US-Serienpreview 2008: „The Mentalist“ – Review

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 23.09.2008

Simon Baker CBS Broadcasting Inc.

Ein neuer Tag bei CBS, ein neuer Tag in den Reihen eines elitären Ermittlerteams. Nach Ausflügen des US-Networks in andere Gefilde mit bereits wieder abgesetzten Serien wie „Jericho“ oder „Moonlight“ scheint das Motto dieser Tage zu sein: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Oder eben: Network, bleib bei dem, was die Zuschauer kennen und wohl noch immer sehr mögen. Und so reiht sich dann auch „The Mentalist“, das seit dem 23. September immer dienstags zwischen „Navy CIS“ und „Without a Trace“ ausgestrahlt wird, perfekt in die Familie von Ermittlershows des Senders ein – was sowohl positiv, als auch negativ zu Buche schlägt.

Auf den ersten Blick werden unweigerlich Erinnerungen an „Psych“ wach, denn Patrick Jane (Simon Baker), der sich früher als Hellseher seine Brötchen verdient hat, arbeitet als „The Mentalist“ für die Polizei. Dabei agierte er allerdings als Betrüger, denn es ist seine genaue Beobachtungsgabe, die ihn Details erkennen lässt, welche anderen Menschen entgehen. Übernatürliches hat also mit seinen Fähigkeiten nichts zu tun. Diese stellt er nun in den Dienst des „California Bureau of Investigation“, um Morde aufzuklären. Sein Ermittlerteam, allen voran Agent Teresa Lisbon (Robin Tunney), findet diese Fähigkeit dann auch wirklich hilfreich – gleichzeitig sehen sie Jane aber auch als unberechenbarer Hitzkopf, der teilweise recht verantwortungslos agiert.

Dies wird gleich zu Beginn der Pilotfolge deutlich, als Jane den Vater eines Mordopfers damit konfrontiert, der eigentliche Täter zu sein – was schließlich dazu führt, dass dieser von seiner Ehefrau erschossen wird. Durch die darauffolgende Suspendierung kann Jane beinahe nicht an den Ermittlungen eines Doppelmordes teilnehmen, der scheinbar auf das Konto des Serienkillers Red John geht, an dem Jane auch aus persönlichen Gründen sehr interessiert ist, denn Red John hat vor Jahren Janes Frau und Tochter getötet. Jane ist aber bald davon überzeugt, dass es sich hier lediglich um einen Nachahmungstäter handelt. Jemand will den Mord an der Frau eines Golfprofis und ihrem Arzt dem Serienkiller in die Schuhe schieben.

Robin Tunney, Simon Baker CBS Broadcasting Inc.

„The Mentalist“ stammt aus der Feder von Bruno Heller, Creator und Produzent des viel zu früh eingestellten HBO-Dramas „Rome“. Sein Konzept ist wahrhaftig nicht neu, doch setzt es sich von „Psych“ durch den Fokus auf die Fallermittlung selbst und durch einen viel ernsthafteren Ton und Erzählstil ab. Humor wird hier eher sparsam dosiert. Ob das aber unbedingt zum Vorteil gerät muss wohl jeder Zuschauer nach eigenem Geschmack entscheiden.

Für die Regie der Pilotfolge konnte David Nutter gewonnen werden („Akte X“ /​ „Terminator: The Sarah Connor Chronicles“), der hier in seiner Regiearbeit das Kunststück vollbringt das Düstere im zutiefst Sonnigen sichtbar zu machen. Kalifornische Handlungsorte abseits von Los Angeles sind dabei eine willkommene Abwechslung zu anderen Krimi-Dramen, zumal sie wunderbar eingefangen werden. Auf anderer Ebene ist Nutter nicht unbedingt so erfolgreich: Es ist ein Balanceakt, einerseits Patrick Janes Beobachtungsgabe bildlich darzustellen, ohne in die überhöhten Computeranimationen von „CSI“ abzugleiten, aber andererseits die Hinweise nicht zu offensichtlich erscheinen zu lassen. Noch ist diese Balance nicht gut genug hergestellt und so ist der Zuschauer Jane noch viel zu oft einen Schritt voraus, was seine Kompetenz und die Überraschung seiner Kollegen nicht immer ganz glaubwürdig erscheinen lässt.

Der größte Pluspunkt von „The Mentalist“ ist aber das Casting. Die erste Folge ist bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt, Stars werden fast schon verschwendet. Steven Culp („Desperate Houswives“) segnet in seiner kleinen Gastrolle beispielsweise schon nach drei Minuten das Zeitliche. Simon Baker und Robin Tunney sind als Jane und Agent Lisbon stark genug, um die Serie zu tragen. Zwar ist die Chemie noch nicht perfekt, doch das Potential für eine sehr interessante und gegensätzliche Beziehung zwischen den beiden ist auf jeden Fall da. Vor allem Robin Tunney ist dafür zu bewundern, dass sie aus ihrer Agentin mehr macht als nur eine weitere Beschützerin, die ihrem talentierten Protegé außer Atem hinterher jagt. Simon Baker ist in seiner Darstellung zwar teilweise recht kühl und reserviert, trotzdem scheint ihm die Rolle auf den Leib geschrieben.

Owain Yeoman, Simon Baker CBS Broadcasting Inc.

Auch die Nebendarsteller, die dem Rest des Ermittlerteams glaubhaft Leben einhauchen, sind diejenigen, die aus „The Mentalist“ mehr machen, als das Konzept und das Drehbuch des Piloten eigentlich hergeben. Fans von „O.C., California“ werden sich dabei vor allem an Amanda Righetti erinnern, die hier als neuestes Teammitglied Grace Van Pelt die Frechheit besitzt ihr Gepäck beim Flug zum Einsatzort tatsächlich einzuchecken. Dafür wird sie von Agent Lisbon auch gleich nach der Ankunft abgewatscht. Wer von uns hätte diese Verletzung der Ermittler-Etikette denn nicht begangen? So hat Van Pelt die Sympathien gleich auf ihrer Seite.

Bruno Heller und seine „Mentalist“-Autoren müssen in den nächsten Wochen und Monaten das Kunststück vollbringen, stetig mehr von Patrick Jane und auch seinen Kollegen, die momentan noch stark auf die Rolle von Stichwortgebern reduziert sind, preiszugeben. Ganz einfach dürfte das nicht werden, schließlich scheint das Konzept, auch passend nach dem Geschmack von CBS, nur am Rande charakterorientiert zu sein. Der Hauptfokus liegt also auf dem alten aber immer noch beliebten „ein Fall pro Woche“-Prinzip. Dennoch ist was dran an „The Mentalist“. Das Potential, zumindest bei Krimi-Fans auf fruchtbaren Boden zu treffen, ist auf jeden Fall da. Die Umsetzung von Patrick Janes Beobachtungsgabe bedarf dagegen noch besserer visueller Umsetznug.

Unterm Strich bleibt vielleicht diese pragmatische Feststellung: Klar, die Prämisse „The Mentalist“ ist nicht wirklich „neu“. Doch in einer Zeit, in der mit CBS ein großes US-Network auf fast schon schmerzhafte Weise nicht dazu bereit ist Risiken einzugehen um seine Marktführerschaft nicht zu gefährden, darf man schon früh über das Aufblitzen von wirklich positiven und sympathischen Komponenten in einem neuen Format sein. Außerdem ist das Ganze immer noch besser als „Eleventh Hour“.

Meine Wertung: 3/​5

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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