Haustierprofis“, „Leichter leben“, „Team Hirschhausen! Einfach besser leben“ oder zuletzt „Leben. Live! – Mein ARD-Nachmittag“. Die Quoten zeigten eindeutig: Die ARD-Zuschauer haben nachmittags keine Lust auf Magazine oder Doku-Soaps. Hinzu kommt: Mit dem seit Jahren brachliegenden Sendeplatz um 16:10 Uhr hat man bereits eine Dauer-Baustelle. Zuletzt haben dort weder das Quiz „Frag mich was Leichteres!“ noch eine temporäre Vorverlegeung von „Brisant“ funktioniert. Wären „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“ gekürzt worden, hätte man eine zusätzliche Programmstunde zu füllen. Im ungünstigsten Fall wäre Das Erste also in ein zweistündiges Nachmittags-Quotengrab geschlittert.

Keine Einigung auf Rundfunkbeitragserhöhung erzielt

WDR/​Herby Sachs

Vom 23. bis 25. Oktober tagte die Ministerpräsidentenkonferenz über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Insbesondere ging es dabei um den Rundfunkbeitrag und die Rundfunkreform. Auf die eigentlich geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab Anfang 2025 wurde sich jedoch nicht geeinigt. Insgesamt sechs von 16 Bundesländern lehnten die Erhöhung ab. Am 12. Dezember tagten die Minsterpräsidenten erneut. Das für ARD und ZDF ernüchternde Ergebnis: Wieder konnte keine Einigung erzielt werden, wodurch die Erhöhung also vorerst ausbleibt.

Die KEF hatte für die Beitragsperiode von 2025 bis 2028 eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,94 Euro pro Monat empfohlen. Gegen diese Empfehlung sprachen sich unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff aus, so dass auch beim zweiten Treffen der Ministerpräsidenten entgegen der KEF-Empfehlung keine Einigung auf eine Erhöhung erzielt wurde.

Damit es zu einer Beitragserhöhung kommen kann, müssen sämtliche Landesparlamente zustimmen. Stattdessen wurde nun beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag in den Jahren 2025 und 2026 nicht angehoben wird und bei monatlich 18,36 Euro bleibt. ARD und ZDF sollen zwei Jahre lang auf ihre Rücklagen – rund eine Milliarde Euro – zurückgreifen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke kommentierte: Nach umfangreichen Diskussionen unter den Ländern bleiben die Beiträge für Bürgerinnen und Bürger und Betriebe stabil. Das ist gut.

Die Öffentlich-Rechtlichen argumentieren, dass sie ab 2025 nicht mehr bedarfsgerecht finanziert wären, zogen deshalb nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht und reichten dort Verfassungsbeschwerde ein, um die Gebührenerhöhung notfalls gerichtlich zu erstreiten. Das Gericht muss darüber entscheiden, ob die Politik mit dem Blockieren der Beitragserhöhung gegen die Verfassung verstößt. Bereits 2021, als Sachsen-Anhalt schon einmal gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags stimmte und diese dadurch verzögerte, klagten die Öffentlich-Rechtlichen vor dem Verfassungsgericht – und bekamen Recht. Laut geltendem Gesetz dürfen die Politiker von der Empfehlung der KEF nur in begründeten Ausnahmefällen abweichen. Ob dies im aktuell Fall zutrifft und wann das Gericht seine Entscheidung fällt, ist völlig offen.

Umfangreiche Rundfunkreform beschlossen

ARD/​ZDF/​Deutschlandradio

Im Gegensatz zur Debatte um den Rundfunkbeitrag gab es beim Thema Rundfunkreform von ARD, ZDF und Deutschlandradio offenbar keine großen Meinungsverschiedenheiten. Die Maßnahmen im Ende September von den Rundfunkkommission der Länder vorgelegten Entwurf zum Reformstaatsvertrag wurden auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober einstimmig beschlossen. Diese beinhalten vor allem eine deutliche Reduzierung der Radio- und TV-Sender. Wir wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk moderner, schlanker, dabei auch zukunftsfest machen. Wir werden den Auftrag qualitativ aufwerten, aber wir werden auch, ja, quantitative Begrenzungen einführen, so der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer.

ARD und ZDF argumentieren wiederum, dass die Sparmaßnahmen erst im Verlauf der kommenden Jahre umgesetzt werden können und der öffentlich-rechtliche Rundfunk bis dahin noch mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet werden müsse. Die im Oktober beschlossene Rundfunkreform würde erst Einsparungen in den kommenden Jahren bringen, nicht jedoch die unmittelbare Finanzierung von ARD und ZDF sichern, weshalb die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags trotzdem essentiell sei.

Zahlreiche Radio- und TV-Sender werden gestrichen oder fusioniert

ZDF/​bda creative

Die aktuell 70 ARD-Hörfunkwellen sollen auf 53 reduziert werden. Darüber hinaus soll rund die Hälfte der TV-Spartensender gestrichen bzw. fusioniert werden. Digitalangebote und Spartenkanäle sollen geclustert und konsolidiert werden. Inhalte bleiben erhalten. Ausspielwege werden überprüft, oft überwiegt auch heute schon die digitale die lineare Nutzung, so Schweitzer. Von den Fernsehsendern phoenix, tagesschau24, ARD alpha und ZDFinfo, die dem Bereich Nachrichten, Bildung und Information zugeordnet werden, sollen nur noch zwei Kanäle bestehen bleiben. Welche dies sein werden, bleibt ARD und ZDF überlassen. Außerdem sollen drei Angebote erhalten bleiben, die sich in dem Bereich Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene betätigen, so Schweitzer. Aktuell gibt es KiKA, ZDFneo, One sowie das Online-Angebot funk. Welches dieser vier Angebote wegfällt, bestimmt ebenfalls der ÖRR selbst. Dass der Kinderkanal KiKA erhalten bleibt, sei aber ein klarer Wunsch der Ministerpräsidenten. Am logischsten wäre der Verzicht auf den ARD-Spartensender One, der schon seit Jahren auf der Kippe steht.

Für große Aufregung sorgte die im Entwurf des Reformstaatsvertrags enthaltene Idee, den Kulturkanal 3sat mit dem Sender arte zu fusionieren. Zahlreiche Politiker und Prominente unterschrieben eine Petition zum Erhalt von 3sat. Diese wurde mit insgesamt knapp 150.000 Unterschriften in Leipzig an die Ministerpräsidentenkonferenz übergeben. Bezüglich der vielkritisierten möglichen Einstellung des Senders 3sat blieb man unkonkret. arte soll allerdings zu einer europäischen Kulturplattform weiterentwickelt werden. Und hier macht es perspektivisch Sinn, auch die kulturellen Angebote von 3sat dort zu integrieren. Explizit gewünscht ist darüber hinaus auch eine stärkere Kooperation zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten. Demnach sollen Inhalte von ARD und ZDF auf Anfrage auch auf privaten Streamingplattformen wie Joyn oder RTL+ auffindbar sein.

Ein weiterer Beschluss, der durchaus erhebliche Konsequenzen für ARD und ZDF haben dürfte, ist die Deckelung der Kosten für die teuren Sportübertragungsrechte auf nur noch fünf Prozent der Gesamtausgaben. Bisher lag der Anteil der Sportrechte bei der ARD bei ca. acht Prozent, beim ZDF bei ca. zehn Prozent. Diese Entscheidung der Ministerpräsidenten dürfte einen Einschnitt der Sportübertragungen bei den Öffentlich-Rechtlichen unvermeidbar machen.

Strengere Regulierung der Online-Aktivitäten

ARD/​ZDF

Ein weiterer Streitpunkt der Rundfunkform, insbesondere aus Sicht der Öffentlich-Rechtlichen, ist die strengere Regulierung der Online-Aktivitäten der Sender. Dies betrifft „presseähnliche“ Erzeugnisse, also journalistische Artikel auf Seiten wie tagesschau.de oder sportschau.de. Private Zeitungsverleger kämpfen schon seit Jahren gegen die in ihren Augen stetig wachsende Zahl von Texten in den Online-Angeboten, vor allem der ARD-Anstalten. Dies sei nach Ansicht des BDZV eine beitragsfinanzierte Konkurrenz. Insbesondere Regionalzeitungen haben vermehrt einen unfairen Wettbewerb beklagt.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz wurde eine sogenannte „Positivliste“ mit zwölf Punkten beschlossen, in denen geregelt wird, was die Öffentlich-Rechtlichen künftig in ihren Online-Angeboten dürfen und was nicht. Unter anderem sollen demnach auch künftig Texte in Apps und auf Webseiten zu aktuellen Ereignissen, barrierefreie Angebote und Faktenchecks in den Angeboten der Sender veröffentlicht werden können. Texte in den Auftritten der Sender in sozialen Netzwerken seien von der Regelung nicht betroffen. Ferner komme auf die Positivliste auch Echtzeitberichterstattung. In diesem Punkt befürchteten ARD und ZDF Abstriche. Im Raum stand, dass die Sender künftig erst dann schriftliche Artikel veröffentlichen dürfen, wenn es dazu einen konkreten Bezug zu einer Sendung im Fernsehen oder Radio gibt – was sich negativ auf das Tempo der Berichterstattung ausgewirkt hätte.

Ziel der Rundfunkreform sei es, einen zeitgemäßen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ermöglichen, der mit seinen Angeboten die gesamte Gesellschaft erreicht. In dem Zusammenhang soll der Auftrag des ÖRR qualitativ gestärkt und quantitativ begrenzt werden. Damit die Reform in Kraft treten kann, müssen noch alle Landtage zustimmen. Sollte auch nur ein Landesparlament die Reform ablehnen, können die Änderungen in den Rundfunkstaatsverträgen nicht umgesetzt werden. Frühestens könnte die Reform im Sommer 2025 in Kraft treten.

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