Monotonie und wenige Perlen: Der Zustand der TV-Unterhaltung 2025
Günther Jauch präsentiert seit 26 Jahren „Wer wird Millionär?“ RTL/Stefan Gregorowius
Ganz abgesehen von Stefan Raab sind in der deutschen Show-Landschaft innovative Ideen schon seit einigen Jahren Mangelware. Zu groß ist die Angst vor einem potenziellen Misserfolg. Daher gehen die Sender überwiegend auf Nummer sicher und zeigen vorwiegend lieber jahrzehntealte Unterhaltungsformate, auch wenn diese ihren Zenit größtenteils schon überschritten haben. Hinzu kommt die allgemeine Flaute auf dem Werbemarkt und der daraus resultierende Sparkurs. In Zeiten der fortschreitenden Fragmentierung des TV-Marktes und der kontinuierlichen Abwanderung der Zuschauer zu Streamingdiensten ist die Angst vor Flops bei den Sendern größer denn je. Wenn tatsächlich mal ein neues Format an den Start gebracht wird, handelt es sich deshalb in den meisten Fällen um ein kostengünstiges Produkt – allen voran: Quizshow.
Eine andere Entwicklung, die sich in diesem Jahr im Bereich Unterhaltung beobachten ließ, ist das Scheitern zahlreicher Formate, die die Zuschauer zum Lachen bringen wollten. Der Fokus in den medialen Schlagzeilen lag hier sehr auf Stefan Raab, doch in Wahrheit gingen zahlreiche weitere Comedyshows völlig unter – und das senderübergreifend. Während die reguläre Ausgabe von „TV total“ mit Sebastian Pufpaff für ProSieben eine sichere Bank ist, scheiterten sämtliche Versuche, abseits davon weitere Spin-offs zu etablieren, die zeitweise zusätzlich liefen. Doch weder „TV total – Aber mit Gast“ noch der „TV total Stand-up Club“ oder zuletzt „TV total – Interaktiv“ konnten punkten und blieben weit hinter den Quoten der regulären Ausgabe zurück. Auch das im Januar gezeigte „TV total Promi Wrestling“ konnte nicht überzeugen. Ganz offensichtlich bevorzugen „TV total“-Fans eindeutig die ganz normale Sendung.
„Fake News“ mit Linda Zervakis und Benni Stark ProSieben/Steffen Z Wolff
Auch die diversen Comedy-Formate, die ProSieben dienstags im Anschluss an „TV total“ zeigte, konnten kaum überzeugen. Weder der „Quatsch Comedy Show“ noch der KI-Comedy „Fake News“ mit Linda Zervakis gelang es, langfristig gute Quoten zu erzielen. Zu allem Überfluss gingen auch die Quoten von „Bratwurst & Baklava – Die Show“, die 2024 noch hoffnungsvoll gestartet ist, in diesem Jahr in den Keller. Zuletzt zeigte ProSieben dienstags nach „TV total“ das von Klaas Heufer-Umlauf moderierte „Experte für alles“, die Nachfolgesendung zu „Late Night Berlin“, welche er zuvor auf eigenen Wunsch beendete. Hier ist zumindest ein Aufwärtstrend zu beobachten, wenngleich die Show immer noch die Reichweite von „TV total“ halbiert.
Am Montagabend versuchte es ProSieben zudem mit einer Neuauflage der trashigen Spielshow „Crash Games“, die schon mal zwischen 2014 und 2015 lief. Doch das Format, das den Untertitel „Bruchlandung der Realitystars“ trug, legte quotentechnisch selbst eine Bruchlandung hin und geriet mit Marktanteilen von bis zu 2,9 Prozent zu einem weiteren empfindlichen Flop. Gewissermaßen aufs falsche Pferd gesetzt hat ProSieben auch mit Chris Tall. Nachdem der exklusiv unter Vertrag genommene Comedian bereits im Vorjahr mit „Chris Du das hin?“ nicht punkten konnte, scheiterte in diesem Jahr auch das Nachfolgeformat. Mit desolaten Marktanteilen zwischen 3,0 und 6,3 Prozent unterbot „Chris Talls ‚Chris Du mich berühmt?‘ Show“ am Mittwochabend konstant „Die Stefan Raab Show“ bei RTL.
Chris Tall fragte: „Chris Du das hin?“ ProSieben/Joyn/Robert Maschke
Seit ein paar Jahren versucht auch der auf Reality-TV und Doku-Soaps spezialisierte Sender RTL Zwei, irgendwie wieder im Bereich Show-Unterhaltung Fuß zu fassen. Geklappt hat das jedoch auch in mehreren Anläufen nicht. In diesem Jahr ist dann sogar das einstige Flaggschiff „Genial daneben“ abgesoffen – dank mehrmonatiger Pausen und mehrfachen Sendeplatzwechseln. Wegen desaströser Quoten vorzeitig abgesetzt wurden im gleichen Atemzug die Show-Hoffnung „Dinge gibt’s..!“ und die Partyspiel-Adaption „Nobody Is Perfect!“.
Während das deutsche Publikum also scheinbar immer weniger Lust auf reine Spaßformate hat, belohnt es dagegen die gesellschaftspolitischen Satireformate der Öffentlich-Rechtlichen mit starken Quoten, allen voran die „heute-show“, das „ZDF Magazin Royale“ sowie „Nuhr im Ersten“. Doch auch die neue Show „Till Tonight“ mit Till Reiners, die die Sommerpausen-Vertretung von Jan Böhmermann war, fand ihr Publikum.
Live ist King
Joko & Klaas präsentieren „Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)“ Joyn/Julian Mathieu
Zu den Show-Highlights des TV-Jahres gehörte hingegen „Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)“ von Joko & Klaas. Nach der Pilotfolge im vergangenen Jahr zeigte ProSieben 2025 zwei Staffeln à vier Ausgaben. Der besondere Clou: „Ein sehr gutes Quiz“ kommt nicht aus einem herkömmlichen Fernsehstudio. Stattdessen schlagen Joko & Klaas in jeder Folge ihre Quizpulte an einem wechselnden Ort irgendwo in Deutschland auf, der bis zum Start der Sendung geheim bleibt. Sobald der Ort enthüllt wird, hat jeder Zuschauer, der in der Nähe wohnt, die Möglichkeit, Joko & Klaas live in ihrem mobilen Quizstudio zu besuchen und um die Gewinnsumme von 100.000 Euro zu spielen. Der Reiz entsteht durch das ziemlich hinterhältige Spielprinzip: Jeweil drei Kandidaten treten als Gruppe an. Wer eine Frage richtig beantwortet, bringt die ganze Gruppe eine Runde weiter. Wer allerdings eine falsche Antwort gibt, scheidet alleine aus dem Spiel aus und wird durch den nächsten Kandidaten aus der Warteschlange ersetzt. Wenn allerdings keiner aus dem Trio antwortet, ist für alle drei Teilnehmer das Spiel vorbei und die nächsten drei Kandidaten aus der Warteschlange rücken auf.
Auch eine andere ProSieben-Quizshow konnte durch den Live-Faktor überzeugen: Die Entertainer-Zwillinge Dennis und Benni Wolter, die mit ihrem „World Wide Wohnzimmer“ auf YouTube bekannt wurden, haben dort die Show „Erkennst DU den Song?“ entwickelt. In diesem Jahr wurde das Format von ProSieben (nach einer Pilotfolge 2024) zu einer knallbunten Live-Show aus einem großen Studio aufgepimpt. Das Konzept ist relativ simpel: Pro Ausgabe treten vier Promis und ein Wildcard-Kandidat gegeneinander an, um so viele eingespielte Songs richtig zu erkennen.
„Erkennst DU den Song? Live“ mit Benni (l.) und Dennis Wolter Joyn/Felix Görgens
Doch die Show kommt wie „Hast du Töne?“ auf Speed daher: Die Wolter-Zwillinge moderieren voller Selbstironie und verteilen Spitzen in alle Richtungen – auch gegen sich selbst und ihren Sender. Per „Second-Screen“ wird zusätzlich auf Twitch und TikTok live gestreamt, wo User im Chat Songwünsche posten können. Die wilde TV-Show weckt Erinnerungen an das frühe VIVA und die anarchischen Anfänge von Joko & Klaas. Als Joker werden per Zufallsgenerator Live-Schalten in die Wohnzimmer von Zuschauern getätigt, die dann ihr Glück versuchen und ihren Tipp für den gesuchten Song abgeben. Das eigentliche Highlight ist allerdings die sogenannte „Strafkaraoke“: Wer die wenigsten Songs erraten konnte, muss selbst singen – und wird von überraschenden Gesangspartnern begleitet: Von Olaf der Flipper über Lars Klingbeil bis hin zu Schnappi und Bernd das Brot. Als Gewinn winkt der wohl begehrteste Preis im deutschen Fernsehen: die goldene Ananas. Alles in allem ein Fiebertraum, aber ein sehr guter.
Als aufwendiges Show-Event strahlte Sat.1 außerdem an zwei Abenden in Folge eine Neuauflage von „Guinness World Records“ aus. Die „große Show der Weltrekorde“ wurde ebenfalls erstmals live gesendet und sollte ein Stück weit die Lücke füllen, die seit dem Ende von „Wetten, dass..?“ klafft. Durch die beiden Sendungen führte Ende August das Moderationsduo Michelle Hunziker und Jörg Pilawa.
„Tödliches Spiel – Das Krimi-Dinner“ ARD Degeto Film/ORF/Constantin Entertainment/Julia Baier/CD: Alexander Groth
Und sonst? Zum 15. Mal suchten Sat.1 und ProSieben inzwischen „The Voice of Germany“. RTL bat zum mittlerweile 18. Mal in „Let’s Dance“ mehr oder weniger bekannte Promis zum Tanz, während Heidi Klum auf ProSieben in der 20. Staffel „Germany’s Next Topmodel“ suchte. Nach einjähriger Pause brachte der Sender auch wieder „The Masked Singer“ zurück, doch nach anfänglichem Neugiereffekt ebbte das Interesse an der zwölften Staffel schnell wieder ab. VOX zeigte zusätzlich zu „Grill den Henssler“ gleich drei weitere, artverwandte Formate mit Steffen Henssler, die vermutlich nicht mal Henssler selbst wirklich auseinanderhalten kann. RTL reduzierte generell die Anzahl der Samstagabendshows, verzichtete 2025 gar vollständig auf „Deutschland sucht den Superstar“ und versenkte „Das Supertalent“ endgültig. Stattdessen behalf sich der Sender mit dem runden Leder und zeigte dank der exklusiven Free-TV-Übertragungsrechte mehrere Spiele der 2. Fußball-Bundesliga.
„Klein gegen Groß“ mit Kai Pflaume NDR/Thorsten Jander
Viele Verantwortliche sind der Ansicht, dass die Zuschauer Gewohnheitstiere sind, die nur eine geringe Bereitschaft an den Tag legen, sich auf Neues einzulassen. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Daher gilt für die Sender vor allem die Devise: Lieber den alten Quark mit mittelmäßigen Quoten weiter fortführen, als etwas Neues mit ungewissem Ausgang zu wagen. Für Kreative ist die anhaltende Einfalls- und Mutlosigkeit der deutschen Fernsehsender natürlich ein äußerst unbefriedigender Zustand.