2021, Folge 317–341

  • Folge 317 (60 Min.)
    Gefühle begleiten unser Leben. Oft laufen sie einfach „nebenher“ und erscheinen wie Stimmen unseres Körpers. Zuweilen werden sie übermächtig und scheinen unser Denken und Handeln zu bestimmen. Gefühle können im Widerspruch zu uns und unserem Denken stehen. Sie können unser Handeln auf eine Weise beeinflussen, die manchmal sogar zerstörerisch ist. Doch wann sind wir authentisch? Wenn wir dem Verstand folgen oder wenn wir auf die Stimmen der Gefühle hören? Während wir im Laufe des Lebens viel Mühe darauf aufwenden, Wissen zu generieren und unseren Verstand zu trainieren, können Gefühle scheinbar wie aus dem Nichts entstehen und ohne Grund Macht über unser Leben gewinnen.
    Doch wie entstehen Gefühle überhaupt? Und wie verhalten sie sich zu unserem Denken? Was macht Gefühle aus, die ja, wie das Denken auch, Mittel der Erkenntnis und Gemeinschaftsbildung sein können? Und was unterscheidet Gefühle von bloßen Affekten? Neuere Entwicklungen in der Biologie, der Neurowissenschaft und in der Medizin zeigen, dass weder Gedanken noch Gefühle ohne unsere Körper existieren können. Tatsächlich sind Gefühle bewusste und damit mentale Erlebnisse. Gefühle und Bewusstsein scheinen also nicht nur unmittelbar zusammenzuhängen. Gefühle tragen auch entscheidend dazu bei, einen Sinn in der Wirklichkeit zu finden.
    Insofern sind Gefühle wesentlich für die Konstitution unserer Identität. Doch wie genau verhalten sich Gefühle und andere Bewusstseinszustände zueinander? Welche Arten von Gefühlen gibt es? In der Sendung gehen Gert Scobel und seine Gäste der Frage nach, was emotionale Reaktionen von Gefühlen unterscheidet, wie Gefühle entstehen und wie wir lernen können, sie zu nutzen – für unsere körperliche und seelische Gesundheit. Vor allem aber befassen sie sich mit einer unleugbaren Tatsache: Wir können Gefühle kultivieren und sie damit kontrollieren oder verändern. Gibt es also so etwas wie eine „Aufklärung der Gefühle“? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 14.01.20213sat
  • Folge 318 (60 Min.)
    Es war der schnellste Wettlauf, den es in der Geschichte der Impfstoffentwicklung gab. Aber werden die ersten zugelassenen Vakzine gegen Corona auch die besten und sichersten Mittel sein? Bevor ein Impfstoff zugelassen wird, müssen Tests und Qualitätskriterien erfüllt werden. Gleichzeitig diskutieren Experten und Bürger die Vor- und Nachteile von Impfungen. Denn nicht nur Fakten, sondern auch Vertrauen und Risikoabwägungen spielen eine Rolle. Wegen der exponenziellen Verbreitung der SARS-CoV-2-Viren und der Gefahren, die von ihnen insbesondere für Risikogruppen ausgehen, wurden die Abläufe für die Zulassung eines neuen Impfstoffs beschleunigt.
    Nun hoffen viele Menschen, dass die Vakzine erfolgreich wirken – ohne starke Nebenwirkungen oder gar Spätfolgen hervorzurufen. Der Einsatz eines neuen, nicht lang getesteten Impfstoffs birgt immer die Gefahr unabsehbarer Spätfolgen. Dennoch waren Impfungen gegen gefährliche Infektionskrankheiten in der Vergangenheit häufig sehr erfolgreich. So konnten beispielsweise die Pocken durch konsequente Impfprogramme weltweit bis 1980 effektiv besiegt werden. Seit bekannt ist, dass eine Reihe von Krebserkrankungen die Folge von Infektionen mit Viren ist, arbeitet man in der Forschung an neuen Impfstoffen gegen Krebs.
    Dieser Forschung verdankt sich auch die neuartige mRNA-Virus-Impfung gegen COVID-19. Welche Chancen und Möglichkeiten liegen in diesem neuen Verfahren? Sind damit nicht nur neue Pandemien, sondern auch die jahrtausendealte Plage von Krebserkrankungen zu verhindern? In der Gesprächssendung „scobel – Der Kampf gegen Viren“ diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen einige Etappen der Impfgeschichte und stellt grundlegende Funktionen und Leistungen von verschiedenen Impfstoffen vor.
    Gab es in der Vergangenheit auch Impfstoffe, die zunächst zugelassen und dann wieder vom Markt genommen wurden? Wie viele Impfungen gibt es eigentlich heute in Deutschland? Wer ist bereit, sich impfen zu lassen? Und wer lehnt Impfungen ab? Auch dazu gibt es wissenschaftliche Studien, die sich mit den Einstellungen der Bevölkerung zum Impfen beschäftigen. Und nicht zu vergessen: Impfungen sind ein riesiges Geschäft für Pharmafirmen, die in erster Linie wirtschaftliche Interessen verfolgen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 04.02.20213sat
  • Folge 319 (60 Min.)
    Sterben gelingt nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Für manche schwerkranke Menschen würde die Möglichkeit des assistierten Suizids eine große Entlastung bedeuten. Seit Februar 2020 ist Sterbehilfe in Deutschland legal. Doch praktiziert wird sie von Ärzten kaum. Nach wie vor fehlt es an der juristischen Absicherung ihres Tuns. Unter welchen Voraussetzungen soll Sterbehilfe in Deutschland in Zukunft erlaubt sein? Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der Selbsttötung, das erst 2015 eingeführt worden war, für nichtig erklärt.
    Sterbehilfe darf also geschäftsmäßig in Deutschland angeboten werden, aber viele Betroffene würden lieber die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen. Bislang ist Humanmedizinern jedoch weder das Medikament Natrium-Pentobarbital zugänglich, noch ist gesetzlich geregelt, wie ärztliche Sterbehilfe in der Praxis aussehen könnte. Seit das oberste Gericht das Verbot gekippt hat, versuchen Betroffene, eine Genehmigung für die tödlich wirkende Arznei zu erwirken. Bis Ende September 2020 sollen schon mehr als 50 Anfragen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn eingegangen sein.
    Jetzt ist die Politik gefragt, diese existenzielle und brisante Rechtsfrage, über die sehr emotionale Debatten geführt werden, neu zu gestalten. Welche Gefahren und bedenklichen Erfahrungen mit Sterbehilfe, zum Beispiel in den Niederlanden, sollten dabei bedacht werden? Was würde den oft schwerkranken und verzweifelten Betroffenen am besten helfen? Und wer darf am Ende darüber bestimmen, wie ihre Sterbewünsche in der Praxis umgesetzt werden und welche Betroffenen tatsächlich Anspruch auf ärztlichen Beistand haben? Der Staat, der Ethikrat, die Kirchen, die Ärzte – oder jeder Betroffene für sich? Gert Scobel diskutiert das kontroverse Thema mit dem Schweizer Palliativmediziner Gian Domenico Borasio, der einen Gesetzesvorschlag für selbstbestimmtes Sterben erarbeitet hat, mit der Medizinethikerin und Vorsitzenden des Ethikrats, Alena Buyx, die für eine Neuregelung der Sterbehilfe plädiert und gleichzeitig die Suizidprävention stärken will, und mit dem Strafrechtler und Rechtsphilosophen Reinhard Merkel. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 18.02.20213sat
  • Folge 320 (60 Min.)
    Rassismus ist allgegenwärtig. Er tötet, diskriminiert und grenzt aus. Er vergiftet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Trotzdem hält sich diese menschenverachtende Ideologie. Auch wenn die Wissenschaft längst gezeigt hat, dass es keine Menschenrassen gibt, halten weltweit trotzdem viele daran fest. Spätestens seit dem Wiederaufflammen der „Black Lives Matter“-Proteste, steht der Begriff Rassismus wieder im Zentrum der Diskussion. Das Phänomen gibt es seit Jahrhunderten, der Begriff entstand erst Anfang des 20. Jahrhunderts und ist allgegenwärtig. Auch wenn schon in der Antike und im Mittelalter bestimmte Gruppen ausgegrenzt wurden, beginnt die Geschichte des Rassismus erst Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Entstehung des Begriffs „Rasse“.
    Von der europäischen Expansion über den Sklavenhandel bis zu den imperialen, nationalen und totalitären Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts hat sich der Rassismus stetig weiterentwickelt.Die weltweiten „Black Lives Matter“-Proteste heute zeigen, wie sich ein Narrativ einer sich überlegen fühlenden Gruppe gegenüber einer vermeintlich unterlegenen Gruppe verhält. Rassismus hält sich in vielen Gesellschaften der Erde hartnäckig. Doch genauso schlimm ist der alltägliche, gewaltfreie, aber dennoch verletzende Rassismus.Die vielen Aspekte zum Thema Rassismus diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 25.02.20213sat
  • Folge 321 (60 Min.)
    Frauen und Männer sind laut Grundgesetz gleichberechtigt. Doch für Frauen sieht die Realität anders aus: Altersarmut, sexistische Gewalt, weniger Lohn und Einfluss in Gesellschaft und Politik. Frauen müssen immer noch kämpfen für Gleichberechtigung. Die Genderforschung wird offen attackiert, die freiwillige Quote für mehr Frauen in Führungspositionen funktioniert nicht. Stagniert die Emanzipation? Wie gefährlich ist der weltweit zunehmende Antifeminismus? Im Jahr 1918 haben deutsche Frauen das Wahlrecht erstritten. Seit 1958 dürfen sie ein eigenes Konto eröffnen. Der Weg zur Gleichberechtigung, zum Zugang zu Bildung, Politik und Autonomie war für Frauen ein zäher Kampf, der immer noch andauert. Frauen werden für gleiche Arbeit schlechter bezahlt, sie pausieren im Job, um Kinder großzuziehen oder Angehörige zu pflegen. Die Folge: Altersarmut. Und – der Corona-Lockdown hat einmal mehr gezeigt, dass Frauen schneller wieder in alte Rollenmuster zurückgedrängt werden, als ihnen lieb ist.
    2017 breitete sich die #MeToo-Debatte weltweit aus. Überall machten Frauen Sexismus, sexualisierte Gewalt und Frauenfeindlichkeit öffentlich. Die Debatte betraf die Machtverhältnisse in den Medien, in Kultureinrichtungen und in der Politik. Parallel ließ sich ein neuer Antifeminismus beobachten. Der Kampf gegen den „Genderwahn“ wird heute von ganz unterschiedlichen Kräften geführt. Vor allem Konservative und Rechte setzen der angestrebten Gleichberechtigung von Mann und Frau biologistische Theorien und die Rückkehr zu alten Rollenmustern entgegen. Parteien der neuen Rechten verstehen Familienpolitik als Bevölkerungspolitik. Frauen sollen explizit mehr Nachwuchs produzieren. Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen über Feminismus und Antifeminismus, über alte und neue Frauenbilder, über den Anstieg von Gewalt gegen Frauen und versucht Wege aufzuzeigen, wie doch noch eine Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sinne des Grundgesetzes erreicht werden kann. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 04.03.20213sat
  • Folge 322 (60 Min.)
    Viele schimpfen über die Bürokratie: zu langsam, zu ineffizient, zu teuer. Doch für Wirtschaft und Staat ist die Verwaltung unverzichtbar. Wieviel Bürokratie braucht die moderne Gesellschaft? Die Bürokratie handelt nach Vorgaben der Politik. Es ist eine legale Herrschaftsform. Projekte können durch Bürokratie beschleunigt, aber auch verzögert oder verhindert werden. Bürokratie folgt politischen und wirtschaftlichen Interessen – aber auch ihren eigenen. Auffallend ist, dass eine Reihe von Großprojekten wie der neue Berliner Flughafen offensichtlich an der Mechanik ihrer eigenen Umsetzung scheitern.
    Ein großer Teil der Verzögerungen, so die Analyse, beruht auf dem Anwachsen von Vorschriften und der Bürokratie. Und doch kommt kein Staat, keine Institution und auch kein Unternehmen ohne Verwaltung und damit ohne Bürokratie aus. Haben wir also zu viel oder die falsche Form der Bürokratie? Welche Rolle spielt sie in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft – aber auch in der Organisation von Wissenschaft? Wörtlich übersetzt bedeutet Bürokratie „Herrschaft des Amtszimmers“ und bezeichnet ein Prinzip der amtlichen Regulierung, Ordnung und Verfahrensweisen.
    Wie aber „herrscht“ Bürokratie? Ist sie selbst eher neutral, reaktionär oder fortschrittlich? „scobel“ sucht nach Merkmalen, Strukturen und Funktionen, mit denen bürokratische Organisationen beschrieben werden können. Einer der ersten, der sich ausgiebig mit Bürokratien beschäftigte, war der Soziologe Max Weber. Weber formulierte einen Idealtypus für Behörden, Ämter und Verwaltungen: ein zweckrationales Handeln in Organisationen mit Hierarchien.
    Die Legitimation der Handlungen beruht auf gesetzten Regeln, Ordnungen und Rationalität. Diese Grundlagen beziehen sich sowohl auf staatliche als auch auf wirtschaftliche Einrichtungen und Verbände. Gerade in modernen Gesellschaften sei die rationale, legale Herrschaft anderen Organisationsformen überlegen, sagte Weber. Der Soziologe Niklas Luhmann widersprach diesem Ansatz.
    Komplexität führt nach seiner Ansicht zunehmend zu einer Offenheit und Ungewissheit menschlicher Erfahrungen, die er als Kontingenz bezeichnete. Bürokratie reduziere Komplexität zwar – entwickle aber auch ein Eigeninteresse an ihrem Fortbestehen, das mit ihrer eigentlichen Aufgabe kollidieren könne. Die Philosophin Hannah Arendt sah in der Herrschaft der Bürokratie Instrumente der Macht, um Mitglieder der Gemeinschaft zu kontrollieren und konforme Verhaltensweisen zu schaffen. Durch die Massengesellschaft und die Bürokratie als „Niemandsherrschaft“ würden Neigungen zum Despotismus und zu totalitären Systemen gefördert werden.
    Für den Anthropologen David Graeber erfüllt die Bürokratie gerade im digitalen Zeitalter die Sehnsucht nach Ordnung, deshalb wachse im gleichen Maße die Macht der Bürokratien und deren Ausübung von Gewalt. Kapitalismus und Bürokratie sind – laut Graeber – „einen verhängnisvollen Pakt eingegangen und könnten die Welt in den Abgrund reißen.“ Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen über „Bürokratie als Herrschaftsform“. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 18.03.20213sat
  • Folge 323 (60 Min.)
    Wohnen in Städten wird zum absoluten Luxus. Ärmere Menschen werden an den Rand der Metropolen gedrängt, wo soziale Brennpunkte entstehen. Und die Innenstädte veröden. Gentrifizierung, der Strukturwandel großstädtischer Viertel zugunsten zahlungskräftiger Eigentümer und Mieter, schreitet voran. Stadtzentren verlieren an Vielfalt und kulturellem Austausch. Doch es gibt Strategien, damit Städte lebendig bleiben. Hinter dem Begriff der Gentrifizierung versteckt sich ein schleichender, unaufhaltsamer, teils gnadenloser Prozess in den Metropolen dieser Welt. Schon in den 1960er-Jahren prägte die Soziologin Ruth Glass diesen Begriff, als sie über Veränderungen in einem Stadtteil von London forschte. Heute bezeichnet Gentrifizierung einen grundlegenden, sozioökonomischen Wandel in Großstädten zugunsten von sehr wohlhabenden Eigentümern, Mietern und Spekulanten.
    Die weniger gut bemittelten Menschen werden in strukturschwächere Regionen verdrängt, und die Wohnungsnot nimmt zu. Die Corona-Pandemie verstärkt diesen Trend. Die teils desaströsen Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft werden Innenstädte umkrempeln. Für viele Händler und Gastronomen wird es nicht weitergehen. In den Innenstädten könnte das auch eine längst notwendige Trendumkehr initiieren. Mittlerweile ist Gentrifizierung Forschungsgegenstand verschiedenster Disziplinen wie Soziologie, Geografie, Wirtschaftswissenschaften und Raumforschung. Sie alle beschäftigen sich mit den Abläufen der Gentrifizierung und ihren Folgen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 25.03.20213sat
  • Folge 324 (60 Min.)
    Wenige Zentimeter unter unseren Füßen liegt ein verborgenes Universum: der Boden. Wir brauchen diese fragile Welt zum Überleben. Dennoch sind wir im Begriff, sie nachhaltig zu zerstören. Es ist eine dünne Schicht, die unseren Planeten umgibt, doch in ihr existieren mehr Lebewesen, als es Menschen gibt. Der tiefste Teil dieser Schicht brauchte eine Million Jahre, um zu entstehen. Der obere, der uns ernährt und das Klima reguliert, Jahrhunderte. Ein gesunder fruchtbarer Boden ist der am dichtesten besiedelte und vielfältigste Lebensraum der Erde.
    Nur durch das Zusammenspiel von Milliarden von Mikroorganismen und Kleinlebewesen entsteht diese überlebenswichtige dünne Schicht. Als Teil des Wasser- und Nährstoffhaushalts speichert sie Regenwasser und Nährstoffe, schützt das Grundwasser vor Verschmutzung, reduziert Treibhausgase und reguliert die Feuchtigkeit. Ist der Boden auch nur zu einer Funktion nicht mehr in der Lage, gerät das gesamte System aus der Balance – mit schwerwiegenden Folgen. Die Ausbeutung der wertvollen Ressource durch die industrielle Landwirtschaft hat das System bereits empfindlich gestört.
    Die Böden sind krank, und ein Teil ist durch Raubbau und den Großeinsatz von Pestiziden zerstört. Zusammen mit seinen Gästen taucht Gert Scobel ein in diese geheimnisvolle „Unterwelt“ und zeigt, warum der Mensch und viele andere Lebewesen sie zum Überleben brauchen – und warum die bisherigen politischen Maßnahmen nicht reichen, um sie zu retten. Darüber hinaus werden eine Reihe innovativer Wege vorgestellt, die Ressource zu schützen und für die Zukunft zu erhalten. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 08.04.20213sat
  • Folge 325 (60 Min.)
    Pilze haben ein ungeahntes Potenzial im Kampf gegen viele Herausforderungen der Zukunft. Ihre Anpassungsfähigkeit und die Fülle ihrer Erscheinungsformen faszinieren nicht nur Wissenschaftler. Pilze sind die fleißigsten Abfallentsorger der Welt. Sie werden als intelligente Netzwerke erforscht, als Quelle neuer chemischer Substanzen für die Entwicklung von Medikamenten gegen resistente Keime und als Nahrungsmittel für eine wachsende Weltbevölkerung. Die Biotechnologin und Mikrobiologin Professor Vera Meyer erforscht an der TU Berlin die eindrucksvollen Eigenschaften der Pilze als Baustoffe und ist überzeugt, dass sie uns helfen können, den Übergang von einer erdölbasierten hin zu einer biologisch basierten Welt zu schaffen.
    Die uralten Organismen existieren seit mindestens 900 Millionen Jahren, Pilze sind weder Pflanze noch Tier, ihr Geflecht kann winzig klein oder gigantisch groß und kilometerlang sein, sie können hochtoxisch für Pflanzen, Tiere und Menschen sein oder aber nähren und Leben retten. Weder Brot, noch Wein und Bier gäbe es in ihrer Vielfalt ohne Pilze. Sie begleiten und prägen die kulturelle und biologische Evolution der Menschheit seit Anbeginn. Von den geschätzt 1,5 Millionen Pilzarten weltweit sind bisher lediglich etwa 120 000 Arten identifiziert und beschrieben.
    Außerdem werden ständig weitere Arten entdeckt, die das Potenzial für neue Substanzen und Rohstoffe bieten – und erstaunliche Fähigkeiten offenbaren. Wie zum Beispiel der einzellige Schleimpilz Physarum polycephalum, der sein Netzwerk als Gedächtnis nutzt, ohne ein Nervensystem zu haben. Kann man diesem Lebewesen also Intelligenz zusprechen? Wie werden Pilze die Zukunft der Menschheit prägen, und wie könnten sie uns helfen, Probleme wie Abfallentsorgung, Rohstoff- und Nahrungsknappheit zu bewältigen? Mit seinen Gästen aus Forschung und Wissenschaft spricht Gert Scobel über Pilze, die biologische Wunderwaffe. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 15.04.20213sat
  • Folge 326 (60 Min.)
    Umwelteinflüsse wie Stress oder traumatische Erlebnisse können Menschen verändern. Sie verändern nicht nur das Gehirn, sondern hinterlassen auch Spuren in den Genen. Gert Scobel und seine Gäste diskutieren über neue Erkenntnisse der Epigenetik – mit besonderem Blick auf das Gehirn und unser Bewusstsein. Zu Gast sind die Psychologin Christine Heim, der Neurowissenschaftler André Fischer sowie der Neuropsychologe Thomas Elbert. So wie ein Gehirn auf Reize reagiert, so passen sich auch Gene den Umweltbedingungen an. Seit drei Jahrzehnten gewinnt der Forschungszweig Epigenetik zunehmend an Bedeutung.
    Epigenetische Mechanismen beeinflussen die Aktivität der Gene, ohne deren Basenabfolge in der DNA zu verändern. Durch die Modifikationen an den Chromosomen werden Genvarianten ausgeschaltet, überschrieben oder anders abgelesen. Interessant sind Ergebnisse epigenetischer Forschung vor allem für die Krebsforschung und die Therapie chronischer Krankheiten. Aber auch in Studien über Stress oder Trauma werden Einflüsse der Umwelt auf Zelleigenschaften und Aktivitätszustände von Genen untersucht.
    Besonders gravierend wirken sich dabei Gewalterfahrungen auf die Genetik des Menschen aus: Tötungen, Folter, Misshandlungen. Sie führen zu schweren psychischen Störungen und hinterlassen Spuren im Erbgut. Auch Kinder, die in ihrer Entwicklung vernachlässigt werden, können im späteren Leben stressanfälliger und ängstlicher sein. Die molekularbiologischen Vorgänge im Körper des Menschen sind sehr komplex, denn sie beeinflussen nicht nur das Erbgut, sondern auch die Art und Weise, wie Gene abgelesen und genutzt werden und miteinander interagieren.Allerdings müssen die Einflüsse der Außenwelt nicht zwangsläufig negativ sein.
    Sport, Ernährung oder Therapien können sich positiv auf Erbinformationen auswirken. Die Epigenetik kann daher auch dazu beitragen, ein gesünderes Leben zu führen – in körperlicher wie in emotionaler und mentaler Hinsicht. „scobel“ begibt sich auf die Suche nach Umweltfaktoren, die biologische Prozesse und Erbanlagen beeinflussen und fragt, welchen Einfluss sie auf Gehirn und Bewusstsein haben.
    Eine Rolle spielt dabei unter anderem die Frage, inwieweit wir durch unsere Gene programmiert sind oder die Umwelt und damit auch unser eigenes Handeln diese Programme verändern kann. Was sind die Gründe dafür, dass manche Erbinformationen stärker und manche schwächer abgelesen werden? Wie kann sich unser Verhalten positiv auf die Gene auswirken?Diese und andere Fragen diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen. Die Sendung entstand in Zusammenarbeit mit der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und der Zeitschrift „Gehirn und Geist“. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 29.04.20213sat
  • Folge 327 (60 Min.)
    Der Weltraum mit seinen unendlichen Weiten beflügelt seit Jahrhunderten die Fantasie von Science-Fiction-Autoren und Wissenschaftlern. Doch wo liegt die Grenze zwischen Forschung und Fiktion? „scobel“ geht der Frage nach, wieviel Raum Fiktion und Fantasie in der traditionellen Wissenschaft hat. Finden Visionäre an unseren Hochschulen einen fruchtbaren Boden für ihre Ideen? Wie bekommen wir mehr Kreativität in unseren Forschungsbetrieb? Ob Literatur, Film oder Fernsehen: Den Science-Fiction-Autoren scheint die Fantasie noch lange nicht auszugehen, wenn es um Zukunftsszenarien geht.
    Mit Theorien über Warp-Antriebe, Zeitreisen oder Multiversen beschäftigen sich auch Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Wir schreiben das Jahr 2021, in dem die Sendung „scobel“ sich mit der spannenden Frage beschäftigt, wie schmal oder breit der Grat zwischen harten wissenschaftlichen Fakten und rein fiktionalen Ideen ist. Schon vor einigen Hundert Jahren ersonnen die ersten Schriftsteller fantastische Geschichten von Reisen ins All.
    Die Faszination für Science-Fiction-Themen begeistert Millionen von Menschen. Wir leben in einem Zeitalter, in dem sich der Mensch aufmacht, die ersten weiter entfernen Planeten zu erforschen. Der Mars wird bereits von Robotern erkundet, und vielleicht setzt auch irgendwann die Spezies Mensch ihren Fuß auf diesen Planeten. Eine gewaltige Hürde, die künftigen Fernreisen ins All entgegensteht, sind die unglaublichen Dimensionen und Entfernungen des Weltalls. In der Science-Fiction sind diese Probleme natürlich alle schon längst gelöst.
    Dank des Warp-Antriebs, der die Bewegung eines Raumschiffs mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglicht, ist das Reisen durch Raum und Zeit quasi schon Alltag. Auch wenn diese Vorstellungen der Fantasie entspringen, beschäftigen sich Wissenschaftler intensiv mit den ursprünglich ausgedachten Theorien von Science-Fiction-Technologien und deren möglicher Umsetzung in die Realität. An Teleportation, Warp-Antrieb, Wurmlöchern, Zeitreisen und vielem mehr wird bereits geforscht. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 06.05.20213sat
  • Folge 328 (60 Min.)
    Sex ist so wichtig wie Nahrung oder Atmen. Doch diese für die Menschen so wichtige Ressource wurde geregelt, tabuisiert und streng limitiert. Das ist vorbei: Die Zukunft verheißt Freiheit. Gert Scobel diskutiert mit dem ersten deutschen Professor für Männergesundheit Frank Sommer, der Psychologin und Sexologin Ann-Marlene Henning und der Soziologin Andrea Newerla unter anderem, ob die Qualität von Sexualität mit den neuen Freiheiten zugenommen hat. Sex war lange eine Ressource, die vor allem Männern garantiert wurde. Dafür musste die Frau zum Besitz des Mannes werden und blieb ein Leben lang an ihn gebunden. Sex bedeutete: Nachwuchs für den Fortbestand der Gesellschaft produzieren.
    Diese Bande sind gelöst. Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen ebenso über die Fragen, die mit der Umverteilung der Ressource Sex einhergehen. Die Frauenbewegung und der Zugang zur sicheren Empfängnisverhütung haben lange geltende Grenzen gesprengt. Zunehmend erobern sich Frauen wie Männer ihre Freiheiten zurück. Das Wissen über Sex, der Zugang zu Pornografie und anderen „Hilfsmitteln der Lust“ haben vielen Menschen geholfen, zu einer selbstbestimmten, freieren Sexualität zu finden. Doch wie gut kennen Männer und Frauen ihren eigenen Körper und den der jeweiligen Geschlechtspartnerinnen und Geschlechtspartner tatsächlich? Oder geht es in Wahrheit auch in der „freien“ Leistungsgesellschaft wieder nur um Quantität – mehr Partner, mehr Experimente, mehr Orgasmen? Macht der Fast-Sex des 21. Jahrhunderts glücklicher? Zwar wollen immer mehr Menschen selbst bestimmen, wen sie lieben und mit wem sie Sex haben.
    Aber sind sie glücklicher als vorher? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Liebe und Sex? Sind intensive Gefühle von Verliebtheit überhaupt relevant für den Geschlechtsakt? Und was weiß die Wissenschaft über die Möglichkeiten und Chancen, die erfüllter Sex eröffnen kann – für jede(n) Einzelne(n) und die Gesellschaft? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 10.06.20213sat
  • Folge 329 (60 Min.)
    Wie geht es Kindern und Jugendlichen nach Corona? Studien zeigen: Sie sind während der Pandemie zu kurz gekommen. Sie fühlen sich vernachlässigt und vergessen. Das muss sich dringend ändern. Was sind ihre Hauptprobleme – und welche Forderungen hat die Jugend an die Politik, die ja weitgehend von älteren Menschen gemacht wird? Was belastet Jugendliche, was hat sich positiv verändert – und wie sehen sie ihre Zukunft? Gert Scobel diskutiert mit Gästen. Kinder und Jugendliche mussten während der Coronapandemie auf vieles verzichten: Schulunterricht in Präsenz, Klassenfahrten, Schüleraustausch, Feiern, Tanzschule, Sport treiben, Reisen oder auch schlichtweg Freunde treffen.
    Das alles war nicht mehr möglich. Doch nicht nur die Pandemie machte der Jugend einen Strich durch die Rechnung: Erneut scheiterte der Versuch, Kinderrechte explizit im Grundgesetz zu verankern. Die Kinderarmut steigt – und die Schulkonzepte, deren Schwachstellen wie das gemeinsame Lernen im internationalen Vergleich klar und empirisch belegbar seit Jahren existieren, werden auf absehbare Zeit nicht behoben werden. Jugendliche und Kinder monieren zu Recht, dass seit Jahren ihre Interessen von der Politik kaum oder gar nicht gesehen werden.
    Jugendliche sind eine schwache Lobbygruppe in einer alternden Gesellschaft. Auch im Gesundheitssystem kommen sie zuletzt. Kinder und Jugendliche gehören zu denen, die als letzte geimpft werden. Sie werden immer wieder ermahnt, Rücksicht auf ältere Menschen zu nehmen. Gleichzeitig fühlen sie sich pauschal verdächtigt, nicht solidarisch zu sein, sondern mit riskanten Treffen und Partys zur Ausbreitung der Pandemie beizutragen. Jugendliche fühlen sich verurteilt und vor allem von der Politik nicht ernstgenommen. Zwei Drittel von ihnen sagen, dass wie während des zweiten Shutdowns nicht gehört wurden.
    Viel Frustration also. Das belegt eine aktuelle Befragung, die in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wurde. 7000 junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren wurden zu ihren Erfahrungen während der Pandemie befragt. 69 Prozent haben Zukunftsängste entwickelt, zwei Drittel von ihnen gaben an, psychisch belastet zu sein. Dafür gibt es gute Gründe: Die Zahl der Ausbildungsplätze geht stetig zurück, Praktika werden abgesagt. Der Übergang von Schule ins Studium verläuft digital und ohne echte Kontakte.
    Die Chancen, neue Erfahrungen zu machen, Freundinnen und Freunde zu finden, sich zu verlieben, aber auch in Beruf und Studium durch persönlichen Kontakt zu lernen, sind so reduziert wie nie. All das, was das Jungsein interessant und schön macht, ist weggefallen. Nicht nur aus diesem Grund fühlen sich 61 Prozent der jungen Bevölkerungsgruppe einsam. Weitere Pandemie-Wellen werden kommen. Wie also denken Jugendliche über ihre eigene Position in der Gesellschaft nach? Was müsste getan werden? Gute Konzepte für digitale Schule und moderne Bildung fehlen außerdem immer noch – nach fast eineinhalb Jahren Pandemie. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 12.08.20213sat
  • Folge 330 (60 Min.)
    Die elementare Ressource Trinkwasser wird zum Luxusgut. Klimawandel, steigender Verbrauch und Verschmutzung gefährden die Wasserreserven. Es gibt Lösungen, aber wenig Handeln. Während man sich in den Industrienationen noch in Sicherheit wähnt, wird die Krise an vielen Orten der Welt offensichtlich. Mutige politische Konzepte sind jetzt genauso nötig wie unser gesamtes Wissen und modernste Technologien, um die Katastrophe abzuwenden. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 26.08.20213sat
  • Folge 331 (60 Min.)
    Die Energiewende ist eine der Antworten auf eine Zeit mit Vielfachkrisen. Sie wird zu komplexeren Strukturen führen. Doch diese müssen verstanden werden, um sie gut zu steuern. Wenn die Energiewende gelingen soll, dann müssen wir nicht nur lernen, Komplexität anzuerkennen und mit ihr zu leben, sondern auch, sie klug und weitsichtig zu beeinflussen. Doch wie kann das gelingen? Diese Frage diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen. Im Erdölzeitalter hieß die scheinbar einfache Lösung für das Grundbedürfnis nach weiträumiger Mobilität „Auto mit einem Antrieb, der auf Erdöl beruht“. Mobilität ist eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie entscheidend es für die Energiewende ist, den Prozess der Mobilität auf eine komplexere Weise zu lösen.
    Mobilität muss als dynamischer Mix von Öffentlichkeit, Fahrrad und Auto, Kommunikation, Wohnen, Arbeiten und Freizeit begriffen werden. Dabei müssen jeweils unterschiedliche Antriebskonzepte abgewogen werden. Komplexität anzuerkennen, bedeutet, zu verstehen, dass es nicht einen Antrieb für alle Anforderungen geben kann. Daher wird es in Zukunft einen Mix geben aus Fahrzeugen mit Wasserstoff- sowie mit Elektroantrieb – und vermutlich einen nicht vernachlässigbaren Rest an Erdöl- beziehungsweise Erdgasfahrzeugen.
    Die größten „Energiefresser“ sind jedoch die Industrie und privates Wohnen beziehungsweise Heizen – und in einem zunehmenden Maß auch die digitale Infrastruktur und die Elektromobilität. Auch diese Sektoren lassen sich adäquat zur Mobilität differenzieren. Ein dritter Bereich, der immer wichtiger wird und sich am Ende als der wahre Gamechanger erweisen könnte, ist die Speicherung beziehungsweise der Transport von Energie. Auch dieser Sektor muss auf seine Komplexität hin untersucht werden – und das Streben nach einer alles überstrahlenden Technologie muss vermutlich auf die Müllhalde der Energiepolitik verbannt werden.
    Wir können die Energiewende nur schaffen, wenn wir Komplexität zulassen, verstehen und nachhaltig zu steuern lernen. Am Ende der Anforderungsliste für eine gelingende Energiewende steht der vielleicht anspruchsvollste Punkt: die Kommunikation der Energiewende und der damit einhergehenden Komplexität. Eines der großen Probleme ist, dass Komplexität als Gefahr und selten als Chance begriffen wird. Schockstarre und Lähmung allerdings könnten sich als gefährlich erweisen, denn die Gesellschaft muss dringend ins Handeln gebracht werden. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 02.09.20213sat
  • Folge 332 (60 Min.)
    Der Zugang zum Wissen war noch nie so breitgefächert wie in unserer heutigen Informationsgesellschaft. Warum treffen wir keine besseren Entscheidungen? Wo liegen die Grenzen der Aufklärung? Darüber diskutiert Gert Scobel mit der Sozialpsychologin Vera King, dem Soziologen Hartmut Rosa und dem Philosophen Michael Hampe auf dem Festival für Philosophie „phil.cologne“ (2.-8.9.2021) in Köln. Wissen nimmt ständig zu und kann von vielen Orten, zu jeder Zeit abgerufen werden. Es liegt daher nahe zu vermuten, dass die Menschheit aufgrund des Wissens und der verfügbaren Daten auch klüger handelt, um politische oder andere Entscheidungen weitsichtiger zu fällen, um eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Lebensweise zu ermöglichen. Doch diese Vorstellung ist eine Illusion geblieben.
    Der Begriff „Wissensgesellschaft“ kennzeichnete den Übergang von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft und von dieser in das „Zeitalter der Infosphäre“, wie Luciano Floridi vom Oxford Internet Institute es nennt. Dieser Transformationsprozess ist durch die Digitalisierung enorm beschleunigt und vielfältiger geworden. Deshalb sprechen heute viele Wissenschaftler nicht nur von einer Wissens-, sondern auch von einer Informations- und Netzwerkgesellschaft.
    Entsprechend hat die Digitalisierung Gesellschaften in fast allen Bereichen verändert. Wirtschaft, Verwaltung und Freizeit sind ohne digitale Medien kaum noch vorstellbar. Aus diesem Grund versuchen die EU und die deutsche Bundesregierung die Möglichkeiten, die sich aus den digitalen Technologien ergeben, für den Einzelnen und die Demokratie zu nutzen. Die Vorhaben scheinen in der Aus- und Fortbildung noch zu funktionieren, in der Politik und Freizeit kommen die Partizipation und digitale Kompetenz aber an ihre Grenzen. Mit dem technologischen Wandel geht nach Ansicht des Philosophen Vilém Flusser ein Bedeutungsverlust der „Dinge“ einher.
    „Unsere Obsession gilt nicht mehr den Dingen, sondern Informationen und Daten. Wir produzieren und konsumieren inzwischen mehr Informationen als Dinge“, schreibt Byung-Chul Han in seinem neuen Buch. Er sieht in dem informellen Chaos die Gefahr eines Absturzes in eine postfaktische Gesellschaft. Freiheit werde mit Konsum gleichgesetzt, und Identität entstehe zunehmend in den sozialen Medien. Sind dies dezidierte Gründe für die wachsende Bildungskluft und die Spaltung der Gesellschaft?
    Die Verhaltensökonomie sucht nach anderen Kriterien, um unterschiedliche Entscheidungen bei gleicher Informationslage zu erklären. Nobelpreisträger Daniel Kahneman untersucht beispielsweise Störfaktoren, sogenannte Biases, die unsere Urteilskraft beeinflussen. Führen mentale Muster und Verzerrungen in der Informationsverarbeitung zu abweichenden Bewertungen? Was nützen unsere wachsenden und jederzeit zugänglichen Wissensbestände, wenn die Informationsressourcen in unvernünftige Entscheidungen münden?
    All das – die Prozesse der Digitalisierung, der Wandel der Gesellschaft und die neuen Erkenntnisse über Verzerrungen im Wahrnehmen, Denken und Urteilen – führen zu der Frage, ob es Zeit ist, das Projekt der Aufklärung nicht nur anders, sondern auch radikal neu zu denken. Denn klar ist, dass sich herkömmliche Vorstellungen von Rationalität, Entscheidungsfindung, Lebensweise oder dem, was in der Netzgesellschaft als „gut“ gelten kann, zum Teil stark von dem unterscheiden, was in der Epoche der Aufklärung und in der Moderne Geltung hatte. Doch wie sieht die Antwort auf diese Krise der Aufklärung aus?
    Anlässlich der „phil.cologne“ beschäftigen sich Gert Scobel und seine Gäste mit der Verbreitung und Verfügbarkeit von Informationen sowie deren Auswirkungen auf Identität und Gesellschaft. Im Fokus steht die Frage, ob wir Aufklärung in der Wissensgesellschaft neu denken und ausrichten müssen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 09.09.20213sat
  • Folge 333 (60 Min.)
    Musik ist tief in der Evolutionsgeschichte der Menschheit verankert. Das Geheimnis der Rhythmen und Melodien beschäftigt nicht nur Forschende aus Neuro- und Musikwissenschaften. Wie lasen sich Wahrnehmung und Wirkung von Musik wissenschaftlich erklären? Über diese und weitere Fragen spricht Gert Scobel mit dem Musikwissenschaftler Eckart Altenmüller, mit dem Musiker Till Brönner sowie mit der Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann. Musik beeinflusst Emotionen, Herzschlag, Blutdruck, Muskelspannung, Atmung, Hormone.
    Sie fördert unsere kognitiven und sozialen Fähigkeiten, stiftet Identität und verbindet uns mit anderen Menschen und Kulturen – über soziale und ethnische Grenzen hinweg. Musik ist ein elementarer Bestandteil unserer menschlichen Kultur. Wir nehmen sie über viele Sinne wahr. Physikalisch gesehen ist Musik die Summe von Schallereignissen mit bestimmter Struktur, neurobiologisch betrachtet sind Töne Signale, die im Gehirn Gefühle auslösen. Musik kann unsere Resilienz stärken und durch schwere Krisen führen.
    „Ich denke, Musik ist eine Haltung, eine Bereitschaft, unabhängig von einer Sprache die wir vorher in einem Labor, über einen Lehrer oder über’s Lexikon lernen müssen. Die Funktion, die Musik hat, insbesondere Jazz, ist auf der einen Seite eine politische und therapeutische, aber immer doch eine verbindende“, so Till Brönner. Der international erfolgreiche Jazzmusiker und Komponist ist zusammen mit Melanie Wald-Fuhrmannn, Musikwissenschaftlerin und Direktorin vom Max-Plack-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt, sowie dem Musiker und Neurologen Eckart Altenmüller von der Hochschule für Musik, Theater und Medien, Hannover zu Gast bei Gert Scobel.
    Musik berührt den gesamten Menschen und kann, wie die Forschung zeigt, auf alle Ebenen des Gehirns wirken. Sie ist Bestandteil unserer Evolution und kann helfen, besser zu verstehen, wer wir sind und wie wir geworden sind. Fachbereiche wie Medizin, Soziologie und Psychologie nutzen den Einfluss von Musik und ihre heilende, therapeutische Kraft.
    Denn Musik stärkt unsere körperliche und seelische Gesundheit und fördert Prozesse der Bildung und Bindung von Gruppen. Insofern hat sie auch überraschend viel mit Identität oder Zugehörigkeit zu tun. Ist Musik eine universelle Sprache? Wie spiegelt sich die große Bedeutung von Musik für die seelische Gesundheit eines Menschen oder einer Gesellschaft in der gesellschaftlichen Wertschätzung wider? Über diese und viele weitere Fragen spricht Gert Scobel mit seinen Gästen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 16.09.20213sat
  • Folge 334 (60 Min.)
    Merkel, Putin, Erdoğan – Herrscher unserer Zeit. Sie eint ihr Wille zur Macht – und doch spiegeln diese Potentaten den unterschiedlichen Umgang mit der „Droge Macht“. Was macht Macht? Macht verändert jene, die Macht haben. Doch es gibt Mächtige, die behutsam damit umgehen, und andere, die sich von ihr berauschen lassen. Ist Machtmissbrauch eine Frage des politischen Systems oder des Charakters? Was ist Macht, und was macht sie mit einem? Mit der Ära Merkel endet die Herrschaft einer auf den ersten Blick unprätentiösen Kanzlerin, die sich bis heute in vielerlei Hinsicht von anderen Staatenlenkern unterscheidet.
    Was führt dazu, dass Menschen sich an der eigenen Macht bis hin zum Machtmissbrauch berauschen oder sie den Verführungen von Macht widerstehen? Psychologen und Philosophen geben darauf unterschiedliche Antworten. Das Verständnis von Macht veränderte sich im Laufe der Zeit. Von Niccolò Machiavelli über Max Weber bis hin zu Hannah Arendt wurde Macht immer wieder neu definiert und interpretiert. In einer globalisierten Welt mit globalen Herausforderungen muss dies erneut geschehen. Wie kann kluges Regieren im 21. Jahrhundert aussehen? Diese und andere Fragen diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 30.09.20213satDeutsche Online-PremiereDo 16.09.20213sat-Mediathek
  • Folge 335 (60 Min.)
    Bakterien sind einfache Lebewesen, klein und nur unter dem Mikroskop sichtbar – aber sehr mächtig in ihrer Wirkung. Vor allem: Ohne sie wäre das Leben auf der Erde nicht denkbar. Bakterien sind mikroskopische kleine Lebewesen, die sich mit allem Lebensnotwendigen selbst versorgen können. Umgekehrt könnte der Mensch ohne sie nicht existieren. Die vielen faszinierenden Aspekte der Bakterien diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen.
    Auch wenn sie nur winzig klein sind, gehören sie zu den wahren Herrschern der Welt: Bakterien. Sie sind verantwortlich für viele lebensnotwendige Prozesse im menschlichen Körper. Allein im menschlichen Darm leben geschätzte 100 Billionen Bakterien, die für die Verdauung zuständig sind. Sogar im Bauchnabel wurden Bakterien entdeckt. Auf der einen Seite hilfreich für die Gesundheit des Menschen, auf der anderen Seite gefährlich: Gerade das Thema multiresistente Keime, also Bakterien, die gegenüber Antibiotika unempfindlich sind, beschäftigt die weltweite Forschung. Doch Bakterien sind für weitaus mehr Prozesse verantwortlich, als man gemeinhin glaubt.
    Sie sind zum Beispiel in der Lage, extreme Kontaminationen durch Schwermetalle oder Chemikalien zu reinigen und können schädliches Plastik zersetzen. Extreme Hitze, heiße und ätzende Quellen machen ihnen nichts aus, denn sie sind äußerst resilient und wandelbar. Weltweit beschäftigen sich viele Wissenschaftler*innen mit diesen erstaunlichen Lebewesen, die eine entscheidende Rolle für das Leben auf der Erde spielen. Neueste Erkenntnisse besagen sogar, dass Bakterien maßgeblich den Klimawandel beeinflussen. Viele Gründe, um sich ausführlich mit diesen Einzellern zu beschäftigen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 07.10.20213sat
  • Folge 336 (60 Min.)
    Nach der Finanzkrise 2008 glaubten viele Bürger, dass die Macht der Banken beschränkt werde. Doch mit der Pandemie steigen die Schulden, und der Einfluss der Banken könnte wieder zunehmen. Für die wirtschaftlichen Defizite, die COVID-19 weltweit verursacht hat, werden Billionen Dollar benötigt. Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen die Möglichkeiten und Gefahren von unterschiedlichen Finanzierungssystemen. Wer wird von den Konjunktureinbrüchen profitieren? Und wie gestaltet sich die Abhängigkeit der Realwirtschaft vom Finanzkapitalismus in Zukunft?Noch höhere Kosten als durch Corona sind durch die Auswirkungen des Klimawandels zu erwarten.
    Schon jetzt führen Überschwemmungen und Dürren zu bislang nicht vorstellbaren Katastrophen, auch in Deutschland. Je ausgeprägter der jeweilige Schaden ist, desto dringlicher wird der Subventionsbedarf für den Ausgleich der Verluste oder die Wiederherstellung der Infrastruktur. Die Frage ist, woher das Geld kommt, wenn seit Jahren betont wurde, wie „knapp“ doch die öffentlichen und insbesondere kommunalen Mittel sind.Schon seit längerer Zeit werden keine Zinsen fürs Sparen vergeben.
    Auf diese Weise soll die Wirtschaft durch Aktien, Konsum- und Bauvorhaben wieder angekurbelt werden. Banken vergeben hierfür günstige private Kredite und ermuntern Sparer, ihr Guthaben in Besitz- oder Anteilsscheine zu investieren. Diese Dienstleistungen sind selbstverständlich nicht umsonst, sondern werden mit Gebühren verrechnet. Andererseits müssen infolge von Skandalen nicht nur Großunternehmen, sondern auch Banken immer wieder Milliarden als Verluste abschreiben. Auf dem internationalen Parkett spielen deutsche Banken eine immer geringere Rolle.
    Was bedeutet das für die Zukunft nicht nur des Banken- und Finanzstandorts Deutschland, sondern auch für die Finanzierung der Schulden?Aber es sind nicht nur Klein- und Großbanken, die die regionale und globalisierte Wirtschaft beeinflussen. Internationale Krisen werden zunehmend durch Zentralbanken gesteuert. Staatliche Einrichtungen wie die Europäische Zentralbank oder das amerikanische „Federal Reserve System“ stabilisieren die jeweiligen Währungen, gestalten die Zinspolitik und überbrücken Finanzierungslücken. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 14.10.20213sat
  • Folge 337 (60 Min.)
    Verschwindet das Gemeinwohl der Gesellschaft von der politischen Agenda und wird zum prekären Gut? Ist das Gemeinwohl am Ende? Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen. Individuen, Einzelgruppen und Staaten treten immer vehementer für die Durchsetzung ihrer Belange ein. Politik und Wirtschaft haben jedoch längst globale Interessengemeinschaften formiert. Wie ist es noch möglich, zu bestimmen, was dem höchstmöglichen Wohl aller dient? Was Gemeinwohl, also das Gut, das möglichst vielen innerhalb einer Gemeinschaft zukommen soll, zur jeweiligen Zeit in der jeweiligen Gemeinschaft ist, muss immer wieder neu ausgehandelt und definiert werden.
    In einer pluralistischen Gesellschaft bestimmen über das Gemeinwohl meist die Gruppen, die sich darauf berufen und einen unmittelbaren Nutzen davon haben. Gemeinwohl kann sich auf Familie, Religionsgemeinschaften und Staaten beziehen – und auch auf natürliche Ressourcen. In der Coronakrise verzichten Milliarden von Menschen auf ihre Freiheitsrechte – oder lassen sich impfen. Auch das dient letztlich vor allem dem Gemeinwohl. Sind Staatsräson, Politik und auch das Handeln der Wirtschaft in Deutschland derzeit wirklich auf das Interesse der Gemeinschaft ausgerichtet? Agrarsubventionen in Milliardenhöhe ohne Knüpfung an Bedingungen, Dieselskandal, Maskenaffäre, marode Infrastruktur und die große Zögerlichkeit angesichts der Klimakrise sprechen nicht dafür.
    Welchen Anspruch gibt es in der Theorie? Wo ist dieser festgeschrieben, und wie kann es sein, dass in so vielen Bereichen gegen das Gemeinwohl verstoßen wird? Der amerikanische Philosoph Michael Sandel sieht das „common good“, das Wohl der Gemeinschaft, noch aus anderen Gründen in Gefahr.
    Er fordert in seinem Buch „Vom Ende des Gemeinwohls – Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt“ eine Abkehr von der „Tyrannei des Erfolgs“, welche die Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten oder keine Arbeit haben zu Verlierern abstempele, ihnen keine Wertschätzung entgegenbringe und so moderne Gesellschaften spalte. Die Eliten beharren auf dem Glauben, dass Erfolg und Aufstieg durch Leistung und Bildung für jede und jeden in der Gesellschaft möglich sind und sehen sich durch ihre eigene Stellung in ihrem Leistungsstreben bestätigt.
    Die „Verlierer“, die nicht mithalten können, sind an ihrem Schicksal selbst schuld. Ihnen sprechen sie so unwillkürlich die Teilhabe an Politik und Gesellschaft ab – und treiben sie in die Arme von populistischen Bewegungen. Wie diese Spaltung zum Beispiel mit Bürgerbeteiligungsverfahren überwunden werden und wie das Gemeinwohl in Zukunft gefördert werden könnte, untersucht die Politologin und Transformationsforscherin Patrizia Nanz. Mit ihr und anderen Gästen diskutiert Gert Scobel über das gefährdete Gemeinwohl. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 28.10.20213sat
  • Folge 338 (60 Min.)
    In Zeiten globaler Vielfachkrisen ist verantwortliches Handeln gefordert. In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Was macht global verantwortliches Handeln aus? Was blockiert unser Handeln? Wir alle, jeder einzelne von uns, trägt Verantwortung: für sein Tun und Handeln, für seine Mitmenschen und seine Umwelt. Was bedeutet das? Wie können wir dieser Verantwortung gerecht werden? Über diese und andere Fragen diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen. Für verantwortliches Handeln braucht man ein Wertesystem, an dem sich der Erfolg des Handelns messen lässt. Je globaler der Verantwortungsbereich, desto globaler und universeller muss das Wertesystem sein.
    Ein Teil der Menschheit ist dabei, für den Erhalt des eigenen Wohlstands den gemeinsamen Lebensraum und das Überleben der eigenen und vieler anderer Spezies zu gefährden. Jetzt geht es darum, globale Verantwortung zu übernehmen. Muss ein verbindliches universelles Wertesystems jetzt verantwortungsvolles Handeln bestimmen und die Einhaltung gewährleisten? „Man wird … für die mehr oder weniger nahe Zukunft wählen müssen zwischen dem kollektiven Selbstmord oder der intelligenten Nutzbarmachung wissenschaftlicher Eroberungen“, war sich Albert Camus schon 1945 sicher. Es ist soweit: Wir stehen vor der Entscheidung. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 04.11.20213sat
  • Folge 339 (60 Min.)
    Die junge Generation hat weder Macht noch die Möglichkeit zur politischen Mitbestimmung: Ohne (Wahl-)Stimme müssen sie hinnehmen, was Ältere zu ihren Lasten entscheiden. Wie wichtige Weichenstellungen in Sachen Klimawandel, Renten- und Bildungsreform, Mobilitätswende verschlafen werden. Die bereits ratifizierte Kinderrechtskonvention wurde nicht ins Grundgesetz überführt. – Gert Scobel diskutiert mit jugendlichen Gästen. Dadurch sind eine geregelte, systematische Beachtung der Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Politik ebenso weitgehend ausgeschlossen wie Formen direkter politischer Mitbestimmung für junge Menschen.
    Aus diesem Grund suchen junge Menschen eher Wege jenseits der Politik. Sie setzen auf punktuelles Engagement für bestimmte Themen etwa bei Protestaktionen von „Fridays for Future“. Mit Bezug auf Klima, Verkehr und Bildung wird zunehmend das Internet zu einem Forum des Meinungsaustauschs und zum Ausgangspunkt für politisches Engagement in informellen Aktionen.
    Hinzu kommt, dass junge Erwachsene abgeschreckt sind von einem politischen System, in dem sie sich über Jahre oder Jahrzehnte als „Parteisoldat*in“ hocharbeiten müssen, bis sie Einfluss gewinnen können. Sie wollen jedoch baldige Lösungen und Veränderungen angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise, dem wackligen Rentensystem und einer morbiden Infrastruktur. Immer mehr junge Menschen fordern daher eine Herabsetzung des Wahlalters: Wählen mit 16 oder 14 Jahren. Allein das würde das politische System schlagartig verändern.
    Doch wie realistisch sind die Forderungen? Und wie fair ist die Weigerung der Älteren, einen Teil der Entscheidungsmacht an die Menschen abzugeben, die weitaus länger als sie selbst die Konsequenzen ihres Handelns werden tragen müssen? Haben junge Menschen überhaupt eine Chance – ohne potente Lobby und eine systemische rechtliche Verankerung ihrer legitimen Interessen? Wem gehört also die Zukunft? Und gibt es überhaupt einen Generationenkonflikt – oder geht es nicht eher um einen Kampf der Systeme?
    Im Kontext der UN-Klimakonferenz in Glasgow vom 1. bis zum 12. November 2021 stehen die mit der Klimaveränderung verbundenen Vielfachkrisen der Gegenwart im Fokus der Gesprächssendung „scobel – Jugend an der Macht“. Gert Scobel diskutiert diese und andere Fragen live im Studio mit seinen Gästen. Diesmal allerdings gehören die Gäste ausschließlich der Generation an, die sonst viel zu wenig in Talkrunden zu Wort kommt. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 11.11.20213sat
  • Folge 340 (60 Min.)
    Nicht Gehirn und Geist bestimmen über den Körper, sondern der Körper ist Ursprung des Denkens. Ohne „Embodiment“, die verkörperte Wahrnehmung, gibt es weder ein Bewusstsein noch Intelligenz. „Embodiment“ heißt die Wissenschaft der Wechselwirkung zwischen Körper und Bewusstsein. Ein junges Forschungsgebiet, das in Zeiten sozialer Distanz neue Bedeutung gewinnt – und auch erstaunliche Erkenntnisse zur Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz liefert. „Ich denke, also bin ich“, behauptete der Philosoph René Descartes – und outet sich damit als Anhänger des Dualismus, der Körper und Geist als voneinander getrennte Einheiten betrachtet.
    Das Leib-Seele-Problem beschäftigt die Philosophie bis heute. Die Kognitionswissenschaften wiederum betrachteten das Gehirn bislang als eine Art Computer, das auch völlig ohne Verbindung zum Körper Sitz unseres Bewusstseins sein kann. Die „Embodiment“-Forschung in Psychologie, Neurowissenschaften und kognitiven Neurowissenschaften sammelt nun immer mehr Erkenntnisse darüber, dass grundlegende Funktionen des Fühlens, Denkens und des Ich-Bewusstseins ohne körperliche Interaktion mit der Welt und unbewusste Wahrnehmungen aus dem Körper selbst nicht möglich sind.
    Die Künstliche Intelligenz der Zukunft wird sich weniger auf „Deep Learning“, das Füttern der Systeme mit Unmengen von Daten, oder klassische KI stützen, sondern zunehmend die Wechselwirkungen zwischen Körperbewegungen und Bewusstsein berücksichtigen. „Neuere Ansätze zeigen, dass es oft zu besseren Lösungen in der Robotik führt, wenn der Körper weniger durch das Gehirn beziehungsweise die Rechenleistung kontrolliert wird, sondern ‚losgelassen‘ wird, sodass sich eine Interaktion zwischen Körper und Umwelt einstellt“, meint Manfred Hild, Leiter des Forschungslabors Neurorobotik an der Berliner Hochschule für Technik im Interview mit „Spektrum“.
    Wolfgang Tschacher leitet die Forschungseinheit für Experimentelle Psychologie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern und untersucht „Embodiment“ in sozialen Interaktionen. In den Corona-Restriktionen und den Folgen für das soziale Miteinander sieht er ein ernsthaftes Problem: „Was manche jetzt als Chance für eine weitere Digitalisierungswelle in allen Gesellschaftsbereichen ansehen, empfinde ich als Rückschritt.
    Wenn Interaktionen entkörperlicht (‚disembodied‘) sind, verarmt dadurch die Kommunikation zwischen den Interagierenden, weil sie schlechter miteinander in Resonanz kommen können.“Sollten wir also den Dualismus à la Descartes, der unser Leben, Denken und unsere wissenschaftliche Erkenntnis bisher bestimmt, endlich aufgeben? Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 02.12.20213sat
  • Folge 341 (60 Min.)
    Komplexe Systeme gibt es sowohl in der Natur als auch in vielen Bereichen der Gesellschaft. Aber wie lassen sie sich genau beobachten, verstehen und steuern? Menschen neigen in Entscheidungen und Handlungen zu einfachen Lösungen. Dabei werden häufig Zusammenhänge und Wechselwirkungen übersehen: Denn Natur und Gesellschaft sind komplexe Systeme. Wie können wir nachhaltiger und verlässlicher mit solchen Systemen umgehen? Für den Umgang mit Komplexität werden in der digitalisierten Moderne vor allem schnelle Hochleistungsrechner, lernfähige Algorithmen und Daten herangezogen.
    Je mehr, desto besser, sagen viele Forscher. Tatsächlich ermöglichen Big Data, Algorithmen und KI-Forschung die Verarbeitung von gigantischen, unüberschaubaren Datenmengen, die von Menschen allein gar nicht mehr zu bewältigen wäre – und zwar in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit. Problematisch sind dabei die Verlässlichkeit, die Vollständigkeit und das Verstehen von Daten. Ebenfalls problematisch sind die Überprüfbarkeit der Erkenntnisse und die Schlussfolgerungen, die man aus der Flut an Informationen zieht. Wie lassen sich das exponentiell steigende Wissen und die Datenmenge überhaupt noch überprüfen und wissenschaftlich beurteilen? Immer mehr Wissenschaftler passen sich den digitalen Veränderungen an, auch wenn Studien dieses Verhalten kritisch hinterfragen.
    Viele Theorien sind, nicht zuletzt in Politik und Gesellschaft, enttäuschend linear, monokausal – und damit unpassend, um Komplexität zu verstehen. Auch wenn Forscherinnen und Forscher versuchen, möglichst viele Einflussfaktoren in ihre Untersuchungen mit einzubeziehen. Exponentielles Wachstum und komplexe Prozesse sind in Wirtschaft, Finanzwelt und Gesellschaft ebenso allgegenwärtig wie in der Natur, in der Klimadebatte oder bei der Bekämpfung der Coronapandemie.
    Für die Bewältigung der vielen Transformationen, mit denen wir gegenwärtig konfrontiert sind, ist ein Verstehen von Komplexität unerlässlich. Wie aber wirkt sich gesteigerte Wahrnehmung von Komplexität auf das Fühlen, Denken und Handeln aus? Erhöhen sich dadurch Kompetenzen und Wissen? Entsteht vielleicht sogar ein neues Bewusstsein für die Transformationen der Gesellschaft? Oder werden die Subjekte von der Datenflut überrollt und kapitulieren vor der Unübersichtlichkeit mit einem Gefühl des Unbehagens? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 16.12.20213sat

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