Prosit, Käpt’n Blaubär! 30 Jahre Lügen, dass sich die Balken biegen

Chronik einer Kultfigur des Kinderfernsehens

Dennis Braun
Dennis Braun – 06.10.2021, 10:00 Uhr

1998–2001: Promis im „Club“ und ein Blaubär-Kinofilm

Zum ersten Mal seit 1991 wurden im Jahr 1998 wieder neue „Seemannsgarn“-Geschichten produziert, für die man die Puppen wie auch die Kulisse des „Clubs“ verwendete und die erneut in der „Sendung mit der Maus“ erstausgestrahlt wurden. Im Frühjahr zeigte Das Erste zudem brandneue halbstündige Specials wie „Liebesgrüße von Backbord“, in dem auf dem gesamten Kutter akuter Honignotstand herrschte, da der Seeräuber Kapitän Langfinger sämtliche Honigbestände der Welt in seinen Besitz gebracht hatte. Die in einem Fernseher in der Kombüse zu sehende „Tagesschau“-Meldung verlas die damalige Chefsprecherin Dagmar Berghoff, das Fahndungsfoto zeigte niemand Geringeren als Thomas Gottschalk. Den geklauten Honig wollten der Käpt’n und Hein Blöd ausgerechnet mit Gummibärchen freikaufen – (unterschwellige) Ironie war schon immer ein beliebtes Stilmittel im Blaubär-Universum.

Zur Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich steuerte die Blaubär-Crew eine Coverversion des Songs „Fußball ist unser Leben“ bei, den die deutsche Nationalmannschaft im Vorfeld der WM 1974 veröffentlicht hatte. In den Strophen gaben der Käpt’n und die Bärchen sämtliche Fußball-Floskeln zum Besten, die Hein Blöd, begriffsstutzig wie eh und je, nur allzu wörtlich nahm. Neben der Maxi-CD wurde sogar ein Musikvideo gedreht.

Im Herbst 1998 wurde die Produktion des „Käpt’n Blaubär Club“ wieder aufgenommen. Das komplette Schiff samt Ober- und Unterdeck und auch alle Puppen wurden völlig neu gestaltet, zudem gab es ein neues Titellied und man schraubte erneut am Konzept: Die Sendezeit wurde von 60 auf 30 Minuten eingedampft, jede Folge erhielt nun eine durchgehende Rahmenhandlung. Auch menschliche Gäste waren wieder willkommen: Als dauerhafte Untermieterin zog Anke (Mirjam Köfer) ein, darüber hinaus gaben sich Prominente in Gastrollen die Klinke in die Hand: Legendär sind etwa Bastian Pastewkas Auftritt als Basti al Zasti Hatschi Ben Tolpatschi aus dem Scheichtum Viel-Knetistan, Ralph Morgenstern als Wahrsager Ralph Futurello, Ex-VIVA-Moderator Mola Adebisi als „Flätschball“-Star Magic Mola sowie Ingolf Lück, der als windiger Orkanverkäufer von der „Schirokko-Taifun-Sturm-und-Pust-AG“ der Besatzung nicht nur ein laues Lüftchen andrehen wollte.

Ingolf Lück (r.) als Orkanverkäufer mit Käpt’n BlaubärWDR

Generell bewegte man sich ab jetzt mehr in Richtung Comedy, das Tempo der Geschichten zog deutlich an – ein Trend, der Ende des alten Jahrtausends etwa auch bei der „Sesamstraße“ zu beobachten war. Die Drehbücher verfasste nun nicht mehr Blaubär-Erfinder Walter Moers, sondern die beiden Radiomoderatoren und Comedians Michael Wirbitzky und Sascha Zeus. Die Einspieler wurden deutlich reduziert, so zeigte man lediglich kürzere Serien wie „Die Abenteuer von Paddington Bär“, „Eine kleine Fliege“ oder die „Haiopeis“. Darüber hinaus gab es die neuen „Seemannsgarn“-Geschichten von 1998 hier noch einmal zu sehen. Die erste 13-teilige Staffel des neuen „Clubs“ lief vom 2. Januar bis 27. März 1999 jeden Samstagmorgen um 8:30 Uhr im Ersten und wurde im Kinderkanal sowie im WDR wiederholt.

Walter Moers war in jenem Jahr jedoch alles andere als untätig: Er veröffentlichte seinen Roman „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, der erstmals auf dem fiktiven Kontinent Zamonien spielte, sich primär an eine erwachsene Leserschaft richtete und 750.000 Mal verkauft wurde. Zudem schrieb er das Drehbuch für „Käpt’n Blaubär – Der Film“, der am 16. Dezember 1999 in die Kinos kam. Komiker Helge Schneider synchronisierte darin Käpt’n Blaubärs Erzfeind Prof. Dr. Feinfinger, der die drei kleinen Bärchen entführte, um sich an Blaubär zu rächen. Dieser hatte in grauer Vorzeit Feinfingers Pläne, die Welt zu erobern, zunichtegemacht. 1,3 Millionen Besucher lockte das Werk in die Lichtspielhäuser, das im Jahr 2000 mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie Bester Kinder- und Jugendfilm ausgezeichnet wurde.

Auch neues „Seemannsgarn“ wurde produziert – erstmals in der runderneuerten Schiffkulisse -, welches wie gehabt in der „Sendung mit der Maus“ zu sehen war. Vom 1. Januar bis 30. Dezember 2000 lief im Kinderkanal das „Käpt’n Blaubär Magazin“, wobei es sich allerdings bloß um neu zusammengeschnittene Folgen des „Käpt’n Blaubär Club“ aus den Jahren 1995 und 1996 handelte. Apropos: Nach einer Pause von etwas mehr als einem Jahr kehrte dann auch der „Club“ am 8. Juli 2000 mit insgesamt 18 neuen Folgen ins Erste zurück, nun etwas früher am Samstagmorgen um 8:00 Uhr und in der Regel nur noch alle 14 Tage. Aus dem Konzept anno 1995 übernahm man zwei Rubriken in ähnlicher Form und passte sie dem Zeitgeist an: In „Heins Blödsinn“ erklärte „Dr. Blöd“ den Zuschauern die Welt, während der Käpt’n erneut in seiner „KKK“, der „kuriosen Kombüsenküche“, zugange war – nur deutlich klamaukiger. Weiterhin kehrte das Zuschauerrätsel in Form von „Heins Show-Quiz“ zurück, bei dem es für die richtige Antwort auf recht leichte Scherzfragen wieder Sachpreise zu gewinnen gab. Die allerletzte Folge namens „Nigak“ wurde am 24. Februar 2001 gezeigt, danach gab es noch bis zum 14. April Wiederholungen zu sehen. Somit schloss sich ein langes Blaubär-Kapitel nach mehr als sieben Jahren.

Zum Ende des Jahres 2001 wartete man mit weiteren Specials auf: Am 16. Dezember unterzog Hein Blöd in „Heins Presseclub“ am Ende der „Sendung mit der Maus“ zur Einführung des Euro die neue Währung einem „Stabilitätstest“ – mit Hammer und Kettensäge. In „Käpt’n Blaubär – Eine Weihnachtsgeschichte“ konnten die Zuschauer an Heiligabend im KI.KA und im Ersten den Weihnachtsvorbereitungen der Kuttercrew beiwohnen – die natürlich in heillosem Chaos endeten. „Käpt’n Blaubär – Der Film“ feierte einen Tag später, am 25. Dezember, im Ersten seine TV-Premiere. An Silvester ging dort zudem „Die große Hein-Blöd-Show“ auf Sendung, in der die Schiffsratte als Stargast Anke Engelke begrüßte und ganz im Stile eines (tollpatschigen) Late-Night-Hosts moderierte.

zurückweiter

weitere Meldungen