2024 ist fast Geschichte – und auch in diesem Jahr wollen wir an unseren Traditionen festhalten. So gibt es wie gewohnt einen mehrteiligen Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse und Themen in der TV-Welt des vergangenen Jahres. Welche Trends, Themen und Ereignisse haben die deutsche Fernsehlandschaft geprägt und was hat für Diskussionsstoff gesorgt? Ein Blick zurück auf das TV-Jahr 2024 in Deutschland.
TV-Comeback des Jahres: Stefan Raab
So präsentierte sich Stefan Raab im April auf Instagram Instagram.com/therealstefanraab
An den diesjährigen Osterfeiertagen kam es zu einer dicken Überraschung: Als erstes öffentliches Lebenszeichen seit 2018 veröffentlichte Stefan Raab auf seinem Instagram-Kanal ein Video mit einem besonderen Inhalt: Zu sehen ist darin sein langjähriger Show-Kollege Elton, der in einem Boot zu einem abgelegen Ufer rudert, wo allem Anschein nach ein zurückgezogener Stefan Raab angelt. Elton will ihn davon überzeugen, doch endlich wieder ins Fernsehen zurückzukehren. Raab wirkt wenig begeistert davon, weil er ja schon „alles“ gemacht habe. Er lässt sich jedoch auf einen Deal ein: Wenn er es schafft, bis Ostermontag mindestens neun Millionen Instagram-Follower zu bekommen, will er wieder ein neues Projekt vor der Kamera machen. Das Ziel wurde nicht erreicht, dennoch schaffte er es innerhalb von drei Tagen von unter 200.000 auf beachtliche 2,8 Millionen Follower. Eine Rechnung sei allerdings noch offen, so Elton in einem zweiten Instagram-Video: Regina Halmich! Du musst nochmal gegen sie boxen! Auf Raabs Frage, ob sie am 14. September kann, ruft Elton die langjährige Boxweltmeisterin an und bekommt die Zusage. Und besser ist, du kommst. Sonst komm ich dich holen!
Zunächst wurde spekuliert, ob Raab den Boxkampf überhaupt ernst meint – oder es lediglich ein Aprilscherz ist, schließlich erfolgte die Instagram-Ankündigung am 1. April. Als einen Tag später jedoch offiziell der Kartenverkauf startete, bestand kein Zweifel mehr. Der Boxkampf war innerhalb von nur zwei Stunden komplett ausverkauft. Offen war allerdings die Frage, wo er denn überhaupt übertragen wird. Nach zwischenzeitlichen Gerüchten eines eigenen Raab-Streamingdienstes folgte im Mai schließlich die Ankündigung, dass der Kampf live bei RTL übertragen wird – und nicht bei Raabs früherer TV-Heimat ProSieben. Der Kölner Sender kündigte den Boxkampf dann auf Anhieb als „TV-Sensation des Jahrzehnts“ an.
Boxkampf lediglich als Startschuss für groß angelegtes TV-Comeback
Stefan Raab ist zurück im Ring der Fernseh-Unterhaltung Raab Entertainment/Willi Weber
17 Jahre nach der letzten Niederlage und fast ein Jahrzehnt nach seinem letzten TV-Auftritt stieg Stefan Raab dann tatsächlich für den „Final Fight“ zum dritten Mal gegen Regina Halmich in den Ring. Als Moderator fungierte Elton, der zwischenzeitlich auf unrühmliche Weise von ProSieben entlassen wurde. Der PSD Bank Dome in Düsseldorf war mit 13.500 Fans vollbesetzt. Bevor der Kampf jedoch startete, wurde eineinhalb Stunden lang in mehreren Einspielfilmen ausführlich auf Raabs TV-Karriere zurückgeblickt – kommentiert von mehreren Prominenten. Zeitweise wirkte es wahlweise wie ein Nachruf oder eine nicht enden wollende Laudatio auf das Lebenswerk von Raab.
Den Moment, in dem der Entertainer dann endlich auf der Bildfläche erschien, hat er so übertrieben inszeniert, wie es wohl nur Raab darf: Es baute sich eine riesige Showtreppe auf, die vom Oberrang nach unten in den Innenraum der Arena führte. Gehüllt in einen weißen Boxmantel, stieg Raab wie der leibhaftige TV-Messias die Treppe aus dem Showhimmel herab. Unten angekommen, griff er zum Mikrofon und gab seinen neuen Song „Pa aufs Maul“ zum Besten. Dann endlich begann der Kampf. Angesetzt waren sechs Runden à zwei Minuten. Zeitweise gab es Zweifel daran, ob Raab alle sechs Runden überstehen würde, doch er hielt durch. Der Sieg nach Punkten ging dennoch – wie auch schon bei den Kämpfen 2001 und 2007 – klar an Regina Halmich.
Stefan Raab und Regina Halmich im Ring Raab Entertainment/ Willi Weber
Der Boxkampf war quotentechnisch ein voller Erfolg und wurde von durchschnittlich 5,90 Millionen Menschen bei einem Gesamtmarktanteil von 25,8 Prozent verfolgt. Aus der jungen Zielgruppe waren 2,95 Millionen 14- bis 49-Jährige dabei, die für bombastische 52,9 Prozent sorgten – mehr als jeder Zweite aus dieser Altersklasse schaute an diesem Abend den Boxkampf. Insgesamt dauerte die Live-Übertragung fast 200 Minuten. Die höchste Reichweite wurde zwischen 22.45 und 22:50 Uhr gemessen, als der Kampf begann: 7,98 Millionen Menschen saßen zu diesem Zeitpunkt vor dem Fernseher.
Nach dem Ende des Kampfs ergriff Stefan Raab erstmals das Wort und hatte eine Botschaft zu verkünden: Ich hab mir überlegt: Ich mach wieder Shows! Die Ankündigung wurde mit einem tosenden Applaus in der Arena bejubelt, denn nun war klar: Der Boxkampf war tatsächlich nur der Anfang seines großen TV-Comebacks! Stefan Raab hat einen 5-Jahres-Exklusivvertrag bei RTL unterschrieben und kehrte schon am Mittwoch nach dem Kampf mit einer neuen wöchentlichen Show namens „Du gewinnst hier nicht die Million“ dauerhaft zurück vor die TV-Kamera.
Kampfansage an ProSieben
Stefan Raab im Studio seiner neuen Show Raab Entertainment/RTL/Julia Feldhagen
Versprochen wurde eine „einzigartige Mischung aus Late Night Comedy, purem Entertainment und brandneuer Quiz- und Competition-Show“. Letztendlich verbarg sich dahinter jedoch eine Mischung aus Raabs früheren Shows „TV total“ und „Schlag den Raab“, garniert mit einer Prise „Wer wird Millionär?“. Im ersten Teil der rund 90-minütigen Ausgaben zieht Stefan Raab mit Hilfe von TV-Ausschnitten das Fernsehen durch den Kakao. Im zweiten Teil haben Kandidaten die Chance, eine Million Euro zu gewinnen. Hierzu müssen sie einerseits Quizfragen beantworten, die Stefan Raab stellt. In Aktionsspielen müssen sie außerdem gegen den Entertainer antreten. Für diese Spielrunden kommen wechselnde Gast-Moderatoren zum Einsatz. Es ist faszinierend, wie dreist Stefan Raab gar nicht versucht, den Eindruck zu erwecken, als handle es sich um etwas Neues. Wer Innovationen erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht. Stefan Raab macht einfach genau da weiter, wo er 2015 aufgehört hat. Das hat allerdings durchaus seinen Reiz, denn der Showmaster wirkt nach seiner langen TV-Auszeit so dermaßen motiviert, wie man ihn den letzten Jahren vor seinem vorläufigen Abschied nur noch selten erlebt hat – und macht genau das, was er eben am besten kann.
Womit allerdings zuvor niemand gerechnet hat: Die Show läuft nicht im linearen RTL-Hauptprogramm, sondern beim Streamingdienst RTL+ – immer mittwochs um 20:10 Uhr. Stefan Raab tritt damit also gewissermaßen mit seiner neuen Show zeitlich direkt gegen „TV total“ auf ProSieben an, das er noch bis Ende 2023 selbst produzierte. Hinter den Kulissen kam es – dem Vernehmen nach – jedoch zu einem großen Zerwürfnis, nicht nur mit Raabs „TV total“-Nachfolger Sebastian Pufpaff, den er zuvor selbst ins Boot holte, sondern auch mit ProSieben und der Produktionsfirma Brainpool. So ist wohl auch zu erklären, dass Raab und Brainpool nach 25 Jahren Zusammenarbeit getrennte Wege gingen. Stattdessen gründete der Entertainer mit Raab Entertainment eine neue Firma, mit der er nun seine Shows für RTL produziert.
Das, was Stefan jetzt macht, ist eine klare Kriegserklärung. Nicht nur zwischen Raab und seinem Nachfolger, sondern zwischen den Sendern. Stefan greift sein eigenes Baby an, sagte ein Produktionsinsider gegenüber der BILD. Raabs weitere Schritte bestätigten genau das. Für seine neue Show hat er sich die Heavytones zurückgeholt – die Showband, die schon zu Raabs Zeiten auf ProSieben für die Live-Musik verantwortlich war und bis Anfang September noch bei Sebastian Pufpaff im „TV total“-Studio stand.
Das R in RTL steht jetzt für Raab, doch steht Raab noch für Erfolg?
Stefan Raab und RTL: Eine neue Liebe RTL/Raab Entertainment/Julia Feldhagen
Zunächst wirkte es so, als habe RTL mit dem Raab-Comeback einen echten Coup gelandet. Nach den überragenden Quoten des Boxkampfs verkündete RTL+ auch für die erste Folge von „Du gewinnst hier nicht die Million“ einen Rekord. So sei die neue Raab-Show „der beste Neustart aller Zeiten auf RTL+“, der zum „stärksten Abozuwachs eines Original-Formats auf Deutschlands führendem Streamingdienst“ geführt habe. RTL-Programmgeschäftsführerin Inga Leschek bezeichnete den Raab-Deal gar als das Smarteste, was ich in meinem Leben gemacht habe. 73 Prozent der abgeschlossenen RTL+-Abonnements wurden an Neukunden verkauft. Laut unabhängiger Messung der AGF Videoforschung haben in der ersten Woche 786.000 Zuschauer „Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“ gesehen. In der zweiten Woche sank die Zahl jedoch bereits um rund 45 Prozent auf 429.000 Zuschauer. RTL selbst wiederum gab eigene Zahlen heraus, die deutlich eindrucksvoller wirken. So sei die erste Ausgabe rund zwei Millionen Mal abgerufen worden und die zweite über eine Million Mal.
In den Folgewochen ging es für die exklusiv und nur im kostenpflichtigen Bereich von RTL+ verfügbare Show weiter bergab. Inzwischen hat sich die Zahl bei rund 250.000 Zuschauern eingependelt. Reicht das für RTL+, um von einem Streaming-Erfolg für Raab zu sprechen? Unterm Strich dürfte das Abo-Wachstum entscheidender sein. Hierzu gab Stephan Schmitter, CEO von RTL Deutschland, an, dass eine zum Start der Raab-Show eine sechsstellige Zahl an neuen Abonnenten gewonnen wurde. Unbekannt, aber umso bedeutender ist natürlich, wie viele davon auch dauerhaft bleiben.
„Du gewinnst hier nicht die Million“ war jedoch nur das erste von mehreren Projekten im Rahmen der fünfjährigen Zusammenarbeit zwischen RTL und Stefan Raab. Laut Medienberichten soll es seitens RTL Deutschland gegenüber der Produktionsfirma Raab Entertainment die Zusage über ein Produktionsvolumen von garantiert mindestens 90 Millionen Euro geben. Ende November startete am Samstagabend im RTL-Hauptprogramm die neue XXL-Show „Eltons 12“, die konzeptuell stark an „Schlag den Besten“ erinnert. Die Quoten der Premiere fielen überschaubar aus.
Stefan Raab (l.) mit Kandidat Marc und Michael „Bully“ Herbig (r.) RTL/Raab Entertainment/Markus Hertrich
Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, startete dann live bei RTL „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“. Wie der Titel bereits andeutet, tritt Stefan Raab darin zusammen mit Komiker und Filmproduzent Michael „Bully“ Herbig als Duo gegen einen Normalbürger an. Gespielt werden insgesamt zwölf abwechslungreiche Spiele, in denen Fitness, Köpfchen und Geschicklichkeit gefragt sind. Der „Schnulli“ kann 250.000 Euro gewinnen. Wenn Raab und Bully gewinnen, wandert die Summe in den Jackpot und beim nächsten Mal geht es um 500.000 Euro. Als Spielleiter führt Elton durch die Show, während Frank Buschmann als Kommentator fungiert – wie in alten „Schlag den Raab“-Zeiten. Natürlich kann man auch hier Stefan Raab mangelnde Innovation vorwerfen, er muss sich aber letztendlich gar nicht neu erfinden. Als Thomas Gottschalk zwischen 2021 und 2023 noch einmal „Wetten, dass..?“ moderierte, monierte schließlich auch niemand, dass es nichts Neues war. Die Zuschauer erfreuten sich einfach an dem Wiedersehen mit der Sendung, mit der sie viele Erinnerungen verbinden. Im Grunde ist das nun bei Raab nichts anderes – mit dem Unterschied, dass er die Rechte an seinen alten Showbabys nicht mehr besitzt, da diese inzwischen bei Brainpool liegen. Da er aber gerne wieder „TV total“ und „Schlag den Raab“ machen wollte, musste er gewissermaßen Taschenspielertricks anwenden, indem er die Konzepte marginal veränderte und die Shows mit neuen Titeln versah. Quotentechnisch lief die Premiere von „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ dann auch nach Plan: 1,86 Millionen Zuschauer waren bei der ersten Ausgabe dabei, die bis 1:32 Uhr dauerte. 10,7 Prozent Gesamtmarktanteil sowie satte 18,8 Prozent in der jungen Zielgruppe wurden erreicht.
Stefan Raab mit Inga Leschek (l., Chief Content Officer RTL Deutschland) und Christine Strobl (r., ARD-Programmdirektorin) ARD/Raab Entertainment
Für 2025 steht als großes Raab-Projekt der ESC-Vorentscheid an: Nach den vielen Misserfolgen der deutschen „ESC“-Beiträge in den vergangenen Jahren soll Stefan Raab den Vorentscheid wieder aus dem Nischendasein holen und eine größere Euphorie im Vorfeld des Contests auslösen, der im besten Fall wieder zu einem erfolgreichen Abschneiden Deutschlands im Finale führt. Die federführende ARD ging dafür eine Kooperation mit RTL und Stefan Raab ein. Unter dem Titel „Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?“ wird es nicht nur eine Show, sondern insgesamt vier große Primetime-Sendungen geben. Drei davon werden bei RTL übertragen, das Finale dann in der ARD, verantwortet vom NDR. Zusammen mit Jury-Kolleginnen und -Kollegen soll aus insgesamt 24 Acts der oder die Beste gefunden werden. Man darf gespannt sein, ob es Raab gelingen wird, an seine früheren Erfolge anzuknüfen – sowohl aus musikalischer als auch fernsehtechnischer Hinsicht.