„Four Weddings and a Funeral“: Hugh Grant würde Serienadaption abschalten – Review

Im Serien-Update des britischen Filmklassikers wirken Witz und Romantik gleichermaßen aufgesetzt

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 13.08.2019, 18:30 Uhr

Mit „Mamma Mia“-Gesangseinlage kann Maya (Nathalie Emmanuel) Kash (Nikesh Patel) bezirzen. – Bild: Hulu
Mit „Mamma Mia“-Gesangseinlage kann Maya (Nathalie Emmanuel) Kash (Nikesh Patel) bezirzen.

Ganz zu Beginn könnte man das, was man da in „Four Weddings and a Funeral“ sieht, tatsächlich für so etwas wie ein zeitgenössisches Update des Kino-Klassikers „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ halten: In schneller Abfolge kurzer Szenen entfährt den Protagonisten dieser zehnteiligten Produktion des Streamingdienstes Hulu jeweils ein gestresstes „Fuck!“ Der Witz wird erst einer durch die absurde Wiederholung des immergleichen Fluches. Genau so begann auch der Überraschungs-Hit von 1994, der zwei Oscarnominierungen einfuhr und nicht nur Hugh Grants Weltkarriere aufs Gleis setzte, sondern auch die des Drehbuchautors Richard Curtis, dessen Name längst synonym genannt wird, wenn es um den Höhenflug der britischen romantischen Komödie (RomCom) der Neunziger- und Nullerjahre geht: Nach den „Hochzeiten“ schrieb er noch „Notting Hill“, „Bridget Jones“ und „Tatsächlich … Liebe“, also die bemerkenswertesten Filme dieses Genres.

Der inzwischen 62-jährige Curtis zählt nun auch zum Produzentenpool dieser Serie, die sich so selbstbewusst den Namen des Kinofilms leiht, und einige andere Dinge mehr knüpfen direkt daran an: Etwa ist eine neue Version des berühmten Troggs-Songs „Love Is All Around“ zu hören (dessen Cover durch die schottischen Schnulzenrocker Wet Wet Wet aus dem Soundtrack des Films damals ganze 15 Wochen lang die britischen Charts anführte), es gibt kauzige Priester (im Film war’s Rowan Atkinson), Fremdschäm-Szenen am Altar und jede Menge Leute, die grundsätzlich mit den falschen Leuten zusammen oder aber in die falschen Leute verliebt sind.

Damit wären wir bereits am Ende der Parallelen, denn „Four Weddings …“ (die Serie) versteht sich eher als eine Neuschöpfung im Geiste des Originals, vergleichbar mit der Art, wie „Fargo“ (die Serie) mit Inszenierungsweise und Tonfall des gleichnamigen Films spielte, um damit dann ganz neue Plots mit neuen Figuren zu erzählen. Anders als der betont britische Film stecken mit der geschätzten Mindy Kaling („The Office“) und dem langjährigen „Simpsons“-Produzenten Matt Warburton zwei US-Amerikaner hinter dieser Neubearbeitung. Beide haben auch schon bei Kalings „The Mindy Project“ – einem oft mehr, manchmal auch etwas weniger gelungenen Versuch, Sit- und RomCom zusammenzudenken – zusammengearbeitet, weshalb man eigentlich dachte, dass sich da schon die Richtigen zusammengetan haben dürften, um dem vielgeliebten Film und seiner patentierten Mischung aus trockenem Witz und tränendrüsenstrapazierender Romantik einerseits die Ehre zu erweisen und andererseits etwas eigenständig Neues daraus zu machen, das treffend an die Neurosen des Instagram- und Tinder-Zeitalters andocken würde. Unerklärlich deshalb, warum die ersten Episoden einen so altbackenen Eindruck machen und so ungelenk zusammenkonstruiert erscheinen.

Das „Meet cute“-Klischee: Maya (Nathalie Emmanuel) und der für sie noch „namenlose Fremde“ (Nikesh Patel) knüpfen über einen verlorenen Koffer zarte Bande.

Im Mittelpunkt steht wie damals eine Freundesclique attraktiver Menschen Ende zwanzig, Anfang dreißig, frei von finanziellen oder sonstwie existenziellen Sorgen, die anders als damals allerdings nicht aus weißen Briten besteht, sondern aus Amerikanern, die so divers gecastet wurden wie auch alle Nebendarsteller um sie herum: Maya (Nathalie Emmanuel, als Missandei in „Game of Thrones“ unschön geköpft) ist als politische Redenschreiberin ganz oben im Business angelangt und schläft mit dem New Yorker Senator, für den sie arbeitet; Ainsley (Rebecca Rittenhouse) ist Tochter reicher Eltern, führt in London ein Geschäft für Interior Design und residiert in innenstädtischen Wohnräumen, die in Wirklichkeit längst nur noch von Oligarchensprösslingen und saudischen Scheichs bewohnt werden; schlecht geht’s auch Investmentbanker Craig (Brandon Mychal Smith) nicht, wohingegen Duffy (John Reynolds aus „Search Party“ und „Stranger Things“) mit Brille und Wuschelhaar den tolpatschigen, Hugh-Grant-mäßigen Schüchterling abgibt, der gerne Romanautor wäre, stattdessen aber Unterstüflern Englischunterricht erteilen muss.

Weil sich schnell herausstellt, dass der Senator nicht nur seine Frau (Shelley Conn aus „Terra Nova“) mit Maya, sondern auch Maya mit einer weiteren Gespielin betrügt, gesellt sich Maya enttäuscht zu ihren drei Collegefreunden und zieht von New York an die Themse – wo sich das Liebeskarrussell längst in Gang gesetzt hat. Bereits in der Pilotepisode gerät sie durch eine besonders forciert wirkende Fügung am Flughafen Heathrow an Craigs Kollegen, den sehr attraktiven, aber unglücklichen Investmentbanker und verhinderten Schauspieler Kash (Nikesh Patel, „Indischer Sommer“, „Halaleluja – Iren sind menschlich!“), der sich wiederum kurz danach als designierter Gatte von Ainsley herausstellt. Warum Maya vor diesem Zufallstreffen niemals der großen Liebe ihrer angeblich besten Freundin ansichtig geworden sein soll, ist nur eine der vielen rumpelnden Drehbuchfragen, die man hinnehmen muss, die aber auch dazu beitragen, dass selbst ikonische RomCom-Szenen nicht richtig funktionieren: Am Ende der Pilotfolge etwa lässt Kash Ainsley am Altar sitzen, weil sich das Ja-Wort für ihn nicht richtig anfühlt. Verglichen mit der dramaturgischen und emotionalen Wucht, die vergleichbare Szenen im Film, in der Sitcom „Friends“ und anderen Vorläufern entfalteten, geht es hier eher wie ein müder Gag durch – und lässt kurz aufseufzen angesichts der Erkenntnis, dass es nun wohl zehn lange Episoden lang darum gehen dürfte, wann und wie Kash und Maya endlich zueinanderfinden.

Die Protagonisten: Die eifersüchtige Gemma (Zoe Boyle), der unglücklich verliebte Duffy (John Reynolds), Maya (Nathalie Emmanuel) und Kash (Nikesh Patel), Zara (Sophia La Porta) stehend und Ainsley (Rebecca Rittenhouse) sitzend mit Craig (Brandon Mychal Smith).

So schematisch das alles abläuft, so wenig Schlimmes kann man eigentlich über die Besetzung sagen: Emmanuel, Rittenhouse, Smith und Reynolds spielen das, was die glattgeschmirgelten Drehbücher ihnen liefern, durchaus sympathisch. Besser noch ist Patel, den der Plot allerdings schnell in eine Art Parallelhandlung abschiebt, von der noch nicht ganz klar ist, ob und wie sie sich in den Hauptplot der vier Collegefreunde fügen wird: Nach der geplatzten Hochzeit zieht der pakistanischstämmige Kash zurück ins Elternhaus im Vorort Hounslow, wo sein präpotenter kleiner Bruder, der kauzige Vater (Harish Patel aus „Eine Detektivin für Botswana“) und ein prahlerischer alter Kumpel (Guz Khan) auf ihn warten. Diese Szenen sehen allesamt so aus, als seien sie aus einer typischen britischen Culture-Clash-Komödie à la „East Is East“ oder „Kick It Like Beckham“ importiert worden – sie bilden eigentlich einen guten Kontrast zur rückstandslos abwaschbaren Wohlstandswelt der vier verliebten Freunde, ohne dass die Drehbücher bislang größere Funken daraus schlagen würden.

Stattdessen geht Zeit drauf für karikaturesk geschriebene Nebenfiguren – etwa Ainsleys Nachbarin Gemma (Zoe Boyle), die auf höchst alberne Weise mit Maya um den Status als Ainsleys beste Freundin wetteifert: Die Figur ist offenbar als Persiflage auf wohlstandsverwahrloste Londoner Luxusgattinnen gedacht, hat allerdings auch keine einzige weitere nennenswerte Facette. Gleiches gilt für Craigs Freundin Zara (Sophia La Porta), deren Darstellung als zickiges Dummchen denunziatorische Züge trägt.

Eins der wenigen Highlights ist Tom Mison aus „Sleepy Hollow“, der als Gemmas versnobt-verwirrter Ehemann Quentin pro Folge ein, zwei Sprüche einwerfen darf, die tatsächlich eine Spur britischen Schwarzhumors durchscheinen lassen und kurz hoffen lassen, dass die von Regisseur Charles McDougall (er drehte einst den Piloten von „Desperate Housewives“) glatt und mit viel klimperndem Klavier auf der Tonspur inszenierten ersten Folgen vielleicht doch noch zu einem eigenen Ton finden könnten – ehe sie sich dann doch wieder in müden Standard-Subplots verheddern: Craig entdeckt, dass er aus einer Jahre zurückliegenden, kurzen Affäre mit einer Anwältin (Ashley Madekwe aus „Salem“) eine Tochter hat; Duffy, der seit Jahren unglücklich in Maya verliebt ist, bekommt als Trostpreis eine verhuschte Französischlehrerin (Aimee-Ffion Edwards aus „Peaky Blinders“) in Aussicht gestellt.

Gemma (Zoe Boyle) mit ihrem Ehemann Quentin (Tom Mison), dazwischen der gemeinsame Sohn.

Gewiss, Kaling und Warburton mühen sich redlich, das allzu herkömmliche Szenario aufzupeppen, lassen etwa die R&B-Sängerin Emeli Sandé unvermittelt einen Hochzeitssong zum Besten geben oder verschaffen Andie MacDowell (dem heute 60-jährigen Star des Films) einen Cameo-Auftritt als Ainsleys Mutter. Warum die Serie trotzdem nie so zündet wie der Kinofilm, darüber lässt sich diskutieren: Liegt es daran, dass der Film damals konsequent auf der emotionalen Ebene verblieb, sich ganz auf die Liebesverwicklungen zwischen den Protagonisten konzentrierte und sonst nichts preisgab über seine Figuren – während die Serie lauter berufliche Umfelder etabliert, dabei aber über muffige Stereotype nie hinauskommt und nur Katalog-Karrieren für Katalog-Menschen mit Katalog-Beziehungen präsentiert? Dass die Serie Oberflächlichkeit zwar mit allerlei Popkulturzitaten bespöttelt, sie in Form und Style aber gleichzeitig zelebriert? Dass sich hier nichts so anfühlt wie eine RomCom, alles aber wie die Simulation einer RomCom? Dass man von London nichts sieht außer Touri-Klischees – vom Big Ben bis zur Telefonzelle?

Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass die Serie letztlich doch zu wenig mit dem Film zu tun hat – und ein Vergleich muss schon sein, warum sonst der identische Titel? Der Film zeichnete sich damals auch dadurch aus, dass er einer der ersten populären Unterhaltungsfilme war, der zwei schwule Charaktere wie selbstverständlich zu Sympathieträgern der Handlung machte, an deren Beispiel Liebe, Beziehungsformen und Trauer verhandelt wurden. In der Serie gibt es nichts Vergleichbares, stattdessen muss, ganz am Rande, „Misfits“-Star Nathan Stewart-Jarrett ein Klischee spielen: den tröstenden Arbeitskollegen als tuckige Karikatur eines Innenarchitekten. Es ist nur eines von vielen Beispielen, das ziemlich genau unterstreicht, wie lieblos und second-hand sich hier vieles anfühlt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von „Four Weddings and a Funeral“.

Meine Wertung: 2/​5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Hulu


Aktuell wird die als in sich abgeschlossen angekündigte Miniserie „Four Wedings and a Funeral“ in den USA beim Streaming-Dienst Hulu veröffentlicht. Eine zweite Staffel würde eine neue, abgeschlossene Geschichte erzählen. Eine deutsche Heimat für die Serie ist noch nicht bekannt geworden.

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1978) am

    Nach 2 Folgen mag die Kritik vielleicht stimmen, aber nicht nach allen 10 Folgen der wirklich sehr guten und in sich abgeschlossenen Serie. Trotz an mancher Stelle ungelenken Szenenverknüpfungen volle Punktzahl/Sterne von mir!!!
    • (geb. 1978) am

      Vom Titel her könnte man meinen, Hugh Grant hätte das in einem Interview gesagt, aber Du hast Dir das nur ausgedacht, um Deine Meinung zu unterstreichen, richtig? Nicht, dass mich Hugh Grants Meinung zu einer Serie, deren Filmvorlage mir schon nicht gefiel, interessieren würde.

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