2013/2014, Folge 122–135

  • Folge 122 (30 Min.)
    Die bekannteste Übermensch-Definition stammt von Friedrich Nietzsche, dem deswegen bis heute immer wieder eine rassistische Weltanschauung unterstellt wird. Doch Nietzsche verstand unter dem Übermenschen weder eine überlegene Herrenrasse noch eine Art Superman, der als Ausgeburt des Guten gegen das Böse in der Welt kämpft. Für ihn ging es vielmehr um die Überwindung des Menschlichen, genauer: darum, dass jeder Mensch über sich hinauswachsen solle. Dies könne er allerdings nur, wenn er das Leben in seiner ganzen Fülle liebe, und zwar ausdrücklich auch die Schattenseiten: Schmerz und Leid. Zusammen mit Céline Denat, Dozentin für moderne deutsche Philosophie an der Universität von Reims, erörtert Raphaël Enthoven das Konzept des Übermenschen bei Nietzsche sowie seine Ableitungen in der Kultur der Gegenwart. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.09.2013arte
  • Folge 123 (30 Min.)
    Wer „virtuell“ hört, denkt an schöne oder auch beängstigende Computerwelten, die die Wirklichkeit zwar nachbilden können, sie aber überhöhen, verfremden oder sich von ihr entfernen. Raphaël Enthoven erörtert heute mit Arnaud Bouaniche, Post-Doktorand für zeitgenössische französische Philosophie an der Universität von Lille, dass Virtualität ursprünglich und eigentlich als Unterbau der Realität zu verstehen ist. Das Virtuelle, das bewusst nicht erfahrbar ist, bildet die Basis unserer Erfahrungen. So ist jeder Wassertropfen und jede Welle für uns nur unterbewusst erfahrbar. Erst als Meeresrauschen, in dem eine Vielzahl von Tropfen und Wellen zusammenspielen, dringen sie in unser Bewusstsein.
    Die Rolle des Künstlers und des Philosophen dabei ist es, uns begreiflich zu machen, dass das Erleben bereits begonnen hat, bevor es sich für uns in Objekten, Gefühlen und konkreten Erfahrungen manifestiert. Die Philosophen gehen der Frage nach, ob der Spieler eines Computerspiels sich tatsächlich in einer virtuellen Welt oder doch nur in einer artifiziellen Realität befindet und ob der Blick auf eine Straße bei Google Street View derselbe ist wie der Blick auf die Straße, auf der man gerade geht. Dabei kommen sie zu dem Schluss: Die reale Welt ist reicher an Virtualität als die virtuelle. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.09.2013arte
  • Folge 124 (30 Min.)
    „Wenn ich tanze, tanze ich; wenn ich schlafe, schlafe ich; wenn ich allein in einem schönen Garten spazieren gehe und meine Gedanken auf anderen Wegen ertappe, führe ich sie zu dem Garten zurück, zum Reiz der Einsamkeit und zu mir selbst.“ Dieses Zitat aus Michel de Montaignes Hauptwerk, den berühmten „Essaies“ (1580/​88), ist Ausgangspunkt des heutigen philosophischen Streifzugs durch Montaignes Werk. Mit den „Essaies“ begründete der französische Philosoph die literarische Kunstform des Essays, zu Deutsch etwa „Versuch“. Damit distanzierte er sich bewusst von der Wissenschaftskultur seiner Zeit, seine „Versuche“ sind vielmehr von subjektiver Erfahrung und Reflexion geprägte Erörterungen.
    Raphaël Enthoven diskutiert darüber mit Jean-Yves Pouilloux, Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Pau. Zur Sprache kommt das Thema der Identität, die Beziehung des Ich zum Körper und zum Denken und schließlich unsere Angst vor dem Tod. Der große Humanist Montaigne wollte keine Angst vor dem Tod haben beziehungsweise sich dadurch nicht die Freunde am Leben verderben lassen. Der Tod bedeutet für ihn, dass das Leben aufhört und nichts anderes. Montaignes „Essais“ lehren den Leser also letztendlich die rechte Art, mit dem Tod umzugehen. Dem ciceronischen Denken, dass Philosophieren sterben lernen hieße, hält Montaigne in seiner wichtigen Schrift entgegen: Philosophieren heißt, das Leben genießen lernen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.09.2013arte
  • Folge 125 (30 Min.)
    Auch unsere Zeit erlebt sich als eine, in der alles verloren geht: Die Rede ist vom Niedergang der Werte.. Raphaël Enthoven diskutiert heute mit seinem Gast Patrick Wötling über den Begriff des Wertes. Folgende Fragen werden dabei erörtert: Was ist der Wert der Werte? Was ist der Unterschied zwischen Wert und Preis? Kann man urteilen, ohne sich auf Werte zu berufen? Und letztlich: Was sind uns unsere Werte wert? Die philosophischen Reflexionen basieren unter anderem auf den Schriften Platons, Montaignes und Nietzsches. Erweitert wird die Diskussion“ durch Warhols Bild „Fifteen one Dollar Bills“, ein Foto der Berliner Gedächtniskirche sowie John Hustons Film „Moby Dick“. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.09.2013arte
  • Folge 126 (30 Min.)
    Ist zeitgenössische Kunst überhaupt noch Kunst, wenn sie zwar auf dem Grab der schönen Künste das Ende des Akademismus feiert, aber keinerlei Schönheitsideal mehr kennt, gegen das sie kämpfen könnte? Muss die Kunst nicht zugrunde gehen, wenn es keine Tabus mehr gibt, die sie brechen könnte? Der Begriff der Ästhetik im modernen Sinne verfestigte sich im 18. Jahrhundert und diente dazu, ein Kunstwerk aus philosophischer Perspektive einschätzen zu können. Raphaël Enthoven diskutiert mit seinem heutigen Gast Marc Jimenez, einem Fachmann auf dem Gebiet der Ästhetik, über den Grad der Ästhetik der zeitgenössischen Kunst. Inwiefern sind Kunstwerke heutzutage noch auf das Kriterium der Ästhetik angewiesen? Und lässt sich überhaupt noch von Kunstwerken reden, wenn es gar nicht mehr um den Gegenstand sondern die Geste des Künstlers geht? Die Innovativität der zeitgenössischen Kunst, die wie eine weiße Leinwand womöglich auf nichts mehr verweist und sich selbst abwertet, steckt längst nicht mehr im Handwerk, sondern in dessen Konzeptualisierung.
    Kunstwerke, wie ein „nicht-gemaltes Bild“ von Didier Guyard und Begriffe, wie den der „weißen Scheiße“ in Yasmina Rezas Theaterstück „Kunst“, verbinden die beiden Philosophen mit den Theorien von Plotin, Marcel Duchamp und André Breton. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.10.2013arte
  • Folge 127 (30 Min.)
    „Was ist der Gegenstand der Kunst?“, fragte der französische Philosoph Henri-Louis Bergson in seiner Abhandlung über das Lachen. Würde die Wirklichkeit die Sinne und das Bewusstsein unmittelbar berühren, könnten die Menschen einwandfrei untereinander und mit den Dingen kommunizieren. Die Kunst, als vermittelndes Element, wäre überflüssig. Doch paradoxerweise entfernen Wissenschaft und Philosophie den Menschen von dem, was sie ihm zu erklären versuchen. Bergson kritisierte die Philosophie dafür, dass sie den Menschen seiner Umgebung entfremde.
    Gemeinsam mit der Bergson-Spezialistin Ioulia Podoroga versucht Raphaël Enthoven dem Phänomen der Kunst auf die Spur zu kommen: Wie überbrückt sie die Kluft zwischen gegenständlicher Wirklichkeit und abstrakter Wissenschaft, die den Menschen spaltet? Welcher Aufgabe verpflichtet sich der Künstler? Ioulia Podoroga erklärt Bergsons Philosophie anhand eines Werks von Alberto Giacometti sowie Paul Cézannes „unessbaren“ Äpfeln. Die Bergson’sche Bewegung entdeckt sie in den Skulpturen von Auguste Rodin, dem es gelang, fließende Dynamik in Stein zu hauen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.10.2013arte
  • Folge 128 (30 Min.)
    Rassen gibt es nicht, Rassismus aber doch. Wie kann das sein? Heute sind sich die Forscher und zweifellos auch die öffentliche Meinung einig, dass es im biologischen Sinne keine Rassen gibt. Es gibt sie weder genetisch betrachtet, noch populationsbiologisch, noch vom Standpunkt der Evolutionsforschung aus. Ist Rassismus der Teufel, der mit dem Beelzebub ausgetrieben werden muss? Etwa mit dem in sich schon widersprüchlichen Konzept der „positiven Diskriminierung“? Oder soll man das Übel direkt an der Wurzel packen und ungeachtet der Absurdität des Unterfangens alle Unterschiede zwischen den Menschen abschaffen? Raphaël Enthoven und sein Gast Magali Bessone, Dozentin für moralische und politische Philosophie in Rennes, beleuchten das Thema von verschiedenen Seiten.
    Schriften wie Arthur de Gobineaus „Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen“ (1940), Jean-Jacques Rousseaus „Brief über die Vorsehung“ und William Edward Burghardts „Die Seelen der Schwarzen“ führen sie durch die moralphilosophische Debatte. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.10.2013arte
  • Folge 129 (30 Min.)
    Empörung ist eine Gefühlsregung, deren Berechtigung und Wert wohl niemand bestreitet. Doch muss sie Ausdruck eines passiven Moralismus bleiben, oder kann sie den Menschen dazu bringen, tätig zu werden und sich aufzulehnen? Welcher Weg führt von der Empörung zum Handeln? Diese Fragen diskutiert Raphaël Enthoven heute mit seinem Gast Jean-François Mattéi, der an der Universität in Nizza Philosophie lehrt. Herangezogen werden Platons „Thimaios“, Hegels „Phänomenologie des Geistes“ und Camus’ „Mensch in der Revolte“.. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.11.2013arte
  • Folge 130 (30 Min.)
    Warum erscheint uns die Natur manchmal erschreckend fremd und dann wieder seltsam vertraut? Der Mensch eignet sich die Natur an; er personifiziert sie, besingt sie, verschmutzt sie und unterstellt ihr unwiderlegbare Gesetze, die vor allem für ihn selbst zu gelten scheinen. Ist die Natur vielleicht nichts anderes als ein riesiger Spiegel, in dem sich der entwurzelte Mensch, der Stadtmensch, selbst betrachtet? Raphaël Enthoven und sein heutiger Gast Michel Serres diskutieren über die ambivalente Beziehung, die den Menschen an die Natur bindet. Serres argumentiert mit Auguste Comtes kühner Behauptung, die Natur sei ein vom Menschen geschaffener Fetisch: Der Mensch hat die Welt gestaltet, dennoch hat sie die Macht über ihn behalten und scheint sich sogar zu rächen. „Der Ekel“ von Jean-Paul Sartre, das düstere Gemälde „Duell mit Knüppeln“ von Francisco de Goya und sogar Mary Shelleys „Frankenstein“ sind weitere Schlüsselbilder der verworrenen Beziehung zwischen Mensch und Natur. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.11.2013arte
  • Folge 131 (30 Min.)
    Wer ist das Volk? Das Volk als solches ist zwar nicht fassbar, aber stets ein gutes Alibi für einen, der sich auf es beruft, um umso besser seine Parteilichkeit zu vertuschen. Ist das Volk denn wirklich ein Jemand, mit dem man sprechen und zu dem man Kontakt haben kann, oder ist es nur eine nützliche Erfindung für diejenigen, die an seiner statt sprechen? Der heutige Gast Frédéric Brahami diskutiert mit Raphaël Enthoven über die Volksmasse, die sich stets auf dem Grat zwischen Knechtschaft und Freiheit bewegt. Brahami bezieht sich auf Étienne de La Boétie, der behauptete, das Volk versklave sich freiwillig. Leni Riefenstahls Bilder werfen die Frage des domestiziertes Volkes auf. Weiteren Gesprächsstoff bieten: „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix und Gedanken von Blaise Pascal und Jean-Paul Sartre. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.11.2013arte
  • Folge 132 (30 Min.)
    Mord unterscheidet sich von anderen Tötungsdelikten dadurch, dass ihm gesellschaftlich ein besonderer Unwert zugeschrieben wird. Beim Mord ist die Grausamkeit des Täters maßgebend – und daher gewissermaßen wichtiger als der Tod des Opfers. Welche Lust beschert dem Mörder der verletzliche Blick seines Opfers? Beim Mord zählt der symbolische Akt mehr als das Resultat. Spielt er deswegen in so vielen Mythen eine entscheidende Rolle? Für die Philosophie gilt der Mord als äußerste Verletzung. Wenn man jedes Lebewesen verletzen kann, kann dann auch ein Tier zum Mordopfer werden? Ausgehend von dem biblischen Gebot „Du sollst nicht töten“ werfen Raphaël Enthoven und sein Gast Corine Pelluchon einen Blick in die Abgründe des menschlichen Wesens, um die Motive des Mordens zu begreifen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.12.2013arte
  • Folge 133 (30 Min.)
    Legitimieren Grenzen, weil sie uns von den anderen trennen, die Gewalt gegenüber allem Fremden? Oder sind sie nicht vielmehr die Voraussetzung dafür, dass Öffnung überhaupt stattfinden kann? Diesen Fragen geht Philosoph und Moderator Raphaël Enthoven mit seinem heutigen Gast Solange Chavel zum Thema „Grenzen“ nach. Solange Chavel ist promovierte Philosophiedozentin an der Universität von Poitiers. Ihre Forschung konzentriert sich auf die zeitgenössische Moral- und Politikphilosophie aus dem englischen Sprachraum, insbesonderedas Thema Immigration und Grenzen. Solange Chavel ist Chefredakteurin der Kultur- und Philosophiezeitschrift „Raison Publique“ und Autorin des Werkes „Se mettre à la place d’autrui: l’imagination morale“ (Presses universitaires de Rennes, 2012). (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 05.01.2014arte
  • Folge 134 (30 Min.)
    War Proust ein Kind der Belle Epoque? Oder wäre die Belle Epoque nur ein Vorwand, um über Proust zu sprechen? Diesen Fragen geht Philosoph und Moderator Raphaël Enthoven mit seinem heutigen Gast Mauro Carbone in dieser Ausgabe von „Philosophie“ nach. Der italienische Philosoph Mauro Carbone ist Professor für zeitgenössische Ästhetik an der Universität Jean Moulin Lyon-3. Er ist einer der wichtigsten Experten für das philosophische Denken des Franzosen Maurice Merleau-Ponty, dem er auch seine Doktorarbeit widmete. Über Proust schrieb er unter anderem „Una deformazione senza precedenti. Marcel Proust e le idee sensibili“, Macerata, Quodlibet, 2004 (übersetzt ins Englische und Französische), wofür er in Italien den ersten Essay-Preis „Viaggio a Siracusa“ erhielt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 12.01.2014arte
  • Folge 135 (30 Min.)
    Raphäel Enthoven und sein Gast Jean-Marc Ferry, Dozent für Europaphilosophie, diskutieren heute über folgende Fragen: Kann man das heutige Europa als europäische Nation bezeichnen? Wie funktionieren die europäischen Institutionen beziehungsweise wie sollten sie funktionieren? Welche Hoffnungen kann man in das Europa von morgen setzen? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 26.01.2014arte

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