Folge 322

  • Bürokratie als Herrschaftsform

    Folge 322 (60 Min.)
    Viele schimpfen über die Bürokratie: zu langsam, zu ineffizient, zu teuer. Doch für Wirtschaft und Staat ist die Verwaltung unverzichtbar. Wieviel Bürokratie braucht die moderne Gesellschaft? Die Bürokratie handelt nach Vorgaben der Politik. Es ist eine legale Herrschaftsform. Projekte können durch Bürokratie beschleunigt, aber auch verzögert oder verhindert werden. Bürokratie folgt politischen und wirtschaftlichen Interessen – aber auch ihren eigenen. Auffallend ist, dass eine Reihe von Großprojekten wie der neue Berliner Flughafen offensichtlich an der Mechanik ihrer eigenen Umsetzung scheitern.
    Ein großer Teil der Verzögerungen, so die Analyse, beruht auf dem Anwachsen von Vorschriften und der Bürokratie. Und doch kommt kein Staat, keine Institution und auch kein Unternehmen ohne Verwaltung und damit ohne Bürokratie aus. Haben wir also zu viel oder die falsche Form der Bürokratie? Welche Rolle spielt sie in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft – aber auch in der Organisation von Wissenschaft? Wörtlich übersetzt bedeutet Bürokratie „Herrschaft des Amtszimmers“ und bezeichnet ein Prinzip der amtlichen Regulierung, Ordnung und Verfahrensweisen.
    Wie aber „herrscht“ Bürokratie? Ist sie selbst eher neutral, reaktionär oder fortschrittlich? „scobel“ sucht nach Merkmalen, Strukturen und Funktionen, mit denen bürokratische Organisationen beschrieben werden können. Einer der ersten, der sich ausgiebig mit Bürokratien beschäftigte, war der Soziologe Max Weber. Weber formulierte einen Idealtypus
    für Behörden, Ämter und Verwaltungen: ein zweckrationales Handeln in Organisationen mit Hierarchien.
    Die Legitimation der Handlungen beruht auf gesetzten Regeln, Ordnungen und Rationalität. Diese Grundlagen beziehen sich sowohl auf staatliche als auch auf wirtschaftliche Einrichtungen und Verbände. Gerade in modernen Gesellschaften sei die rationale, legale Herrschaft anderen Organisationsformen überlegen, sagte Weber. Der Soziologe Niklas Luhmann widersprach diesem Ansatz.
    Komplexität führt nach seiner Ansicht zunehmend zu einer Offenheit und Ungewissheit menschlicher Erfahrungen, die er als Kontingenz bezeichnete. Bürokratie reduziere Komplexität zwar – entwickle aber auch ein Eigeninteresse an ihrem Fortbestehen, das mit ihrer eigentlichen Aufgabe kollidieren könne. Die Philosophin Hannah Arendt sah in der Herrschaft der Bürokratie Instrumente der Macht, um Mitglieder der Gemeinschaft zu kontrollieren und konforme Verhaltensweisen zu schaffen. Durch die Massengesellschaft und die Bürokratie als „Niemandsherrschaft“ würden Neigungen zum Despotismus und zu totalitären Systemen gefördert werden.
    Für den Anthropologen David Graeber erfüllt die Bürokratie gerade im digitalen Zeitalter die Sehnsucht nach Ordnung, deshalb wachse im gleichen Maße die Macht der Bürokratien und deren Ausübung von Gewalt. Kapitalismus und Bürokratie sind – laut Graeber – „einen verhängnisvollen Pakt eingegangen und könnten die Welt in den Abgrund reißen.“ Gert Scobel diskutiert mit seinen Gästen über „Bürokratie als Herrschaftsform“. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDo 18.03.20213sat

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Do 23.09.2021
21:01–22:00
21:01–
Do 18.03.2021
21:00–22:00
21:00–
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