Raab-Comeback, Kloeppel-Abschied, 24 Stunden Joko & Klaas und viel Sport: Das deutsche Fernsehjahr 2024 im Rückblick

Themen, Trends, Ereignisse, Aufreger und Jubiläen des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2024, 08:30 Uhr

Aufreger des Jahres

Elton fliegt bei ProSieben raus

Elton ProSieben/​Willi Weber

Am 30. März lief eine eigentlich unspektakuläre Ausgabe von „Schlag den Star“. Was die Zuschauer – und offenbar auch der Moderator selbst – jedoch nicht ahnten war, dass es sich um Eltons letzten Auftritt bei der Samstagabendshow handeln würde. Kurzfristig gab ProSieben bekannt, dass das Format künftig stattdessen von Matthias Opdenhövel präsentiert wird. Lieber Elton, ich danke dir herzlich für großes Entertainment, das du in den vergangenen Jahrzehnten den ProSieben-Zuschauer:innen geschenkt hast. Es war ein Fest mit dir, ließ sich ProSieben-Chef Hannes Hiller zitieren. Doch so einvernehmlich wie es zunächst schien, war Eltons Abschied von ProSieben in Wahrheit nicht. Auf seinem Instagram-Kanal hat der Moderator zunächst zwei Storys mit schwarzem Hintergrund, einem weinenden Emoji und den Worten veröffentlicht:

23 Jahre geputzt, gekocht, den Müll rausgebracht und sämtliche Seitensprünge erfragt bzw. geklärt. Für was? Ich muss das erst einmal sacken lassen … Die 23 Jahre beziehen sich auf seine Zeit bei ProSieben. 2001 hatte er bei „TV total“ seinen ersten Auftritt.

Instagram/​elton_tv

Wenig später veröffentlichte Elton ein ausführliches Statement, in dem er seine Sicht der Dinge schilderte:

Facebook/​elton.tv

ProSieben-Chef Hannes Hiller bezog später bei DWDL in einem Interview noch einmal Stellung: Ich versuche es mal mit einem Bild aus dem Fußball: Wenn jemand seit Jahren regelmäßig für den BVB aufläuft, aber dann immer häufiger im Fanblock den FC Bayern anfeuert, stellt sich doch zwangsläufig eine Frage: Wann ist die richtige Zeit für einen Vereinswechsel? Der Vergleich bezieht sich auf die Tatsache, dass Elton schon 2023 damit begann, vereinzelt beim Konkurrenten RTL zu moderieren – und diese Einsätze wurden immer mehr.

ProSiebenSat.1 Media-CEO Bert Habets betonte auf der Hauptversammlung im April, dass es im Sinne der Markenbildung und Markenpflege wichtig sei, dass bei ProSiebenSat.1 „Faces“ zu sehen sind, die eindeutig für die Sender stehen. Elton sei jedoch in jüngster Vergangenheit nicht nur (wie schon seit Jahren) im Ersten und im ZDF, sondern vermehrt auch bei RTL zu sehen gewesen. Dies habe nicht mehr zum Markenverständnis von ProSiebenSat.1 gepasst. Hinzu fügte er das Detail, dass Elton nie mit ProSieben einen Vertrag hatte, sondern stets mit den beauftragten Produktionsfirmen – im Fall von „Schlag den Star“ also mit Brainpool. Nichtsdestotrotz hat das Ende der Zusammenarbeit mit Elton einen üblen Beigeschmack, aufgrund der unrühmlichen Art und Weise, wie sich der Sender von einem langjährigen Moderator getrennt hat.

Vagina-Flöte beim „Supertalent“

Beatrice McQueef mit ihrem besonderen „Talent“ RTL

Als RTL im Januar nach einer mehr als zweijährigen Pause „Das Supertalent“ zurückbrachte, dürfte dem Sender vor allem daran gelegen sein, für möglichst viel Gesprächsstoff zu sorgen. Dies ist der Castingshow gelungen, denn sicherlich nicht zufällig beinhaltete die erste Folge der neuen Staffel einen Auftritt, den viele Zuschauer als geschmacklos und anstößig empfanden – und der sogar den Jugendmedienschutz beschäftigte.

Die australische Künstlerin Beatrice McQueef wurde für die deutsche Castingshow engagiert und präsentierte vor laufenden Kameras ihr besonderes „Talent“. Sie entblößte sich untenrum und führte kopfüber eine Blockflöte in ihre Vagina ein. Daraufhin spielte sie auf diese Weise einige Töne des Kinderlieds „Alle meine Entchen“ – vor gleichermaßen entsetzten und irritierten Gesichtern der Jury und des Publikums.

Die Ausstrahlung des bizarren Auftritts geschah allerdings bereits entschärft: Die intimen Körperzonen der Australierin wurden mit einem Igel unkenntlich gemacht – und Minderjährige mussten vor Ort das Studio verlassen. Trotz dieser Vorkehrungen war RTL mit diesem Auftritt ein großer Aufreger sicher und die entsprechenden Schlagzeilen ließen nicht lange auf sich warten. Die BILD titelte Jetzt ist RTL komplett durchgeknallt!, die Süddeutsche Zeitung ließ sich gar zur Schlagzeile Eklat beim ‚Supertalent‘ – Haftet RTL für unsere Kinder? hinreißen.

RTL

Gegenüber der SZ äußerte sich RTL auf Anfrage fast schon erwartungsgemäß arglos: Dem Sender sei bewusst gewesen, dass der Auftritt von Beatrice McQueef bei ‚Das Supertalent‘ unterschiedliche Reaktionen hervorrufen könnte. Man habe allerdings nicht auf ihr ungewöhnliches Talent, die Blockflöte durch Akrobatik und den Einsatz ihres Beckenbodens zu spielen, verzichten wollen. Dies sei schließlich einzigartig und zeige, dass „Das Supertalent“ Raum für vielfältige Darstellungen biete.

Nichtsdestotrotz drohte RTL Ärger. Der Fall beschäftigte nach mehreren Programmbeschwerden die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM). Das verantwortliche Team Jugendmedienschutz bewertete den Auftritt juristisch und unter Gesichtspunkten der Medienwirkung auf Kinder und Jugendliche. Dabei wurde die Frage geklärt, ob hier ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutzes vorliegt. Nur wenige Tage später folgte das Ergebnis der Untersuchung: Es wurde kein Anfangsverdacht auf einen Verstoß gegen Bestimmungen des Jugendschutzes in Rundfunk und Telemedien festgestellt. Begründet wurde dies einerseits damit, dass es sich nicht um einen Fall von Pornografie handle. Dies liege dann vor, wenn die Gesamttendenz ausschließlich auf sexuelle Stimulation angelegt ist – was bei dem entsprechenden „Supertalent“-Auftritt nicht gegeben sei. Darüber hinaus sei bei der Bewertung entscheidend, ob die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertevorstellungen gezogenen Grenzen eindeutig überschritten wurden – auch dies sei nicht gegeben gewesen. Darüber hinaus handle es sich nach Einschätzung der NLM auch nicht um einen potentiell entwicklungsbeeinträchtigenden Medieninhalt für Zuschauer ab zwölf Jahren, so dass eine Ausstrahlung ab 20:15 Uhr kein Problem gewesen sei.

Was die NLM darüber hinaus zu dem Fall gegenüber DWDL sagte, war ebenfalls bemerkenswert. Zwar könne der entsprechende Auftritt beim „Supertalent“ als irritierend empfunden werden, allerdings sehe man keine Gefahr der Nachahmung. Die australische „Musikerin“ sei zudem keine (attraktive) Identifikationsfigur für Kinder und Jugendliche und die Show habe nichts mit dem Alltag zu tun. Dies könne auch schon von Zuschauern im Alter von zwölf Jahren so rezipiert werden. Auch die eingeblendete Reaktion des Studiopublikums, die als angewidert und entsetzt beschrieben wird, fördere keine Nachahmung. Der Auftritt könne daher bestenfalls als geschmacklos betrachtet werden – es sei aber nicht Aufgabe der Medienaufsicht, Geschmacklosigkeiten zu sanktionieren. RTL ist somit einer möglichen Beanstandung und einem Bußgeldverfahren entgangen.

Geschmacklose Witze: Luke Mockridge vermasselt TV-Comeback, noch bevor es begann

Im Sat.1-Giftschrank: „Was ist in der Box?“ Sat.1/​Robert Maschke

Entertainer und Comedian Luke Mockridge war viele Jahre eines der Aushängeschilder von Sat.1 und feierte dort große Erfolge. 2021 wurden in den sozialen Medien öffentliche Anschuldigungen gegen ihn laut. Das Verfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts in zwei Instanzen eingestellt. Dennoch entbrannte eine Kontroverse um seine Person, weshalb sich Mockridge selbst eine TV-Abstinenz verordnete und sich zunächst völlig aus der Öffentlichkeit zurückzog. Seine früheren Shows wie „Luke! Die Schule und ich“, „Luke! Die Greatnightshow“ und „CATCH!“ wurden eingestellt.

In diesem Jahr wollte Luke Mockridge nun seine TV-Rückkehr angehen. Erneut für Sat.1 wurde im Sommer die neue Comedy-Quizshow „Was ist in der Box?“ aufgezeichnet. Insgesamt acht Folgen wurden fertig produziert und sollten eigentlich ab September ausgestrahlt werden. Doch dazu kam es nicht. Kurz vor dem Start blies der Sender die Ausstrahlung ab. Der Grund: Luke Mockridge trat in dem Podcast „Die Deutschen“ auf, in dem er mit den Moderatoren Nizar Akremi und Shayan Garcia geschmacklose Witze über die Sportlerinnen und Sportler der Paralympics riss. Zunächst blieb eine öffentliche Empörung aus. Erst als die frühere Bahnradsportlerin und ZDF-Sport-Expertin Kristina Vogel einen Ausschnitt des auch auf Video festgehaltenen Podcasts in einer Story bei Instagram postete, machte der Auftritt die Runde, der einen Shitstorm gegen Luke Mockridge auslöste.

Luke Mockridge Sat.1/​Willi Weber

Wenige Tage später entschuldigte sich der Comedian für seine Aussagen auf Instagram. Er habe nie die Absicht gehabt, Menschen mit Behinderung zu beleidigen. Vielmehr würde er aus seiner eigenen Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung schwarzen Humor kennen und schätzen, aber es sei ihm in diesem Fall nicht gelungen, dies angemessen zu vermitteln. Sat.1 zog dennoch Konsequenzen und verzichtete bis heute auf die Ausstrahlung von „Was ist in der Box?“. Nach Ansicht des Senders habe sich Mockridge zwar glaubhaft für seine unangebrachten Worte entschuldigt – und die Einladung des Deutschen Behindertensportverbandes angenommen. Dennoch: Die Aussagen zu behinderten Menschen und Para-Sportlern, über die sich viele Menschen zu recht empören, passen nicht zu unseren Werten, so Sendersprecher Christoph Körfer. Mockridges weiteren Umgang mit dem Vorfall werde man genau beobachten: Wir wünschen uns, dass Luke Mockridge einen Weg findet, seiner Entschuldigung Taten folgen zu lassen und das Thema im Sinne aller Menschen mit Behinderung und im Sinne aller Para-Sportlerinnen und Sportler, die uns aus Paris mit ihren Leistungen beeindruckt und verzaubert haben, weiter aufzuarbeiten.

Pseudo-Skandal bei „Die 100 – Was Deutschland bewegt“

Ingo Zamperoni moderiert „Die 100 – Was Deutschland bewegt“ NDR/​Axel Herzig

Mitte September war im Ersten zum ersten Mal das von Ingo Zamperoni moderierte Debattenformat „Die 100 – was Deutschland bewegt“ zu sehen, das für einige haarsträubende Schlagzeilen sorgte. Das Konzept der Sendung: 100 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten können in der Sendung zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung beziehen. Pro Ausgabe tragen zwei bekannte Journalisten Fakten sowie Pro- und Contra-Argumente zu einem bestimmten Thema vor. Anschließend stimmen die 100 Teilnehmer im Studio über die Argumente ab – und zwar mit ihren Füßen. Die eine Seite des Studios steht für „Pro“, die andere für „Contra“. Alle Teilnehmer können auf einer Skala von 1 bis 10 die Argumente dadurch gewichten, wie sie sich im Raum bewegen. Im Anschluss an die Abstimmung befragt Moderator Ingo Zamperoni einzelne Teilnehmer zu ihrer Entscheidung, ihrer Haltung und zu persönlichen Erfahrungen mit dem Thema.

Die im September zum Thema „Ist die AfD eigentlich ein Problem?“ ausgestrahlte Folge geriet in die Kritik, als im Nachgang bekannt wurde, dass sich unter den 100 Personen Leute befanden, die in anderen Formaten nebenberuflich als Laiendarsteller und Komparsen gearbeitet hatten. Dies wurde in der Sendung jedoch verschwiegen – was eine vermeidbare Aufregung zur Folge hatte. Eine der Personen, die zu Beginn noch gewisse Sympathien für die AfD hatte, änderte im Verlauf der Sendung ihre Meinung, befand sich am Ende der Sendung auf der „Contra“-Seite und warnte im Gespräch mit Zamperoni dann auch vor der Partei.

NDR/​Axel Herzig

Diverse Medien witterten daraufhin einen Skandal, dass die ARD die Person als Schauspieler engagiert und dafür bezahlt habe, sich in der Sendung entsprechend zu äußern und zu verhalten. Die Person, die daraufhin massiv in den sozialen Medien angefeindet wurde, beteuerte jedoch, bei „Die 100“ als Privatperson aufgetreten zu sein und dass es kein Drehbuch oder Skript gegeben habe.

Auch der NDR dementierte die Vorwürfe: Der Norddeutsche Rundfunk weist die erhobenen Vorwürfe zur Produktion ‚Die 100‘ als falsch zurück. Es werden keine Darstellerinnen oder Darsteller eingesetzt. Im Mittelpunkt der Sendung stehen Menschen aus der Bevölkerung, die frei ihre Meinung äußern. Jede und jeder kann sich für die Teilnahme an der Sendung bewerben. Die Teilnehmenden erfahren erst kurz vor der Aufzeichnung der Sendung, welches Thema behandelt wird. Der NDR schließt keine Menschen aus, die als Privatperson teilnehmen – auch nicht aufgrund von Nebentätigkeiten im darstellenden Bereich.

Nach Angaben der koproduzierenden Redaktionen von NDR und WDR soll es bei „Die 100“ darum gehen, einander zuzuhören, verschiedene Perspektiven kennenzulernen und Sichtweisen zu überdenken. Mit dem Format soll der gesellschaftliche Diskurs gestärkt werden.

Entführung der WDR-Maus

Die WDR-Maus wurde von Köln nach Mainz entführt WDR/​Screenshot

Zum 50. Geburtstag der „Sendung mit der Maus“ vor drei Jahren wurde in der Kölner Innenstadt eine große Statue der Maus aufgestellt, die seitdem ein beliebtes Motiv für Fotos ist. Diese menschengroße Maus-Figur wurde jedoch Mitte Oktober entwendet und „entführt“. Anstelle der Figur war auf dem Platz nur ein mysteriöses Schild mit dieser Aufschrift zu lesen: Ich muss was Wichtiges erledigen. Deswegen gehe ich auf eine kleine Reise. Wenig später wurde bekannt, wer dahintersteckt: Aktivisten der Organisation Campact, die mit der Aktion ihren Protest gegen mögliche Kürzungen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern unterstreichen wollten.

Zwischenzeitlich tauchte die Maus-Statue in Mainz wieder auf – mit der Botschaft Keine Kürzungen bei ARD und ZDF! um den Hals. Campact-Geschäftsführerin Astrid Deilmann erklärte, was mit der Entwendung der Figur bezweckt werden sollte: Die Maus wird im Rahmen ihres Ausfluges in mehreren deutschen Städten Halt machen, um ein Zeichen gegen die drastischen Kürzungen im Informations- und Bildungsangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) zu setzen. Danach sollte die Skulptur wieder auf ihren angestammten Platz in Köln zurückkehren.

Hintergrund der Protestaktion war die Debatte über die bevorstehende Rundfunkreform, über die Ende Oktober von den Ministerpräsidenten der Bundesländer bei einer Konferenz in Leipzig verhandelt wurde. Dabei ging es auch um die Finanzierung der Sender und Kürzungen und Einschnitte, die insbesondere in den Bereichen Kultur und Information bevorstehen könnte. Campact-Chefin Deilmann erklärte, dass die Maus deshalb als weithin bekannte Sympathieträgerin die ideale Botschafterin für den Erhalt der Informations- und Bildungsangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio sei.

Der WDR äußerte zur Entwendung der Maus-Statue wenig Verständnis. Auch wenn die Initiatoren mit dieser Aktion nach eigenen Angaben auf den Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinweisen wollen, darf die Maus aus Sicht des WDR nicht für politische Kampagnen benutzt werden, lautete ein offizielles Statement. Der WDR ging davon aus, dass die Maus schnellstmöglich und wohlbehalten wieder an ihren Platz zurückkehren werde, behielt sich aber vor, einen Strafantrag zu stellen. Als noch nicht klar war, wer hinter Aktion steckt, richtete der WDR einen Liveblog zur Maus-Entführung ein, womit man zeigen wollte, dass man es dennoch durchaus mit Humor nahm.

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