10 Jahre ZDFneo: Von der Innovationsplattform zum Krimi-Trödel-Kanal

Rückblick auf die Entwicklung des ZDF-Spartensenders

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 01.11.2019, 08:00 Uhr

TVLab – Von der Experimentierwerkstatt zur Lachnummer


TVLab ZDFneo/​Corporate Design

Unter dem Motto „Schau doch, was du willst!“ rief ZDFneo 2011 die Experimentierfläche „TVLab“ ins Leben. Eine Woche lang konnten die Zuschauer insgesamt zehn Testsendungen bewerten. Jeden Tag waren Pilotfolgen potenzieller TV-Formate zu sehen, die unterschiedlichste Genres bedienten – von Shows über Dokumentationen bis hin zu Krimis. Online konnte man anschließend abstimmen und mitentscheiden, welches Format in der kommenden TV-Saison in Produktion gehen soll. Es sollte sich ausschließlich um innovative Formatideen handeln, Adaptionen oder Kopien waren chancenlos.

Aus insgesamt 91 Formaten, die dem Sender vorgelegt wurden, kamen zehn in die Endauswahl. Als Gewinner ging YouTube-Comedian Tedros Teclebrhan, der heute auf ProSieben „1:30“ präsentiert, mit seiner ersten TV-Sendung „Teddy’s Show“ hervor. Wenig später gab ZDFneo bekannt, dass auch die drei Formate, die auf den Plätzen 2 bis 4 gelandet sind, in Serie gehen: das Dokuformat „German Angst“ mit Micky Beisenherz, das alternative Jugendmagazin „Bambule“ mit Sarah Kuttner und das Filmmagazin „Moviacs“ mit Nils Bokelberg und Donnie O’Sullivan. Die meisten Formate überlebten jedoch nur eine Staffel, lediglich von „Bambule“ wurden drei Staffeln produziert. Jede Folge des temporeichen Jugendmagazins befasste sich monothematisch mit der Lebenswelt der 30- bis 40-Jährigen.

„Bambule“ mit Sarah Kuttner ZDF

So ambitioniert das „TVLab“ gestartet ist, so erbärmlich war der Umgang in den Folgejahren. 2014 beschränkte sich die Auswahl auf nur noch drei Comedyserien. Der Sparkurs ging 2015 noch einen Schritt weiter: Ins Rennen gingen vier- bis achtminütige fiktionale Clips, die vorrangig für das Internet produziert wurden und nur noch in Zweitverwertung bei ZDFneo zu sehen waren. Es schien beinahe so, als wollte man das Projekt nur noch aus Imagegründen als lästiges Anhängsel auf Sparflamme fortführen. 2017 wurde das endgültige Aus offiziell verkündet. Als Begründung wurde genannt, dass sich ZDFneo mittlerweile ohnehin als crossmedialer Sender betrachte, der „bereits vom Ansatz an plattformübergreifend denkt und diese erfolgreich Zuschauern und Usern im TV wie online zugänglich macht“. Zudem suche man „permanent nach außergewöhnlichen Formaten jenseits des Mainstreams“ und pilotiere immer wieder neue Formate, so dass das „TVLab“ nicht mehr nötig sei.

Joko & Klaas, Kuttner, Stuckrad-Barre und Co.


Abgesehen von den „TVLab“-Formaten schickte ZDFneo in seinen ersten fünf Sendejahren eine Vielzahl an nonfiktionalen Eigenproduktionen an den Start. Nennenswert sind hier etwa die Reportage-Formate „Herr Eppert sucht …“ mit Thorsten Eppert, „Wild Germany“ mit Manuel Möglich, „Blond, ledig testet …“ mit Inga Weßling und „Sonneborn rettet die Welt“ mit Martin Sonneborn. Ab 2012 gingen zwei Staffeln lang die „Beef Buddies“ auf Food-Adventure-Tour.

„neoParadise“ mit Joko & Klaas ZDFneo/​Jule Roehr

Im Showbereich zeigte ZDFneo die Improshow „Ent- oder Weder!“ mit Thomas Hermanns und die von Micky Beisenherz moderierte Neuauflage der Spielshow „Die Pyramide“. Darüber hinaus gab ZDFneo den heutigen ProSieben-Stars Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf eine neue Heimat, nachdem ihre vorherige Sendung „MTV Home“ eingestellt wurde. Von 2011 bis 2013 liefen insgesamt 52 Ausgaben von „neoParadise“, das bis heute vielerorts als der hochwertigere Vorläufer von „Circus HalliGalli“ gilt. Das ZDF verpasste die Chance, Joko und Klaas langfristig an sich zu binden und ließ sie zur privaten Konkurrenz ziehen. Bereits zuvor verließ Benjamin von Stuckrad-Barre den Sender, nachdem er bei ZDFneo keine Zukunft mehr für seine „Stuckrad Late Night“ sah – und wechselte zu Tele 5. Bevor Jan Böhmermann bei ZDFneo durchstartete, war übergangsweise die inzwischen fast vergessene „nate light“ mit Philip Simon auf dem Donnerstagssendeplatz zu sehen.

Noch in Erinnerung geblieben ist hingegen „iss oder quizz“ mit Senna Guemmour und Lutz van der Horst, das 2011 am Vorabend zu sehen war. 2012 versuchte es dann Jon Flemming Olsen mit dem kurzlebigen „Kneipenquiz“, bevor Philip Simon mit „Thekenquizzer“ übernahm. Autor Thilo Mischke befasste sich in seiner ersten TV-Sendung „Heiß & Fettig!“ mit Sexthemen – bevor auch er zu ProSieben wechselte. Sarah Kuttner erhielt nach dem Ende von „Bambule“ die Talkshow „Kuttner plus Zwei“, in der sie mit jeweils zwei Gästen in intimer Atmosphäre sprach, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten und doch eine Gemeinsamkeit hatten.

Sämtliche genannte Formate sind längst Geschichte.

Krimis total statt Qualitätsserien


„Wilsberg“ – Der Quotenking von ZDFneo ZDF/​Thomas Kost

Mit international hochgelobten Serien wie „Mad Men“, „Girls“, „Six Feet Under“, „Downton Abbey“, „House of Lies“, „Misfits“, „Orange is the New Black“ oder „Orphan Black“ wollte man das junge Publikum gewinnen. Auch die ersten Staffeln der US-Sitcom „The Middle“ waren noch bei ZDFneo in Erstausstrahlung zu sehen – bevor sie später auf ProSieben zu einem Erfolg wurde. Geklappt hat dies jedoch nur bedingt – und da auch ZDFneo zunehmend von der Quote getrieben ist, verabschiedete sich der Sender von seinem anfänglichen Optimismus und verfrachtete die Erstausstrahlung von Prestigeserien dieser Art immer mehr ins Nachtprogramm, wo teilweise ganze Staffeln am Stück versendet wurden. Sogar die letzte Staffel des Filetstücks „30 Rock“, mit dem ZDFneo 2009 noch groß warb, wurde unter Auschluss der Öffentlichkeit innerhalb einer Nacht gezeigt.

Stattdessen ist ZDFneo in den vergangenen Jahren immer mehr zur Abspielfläche von Krimiserien geworden – und der Erfolg gibt dem Sender Recht. Wenn am Mittwochabend Wiederholungen von „Wilsberg“ und „Ein starkes Team“ laufen, landet der Spartensender nicht selten mit Reichweiten jenseits von zwei Millionen Zuschauern auf den vorderen Plätzen der Quotenrangliste und überholt so manches Vollprogramm – mitunter auch das große ZDF. Auch mit „Inspector Barnaby“, „Father Brown“ und „Scott & Bailey“ fährt ZDFneo abends erfolgreich, während das Tagesprogramm inzwischen fest in der Hand von „Monk“, „Psych“ und Horst Lichters Trödelshow „Bares für Rares“ ist.

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