40 Jahre 3sat: Ein persönlicher Rückblick auf das ehemalige Kinderprogramm des Kultursenders

Wie Wickie, Biene Maja, Heidi, Löwenzahn & Co. in der Prä-KiKA-Ära ein zweites Zuhause fanden

Florian Gessner
Florian Gessner – 07.12.2024, 11:00 Uhr

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40 Jahre 3sat: Ein persönlicher Rückblick auf das ehemalige Kinderprogramm des Kultursenders – Wie Wickie, Biene Maja, Heidi, Löwenzahn & Co. in der Prä-KiKA-Ära ein zweites Zuhause fanden – Bild: 3sat/Studio 100/ZDF/ WDR/Trickstudio Lutterbeck/hr media/Universum/Jim Henson

Phase 3: 01.12.1993 – 30.09.1995

Mit dem Beitritt der ARD, die ihren Kultursender 1Plus zum 30. November 1993 eingestellt hatte, änderte sich die Struktur des 3sat-Kinderprogramms grundlegend. Erneut wurde die Sendestrecke vorverlegt, dafür aber verlängert. Das Angebot gewann deutlich an Vielfalt, da nun etliche bekannte ARD-Kinderhelden hinzukamen und ihren Einstand bei 3sat feierten. Bemerkenswerterweise gehörten „Meister Eder und sein Pumuckl“, die „Sesamstraße“ und „Hallo Spencer“ nicht dazu. Möglicherweise gab es hier Schwierigkeiten, die länderübergreifenden Ausstrahlungsrechte zu organisieren.

Fortan liefen in der Regel von montags bis freitags jeweils zwei etwa halbstündige Kinderreihen zwischen 16:05 Uhr und 17:00 Uhr. Manche Rundfunkanstalten hatten sogar einen festen Sendeplatz (wie z. B. donnerstags um 16:05 Uhr für Beiträge des Hessischen Rundfunks). Die jeweils aktuelle „Mini ZiB“-Ausgabe behielt ihren Platz um 17:00 Uhr, bildete jedoch nun den Abschluss der Sendestrecke. Die 55 Minuten davor wurden nach folgendem Sendeschema gefüllt:

Um 18:53 Uhr rundete „Unser Sandmännchen“ das Kinderprogramm ab, allerdings nur montags bis freitags. Während 1Plus bis Ende November 1993 noch Wiederholungen des eigentlich schon eingestellten westdeutschen „Sandmännchens“ gezeigt hatte, war für 3sat nun der bis heute bildschirmpräsente Bruder aus dem Osten im Einsatz.

Klassiker der Augsburger Puppenkiste: „Urmel aus dem Eis“ hr

Die Neustrukturierung des 3sat-Kinderprogramms führte letztlich dazu, dass ich auf Programmklassiker wie „Luzie, der Schrecken der Straße“ aufmerksam wurde, die ich vorher noch nicht kannte. Bei den gezeigten Folgen der „Sendung mit der Maus“ handelte es sich zumindest bis ins Jahr 1994 hinein nicht etwa um Wiederholungen der jeweils aktuellen Ausgabe vom Sonntag, sondern um Folgen, die etwa zwei bis drei Jahre alt waren. Ferner waren mit „Bill Bo und seine Kumpane“ und „Drachen hat nicht jeder“ Stücke der Augsburger Puppenkiste im Angebot, die mir damals noch in meiner Sammlung fehlten. ORF-Beiträge wie die durchaus spannend gestaltete Krimi-Rätselshow „Die heiße Spur“ hätte ich ohne 3sat als Kind wahrscheinlich nicht kennengelernt. Zudem liefen glücklicherweise nach wie vor alle Sendungen mit Original-Abspann und in der Regel ungekürzt, was ganz in meinem Sinne war.

Kurzum: 3sat bot mir damals zwar nicht alles, aber doch recht viel, was ich mir als Kind wünschte und meinen persönlichen Geschmack traf. Vor allem war es damals für mich unglaublich spannend, die Kinderhelden mehrerer Anstalten auf einem TV-Sender vereint zu sehen. Man bekam auf diese Weise einen ersten Eindruck, was ARD und ZDF später mit dem gemeinsam gegründeten Kinderkanal KiKA realisieren sollten.

Phase 4: 01.10.1995 – 27.12.1996

Ab Oktober wurde das 3sat-Programm für die Jüngsten ein weiteres und letztes Mal reformiert. Die Sendestrecken wurden dabei deutlich ausgeweitet und das Angebot für Kinder somit noch einmal umfangreicher. Montags bis freitags konnten Kinder von 7:05 Uhr bis 8:00 Uhr, von 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr und von 18:15 Uhr bis 19:00 Uhr ihre Lieblinge aus den Mitgliedssendern sehen. (Bei den um 12:30 Uhr gezeigten Sendungen handelte es sich allerdings teilweise um zeitversetzte Ausstrahlungen der 7.05-Uhr-Schiene.) Sonntags gegen 16:35 Uhr liefen nun Jugendserien im 50-Minuten-Format, darunter die ZDF-Weihnachtsserien „Patrik Pacard“, „Ron und Tanja“ und „Clara“.

Die Zeichentrickklassiker „Pinocchio“, „Alice im Wunderland“, „Die Biene Maja“ und „Heidi“ wurden durch werktägliche Ausstrahlungen auf dem frühen Sendeplatz um 7:05 Uhr in einem für damalige Verhältnisse sehr kurzen Zeitraum ein weiteres Mal komplett wiederholt. In einer Zeit ohne DVD-Boxen und Streaming-Plattformen waren dies aus Sicht eines leidenschaftlichen Archivars traumhafte Zustände. „Mini ZiB“ wechselte auf den neuen 18.15-Uhr-Sendplatz. Im Anschluss folgten aktuellere Realserien wie „Achtung: Streng geheim!“, „Karfunkel“, „Ebba und Didrik“ und gegen Ende 1996 die damals noch recht neue Produktion „Die Rückkehr der Märchenbraut“ als Fortsetzung zu der ebenfalls im 3sat-Programm gezeigten klassischen „Die Märchenbraut“. Anschließend verabschiedete wie gewohnt um 18:53 Uhr „Unser Sandmännchen“ die jungen Zuschauer, jedoch nur noch bis kurz vor Weihnachten.

Zum Ende des Jahres 1996 stellte 3sat sein reguläres Kinderprogramm ein. Ein letztes Mal ging das 3sat-Frühprogramm für Kinder am 27.12.1996 mit je einer Folge der Zeichentrickserie „Mumins“ und der Reihe „Löwenzahn“ auf Sendung. Die mittägliche Sendeschiene war bereits anderen Formaten gewichen. Mit dem Kinderkanal von ARD und ZDF, der 1997 starten und sozusagen das bei 3sat erprobte Konzept in größerem Umfang fortsetzen sollte (allerdings ohne die ORF-Beiträge), begann eine neue Ära des öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehens.

Persönliche Gesamtbewertung und Ausblick

Rückblickend sind für mich mit dem damaligen 3sat-Kinderprogramm fast ausschließlich positive Emotionen und Erinnerungen verbunden. Der Sendezeitumfang war zwar für heutige Verhältnisse eher begrenzt, aber das Angebot ab Ende 1993 dennoch recht vielfältig. Ich erlebte es wie eine eigene kleine bunte, aber dennoch übersichtliche Phantasiewelt, auf die ich zwar nicht beschränkt sein wollte, aber in der ich mich stets gut aufgehoben fühlte. Dass viele der gezeigten Sendungen schon damals nicht mehr als modern galten, spielte für mich keine Rolle. Eher weckten gerade die älteren (meistens etwas ruhigeren) Serien bei mir noch etwas mehr Faszination als die neueren Produktionen.

Der Wechsel von 1996 zu 1997 markierte für mich auch den ungefähren Übergang von der Kindheit ins Jugendalter, wobei ich dem (klassischen) Kinderfernsehen als Teenager weiterhin treu blieb und mich in dieser Hinsicht wohl von den meisten meiner Altersgenossen unterschied. 3sat sollte sich allerdings fortan nahezu ganz auf das erwachsene Publikum konzentrieren. Doch an Thementagen oder zu besonderen Anlässen zeigt der Kultursender nach wie vor diverse Kinder- und Märchenfilme oder kultige Kindersendungen für junggebliebene Erwachsene wie beispielsweise Ende 2022 den Kult-Marathon der Augsburger Puppenkiste (fernsehserien.de berichtete).

Ein bisschen „Kindheit“ hat sich der Sender also bis heute erhalten können. Ob dies angesichts der aktuellen Debatte, 3sat mit arte zu fusionieren, so bleiben wird? Ich hätte nichts dagegen und wünsche dem Team von 3sat zum 40-jährigen Senderjubiläum hiermit alles erdenklich Gute für die Zukunft! Herzlichen Glückwunsch!

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Über den Autor

Florian Gessner ist Jahrgang 1984 und seit frühester Kindheit fasziniert von märchenhaften und phantasievollen Geschichten. Dies spiegelt sich auch in seiner großen Vorliebe für Klassiker des Kinderfernsehens wie „Biene Maja“, „Heidi“, „Tao Tao“, die Stücke der Augsburger Puppenkiste und die Astrid-Lindgren-Verfilmungen wider. Schon als Kind archivierte er seine Lieblingsserien mit einer akribischen Sammelleidenschaft und liebte es bereits damals, die geschnittenen und zum Teil neu abgemischten Hörspielfassungen mit den TV-Tonspuren zu vergleichen. Seitdem er mit dem Zugang zum Internet in den frühen 2000er Jahren die Portale wunschliste.de und fernsehserien.de entdeckt hat, unterstützt er sie regelmäßig – besonders gerne mit Daten aus der Vergangenheit, in den Jahren 2007 und 2008 auch mit drei kurzen Newsbeiträgen. Im Laufe der Zeit sammelte er dabei ein großes Wissen über die Geschichte des deutschen Kinderfernsehens an, ist jedoch auch gegenüber anderen TV-Genres aufgeschlossen. So interessiert er sich unter anderem für Mysteryserien und Retro-Gameshows, aber auch für Sendungen über gesellschaftskritische und wissenschaftliche Themen aller Art. Im Rahmen seines Studiums der Kom­mu­ni­ka­tions­wis­sen­schaft war er kurzzeitig als Praktikant für die Firma tätig. Für seine Masterarbeit führte er eine 19 Jahre umfassende Längsschnittanalyse der Programmprofile von KiKA und Super RTL durch. Mit seinem eigenen kleinen Hörspielverlag, der 2019 offiziell startete, setzt er nebenberuflich ein Projekt um, das ihm sehr am Herzen liegt. Seit 2024 ist er freiberuflich für wunschliste.de und fernsehserien.de tätig und schreibt seitdem auch wieder Artikel zur Ergänzung und Verstärkung der Newsredaktion.

Lieblingsserien: Ich heirate eine Familie …, Puschel, das Eichhorn, Twilight Zone – Unwahrscheinliche Geschichten

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1981) am

    Ein schöner Rückblick auf die anfängliche Zeit von 3sat, die ich kaum kannte, da nur meine Omas, Onkels & Freunde in der Nachbarschaft eine Satellitenschüssel hatten - zuhause bekamen wir erst 1996 eine.
    So habe ich 3sat wenn dann nur an Wochenenden gesehen und dann auch eigentlich auch nur die Deutsche Tourenwagen Meisterschaft zu ihrer Hochzeit, denn 3sat zeigte diese komplett inkl. der Qualifyings am Samstag.
    Herrr Gessner hat nicht zufällig "Die Oase" (https://www.wunschliste.de/serie/die-oase) in seinem Archiv? ;-)
    • (geb. 1967) am

      Vielen Dank für diese Nostalgische Reise in die 80er und 90er Jahre. Bin in echte Nostalgischen Gefühle eingetaucht als ich diesen Bericht gelesen habe und da fühlte ich mich wieder als Glückliches Kind ohne Sorgen und Nöten. 🙈😍

      Ich meinte mich zu Erinnern dass 3Sat im Jahr 1988-1989 auch "Die Schlümpfe" mal wiederholt hatte, bevor sie im September 1989 bei TELE 5 in neuer Synchronisation ein neues Zuhause fanden. 🙈😍
      • am

        Hallo. Nein, Die Schlümpfe liefen bis dato nur im ZDF und dann Tele 5.
      • (geb. 1967) am

        Okay dann hat mich meine Erinnerung getäuscht. War zu dieser Zeit erst 3-4 Jahre Alt und da kann man schon etwas durcheinander bringen.
    • am via tvforen.de

      Nicht nur das Kinderprogramm hatte dort seinen Platz. Auch alte Unterhaltungssendungen waren dort beheimatet. Leider hat sich das 3sat-Programm in den letzten 25 Jahren drastisch verschlechtert.
      • am via tvforen.de

        Hitparadenfan schrieb:
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        > Nicht nur das Kinderprogramm hatte dort seinen
        > Platz. Auch alte Unterhaltungssendungen waren dort
        > beheimatet. Leider hat sich das 3sat-Programm in
        > den letzten 25 Jahren drastisch verschlechtert.

        1997 startete der "Kinderkanal", da ist es verständlich, dass 3Sat nicht auch ein Kinderprogramm anbieten musste. Theater und Musiksendungen gingen 1999 zum Theaterkanal. Diesen gibt es leider nicht mehr, so dass die großen Verlierer die Theater- und Musikfreunde sind.
    • am

      Ich hab mir damals wohl eine der größten VHS-Sammlungen von Sendungen der Augsburger Puppenkiste angelegt und fleissig über das noch junge Internet getauscht. Mit der Digitalisierung des Fernsehens über DVB-S und der Veröffentlichung von so ziemlich aller AuPu-Produktionen begann die Entwertung ...bis auf einige wenige Jubiläumsspecials aus dieser Zeit, die nie wieder den vollständigen Weg aus den Archiven fanden.
      • am

        Ich, Jahrgang 1980, erinnere mich bestens an Phase 2. Angefangen mit "Wickie", dann aber bis Sommer 1990 "Alice im Wunderland". "Wickie" sah ich sogar erstmals im 3Sat. Die anderen schon in den 80ern zuvor im ZDF.
        Tolle Zeit für mich. Im ZDF gab es weiter Tom & Jerry, Mein Name ist Hase, ARD mit Die Gummibärenbande und DuckTales, Tele 5 mit Saber Rider, Schlümpfe und He-Man oder Transformers, M.A.S.K. auf RTL.
        • am

          Sehr gute Zeitreise.

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