Das deutsche Fernsehjahr 2021 im Rückblick: Retrofieber, Seriositätsoffensive und Wahl-TV XXL

Das waren die Trends und Ereignisse des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2021, 09:00 Uhr

TV-Abschiede des Jahres

Um Himmels Willen

ARD/​Barbara Bauriedl

Im Herbst 2020 gab die ARD überraschend bekannt, dass die langjährige Erfolgsserie „Um Himmels Willen“ ihrem Ende entgegensteuert. Wir sind der festen Überzeugung, dass man aufhören sollte, wenn es am schönsten ist, teilte die ARD mit. Die finalen 13 Folgen der 20. Staffel wurden im Frühjahr 2021 ausgestrahlt und die Dauerfehde zwischen Bürgermeister Wöller (Fritz Wepper) und den Ordensschwestern des Klosters Kaltenthal wurde beendet. Nach insgesamt 260 Episoden und vier Langfilmen in 20 Jahren war Schluss.

Bis Folge 65 fungierte Jutta Speidel als Schwester Lotte als Gegenspielerin für Bürgermeister Wolfgang Wöller. Danach übernahm diesen Part ab der sechsten Staffel Janina Hartwig als Schwester Hanna. Im Lauf der Jahre erhielt „Um Himmels Willen“ zahlreiche Preise, darunter den Deutschen Fernsehpreis, die Goldene Henne und den Bambi. Darüber hinaus hat sich die Serie als Exportschlager entpuppt und läuft auch in Italien, Ungarn und Dänemark.

Willkommen bei Carmen Nebel

ZDF/​Sascha Baumann

Bereits im Frühjahr 2019 hatte das ZDF angekündigt, die langjährige Musik-Show „Willkommen bei Carmen Nebel“ zu beenden. Eigentlich sollte die letzte Ausgabe im Dezember 2020 ausgestrahlt werden, doch wegen der Corona-Pandemie musste man die Abschiedsshow ins Frühjahr 2021 verschieben, um Carmen Nebel einen würdigen Abschied vor Studiopublikum zu ermöglichen. Doch auch daraus wurde nichts und Nebel musste auch am 13. März auf Zuschauer im Saal verzichten. Nichtsdestotrotz gaben sich in der 83. Ausgabe ihrer Show zahlreiche Wegbegleiter und befreundete Künstler die Ehre, um Nebel nach 18 Sendejahren einen gebührenden Abschied zu bereiten.

Im Gegensatz zu ARD-Kollege Florian Silbereisen, der 2004 einst ihre „Feste der Volksmusik übernommen hatte, gelang es Carmen Nebel in den vergangenen Jahren nicht, neue Zuschauerschichten zu erschließen. Stattdessen fielen die Einschaltquoten auf durchschnittlich 3,5 Millionen Zuschauer, während Silbereisens modernisierte Schlagershows fast doppelt so hohe Reichweiten erzielen. Für frischen Wind im ZDF sorgt seit September 2021 Giovanni Zarrella, der als Quasi-Nachfolger seine eigene „Giovanni Zarrella Show“ präsentiert und auf Anhieb tolle Einschaltquoten einfuhr. Carmen Nebel bleibt dem ZDF allerdings weiterhin erhalten. Ihr aktueller Vertrag läuft bis 2023. Ihre Einsätze beschränken sich nun auf die jährliche Spendengala „Die schönsten Weihnachts-Hits“ und die Weihnachtssendung „Heiligabend mit Carmen Nebel“, die für die Moderatorin Herzensangelegenheiten sind.

Genial daneben

Sat.1/​Willi Weber

Ein unwürdiges Ende erlebte „Genial daneben“. Ziemlich überraschend hat Moderator Hugo Egon Balder in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) seinen Rückzug von der Sendung und von Sat.1 verkündet. Der aktuelle Zustand des Senders mache ihn betroffen. Traurig und fassungslos sei er, wie dort nicht nur mit Formaten, sondern auch mit dem Personal vor der Kamera umgegangen werde. Als er vor knapp 20 Jahren zu Sat.1 kam, sei vieles besser gewesen. Doch seit 2009 Geschäftsführer Matthias Alberti den Sender verließ, habe sich die Situation kontinuerlich verschlechtert. Senderchefs kamen und gingen am laufenden Band, mit der Folge, dass diese den Laden permanent in die Grütze gefahren hätten. Damit einher ging die vorläufige Einstellung von „Genial daneben“ im Jahr 2011.

Als es sechs Jahre später zur Neuauflage kam und diese zunächst recht gute Quoten holte, wollten die Verantwortlichen schnell mehr – in Form des täglichen Vorabendformats „Genial daneben – Das Quiz“. Balder habe vor dem Titel der Sendung gewarnt, weil sich die Zuschauer etwas völlig anderes unter „Genial daneben“ vorstellen würden. Letztendlich habe ich recht behalten – die Quoten gingen nach der ersten Sendung sofort in den Keller. Aber da kann man als Einzelner so viel warnen, wie man will, da hat man keine Chance. Balders Geduldsfaden riss irgendwann endgültig: Ich selbst habe für mich beschlossen, dass ich das nicht mehr will. Es bringt einfach nichts. Sat.1 hat sich in den vergangenen Jahren als ziemlich beratungsresistent erwiesen. In den letzten Staffeln von „Genial daneben“ ging Sat.1 ziemlich stiefmütterlich mit der einstigen Erfolgsmarke um und versendete sie mitten im Sommerloch am späten Freitagabend. Dort lief schließlich am 16. Juli um 23:30 Uhr auch die wohl allerletzte Folge.

Guido Cantz verlässt „Verstehen Sie Spaß?“

SWR/​Wolfgang Breiteneicher

Merkel, Löw, Bohlen – und Cantz. 2021 war das Jahr der großen Abschiede. Guido Cantz gab nach zwölf Jahren und genau 60 Folgen die Moderation von „Verstehen Sie Spaß?“ auf eigenen Wunsch ab. Am 18. Dezember führte er zum letzten Mal durch den Samstagabendklassiker im Ersten. Im August werde ich 50 Jahre alt und da blickt man natürlich zurück, aber vor allem auch nach vorne, so Cantz. Ich danke dem SWR und meinem gesamten Team für die vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit in den letzten zwölf Jahren. Unvergessen bleiben mir meine außergewöhnlichen Einsätze als Lockvogel, die vielen großartigen Gäste auf dem Sofa und natürlich das Highlight, die Jubiläumsshow der Sendung. Von meiner Zeit bei ‚Verstehen Sie Spaß?‘ werde ich sicherlich noch meinen Enkeln erzählen.

Cantz’ Nachfolgerin wird Entertainerin Barbara Schöneberger. Ab April 2022 wird somit zum ersten Mal nach 32 Jahren, als noch Paola gemeinsam mit ihrem Mann Kurt Felix die Sendung moderierte, nach einer reinen Männer-Riege wieder eine Frau den Unterhaltungsklassiker präsentieren. Gemeinsam mit Schöneberger wolle man die Show erfolgreich weiterentwickeln und mit der Zeit gehen.

Neues aus Büttenwarder

NDR/​Nicolas Maack

Im August gab Peter Heinrich Brix zunächst überraschend seinen Abschied aus der NDR-Kultserie „Neues aus Büttenwarder“ bekannt. Der Tod seines langjährigen Serienpartners Jan Fedder im Dezember 2019 habe zu dieser Entscheidung geführt. Seit Beginn der Serie im Jahr 1997 verkörperte Brix den Bauern Arthur „Adsche“ Tönnsen. Bis 2019 bildete er gemeinsam mit Jan Fedder als Bauer Kurt Brakelmann ein kongeniales Duo und das Herzstück der Serie. Ich denke, es gibt eine Zeit für alles und irgendwann ist diese Zeit um. Wenn man dann zu dieser Überzeugung kommt, sollte man auch entsprechend handeln, so Brix.

Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Ausstiegs von Brix teilte der NDR seinen Entschluss mit, dass die Serie komplett eingestellt wird. Die Verdienste von Peter Heinrich Brix könne man nicht genug würdigen. Dass er ‚Büttenwarder‘ verlässt, ist ein herber Verlust – ohne Adsche als durchgehende Hauptfigur möchten wir die Serie nicht weiterführen, teilte der Sender mit. Die letzten vier Folgen (die Episoden 95 bis 98) werden im Weihnachtsprogramm 2021 im NDR gezeigt und erzählen zum ersten Mal eine fortlaufende Geschichte. Eine direkte Abschiedsfolge gibt es allerdings nicht. Brix selbst hat sich aber ein Erinnerungsstück an seine Paraderolle Adsche Tönnsen gesichert: Sein Hut liegt bei mir zu Hause.

Die Pierre M. Krause Show

SWR

18 Jahre lang moderierte Pierre M. Krause seine kleine, aber feine Late-Night-Show im Spätprogramm des SWR Fernsehens. Der späte Sendeplatz dieses versteckten Juwels im Regionalprogramm gab Krause und seinem Team weitgehend Narrenfreiheit und ermöglichte eine experimentelle Spielwiese. Doch nach insgesamt 616 Folgen entschied der SWR, dass „Die Pierre M. Krause Show“ zum 6. Juni eingestellt wird. Es handelte sich um die dienstälteste Late-Night-Show des deutschen Fernsehens, die seit 2003 gut versteckt, mit wechselnden Namen und auf unterschiedlichen Sendeplätzen am Programmrand des SWR Fernsehens gezeigt wurde. Doch jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem offenbar kein Platz und kein Budget mehr übrig war für das kleine Juwel in der „Ssssendegebiet“-Nische. Krause selbst hätte gerne weitergemacht.

Gemeinsam mit der Redaktion will der SWR an einer neuen Show für Krause arbeiten, die den vor allem im Digitalen erfolgreichen Format-Kosmos um Pierre M. Krause, namentlich Krauses „Kurzstrecke“, ergänzen soll. Angekündigt war, dass Krause im Herbst nach einer „kreativen Sommerpause“ mit einer neuen Show zurückkehren soll – bislang war davon allerdings nichts zu sehen. Stattdessen hat Krause bei Sat.1 Fuß gefasst und fungiert dort etwa als Stichwortgeber in der Impro-Show „Halbpension mit Schmitz“.

Morgen geht unser Rückblick auf 2021 mit den 50 größten TV-Erfolgen des Jahres in Deutschland weiter.

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1966) am

    Kurz zur Person Christine Strobl, der jetzigen ARD-Programmdirektorin:
    Sie ist die Tochter von Wolfgang Schäuble ( CDU - u.a. ehemaliger Innenminister ) und Ehefrau von Thomas Strobl ( CDU - u.a. Innenminister von Baden-Württemberg ).
    Soviel zu den angeblich freien und unabhängigen Medien, wo TV, Partei und Politik so eng miteinander verknüpft sind. Da kann man manche Menschen schon etwas verstehen, wenn diese von " Staatsfernsehen " reden.
    • (geb. 1976) am

      In Anbetracht des wirklich schlechten „Hape und die 7 Zwergstaaten“ wäre Kerkeling wohl besser weg geblieben. Und bei den ganzen Abschieden 2021 ist nur wenig dabei, was wirklich fehlen wird. Ich sehe (dennoch) keine Zukunft für das klassische, lineare Fernsehen.

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