Das Fernsehjahr 2016 im Rückblick – Teil 1

Die deutschen TV-Ereignisse des Jahres – von Glenn Riedmeier

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2016, 09:00 Uhr


Das Jahr 2016 ist fast Geschichte. Zeit für den traditionellen Jahresrückblick auf die wichtigsten Ereignisse und Themen in der TV-Welt. Wir lassen die vergangenen zwölf Monate in zwei Teilen Revue passieren. Los geht es mit dem nationalen Rückblick: Welche Nachrichten haben die deutsche Fernsehlandschaft geprägt und welche Flops haben die meisten Zuschauer inzwischen schon wieder verdrängt? Und welche Themen interessierten die Nutzer von fernsehserien.de in den vergangenen zwölf Monaten am meisten? Ein Blick zurück auf die wichtigsten Ereignisse des TV-Jahres geordnet nach Themengebieten.

TV-Mann des Jahres: Jan Böhmermann

Jan Böhmermann sorgte 2016 für SchlagzeilenZDF/​Ben Knabe

Schmähgedicht
Jan Böhmermann war 2016 aus mehreren Anlässen in aller Munde. Der Satiriker, der mit seiner Show „Neo Magazin Royale“ normalerweise vor einem überschaubaren Nischenpublikum im Spartenkanal ZDFneo sendet, war 2016 Mittelpunkt einer regelrechten Staatsaffäre zwischen Deutschland und der Türkei. Mit seinem „Schmähgedicht“ wollte Böhmermann dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik demonstrieren und wies darauf hin, dass Letzteres in Deutschland verboten sei. Es folgte eine Aneinanderreihung von übelsten Beleidigungen. Daraufhin erstattete Erdogan Anzeige und berief sich nicht nur auf den üblichen Beleidigungsparagrafen 185, sondern insbesondere auf den umstrittenen Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe stellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte der Strafverfolgung zu, kündigte aber im gleichen Atemzug an, dass die Koalition noch in dieser Wahlperiode ein Gesetz zur Abschaffung verabschieden wird, da der Paragraf „für die Zukunft entbehrlich“ sei. Das neue Gesetz soll 2018 in Kraft treten.

Böhmermann war plötzlich Thema Nr. 1 und Deutschland führte wieder einmal eine Diskussion über die Freiheit und Grenzen von Satire. Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den Moderator im Oktober eingestellt, da „strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“ waren. Davon unberührt geblieben ist jedoch Erdogans „private“ zivilrechtliche Klage unter Berufung auf den „Beleidungsparagrafen“ 185, da sich Erdogan durch den Beitrag von Böhmermann in seiner Ehre verletzt sah. Das Hamburger Landgericht hat die Entscheidung über das Verfahren auf 2017 verschoben.

#verafake
Jan Böhmermann entlarvt „Schwiegertochter gesucht“ZDFneo/​Screenshot
Doch nicht nur mit dem Schmähgedicht sorgte Jan Böhmermann für Aufsehen, sondern auch mit dem sogenannten #verafake. Dem Satiriker und seinem Team war es gelungen, zwei Schauspieler in die umstrittene RTL-Kuppelshow „Schwiegertochter gesucht“ einzuschleusen und so die fragwürdigen Praktiken des Senders und der Produktionsfirma Warner aufzudecken und anzuprangern. Mithilfe von versteckten Kameras kamen sämtliche Abgründe der Produktionsarbeit ans Tageslicht, die zwar gemeinhin als offenes Geheimnis gelten, jedoch noch einmal eine völlig neue Dimension der Dreistigkeit offenbarten. Die gesamte Tragweite hinsichtlich des gewissenlosen Umgangs mit den Kandidaten, der gezielten Manipulation sowie der schier endlosen Gier nach Aufmerksamkeit, wurde auf diese Weise aus erster Hand und absolut ungeschönt dokumentiert.

Bedauerlicherweise hatte dies keine weitreichenden Konsequenzen für Sender und Produktionsfirma. Die für RTL zuständige Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) lehnte ein offizielles Prüfverfahren ab. Stattdessen habe man sich mit dem Sender auf neue Regeln geeinigt, was die Auswahl und Präsentation der Teilnehmer betrifft. So soll künftig verhindert werden, dass Kandidaten mit geistiger Beeinträchtigung von den Machern vorgeführt werden. Die Landesmedienanstalt wendet sich in dem Report mit einem abschließenden Appell auch an die Zuschauer: „Neben der Verantwortung der Medienschaffenden ist auch an die Verantwortung der Mediennutzenden zu appellieren: Es wird nur das produziert, was die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen wollen.“ So wahr dies auch sein mag: Der Report zeigte letztendlich, dass die Aufsichtsbehörde anscheinend über keine wirkungsvolleren Mittel verfügt, um den von RTL und Warner demonstrierten Praktiken ein für alle mal einen Riegel vorzuschieben.

weiter

weitere Meldungen