Kommende Serienhighlights 2025/26 für die ARD Mediathek
Bild: ARD Das Erste
Mystery mit Moritz Bleibtreu, Elektropop mit Mozarts Schwester und ein Öl-Western aus der Lüneburger Heide: Als am Mittwoch in Berlin beim „ARD Serien Spotlight“ die Serienhighlights vorgestellt wurden, die im Herbst und Winter 2025/26 in der ARD Mediathek aufschlagen werden, ging es ausgesprochen abwechslungsreich zu. Der Streamingdienst des Ersten soll sich mit neuen Erzählweisen und frischen Gesichtern als Go-to-Adresse für Fans ungewöhnlicher deutscher Serien etablieren. Jeden Monat feiern neue Serien und Staffeln Premiere – mutig erzählt, besonders inszeniert und ‚made in Germany‘, verspricht die ARD. Die ausschnittsweise vorgestellte Auswahl macht diesen Anspruch plausibel.
Die ARD Mediathek hatte zum „ARD Serien Spotlight“ geladen, und nach Kaffee, Sandwiches und Salat kamen im Kino der betonkühlen Eventlocation AchtBerlin in Prenzlauer Berg zunächst einmal die Sender-Honoratioren zu Wort: Von Serien, die die Gesellschaft widerspiegeln sollen, von modernen Geschichten und Relevanz, von Staffelfähigkeit und überhaupt von dem, „was und wie die ARD sein möchte, sprachen Sophie Burkhardt (Channel-Managerin der ARD Mediathek), Björn Wilhelm (Koordinator der ARD-Fiction) und Christoph Pellander (Programm-Manager ARD Degeto) vor dem plüschig-blauen Leinwandvorhang des AchtBerlin-Kinosaals, sichtlich überzeugt von der Qualität ihrer brandneuen Ware. Frisch und relevant – so sollen sie sein, die eigenproduzierten Serien, die nicht mehr für die lineare Welt gemacht sind (Pellander) und dennoch regionale Identität (Wilhelm) vermitteln sollen: aus ganz Deutschland, für ganz Deutschland. Und das auch noch in überraschenden Programmfarben (Burkhardt).
Was sich nach PR-Geklingel anhörte, ließ sich im anschließenden, von Tabea Werner (Sprecherin der ARD-Programmdirektion) moderierten Ritt durch sieben kurz- bis mittelfristig anstehende Serienproduktionen von höchst unterschiedlicher Tonlage auf seine Gültigkeit hin überprüfen. Aus bald startenden Produktionen gab es längere Ausschnitte zu sehen, von noch nicht fertigen Serien teils nur provisorische Trailer.
Moritz Bleibtreu und Maximilian Mundt landen im „Seelendorf“
Die größte Überraschung wurde dabei erst ganz zum Schluss enthüllt: „Seelendorf“ wird eine sechsteilige Mystery-Thrillerserie mit Horror-Elementen heißen, von deren baldiger Existenz trotz Moritz Bleibtreu und Maximilian Mundt („How to Sell Drugs Online (Fast)“) in den Hauptrollen bislang noch nirgendwo offiziell die Rede war. Produzentin Nanni Erben annoncierte eine Geschichte über Identität, Familie und die Macht der Vergangenheit. Mit Seyneb Saleh („Call My Agent Berlin“) und Jungschauspielerin Anna Shirin Habedank hatte sie zwei weitere Hauptdarstellerinnen mit dabei, die in „Seelendorf“ das zentrale Mutter-Tochter-Gespann verkörpern und den Anwesenden versicherten, wie herausfordernd die Arbeit für sie gewesen sei. Inhaltlich wollten/durften sie nichts spoilern, weshalb sich der Plot um Kinder, die rund um die Mondwende verschwinden, um einen sich schwarz färbenden See, um ein Mädchen mit Visionen und um konservierte Leichen noch einigermaßen nebulös anhört. Die gezeigten Szenen allerdings sahen sehr vielversprechend aus – ein Mix aus „The Returned“, „Weapons“ und „Dark“. Das Vorhaben, qualitativ hochwertige Genre-Erzählungen aus deutscher Produktion in die Mediathek zu bringen, scheint sich in den sechs 45-minütigen Episoden also einzulösen. Erst 2026 soll „Seelendorf“ veröffentlicht werden.
„Schattenseite“: Coming-of-Age-Thriller im Cybermobbing-Zeitalter
ARD Degeto Film/HR/funk/Dreamtool Entertainment GmbH/Elliott Kreyenberg
Deutlich früher, nämlich bereits am Freitag dieser Woche, steht mit „Schattenseite“ eine weitere Mystery-Thriller-Produktion in der Mediathek bereit – die aber stilistisch kaum unterschiedlicher ausfallen könnte. Die Verfilmung des gleichnamigen, 2019 erschienenen Romans von TikTok- und Twitch-Star Jonas Ems erzählt von der 18-jährigen Nola (Samirah Breuer aus „KRANK Berlin“), die, frisch an eine neue Schule gewechselt, direkt in eine Katastrophe gerät. Bei der Trauerfeier für einen verstorbenen Mitschüler poppt eine dubiose App auf den Smartphones der Schüler*innen auf – die „Schattenseite“, die intime Daten, Bilder, Videos zu leaken droht. Angst und Misstrauen machen sich breit, Freunde entzweien sich, alle sind auf der Hut.
Pulsierend-dynamisch inszeniert, sind die sechs dreiviertelstündigen Episoden mit effektiven Cliffhangern klar auf Bingefähigkeit hin angelegt. Das Zusammenspiel der jungen Darsteller wirkt dabei erfreulich ungekünstelt – entscheidend für eine Young-Adult-Produktion. Hauptdarstellerin Breuer sprach am Mittwoch denn auch davon, dass die Regisseure Özgür Yildirim („4 Blocks“) und Alison Kuhn („Druck“) die Schülerdarsteller explizit um Input gebeten hatten. Das sieht man in den gezeigten Szenen. Jonas Ems spielt übrigens auch selbst mit und war zudem kooperativ an den Drehbüchern beteiligt – die sich allerdings, erzählte er, in nicht wenigen Details von seinem Roman unterscheiden würden: In den sechs Jahren seit der Veröffentlichung ist vieles im Buch schon nicht mehr aktuell.
„Mozart/Mozart“: Große Bühne für übersehene Schwester
WDR/Armands Virbulis
Der gepuderte Zorn gralshütender Klassikfans ist bei einer weiteren vorgestellten Produktion praktisch mit eingepreist: In „Mozart/Mozart“ – ab 12. Dezember in der Mediathek – beschäftigen sich Showrunner Andreas Gutzeit („Dignity“, „Sisi“) und Co-Autorin Swantje Oppermann mit Maria Anna Mozart, der Schwester des großen Wolfgang Amadeus. Die ebenso begabte wie ehrgeizige Pianistin war ein Wunderkind avant la lettre, durfte im 18. Jahrhundert natürlich nicht die Karriere machen, die sie machen wollte. Zeitlebens und lange danach wurde sie zum bloßen „Nannerl“ verniedlicht. Im ARD-Sechsteiler wird ihr nun aber eine große Bühne bereitet, auf Augenhöhe (wenn nicht darüber hinaus) spielt sie sich mit Wolfgang A. durch eine Geschwistererzählung in groß, bunt und emotional.
Ohne den Anspruch, ein Biopic machen zu wollen, so Gutzeit, habe er den Mozart-Mythos auf ganz neue Weise bedienen wollen, und zwar so, dass auch junge Leute nicht verprellt würden – zum Beispiel mit einem Musikmix, der Klassik und Elektropop ineinander übergehen lässt, mit kühnen Modernisierungen im Dialog und einer beherzt laxen Umdichtung der Fakten. Mit Havana Joy („Love Sucks“) und Eren M. Güvercin („Euphorie“) in den Titelrollen scheint, so lassen es die gezeigten Ausschnitte vermuten, ein ideales Hauptdarstellerduo gecastet worden zu sein, das auch am Mittwoch auf der Bühne im AchtBerlin eine dezent verpeilte Chemie erkennen ließ. In weiteren Rollen sind Peter Kurth, Philipp Hochmair und Verena Altenberger zu sehen, Regie führte mit Clara Zoë My-Linh von Arnim („Die Zweiflers“) ein Shooting Star der deutschen Serienwelt.
„Schwarzes Gold“: Prominent besetzter Ölrausch in der Lüneburger Heide
NDR/ARD/Boris Laewen
Für die Zeit zwischen den Jahren sollten sich Fans großgestischer Dramen schon mal die nächste Produktion vormerken: Mit „Schwarzes Gold“ landet ab 22. Dezember ein veritabler Niedersachsen-Western in der Mediathek. Vor dem Hintergrund eines – historisch verbürgten – Öl-Booms in der Lüneburger Heide ums Jahr 1900 herum, als das Dorf Wietze (bei Celle) kurzzeitig zum Eldorado des Nordens mutierte und zu einer Art Klein-Texas wurde, erzählt der Sechsteiler ein wuchtiges Drama um Macht und Gier und rivalisierende Farmer, die sich bis aufs Blut bekämpfen: „There Will Be Blood“ mit Heidschnucken sozusagen, „Giganten“ zwischen Uelzen und Fallingbostel. Harriet Herbig-Matten, seit „Maxton Hall“ eine der international bekanntesten deutschen Jungschauspielerinnen, darf darin zeigen, dass sie weit mehr kann als Herzschmerz in verfilmter Farbschnittliteratur. Charismatisch und intensiv spielt sie Johanna, die Tochter einer armen Bauersfamilie, die nach Schicksalsschlägen und Betrug ihr Land verkaufen muss: Darunter aber schlummert ein fossiler Schatz, den Großbauer Pape (Tom Wlaschiha) fördern will. Johanna aber kämpft zurück.
Intrigen, Explosionen, eine verbotene Liebe: „Schwarzes Gold“, top besetzt mit Henny Reents, Lena Urzendowsky, Jessica Schwarz, Aaron Hilmer, „KRANK Berlin“-Star Slavko Popadic und internationalen Gästen wie Gwendoline Christie („Game of Thrones“), lässt wenig aus, nicht einmal einen imposant dräuenden Soundtrack, besorgt von Hans Zimmer, Deutschlands Großtonsetzer in Hollywood. Gedreht wurden die Außenszenen übrigens vorwiegend im Museumsdorf Hösseringen in der Südheide. Henny Reents, die am Mittwoch anwesend war, verriet, dass das ganze Team vor Drehstart eine Art „Bootcamp“ absolvieren musste – um danach glaubwürdig in den bäuerlichen Heide-Alltag vor 125 Jahren abtauchen zu können.
„Ludwig“: Auf den Spuren des mysteriösen Todes des bayerischen „Märchenkönigs“
Noch etwas weiter zurück – aber nicht ganz so weit zurück bis zu den Mozarts – ging es in „Ludwig“. Die internationale Co-Produktion von ARD Degeto Film, BR, SRF und ServusTV erzählt die bereits mehrfach verfilmte Geschichte des legendär schillernden Bayernkönigs Ludwig Zwo (1845–1886) unter „True Crime“-Gesichtspunkten ein weiteres Mal – investigativ hinführend auf die nicht ganz geklärten Umstände von Ludwigs Suizid im Starnberger See. Die Erfolgsproduzenten Quirin Berg und Oliver Vogel („Der Pass“) hatten erste, zu einem Quasi-Trailer zusammenmontierte Bewegtbilder nach Berlin mitgebracht, denn gedreht wird erst seit dem 1. Oktober. Über die Besetzung des Achtteilers hatte die ARD schon vor der Veranstaltung informiert (fernsehserien.de berichtete): Neben arrivierten Größen wie Francis Fulton-Smith, Karl Markovics oder Nikolai Kinski spielt Luis Pintsch („22 Bahnen“) die Titelrolle, und das in gleich mehreren Altersphasen. Zu sehen sein wird das aufwendig angelegte Crime Drama erst 2027.
„Almania“: Neue humorvolle Geschichten aus einer Brennpunktschule
SWR/siri.capture
Neben diesen Neuproduktionen gab es zwischendurch auch Einblicke in zwei Produktionen, bei denen Folgestaffeln anstehen. Die Brennpunktschulen-Comedy „Almania“ zum Beispiel geht ab dem 31. Oktober in die bereits dritte Runde, und die gezeigten Clips bewiesen, dass sich die sketchartigen Geschichten rund ums Lehrerkollegium und die herzerfrischend dreiste Schülerschar auch diesmal wieder gut zwischen pointiertem Slapstick, satirischem Blick auf Bildungskrisen und purer Albernheit eingerichtete haben. Hauptdarstellerin Pegah Ferydoni zeigte sich am Mittwoch erleichtert darüber, dass sich die neue Staffel wieder mehr aufs Kollegium konzentriere und ihrer Figur, Lehrerin Sarah Nouri, eine aggressivere Sexualität zugestanden werde. Ihr Co-Star und Showrunner, der Ex–Y-Titty-YouTuber Phil Laude, ließ sich live aus Köln zuschalten, um auf den Punkt zu bringen, worum es ihm mit „Almania“ geht: um verbindende Comedy, die in diesen unseren Zeiten ausnahmsweise mal nicht polarisiert.
„Oderbruch“-Fortsetzung: Roadtrip aus dem deutschen Niemandsland
ARD/Degeto
„Oderbruch“ geht ab Februar 2026 dagegen erst in die zweite Staffel – und die erfolgt unter deutlich geänderten Voraussetzungen: Aus der Mystery-Krimiserie ist schließlich am Ende der ersten Staffel eine Vampirserie geworden, und Co-Autor Arend Remmers war es am Mittwoch anzumerken, dass er es durchaus als Erleichterung empfindet, diesen Umstand nicht mehr verheimlichen zu müssen. Die gezeigte Sequenz aus der dritten Folge – eine intensive Auseinandersetzung zwischen Karoline Schuchs Figur Maggie und einem anderen Vampir – fiel angenehm spannend aus, auch Sabin Tambrea, einer der Neuzugänge im Cast, trat darin auf. Am Drehort Gran Canaria war zudem abzulesen, dass das Oderbruch-Setting in der neuen Staffel verlassen wird, zugunsten eines „Roadtrips“. So bezeichnete es Regisseur Adolfo Kolmerer, der überdies eine Lanze brach für die in Deutschland noch immer gern von oben herab beäugten Genre-Produktionen: Genre muss man sich nur trauen. Was zweifellos ein Lob an die anwesenden ARD-Granden implizierte, die sich das ja eben getraut haben.
Gewiss, Ausschnitte haben einen begrenzten Aussagewert. Über Rhythmus, Timing, die Organisation von Handlungssträngen oder episodenübergreifende Spannungsbögen geben sie keine Auskunft. Mehr als ein Appetizer können Vorstellungsevents wie das „ARD Serien Spotlight“ also gar nicht sein – aber eben auch nicht weniger. Wenn die gezeigten Serien am Ende das halten können, was diese ersten Einblicke zu versprechen scheinen, wird der Blick in die ARD Mediathek in den kommenden Monaten des Öfteren ein lohnender sein.
Über den Autor
Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) - gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).