Das Fernsehjahr 2016 im Rückblick – Teil 1

Die deutschen TV-Ereignisse des Jahres – von Glenn Riedmeier

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2016, 09:00 Uhr

Buchstabenfee Isabel Edvardsson und Moderator Jan HahnRTLplus/​Frank W. Hempel
Aus irgendeinem Grund wurde 2016 zum Jahr der Retro-Welle. Angefangen hat alles mit dem neu gegründeten Sender RTLplus, der sich gezielt an die älteren Zuschauer richtet und „Gutes von früher“ präsentieren will. In diesem Zusammenhang kam es zum Comeback der vier Gameshow-Klassiker „Jeopardy!“, „familien duell“, „Ruck Zuck“ und „Glücksrad“ – allesamt aufgepimpt mit knalligen Farben und neuen Moderatoren. Während sich Oliver Geissen als Glücksgriff für „Ruck Zuck“ erwies, entpuppte sich der nervöse, roboterartige Jan Hahn als komplette Fehlbesetzung fürs „Glücksrad“. Dennoch holten alle vier Gameshows erfreuliche Quoten für den kleinen Sender und werden 2017 fortgesetzt.

Sat.1 Gold zog im Oktober nach und brachte das „Herzblatt“ unter dem neuen Titel „Herz sucht Liebe“ zurück. Thomas Ohrner übernahm die Moderation der Neuauflage, während die erotische Off-Stimme von früher, Susi Müller, erneut mit an Bord war. Allzu gelungen war das Comeback jedoch weder inhaltlich noch aus Quotensicht. Einen Tag vor Silvester bringt RTL Nitro nun auch noch die Erotik-Gameshow „Tutti Frutti“ zurück, die Anfang der 1990er für Aufregung sorgte. Ob es diese Neuauflage mit Jörg Draeger, der in die Fußstapfen von Hugo Egon Balder tritt, wirklich braucht und ob die Show noch zeitgemäß ist, sei mal dahingestellt. 2017 geht es jedenfalls munter weiter mit dem Retro-Trend. Schon für Anfang Januar hat RTL Nitro das Comeback der 1980er-Jahre-Musikclipsendung „Ronny’s Pop Show“ angekündigt – diesmal allerdings nicht mit einem echten Schimpansen, sondern einer Puppe, die von Martin Reinl („Zimmer frei!“) gesprochen wird. Man darf gespannt sein, welche längst eingestellten Formate demnächst noch eine unverhoffte Wiedergeburt erleben werden.

Amazon Prime und Netflix produzieren erste deutsche Serien
© 2016 Amazon Studios
Galten deutsche Serien viele Jahre als rückständig und kaum vergleichbar mit dem internationalen Standard, hat sich in letzter Zeit eine Trendwende abgezeichnet. Mit Erfolgen und Kritikerlieblingen wie „Club der roten Bänder“, „Deutschland 83“ und „Weinberg“ können sich VOX, RTL und TNT Serie schmücken. ZDFneo legte mit der ersten eigenproduzierten Dramaserie „Tempel“ nach. Während aus dem Hause ProSiebenSat.1 in dieser Richtung auffallend wenig geschieht, nehmen sich die allgegenwärtigen Streaming-Dienste Amazon Prime und Netflix der Aufgabe an. Anfang 2017 soll die erste deutsche Amazon-Serie „You are Wanted“ an den Start gehen. Neben Hauptdarsteller Matthias Schweighöfer, der die Serie auch produziert und inszeniert, sind namhafte Schauspieler wie Alexandra Maria Lara, Karoline Herfurth und Tom Beck im Cast. Schweighöfer spielt den Projektmanager eines Kongresszentrums in Berlin. Der wird Opfer eines mysteriösen Hackerangriffs, der seinen beruflichen Erfolg und sein privates Glück in Gefahr bringt. Im gleichen Jahr soll auch die erste deutsche Netflix-Serie „Dark“ veröffentlicht werden. Vier Familien in einer durchschnittlichen deutschen Kleinstadt stehen im Zentrum der übernatürlichen Familiensaga. Das mysteriöse Verschwinden zweier Kinder sorgt dafür, dass der Schein von einer heilen Welt zerbricht und die dunklen Geheimnisse der Familien ans Licht kommen.

Quiz und Kinder gehen immer
„Quizduell“ mit Jörg PilawaARD/​Uwe Ernst
Im Unterhaltungsbereich gab es vor allem zwei Trends, die sich bereits in den Vorjahren abgezeichnet hatten und 2016 ihren vorläufigen Höhepunkt fanden. Einerseits wird so viel gequizzt wie selten zuvor. Vor allem im Ersten fahren Vorabendshows wie „Wer weiß denn sowas?“, „Quizduell“ und „Gefragt – Gejagt“ regelmäßig Topquoten ein. Dazu gesellen sich Primetime-Quizshows wie „Spiel für dein Land“ und „Hirschhausens Quiz des Menschen“. Im ZDF sucht Johannes B. Kerner mehrmals pro Jahr den „Quiz-Champion“, während RTL zusätzlich zum Dauerbrenner „Wer wird Millionär?“ in diesem Jahr das neue Format „500 – Die Quiz-Arena“ gestartet hat.

Andererseits spielen immer mehr Kinder die Hauptrolle in Showformaten. Das Erste hat es mit „Frag doch mal die Maus“ und „Klein gegen Groß“ vorgemacht, das ZDF zog mit „Das Spiel beginnt!“ und zuletzt „4 geben alles!“ nach. Auch Castingshows haben es auf kleine Talente abgesehen. Nach „The Voice Kids“ versuchte Sat.1 sein Glück mit „Got to Dance Kids“ und „Superkids“, was allerdings nur mäßig funktioniert hat. Besser machen soll es 2017 Thomas Gottschalk, der die deutsche Version von „Little Big Shots“ präsentieren wird – eine Mischung aus „Kinderquatsch mit Michael“ und „Das Supertalent“, die in den USA zu den größten Überraschungserfolgen des Jahres 2016 zählt.

Fake-Polizisten, wohin das Auge reicht
„Sterne von Berlin – Die jungen Polizisten“ bei RTL IIRTL II/​Claudius Pflug
Am Nachmittagsprogramm der Privatsender lassen sich oftmals nicht nachvollziehbare Trends beobachten. Waren es in den 1990er Jahren die Talkshows und in den 2000er die Gerichtsshows, sind es seit einigen Jahren Scripted-Reality-Formate mit hanebüchenen Storys und dilettantischen Laiendarstellern. Zunächst zeigten RTL und Co. in Sendungen wie „Familien im Brennpunkt“ bzw. „Pures Leben – Mitten in Deutschland“ die soziale Unterschicht. Diese frei erfundenen Alltagsgeschichten wichen inzwischen den ebenso frei erfundenen Einsätzen von Fake-Polizisten. Bei RTL ist es „Der Blaulicht Report“, bei Sat.1 „Auf Streife“ und bei RTL II gehen „Die Straßencops“ auf Verbrecherjagd. Mehrere Programmstunden pro Tag werden mit diesen Scripted-Realitys und ihren Ablegern bestückt. Im Vergleich dazu wirkt das Nachmittagsprogramm von ARD und ZDF mit „Sturm der Liebe“ und „Bares für Rares“ Oscar-würdig.

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