Das internationale Fernsehjahr 2019 im Rückblick: Das Ende der großen Alten, Kampf um die Streaming-Krone

Die großen Ereignisse des Fernsehjahres

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 28.12.2019, 18:00 Uhr

„The Big Bang Theory“

Das ablaufende Jahr brachte unter anderem das Serienfinale der ganz großen Publikumshits „Game of Thrones“ und „The Big Bang Theory“. In Zukunft werden es Serien amerikanischer Networks schwer haben, so wie „The Big Bang Theory“ bei den Zuschauern direkten, durchschlagenden Erfolg zu haben und sich so eine lange Laufzeit überhaupt zu verdienen. HBO verliert nach und nach sein Alleinstellungsmerkmal, wirklich herausragende, fiktionale Serien zu produzieren. Das soll nicht heißen, dass die Serien dort unbedingt schlechter würden, aber die Masse an neuen Anbietern bringt hin und wieder auch einzelne Hits hervor, so dass die HBO-Serien einfach nicht mehr so hervorstechen. Prime Video etwa sucht mit großem finanziellen Aufwand nach einem Phantastik-Hit. Bei einigen herausragenden Miniserien – vor allem „Chernobyl“ – teilt sich HBO die finanzielle Last, aber eben auch das Lob, mit Sky. Dazu kommt demnächst HBO Max, so dass die Marke HBO halt auch diverse „massentaugliche“ Serien hervorbringen wird.

In den USA ging zudem Kritikerliebling „Veep“ zu Ende, auch „Silicon Valley“ wurde abgewickelt. Bei Netflix kam der „Schläferhit“ „Orange is the New Black“ zum Abschluss – nach einem Paradigmenwechsel beim Streamingdienst dürfte eine Laufzeit von sieben Staffeln mit je 13 Folgen dafür sorgen, dass „OITNB“ dauerhaft eine der langlebigsten fiktionalen Serien bei Netflix bleiben dürfte.

Daneben gingen auch einige ungewöhnliche Serien in den USA dieses Jahr zu Ende oder ihr Ende für 2020 wurde eingeläutet. Für USA Network endete „Suits“ (und das Spin-Off „Pearson“ gleich mit). Bei The CW wurde nach fünf Staffeln „Jane the Virgin“ abgesetzt, eine Serie, die in den USA für die Repräsentation von Latina-Frauen wichtig war. Ebenso endete „Crazy Ex-Girlfriend“, das sich auch eingehend mit mentalen Störungen beschäftigte. Mit „Mr. Robot“ wurde vom Nicht-Pay-TV-Sender USA Network eine Serie produziert, die den Ansprüchen einer Pay-TV-Serie genügte. Und „The Affair“ bei Showtime wollte vielschichtig zeigen, dass die Welt für Frauen anders aussieht als für Männer – eine folgende Kontroverse über die Dreharbeiten zu Nacktszenen sorgte dafür, dass dieses Thema auch real diskutiert wurde. Und auch das progressiv gedachte „Transparent“ nahm zum Finale nach dem Rauswurf von Hauptdarsteller Jeffrey Tambor ein unschönes Ende.

Das Finale eingeläutet wurde für die Mutterserie des Arrowverse, „Arrow“, die nach acht Staffeln enden wird. Mit ihr wurde ein ganzes Subfranchise begründet, der Erfolgszug von dessen Mastermind Greg Berlanti startete – Berlanti hat aktuell weit mehr als ein Dutzend Serien in Produktion. Auch „How to Get Away with Murder“ wird über 2020 hinaus nicht fortgeführt, zudem „Modern Family“ (dessen letzte Staffeln die Qualität der Anfangsstaffeln etwas verwässert haben) und „Supernatural“ – die Serie, die es sogar überlebt hat, dass die ehemalige Senderchefin Dawn Ostroff alles getan haben soll, um sie zu beerdigen (inklusive zahlreicher Sendeplatzwechsel).

#MeToo und der Backlash

Emilia Clarkes letzte Nacktszene in „Game of Thrones“ HBO

Mit den Enthüllungen um Harvey Weinstein und die ihm vorgeworfenen gewalttätigen sexuellen Übergriffe im Umfeld seiner Arbeit (und Machtstellung) als Produzent begann im Oktober 2017 die öffentliche Gegenbewegung allgemeine Anerkennung zu gewinnen – den Begriff MeToo für eigene Erfahrungen mit sexueller Gewalt gab es schon ein Jahrzehnt zuvor, doch nun gewann er an Bekanntheit. Die Organisation „Time’s Up“ wurde gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, unfaire Arbeitsbedingungen und Ausnutzung von Machtungleichgewicht von „Chef“ und „Untergeordneten“ zu beenden.

Das ablaufende Jahr hat aufgezeigt, dass noch einiges an Aufholbedarf besteht, auch in den Köpfen. Einerseits wurde deutlich, dass es in den vergangenen Jahren und Dekaden nicht nur die augenscheinlichen Übergriffe gegeben hatte, sondern dass auch am System der Fernsehproduktion noch an einigen Ecken geschraubt werden muss, um angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen und für die Einhaltung von Vorgaben zu sorgen. Kontroversen um Produzenten-Fehlverhalten wurden etwa auch gegen die weiblichen Showrunner von „SMILF“ und „The Affair“ erhoben. Bei „The Rookie“ nahm Darstellerin Afton Williamson lieber freiwillig ihren Hut, da sie sich von den Produzenten nicht ausreichend gegen rassistische und sexuelle Übergriffe (von zwei unterschiedlichen Tätern) geschützt sah. Und ein Podcast-Interview von „Game of Thrones“-Star Emilia Clarke wurde zwar weitgehend aus dem Kontext zitiert und aufgebauscht, enthielt aber doch auch den Vorwurf, dass in der kreativen Auseinandersetzung über Nacktszenen von Produzenten auch mit unschönen Mitteln argumentiert wurde.

Clarke fasste in besagtem Interview zusammen, dass sich – etwa seit ihren ersten Nacktszenen als Daenerys in der Auftaktstaffel von „Game of Thrones“ – einiges verbessert habe, doch es scheint auch noch weiter Luft nach oben zu sein.

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