Gottschalk-Abschied, Raab-Sinkflug, „Klar“-Eklat und Wahl-TV XXL: Das deutsche Fernsehjahr 2025 im Rückblick

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Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 27.12.2025, 09:00 Uhr

Aufreger des Jahres – Teil 1

„Modernes Raubrittertum“: Joyn kapert unerlaubt Mediatheken von ARD und ZDF

Zeitweise waren die Mediatheken von ARD und ZDF auf Joyn zu finden. Joyn.de/​Screenshot

Ende Januar irritierte Joyn, der Streamingdienst der privaten Sendergruppe ProSiebenSat.1, mit einem überraschenden Vorgang: Plötzlich tauchten zahlreiche Inhalte der Mediatheken von ARD und ZDF dort auf – von „Tatort“ über „hart aber fair“ bis „heute-show“. Per Embedding-Technik wurden die On-Demand-Videos der Öffentlich-Rechtlichen in das Joyn-Angebot integriert. Kurz darauf wurde bekannt, dass dies geschah, ohne dass dafür eine offizielle Erlaubnis erteilt wurde. ARD und ZDF taten unmittelbar ihren Unmut darüber kund und kündigten rechtliche Schritte an. Insbesondere der ARD-Vorsitzende Florian Hager nahm kein Blatt vor den Mund und griff Joyn scharf an. Er bezeichnete das Vorgehen als modernes Raubrittertum.

Die Streamingplattform habe ausdrücklich keine Genehmigung, die Inhalte der ARD zu nutzen und missachte darüber hinaus die Rechte von Produzenten und Kreativen. Das ist eine neue Form von Piraterie, die hätte ich mir nicht vorstellen können, so seine deutlichen Worte. Die ARD Mediathek sei kein Selbstbedienungsladen. Man sei in Gesprächen mit Joyn gewesen, dabei ging es allerdings lediglich um eine Verlinkung von Inhalten, nicht um Embedding. Joyn habe eine Grenze überschritten und das Vorgehen des Streamingdienstes mache ihn sprachlos. In den Verhandlungen mit Joyn sei es immer darum gegangen, dass die öffentlich-rechtlichen Mediatheken mittels eines Verlinkungsmodells genutzt werden können – so wie das auch mit anderen Partnern üblich sei. Dies habe Joyn jedoch abgelehnt und durch das stattdessen erfolgte Vorgehen des Streamingdienstes sei nun Vertrauen zerstört worden. Das ist ein Anschlag auf das komplette System. Deshalb wollte man mit aller Härte dagegen vorgehen. Spöttisch fügte er hinzu, dass er durchaus verstehen könne, dass ProSiebenSat.1 versucht, die Inhalte anderer Anbieter auf Joyn zu bringen. Es ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, dass Joyn überleben wird. In dem Zusammenhang unterstrich der ARD-Vorsitzende, dass die ARD Mediathek nicht nur insgesamt deutlich erfolgreicher sei als Joyn, sondern insbesondere auch beim jungen Publikum.

Florian Hager, ARD-Vorsitzender und Intendant des Hessischen Rundfunks HR/​Tim Thie

Trotz dieser deutlichen Reaktionen probte Joyn den Widerstand und ließ die Mediatheken zunächst online. ProSiebenSat.1 berief sich stets darauf, dass das Embedding durch die stetige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rechtlich zulässig sei. Auf Basis dieser Rechtsauffassung bietet Joyn in Österreich schon seit Mitte 2023 Inhalte des öffentlich-rechtlichen ORF an. Anfang März verschwanden die Inhalte von ARD und ZDF dann allerdings von Joyn – als offizielle Begründung nannte ProSiebenSat.1 das Ende eines vorläufigen Beta-Testings, mit dem das sogenannte Embedding des Angebots von ARD und ZDF erklärt wurde. Man sei darauf bedacht, den Geist echter Kooperation zu leben und gemeinsam umzusetzen.

Vor Gericht tobt der Streit allerdings weiter – und ein Ende ist nicht in Sicht. Die ARD reichte wegen der unerlaubten Integrierung der Mediatheken-Inhalte Klage beim Landgericht Köln ein, wo im April im Eilverfahren ein Urteil gefällt wurde. Das Landgericht habe zwar festgestellt, dass Joyn mit der Einbindung der ARD-Inhalte gegen das urheberrechtliche Datenbankherstellerrecht verstoßen habe. Zudem sei Joyn auch die markenmäßige Nutzung der ARD-Marken untersagt worden. Nicht anerkannt habe das Landgericht Köln jedoch einen Schutz nach dem Medienstaatsvertrag sowie Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs. Als Folge auf die Berufung seitens der ARD hat auch Joyn Berufung eingelegt.

ARD Design/​Joyn

Bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund, dass das Landgericht München I Ende Mai in einem anderen Urteil etwas anders entschied. Dort reichten ZDF und arte Klage ein, da auch Inhalte aus deren Mediatheken ohne Zustimmung auf Joyn integriert wurden. Das Landgericht München I stellte einen Verstoß von Joyn gegen den Medienstaatsvertrag fest, da ohne Einwilligung der jeweiligen Rundfunkanstalt Mediatheken nicht in Angebotspakete aufgenommen oder in anderer Weise entgeltlich oder unentgeltlich vermarktet oder öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen.

Weshalb Joyn so scharf darauf ist, Inhalte anderer Sender zu integrieren, lässt sich durch die allgemeine Strategie des Streamingdienstes erklären. Anders als etwa RTL+ oder Netflix setzt Joyn in erster Linie nicht auf ein Abomodell (obwohl es Joyn PLUS+ gibt), sondern versteht sich offiziell als kostenloser, werbefinanzierter Dienst, der auf kontinuierliche Steigerung des Nutzungswachstums und der Verweildauer („Watchtime“) aus ist. Das Potenzial dafür ist natürlich umso mehr gegeben, je mehr Inhalte verfügbar sind – ob aus dem eigenen Portfolio oder mithilfe von Lizenzinhalten.

KI-Synchro-Eklat bei „Murderesses“

Viaplay

Im Februar wurde in Deutschland unter anderem bei MagentaTV die polnische Krimiserie „Murderesses“ des Anbieters Viaplay veröffentlicht. Nach nur zwei Tagen nahm der Anbieter die Serie jedoch wieder offline – und das aus einem ganz bestimmten Grund: Die deutsche Synchronfassung wurde von Künstlicher Intelligenz erstellt, was in der Branche für einen Aufschrei sorgte. Es handelte sich um den ersten bekannt gewordenen Fall, dass für eine Synchronfassung einer Serie vollständig KI zum Einsatz kam. Genauer gesagt steckte das israelische Startup-Unternehmen Deepdub dahinter, das sich nach eigenen Angaben auf KI-Lösungen für Sychronfassungen spezialisiert hat.

Die Qualität dieser KI-erstellten Synchronfassung war äußerst schlecht und kaum erträglich. Die Stimmen klangen künstlich, monoton und unnatürlich, auch da auf einen räumlichen Klang offenbar gar nicht geachtet wurde. Nachdem der Vorfall die Runde machte, hat die Deutsche Telekom schnell reagiert und die Serie wieder aus ihrem MagentaTV-Angebot genommen, zum Zweck der Qualitätskontrolle und Klärung, wie das Unternehmen mitteilte. Wenig später folgte die Entscheidung, dass MagentaTV die deutsche KI-Synchronfassung nicht mehr anbieten wird. Stattdessen wurde „Murderesses“ fortan im Originalton mit Untertiteln verfügbar gemacht. Ganz offensichtlich war Viaplay diese doch recht unbekannte polnische Serie nicht wichtig genug, um die Kosten für eine professionelle, aber eben auch teure deutsche Synchronfassung zu tragen.

Das Unternehmen erläuterte, dass erstmals für den deutschen Markt eine Hybrid AI zum Einsatz gekommen sei, nachdem Viaplay dieses Modell in anderen Ländern bereits eingesetzt hat. So seien die Stimmen von Schauspieler für die Serie aufgenommen worden, jedoch nicht für jeden Satz. Die KI erstellte aus ihren Stimmen weitere Elemente, wobei jeder Satz von einem Redakteur überprüft und bei Bedarf angepasst wird. Die Serie sei während des Prozesses von lokalen Experten überprüft worden. Zudem sei eine deutsche Mitarbeiterin damit beauftragt worden, die Qualität zu überprüfen und zu bestätigen. Sie hat uns versichert, dass die Synchronisation von sendefähiger Qualität ist, so eine Viaplay-Sprecherin gegenüber DWDL.

Angaben zum Synchronstudio im Abspann von „Murderesses“ Screenshot/​Viaplay

Auch wenn es sich bei „Murderesses“ letztlich um eine Serie handelt, die in Deutschland wohl ohnehin nur ein überschaubares Publikum interessiert, könnte sie ein Präzedenzfall sein, der grundsätzliche Fragen aufwirft. In welche Richtung wird sich die Zukunft der deutschen Synchronarbeit entwickeln, die lange Zeit im internationalen Vergleich als aufwendig und qualitativ hochwertig galt? Wurde mit „Murderesses“ die Büchse der Pandora geöffnet, so dass künftig immer wieder mit billigen KI-Synchronfassungen zu rechnen ist, um dem zunehmenden Kosten- und Zeitdruck entgegenzuwirken? Das wäre für die gesamte Branche ein großer Rückschritt und insbesondere für professionelle Synchronsprecher ein Schlag ins Gesicht, denn schon jetzt bangen viele von ihnen um Aufträge.

Wenn sich die Qualität KI-generierter Sprache in den kommenden Jahren weiter verbessert, müssen einige Sprecher um ihre Berufsgrundlage und ihre Existenz bangen. Um ein Zeichen zu setzen und auf die Gefahren von KI hinzuweisen, veröffentlichte der Verband Deutscher Sprecher:innen e.V. (VDS) Ende März ein Video mit der Botschaft „Schützen wir die künstlerische, nicht die künstliche Intelligenz“:

Mit dem Aufruf möchte der VDS das Bewusstsein der Zuschauer und der zuständigen Institutionen für die Risiken schärfen, die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den Bereichen Film, Fernsehen und anderen audiovisuellen Medien verbunden sind. Insbesondere soll auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden, wenn menschliche Stimmen durch KI-generierte Stimmen ersetzt werden, denen es an Empathie, emotionaler Tiefe und kulturellem Kontext fehlt.

Brandanschlag auf Maus-Figur

Anlässlich des 50. Geburtstags der „Sendung mit der Maus“ wurde 2021 in der Kölner Innenstadt eine menschengroße Statue der Maus aufgestellt, die seitdem ein beliebtes Motiv für Fotos ist. In einer sommerlichen Nacht am 26. Juli wurde die Maus-Figur jedoch von einem Unbekannten in Brand gesetzt. Über die Überwachungskamera sah eine WDR-Mitarbeiterin die Flammen und rief die Feuerwehr. Diese konnte den Brand kurze Zeit später löschen. Auf dem Boden neben der Maus-Statue wurden Bröckchen von Styropor oder eines zerschnittenen Schwammes gefunden. Dieses Material wurde offenbar für den Brand genutzt.

WDR/​Coblenz

Die Maus wurde durch den Brandschlag am rechten Arm und im Gesicht stark verkohlt. Dies löste eine Welle der Solidarität aus. Viele Familien und Maus-Fans kamen vorbei und versorgten die verletzte Maus mit Pflastern. Kurz darauf verabschiedete sich die Maus „in Kur“, um in einer Werkstatt repariert zu werden. Seit Ende August steht sie restauriert wieder auf ihrem angestammten Platz vor dem WDR-Vierscheibenhaus. Der Täter wurde hingegen immer noch nicht gefasst. Ende November veröffentlichte die Polizei Bilder der Überwachungskamera, die einen Tatverdächtigen zeigen.

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