Wird „Yellowstone“ jetzt auch bei uns ein Hit?

Deutscher Start von Paramount+ bringt die derzeit erfolgreichste US-Serie zur Wiedervorlage

Gian-Philip Andreas
Gian-Philip Andreas – 04.12.2022, 15:42 Uhr

Kevin Costner in „Yellowstone“ – Bild: Paramount Network
Kevin Costner in „Yellowstone“

Im November brach „Yellowstone“ mal wieder einen eigenen Rekord: 12,1 Millionen Zuschauer schalteten ein, um die Premierenfolge der fünften Staffel des Western-Familiendramas mit Kevin Costner beim US-amerikanischen Kabelsender Paramount Network zu sehen. Das sind Dimensionen, die zuletzt eigentlich fast nur „Game of Thrones“ oder „The Walking Dead“ erreichten. „Yellowstone“ ist derzeit die erfolgreichste Serie der USA und Kernstück eines ganzen Franchise – und trotzdem war sie nie groß Thema, schon gar nicht bei den Preisverleihungen. Nachdem sie in Deutschland bislang nur beim Pay-TV-Nischensender Sony AXN zu sehen war, wird der hiesige Start des Streamingdienstes Paramount+ nun definitiv für einen Popularitätsschub sorgen. Was ist das also für eine Serie, die in den USA als Prestige-TV für Konservative bezeichnet wurde?

Als „Yellowstone“ 2018 startete, waren die Reaktionen der Kritik eher missmutig, auch uns gefielen die ersten Episoden nur so làlà (meine Rezension damals). Wieder mal ging es um einen Antihelden mit Tragödienhintergrund und dysfunktionaler Familie, wieder mal trugen sich in den ersten Episoden so viele Tragödien zu, dass man nicht wusste: Was ist das jetzt? Ein Neo-Western? Eine Reiche-Familien-Seifenoper à la „Dallas“? Die grandiosen Landschaftspanoramen aus Montana waren zwar von Anfang an so beeindruckend, dass man die famos besetzte Serie nicht einfach so beiseiteschieben konnte, aber richtig überzeugt waren die Kritiker nicht.

Ist „Yellowstone“ politisch?

Poster zu „Yellowstone“: „My Land, My Rules“ Paramount Network

Dessen ungeachtet war „Yellowstone“ von Anfang an beim Publikum sehr erfolgreich – und zwar in den ländlichen US-Regionen, in denen das sogenannte „basic cable“, also das normale Kabelnetz, noch Vorrang genießt vor „premium cable“, also Pay-TV-Sendern wie HBO, und auch vor den Streamingdiensten. Beim typischen West- und Ostküstenpublikum fiel die Serie dagegen durch. „Yellowstone“ hatte damit seinen Ruf weg, eine sogenannte „red state show“ zu sein, in Anspielung auf die US-Staaten, in denen überwiegend „rot“, also republikanisch gewählt wird. Ist die Serie deswegen also rechts? Sicher nicht.

Allerdings wirft sie einen sonst selten gesehenen, weil vorurteilsfreien Blick auf das Leben abseits der US-Metropolen, auf (weiße) Menschen, für die Grund- und Waffenbesitz das Wichtigste auf der Welt sind, die nichts mehr fürchten als den Verlust ihrer traditionellen Lebensart durch progressive Politik, durch neue Teilhabe-Ansprüche früher gegängelter Minderheiten und durch all das, was von rechts neuerdings mit der Kampfvokabel „woke“ belegt wird. Und so viel ist klar: „Woke“ ist „Yellowstone“ nicht. Jahr für Jahr zählt die Serie in den USA zu den Programmen mit der am wenigsten diversen Zuschauerschaft.

Autor Taylor Sheridan, der auch diverse Episoden inszenierte und ab und an selbst als Nebendarsteller zu sehen ist, ist allerdings völlig unverdächtig, irgendeiner vulgären Trump-Agenda nachzuhängen. Auch Hauptdarsteller Kevin Costner sowie der übrige Cast stehen den US-Demokraten nahe. In der Serie geht es zudem sehr anschaulich um die Rechte von Native Americans. Und doch hat „Yellowstone“ einen Nerv bei vielen Zuschauern getroffen, die sich vom Rest der Film- und Serienwelt nicht (mehr) abgeholt fühlen.

Die Dutton-Familie in „Yellowstone“

Das fängt schon bei Costners Figur des John Dutton an – der Oscarpreisträger spielt sie so gravitätisch als starken Schweiger im Ein-Mann-muss-tun-was-ein-Mann-eben-tun-muss-Modus, wie es früher Henry Fonda oder Gary Cooper oder Clint Eastwood vorgemacht haben. Als Besitzer der größten zusammenhängenden Ranch in den USA muss er sich von der ersten Episode an gegen Anfechtungen aus allen Richtungen erwehren: gegen den Chief (Gil Birmingham) des angrenzenden Indianerreservats, der der festen Überzeugung ist, dass die Yellowstone Ranch auf Land errichtet wurde, das den Native Americans gestohlen wurde; gegen so alerte wie versnobte Projektentwickler aus der Großstadt; gegen Forderungen des ebenfalls angrenzenden Yellowstone Nationalparks – und natürlich gegen den Krieg im Inneren der Familie.

John Dutton (2. v. r.) mit seinen Kindern Kayce (l.), Jamie (2. v. l.) und Beth (r.) Paramount Network

Dutton ist nicht nur ein Patriarch, der sich über dem Gesetz sieht und, um seine Interessen durchzusetzen, keine Grenzen kennt, er ist auch ein tragisch umflorter Mann, ein gebrochener König, dem nichts wichtiger ist, als die Ranch für die Zeit nach seinem Tod im Familienbesitz zu halten. Seine Frau ist gestorben, ihm selbst wird zu Beginn der ersten Staffel eine gravierende Krankheit diagnostiziert. Das Damoklesschwert hängt also über ihm – und seinen mehr oder weniger an seinen Ansprüchen scheiternden Sprösslinge. Ex-Soldat Kayce (Luke Grimes) lebt (eingangs und inzwischen wieder) mit seiner Frau Monica (Kelsey Asbille), einer Native American und Lehrerin, im Reservat und zieht dort Johns Enkel groß. Beth (Kelly Reilly) arbeitet im Finanzwesen, hat ein Suchtproblem und eine grundzynische Einstellung. Jamie (Wes Bentley) ist Anwalt, wäre gern Politiker und wird nie ganz für voll genommen – in der dritten Staffel erfährt er neue Wahrheiten über sich selbst. Die Serie nimmt sich überraschend viel Zeit, das Arbeiten und tägliche Tun auf der gigantischen Ranch zu beleuchten; dieser erstaunliche Realismus dient als Hintergrundfolie für die soapigen Verwicklungen rund um die Familie, Vorarbeiter Rip (Cole Hauser) und die anderen Helfer und Gestrandeten, die sich phasenweise auf der Yellowstone Ranch einfinden.

„Yellowstone“: Ein Quotenerfolg, den die Kritik ignoriert

Dabei hat Taylor Sheridan, der mit seinem Drehbuch zum Film „Sicario“ bekannt wurde und für „Hell or High Water“ eine Oscarnominierung erhielt, offenbar vieles richtig gemacht. Die Zuschauerzahl stieg von Staffel zu Staffel, clevere Cliffhanger an den Staffelenden sorgten dafür, dass immer mehr der jeweils nächsten Staffel entgegenfieberten, und Duttons zunehmende politische Ambitionen entwickelten einen Sog, dem inzwischen, glaubt man den Machern, auch immer mehr großstädtisches Publikum erliegt.

Tatsächlich sind die Parallelen etwa zu „Succession“ frappierend: Hier wie dort geht es um eine politisch rechts stehende Familie eines reichen, weißen Unternehmers (hier Rancher, dort Medienmogul) und die Versuche des im Helikopter herumfliegenden, kranken Patriarchen, sein Lebenswerk in Familienbesitz zu halten und dabei seine dysfunktionalen Kinder auf ihre Tauglichkeit zu testen. Klar, der Tonfall beider Serien könnte unterschiedlicher nicht sein, aber eines fällt auf: „Succession“ wird bei HBO von deutlich weniger Zuschauern gesehen, gewinnt aber einen Preis nach dem anderen und wird von der Kritik (zu Recht) gefeiert; das populäre „Yellowstone“ fliegt dagegen Award-mäßig unter jedem Radar.

Das Franchise rund um „Yellowstone“

Die Dutton-Familie in „1883“: (v. l.) Tim McGraw (Vater James), Faith Hill (Mutter Margaret), Isabel May (Tochter Elsa), Dawn Olivieri (James’ Schwester Claire) und Emma Malouff (Claires Tochter Mary Able) Emerson Miller/​Paramount+

Paramount kann das egal sein. Nicht nur banden sie Sheridan als Autor für ihren Streamingdienst fest an sich (er schrieb zuletzt „Mayor of Kingstown“ und jüngst „Tulsa King“), auch soll rund um die gewinnbringende Rancherfamilie Dutton bei Paramount+ ein ganzes Franchise etabliert werden. Ende letzten Jahres startete bereits sehr erfolgreich „1883“ (meine Startkritik) über die Urgroßeltern von John Dutton, die nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg mit einem Trek gen Oregon zogen, um sich dann in Montana niederzulassen. Die Besetzung der Hauptrollen mit dem Country-Superstar-Ehepaar Faith Hill und Tim McGraw sowie dem alten Haudegen Sam Elliott war auch hier ein cleverer Schachzug, um Zuschauerschichten anzulocken, die sonst eher kein Prestige-TV verfolgen – ohne dabei aber ganz auf zeitgenössische Perspektiven zu verzichten: Erzählt wird „1883“ aus der Sicht von Duttons Großtante Elsa (Isabel May), die in der Serie noch ein Teenager ist; ein schwarzer Ex-Soldat (LaMonica Garrett) führt den Trek an; überhaupt ist die Tatsache, dass in der Serie Bürgerkriegsveteranen sowohl der Konförderierten als auch der Nordstaaten kooperieren müssen, ein geschicktes Spiel mit dem Riss zwischen „red states“ und „blue states“, mithin mit der gesellschaftlichen Spaltung, die in den USA während und nach Trump wohl noch nie so stark war wie seit Bürgerkriegszeiten.

Obgleich ursprünglich als Miniserie geplant, soll es für „1883“ weitere Episoden geben unklar ist, inwiefern „1883: The Bass Reeves Story“ die Duttons eingebaut werden. Nächstes Jahr wird mit „6666“ ein Spin-Off starten, das auf der gleichnamigen Four Sixes Ranch in Texas spielt, der sich die „Yellowstone“-Figur Jimmy (Jefferson White) in der vierten Staffel angeschlossen hatte.

Bereits diesen Dezember schließlich wird mit „1923“ noch eine weitere Dutton-Generation beleuchtet. Weil bei dieser Geschichte aus der Prohibitionszeit zwischen den Weltkriegen mit Harrison Ford und Helen Mirren zwei absolute Schauspiel-Topstars mit an Bord sind (plus unter anderem Robert Patrick, Timothy Dalton und „Game of Thrones“-Bronn Jerome Flynn), ist es sehr gut möglich, dass dies die erste Dutton-Serie sein wird, die von Anfang an auch weit jenseits der „Yellowstone“-Kernzielgruppe wahrgenommen werden wird. Sicher auch in deutschsprachigen Regionen.

Zum Start von Paramount+ in Deutschland werden am 8. Dezember die ersten drei Staffeln von „Yellowstone“ sowie die komplette Auftaktstaffel von „1883“ dort veröffentlicht. Sony AXN wird weiterhin die Deutschlandpremiere von „Yellowstone“ besorgen, einen Termin für „1923“ bei Paramount+ gibt es noch nicht.

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Ich finde den Analysefaktor der Zuschauerquote mit Blick auf die politische Einstellung sehr interessant. Denn ich blende so etwas meist aus. Doch in den USA ist die Stimmung zwischen den beiden großen politischen Parteien bzw. den Anhängern/Wählern vor allem seit Trump extrem polarisiert, um nicht zu schreiben "vergiftet".
    Für mich ist "Yellowstone" eine geniale Serie, weil sie, zumindest meinem Eindruck nach, keine eindeutige politische Richtung verfolgt, sondern mit den verschiedenen Elementen und Spannungsfeldern "spielt" und durchaus kritisch hinterfragt und betrachtet. Die "Neo-Westernserie" ist inhaltlich, psychologisch und menschlich vielschichtig und tiefgründig. Und sie bietet immer wieder interessante Wendungen, schöne Naturaufnahmen und spannende Actionszenen, die auch mal echt brutal und verstörend ausfallen können.

    Beeindruckend finde ich auch, wie gut (bislang) alle (!) tragenden Rollen schauspielerisch besetzt sind.
    • am

      Der Bericht trifft es. Seit gestern bin ich im Yellowstone-Fieber und habe nach dem eher verwirrenden und etwas langatmigen Pilotfilm durchgehalten. Zum Glück, weil es dann so richtig losgeht und man Folge um Folge unbedingt schauen will.
      Für mich ist der fehlende mediale Hype für diese Serie und den Superstar Kevin Costner, das beste Beispiel heutiger Zeit. Der linke Journalismus nutzt seine Macht den Zuschauer an das heranzuführen, was für ihn richtig und woke genug ist. Neutralität ist da keine mehr.
      Es wird oft vergessen, dass die Zuschauer einfach nur unterhalten sein wollen und weniger auf eine Frauen- Migranten- Diversen- oder Schwarzenquote achten. Wenn es passt, darf alles dabei sein. Dann stört es auch nicht so, wie z.B. bei House of the Dragon, wo man bei den hellhäutigen, blonden Targaryens schwarze Schauspieler mit hellblonden Perücken eingebaut hat. Das wirkt lächerlich.
      • am via tvforen.de

        Naja, solange eine US zentrische Serie auf Sky versendet wird, wirds wohl nur ein sehr limitierter Hit werden. Paramount+ wird mit seinem US zentrischen Programm auch nicht unbedingt zusätzliche Leute ziehen.
        • am via tvforen.de

          Bei mir ist die Serie schon seit langem ein Riesen-Hit...schaue es im Pay TV. Eine der besten Serien in diesem Jahrtausend. Auch der Spin Off "1883", welchen ich gerade schaue, was ja eine Miniserie ist, ist bisher top!
          • am

            Schöner Hintergrund-Bericht. Gerne mehr davon.
            • am

              Die Republikaner sind doch nicht "rechts" oder sind die Demokraten somit links? Und "woke" ist sicher keine "rechte Kampfvokabel". In dem Punkten kann ich dem Autor nicht zustimmen und finde solche Bezeichnungen als Schwachsinn. 
              Besonders die Fragestellung "Ist die Serie rechts" was für eine dämliche Frage...
              • (geb. 1974) am

                Ich weiß nicht, wie ich diese Aussagen "beantworten" soll. Generell beschreibt man politische Ansichten als "rechts" und "links", um sie einzuordnen und insbesondere "vergleichbar" zu machen, auch wenn die Details nicht übereinstimmen. "Rechts" meint häufig "Wertekonservativ" und eine Wirtschaftspolitik, die eben die Wirtschaft von Abgaben und Vorgaben frei hält. "Links" verbindet man mit den Begriffen "liberale Persönlihckeitsrechte" und einer Wirtschaftspolitik, in der die Rechte der Arbeitnehmer mehr Gewicht haben und es ein starkes soziales Netz gibt (das über Steuern, auch für die Industrie finanziert wird). Niemand, den ich persönlich kenne, würde der Einordnung "Republikaner - Rechts", "Demokratische Partei - Links" widersprechen (zumindest in der US-Politik; Demokraten sind sicher nicht so "links wie die deutschen Grünen).

                Auch dass das Wort "woke" zumeist vom rechten politischen Spektrum "verächtlich ablehnend" und als "Vorwurf" verwendet wird (statt in der ursprünglichen Bedeutung als "aufgeklärt", "sich gesellschaftspolitischer Probleme bewusst", unter er es einst im linken politischen Spektrum geprägt wurde) erlebe ich in den Kommentaren unter unseren Newsmeldungen täglich.
              • am

                Lieber @Fernsehzuschauer,




                wo hast du die letzten ca. 200 Jahre eigentlich gelebt? Es ist eigentlich wirklich sehr einfach deine Frage zu beantworten: Ja. Die Reps sind rechts, die Democrats sind links - vergröbert dargestellt. Angeblich geht diese Bezeichnung auf die Sitzordnung im französischen Parlament des Jahres 1814 zurück. Kannst ja Mal deine Suchmaschine anwerfen, dazu gibt es genug Quellen.




                Und selbstverständlich ist die Frage nach der politischen Tendenz einer Serie überhaupt kein Quatsch. Hier könnte man sich höchstens fragen: Warum fragt man sich das? Denn die Serie lebt eindeutig von ziemlich konservativen Protagonisten und Ansichten.




                Das war auch ein Grund, warum mir die Serie nicht zugesagt hat. Aber nur einer von vielen.
              • am

                @Fernsehzuschauer: Bevor man hier in seinem Kommentar herabsetzende bzw. negativ wertende Vokabeln wie "Schwachsinn" und "dämlich" verwendet, sollte man sich selbst erst einmal informieren - und dazulernen.

                Zur grundlegenden (!) politischen Ausrichtung von Demokraten (tendenziell links / (sozial)liberal) und Republikanern (tendenziell rechts / Wertekonservativ) gibt es genügend seriöse Quellen im Internet.

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