40 Jahre 3sat: Ein persönlicher Rückblick auf das ehemalige Kinderprogramm des Kultursenders

Wie Wickie, Biene Maja, Heidi, Löwenzahn & Co. in der Prä-KiKA-Ära ein zweites Zuhause fanden

Florian Gessner
Florian Gessner – 07.12.2024, 11:00 Uhr

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40 Jahre 3sat: Ein persönlicher Rückblick auf das ehemalige Kinderprogramm des Kultursenders – Wie Wickie, Biene Maja, Heidi, Löwenzahn & Co. in der Prä-KiKA-Ära ein zweites Zuhause fanden – Bild: 3sat/Studio 100/ZDF/ WDR/Trickstudio Lutterbeck/hr media/Universum/Jim Henson

Am 1. Dezember 1984 um 18:00 Uhr nahm der Fernsehsender 3sat seinen Sendebetrieb über den Satelliten Eutelsat I-F1 auf. Das Gemeinschaftsprogramm des ZDF, ORF und der SRG sollte Zuschauerinnen und Zuschauer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem umfangreichen kulturellen Angebot versorgen. Ab dem 1. Dezember 1993 gesellte sich schließlich noch die ARD hinzu. 40 Jahre liegt der Sendestart des ersten länderübergreifenden deutschsprachigen Kulturkanals mittlerweile zurück. In den ersten 3sat-Sendejahren bis einschließlich 1996 waren auch zeitlich begrenzte Sendestrecken für Kinder ein regelmäßiger Bestandteil des Programmangebots, an die mit diesem Beitrag erinnert werden soll.

Zugegeben: Nur die wenigsten Zuschauer:innen dürften 3sat heute noch mit dem Kinderprogrammangebot in Verbindung bringen, das bis zum Sendestart des von ARD und ZDF gestarteten Kinderkanals KiKA im Jahr 1997 für die Jüngsten aus den Programmen der Mitgliedssender zusammengestellt wurde. Heutzutage verbindet man mit 3sat eher zahlreiche etablierte Programmarken aus den Bereichen Kultur und Wissenschaft wie „3satFestival“, „Kulturzeit“, „NANO“, „Pop Around the Clock“, „scobel“ oder „Wissen hoch 2“.

Für mich als Liebhaber klassischer Inhalte des öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehens sind der runde Geburtstag des Senders und die aktuelle Debatte um dessen ungewisse Zukunft (fernsehserien.de berichtete) jedoch ein Anlass, um auf die Zeit zurückzublicken, in der ich als junger Zuschauer auf 3sat aufmerksam wurde. Mit 3sat verbinde ich tatsächlich viele schöne Fernseherinnerungen meiner Kindheit in den frühen 90er Jahren. In Erinnerung geblieben sind mir aus dieser Zeit neben den verschiedenen Kindersendungen die Programmansagerinnen Ingrid Erkyn, Gunhild Meyer-Kirschner und Dhana Moray (zuvor Teil des Moderationsteams von „Sonntags Nach-Tisch“), die einzelne Beiträge für Kinder ankündigten.

Gunhild Meyer-Kirschner 1992 im 3sat-Studio 3sat

Doch auch eine mentale Reise in die Jahre davor ist aufschlussreich, um rückblickend zu verstehen, wie damals alles begann. Hierzu durchforstete ich stichprobenartig das in der Programmpresse angekündigte 3sat-Programm der Jahre 1984 bis 1996. Demnach lassen sich vier grobe Entwicklungsphasen des 3sat-Kinderprogrammangebots ausmachen und wie folgt skizzieren:

Phase 1: 01.12.1984 – 27.09.1987

Mit einer Inszenierung von „Der Verschwender“, einem Original-Zaubermärchen von Ferdinand Raimund, zeigte 3sat bereits in seinen ersten Programmstunden am Abend des 1. Dezember 1984 ein kulturelles Angebot, das neben Erwachsenen auch Kinder ansprechen sollte. Der eigentliche Start des regulären Kinderprogramms erfolgte jedoch erst am Montag, den 3. Dezember um 18:00 Uhr mit wöchentlichen Wiederholungen von „Löwenzahn“ und „3–2–1 Kompass“. Die Sendestrecke zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr vor der „heute“-Sendung, die damals wie heute vom ZDF übernommen wurde, war anfangs von montags bis mittwochs – später an zusätzlichen Wochentagen – die Zeit, um (auch) Kinder und Jugendliche mit ausgewählten Formaten der Muttersender zu erreichen. Darunter befanden sich ZDF-Kinderprogrammklassiker wie „Neues aus Uhlenbusch“, „Merlin“ und „Das kalte Herz“, die teilweise heute noch recht bekannt sind und bereits auf DVD ausgewertet wurden. Aber ebenso eher in Vergessenheit geratene Jugendformate der 70er Jahre mit Bildungsanspruch wurden von 3sat wiederholt, darunter „Der Sklave Calvisius“, „Schulbus 13“, „Galerie für Kinder“, eine Reihe über Künstler und ihre Arbeitsweise oder „Aktion Grün“, eine ZDF-Jugendserie aus den 70ern über Umweltprobleme.

Nicht nur im ZDF, sondern auch bei 3sat war „Löwenzahn“ mit Peter Lustig bis Ende 1996 ein regelmäßiger Bestandteil des Kinderprogramms. ZDF

Ab 1986 übernahm 3sat das ORF-Format „Mini ZiB“, ein auf Kinder ausgerichtetes Spin-Off der Nachrichtensendung „ZIB – Zeit im Bild“, quasi das österreichische Pendant zur ZDF-Sendung „logo!“. Ab sofort wurde die werktägliche Programmschiene um 18:00 Uhr von einer zehnminütigen „Mini ZiB“-Ausgabe eingeläutet (in der Regel auch samstags). Im Anschluss folgten an vielen Programmtagen entweder eine fiktionale Kinderserie (z. B. „Ravioli“), ein Jugendmagazin (z. B. „Computer-Corner“, „Okay“, „tele zoo“) oder ein familienfreundliches Unterhaltungsformat wie „Na sowas!“. Zunehmend wurde der Sendeplatz ab 18:10 Uhr jedoch mit Formaten gefüllt, die für Kinder eher uninteressant gewesen sein dürften (u. a. „Bilder aus Deutschland“, „Bilder aus der Schweiz“ und „sport zeit“). Dafür liefen nun sonntags ab 18:00 Uhr halbstündige ZDF-Klassiker, zunächst weitere Folgen von „Neues aus Uhlenbusch“, dann ausgewählte Episoden der Vorschulreihe „Rappelkiste“ mit Ratz und Rübe und schließlich die wegen ihres düsteren Charakters umstrittene Reihe „Anderland“, in der Kinder innere Konflikte und Ängste in einer Traumwelt verarbeiteten.

Phase 2: 28.09.1987 – 30.11.1993

Ab Herbst 1987 sendete 3sat bereits ab 17:25 Uhr (bzw. 17:20 Uhr), sodass die 35 bis 40 Minuten der verfügbaren Sendezeit vor 18:00 Uhr vollständig für die Platzierung von Kinderprogramm genutzt werden konnten. (Im Gegenzug verzichtete man nun in der Regel ab 18:00 Uhr auf Kinder- und Jugendsendungen.) Ab 1992 wurde diese Sendestrecke auf 17:00 Uhr vorverlegt. 3sat hatte seine Gesamtsendezeit inzwischen deutlich ausgeweitet. Die Grundstruktur des Kinderprogrammangebots blieb jedoch bis Ende November 1993 weitestgehend gleich. Die zehnminütige „Mini ZiB“-Ausgabe machte montags bis freitags (zunächst noch zusätzlich am Wochenende) hierbei weiterhin den Auftakt.

Im Anschluss lief montags, mittwochs und freitags (ab 1993 nur noch montags und freitags) die Wiederholung einer beliebten Kinderserie aus den Hauptprogrammen. Vor allem die im Auftrag des ZDF und ORF produzierten japanischen Zeichentrickserien boten sich wegen der relativ hohen Folgenanzahl geradezu für eine dreimalige Ausstrahlung pro Woche an. Und so, wie seinerzeit viele bekannte ARD-Formate für Kinder in den Dritten Programmen ein weiteres Mal zu sehen waren, fanden folgende Kinderprogrammklassiker durch die Kooperation der Gemeinschaftssender bei 3sat ein zweites Zuhause:

Mit dieser Programmschiene, die als Kind auf mich die meiste Anziehungskraft vom 3sat-Angebot für Kinder ausübte, kam ich – wie ich erst Jahre später im Nachhinein herausfand – bereits während eines Sommerurlaubs 1989 in Kärnten in Berührung, wo 3sat-Empfang glücklicherweise möglich war. Zu diesem Zeitpunkt wurden gerade einige „Heidi“-Folgen wiederholt, die meine Eltern bei der ZDF-Ausstrahlung 1987/​88 nicht auf VHS aufgezeichnet hatten und die ich daher noch nicht kannte. Vor dem gemeinsamen Abendessen mit der Familie konnte ich sie nun endlich sehen, was für mich eine echte Bereicherung des Urlaubs war.

3sat half mir auch in den Jahren 1992 und 1993 mit der Wiederholung aller 104 „Biene Maja“-Folgen aus der Klemme. Mit großer Begeisterung hatte ich 1991 die damalige ZDF-Ausstrahlung verfolgt und (zum großen Teil) auf VHS festgehalten. Doch das ZDF hatte einige Folgen nur gekürzt gezeigt und die Serie nach der Folge 66 „Puck und Freda“ zugunsten von „Benjamin Blümchen“ aus dem Programm genommen. Obwohl ich diese modernere Zeichentrickserie ebenfalls mochte und gerne sah, war die Freude deutlich größer, als ich im Juni 1992 von der „Biene Maja“-Wiederholung im 3sat-Programm erfuhr. Dass die Serie wieder von vorne begann und ich die meisten Folgen bereits kannte und sogar teilweise schon mitsprechen konnte, störte mich keineswegs. Die erneute 3sat-Ausstrahlung bot mir eine neue Chance, endlich alle Folgen ungekürzt und in korrekter Reihenfolge zu archivieren. Fast wäre es mir damals tatsächlich gelungen, wenn die Folge 81 „Willi in Gefangenschaft“ am 30.12.1992 nicht schon um 15:10 Uhr statt wie üblich um 17:10 Uhr gesendet worden wäre, was mir damals leider zu spät auffiel. Aber ansonsten war auf 3sat Verlass, insbesondere darauf, dass sämtliche Folgen in ungekürzter Form zu sehen waren.

Auch dienstags und donnerstags (sowie anfangs samstags und sonntags) bot 3sat im Anschluss an „Mini ZiB“ in dieser Phase zuweilen interessante und kindgerechte Formate an, die meistens vom ZDF kamen und im wöchentlichen Rhythmus gezeigt wurden, darunter Wiederholungen von den eigenproduzierten ZDF-Reihen „Rappelkiste“, „Löwenzahn“, „Siebenstein“, „Mittendrin“ mit Peter Lustig, „Bettkantengeschichten“, „Hals über Kopf“, „Morgen schon“ und „Moritzgeschichten“. Astrid-Lindgren-Serien wie „Ferien auf der Kräheninsel“, „Madita“, „Michel aus Lönneberga“ (für den ab 1993 der Mittwoch freigeräumt wurde) und die „Pippi Langstrumpf“-Spielfilme fanden ebenfalls Einzug ins 3sat-Kinderprogramm. Ferner steuerte der kurzfristig hinzugekommene DFF 1991 mit „Clown Ferdinand“ und „Brummkreisel“ Formate des ehemaligen DDR-Fernsehens zum Angebot bei.

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