„Good Omens“: Michael Sheen und David Tennant brillieren mit Witzen vor dem Weltenende – Review
Hauptdarsteller retten überladene Miniserie nach dem Kultroman von Pratchett und Gaiman
Rezension von Gian-Philip Andreas – 30.05.2019, 09:00 Uhr
In einer Zeit, in der sich die angespannte Weltlage in immer neuen Apokalypse-Erzählungen (von „The Walking Dead“ bis „8 Tage“) spiegelt, wird nichts dringender gebraucht als ein gutes Omen: Alles wird gut, hieße das dann, und der Grusel des dräuenden Weltenendes, der sich gerade durch so viele Filme und Serien zieht, wäre kaum mehr als eine Schauermär am narrativen Lagerfeuer der Popkultur. „Ein gutes Omen“ – so heißt der britische Kultroman, den „Scheibenwelt“-Erfinder Terry Pratchett 1990 in Kollaboration mit dem damals erst 29-jährigen Fantasy-Newcomer Neil Gaiman vorlegte. Er erzählte von einem Engel und einem Dämon, die sich auf Erden so komfortabel eingerichtet haben, dass sie gemeinsame Sache machen, um den Jüngsten Tag zu verhindern.
Die Ex–„Monty Python’s Terry Gilliam und Terry Jones haben unabhängig voneinander versucht, das Buch zu verfilmen – aber es klappte nie. Pratchett ist inzwischen gestorben, doch noch vor seinem Tod bat er den mittlerweile berühmten Drehbuch-, Comic- und Romanautor Gaiman, das Projekt weiterzuverfolgen und als Autor zu begleiten. Jetzt hat es geklappt. Die Streaming-Welt hat das Projekt möglich gemacht: als Gemeinschaftsproduktion von Amazon und BBC, sechs Episoden, komplett geschrieben von Gaiman persönlich, inszeniert von TV- und Kinoroutinier Douglas Mackinnon („The Flying Scotsman – Allein zum Ziel“). Dass Gaimans Arbeiten in den letzten Jahren schon mehrfach verfilmt wurden (jüngst in Serienform mit „American Gods“ und „Lucifer“), war dabei gewiss ebenso wenig hinderlich wie der Umstand, dass zahlreiche Stars für das Projekt gewonnen werden konnten. Jon Hamm („Mad Men“), Michael McKean („Better Call Saul“), Mireille Enos („World War Z“) und Nick Offerman („Parks and Recreation“) gemeinsam in einer Serie? Dazu die zweifache Oscarpreisträgerin Frances McDormand („Fargo – Blutiger Schnee“) als Stimme Gottes – und Benedict Cumberbatch als Stimme Satans? Großartig.
Doch das Ganze steht und fällt mit den beiden Protagonisten: Michael Sheen („Masters of Sex“) und David Tennant („Doctor Who“) sind das Herzstück der Miniserie, als odd couple führen sie wie skurrile Reiseleiter durch die mit Details und Anspielungen vollgepackte Story. Sheen gibt mit weißem Haar den gütigen und immer leicht naiven Engel Aziraphale, der eigentlich verlorene Seelen retten soll, dabei das Leben unter Menschen, edles Sushi, Single Malt Scotch und feine Weine schätzen gelernt hat und sich als Besitzer eines verstaubten Antiquariats tarnt. Tennant versteckt als Dämon Crowley seine schlangengelben Augen selbst nächtens hinter einer Sonnenbrille. Er rast im schicken Bentley durch London, hört dabei immer Queen und schüttelt trockene One-Liner aus dem Ärmel: Mit seinen übercoolen Moves in schwarzer Kluft wirkt der Schlacks wie ein grantiger Sixties-Rocker.
Eigentlich müssten Aziraphale und Crowley Antagonisten sein – schließlich soll Crowley die Menschen Satan zuführen -, doch die Jahrtausende unter den Menschen, die ihren Anfang mit der Schlange und dem Apfel im Garten Eden nahmen, haben sie so sehr ans Leben auf Erden gewöhnt, dass sie ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigen. Crowleys Missetaten erschöpfen sich zum Beispiel darin, dass er gelegentlich die Handy-Funknetze im Großraum London stört. Man kennt sich, frotzelt ein bisschen, hat sich eigentlich aber lieb. Sheen und Tennant spielen das Duo wie eine metaphysische Version von Ernie und Bert, wie ein in die Jahre gekommenes Ehepaar. Die Szenen, die sich ganz auf ihr Gekabbel konzentrieren, sind definitiv die stärksten von „Good Omens“.
Der Rest kann nicht durchweg überzeugen – was weniger am trockenen, immer wieder ins Abgründig-Absurde verfallenden britischen Humor liegt, den Gaiman hier 1:1 aus dem Roman ins Drehbuch übersetzt, sondern eher daran, dass er sich außerhalb der Buchseiten, gegossen in einstündige Episoden, nicht so geschmeidig wie erhofft in eine Spielhandlung einfügt – zumindest vermitteln die ersten beiden Episoden diesen Eindruck. „Good Omens“ präsentiert sich als Aneinanderreihung mal mehr, mal weniger witziger Sketche, dabei vermittelt die Story den Eindruck einer hemmungslos vollgerümpelten Wunderkammer, die es Betrachtern schwermacht, den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren – auch weil die Inszenierung sehr sprunghaft vorgeht und nicht immer über ideales Timing verfügt. Dass da ein Countdown tickt, der die Spielhandlung wenige Tage vor dem Jüngsten Tag ansiedelt, vergäße man fast, würden nicht hie und da etwa die Apokalyptischen Reiter losgelassen (in der Pole Position: Mireille Enos als „Krieg“, die in Nordafrika einen fatalen Shoot-Out auslöst). Doch die comichaft überzeichnete Musik von „007“-Komponist David Arnold lässt selbst das nie allzu gruselig werden.
Was den Plot angeht, wäre da zunächst die Sache mit dem Antichristen. Dessen Geburt wird Crowley von den beiden aus dem Waldboden emporschießenden Höllenfürsten Hastur (Ned Dennehy, „Peaky Blinders – Gangs of Birmingham“) und Ligur (Ariyon Bakare) vermeldet. Doch das Teufelsbaby wird im Kloster der satanischer Nonnen um Sister Loquacious (Nina Sosanya, „Five Days“) vertauscht. Aziraphale und Crowley wollen das Kind treu begleiten, um elf Jahre später den Weltuntergang zu verhindern: Crowley verkleidet sich dafür als schlafliedsingende Nanny, Aziraphale als weiser Gärtner mit Horst-Schlämmer-Gebiss. Doch kurz vor Armageddon stellt sich die Verwechselung heraus: Anstatt des Sohns des US-Botschafters Dowling (Nick Offerman) hätten sie sich um Adam (Sam Taylor Buck) kümmern müssen, den Sohn des britischen Mittelstandsehepaars Young (Daniel Mays und Sian Brooke aus „Meadowlands). Der spielt mit seinen Freunden im Wald die „Britische Inquisition“ nach und hält den ihm zugelaufenen Höllenhund für ein Kuscheltier. Die Telefonnummer der Youngs: 666, number of the beast.
Hinzu kommt die Sache mit der Hexe Agnes Nutter. Als deren jüngste Nachfahrin mischt sich Anathema Device (Adria Arjona aus „Emerald City“) in die Geschichte ein, gefolgt von Newton Pulsifer (Jack Whitehall), Nachkomme jenes Mannes, der Agnes einst auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ. Pulsifer wiederum gerät an Sergeant Shadwell (Michael McKean), den letzten noch lebenden Hexenjäger, der dieser Tage freilich vor dem britischen Parlamentsgebäude wirre Reden hält und bei der Prostituierten Madame Tracy (Miranda Richardson, „Spider“) zur Untermiete wohnt. Da Nutter damals im 17. Jahrhundert in einem mysteriösen Buch nicht nur den Siegeszug gewisser Technologiefirmen („Im Jahr 1980 wird ein Apfel emporsteigen, den keiner essen kann“), sondern auch die apokalyptischen Geschehnisse von heute präzise vorherzusagen schien, kommen Hexen- und Hauptplot alsbald zusammen.
Klingt schon nach viel Stoff? In der Tat. Aber dann wären da ja noch die Himmelsmächte, die sich, angeführt von Erzengel Gabriel (Jon Hamm) und Erzengel Michael (Doon Mackichan, „Plebs“), in weißen, lichten Konzernetagen aufhalten, und die Höllenmächte, die, vorangetrieben vom garstig verpestbeulten Beelzebub (Anna Maxwell Martin aus „Bleak House“), in dunklen Kellergewölben tummeln. Und währenddessen ist immer wieder Frances McDormand alias Gott zu hören, die als allwissende Off-Erzählerin das Geschehen mit trockenem Witz begleitet.
Dass die Erzählung sehr häufig auf diese Off-Erzählung zurückgreift, ist ein bezeichnender Hinweis darauf, dass sonst kaum eine Chance bestünde, dem ausufernden Geschehen überhaupt folgen zu können. Die Vielzahl biblischer, geschichtlicher, philosophischer Anspielungen, mit denen fast jede Szene gespickt ist, bindet die Aufmerksamkeit so stark, dass man, wenn die Erzählung wieder mal in eine andere Richtung springt, ins Schleudern gerät. Ein bisschen macht sich auch bemerkbar, dass der Stoff schon knapp drei Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Die blasphemischen Scherze, der an Monty Python geschulte Irrwitz, der an Tim Burton erinnernde Comic-Gothic-Stil und die Idee, Gott sowie diverse Erzengel und Dämonen mit Frauen zu besetzen: All dies ist nichts wirklich Neues mehr im Jahr 2019, auch das hohe Tempo kann das nicht vertuschen.
So bleibt nach dem ersten Drittel der Miniserie ein zwiespältiger Eindruck zurück – und die Vermutung, dass weniger hier möglicherweise mehr gewesen wäre. Sheen und Tennant in den Hauptrollen sind dagegen über jeden Zweifel erhaben. Da sind zwei Meister ihres Fachs am Werk, die inmitten des absurden Szenarios alle Register ziehen. Wie Sheen den naiven Bücherwurm gibt und Tennant den Teilzeit-Choleriker, der seine Pflanzen anschreit („Wachst schneller!“) und zur Abschreckung von Gegner auch mal sekundenkurz ein Höllenbiest aus sich hervorschnellen lässt – das sind die besten Momente in einer Serie, die inmitten ihrer vielen Gimmicks bisweilen in ihre Einzelteile zu zerfallen droht.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von „Good Omens“.
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Prime Video
Die komplette Miniserie „Good Omens“ wird bei Prime Video am 31. Mai 2019 veröffentlicht.
Über den Autor
Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) - gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).
Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation
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Mein Mann und ich freuen uns wie blöde, eis ist gekauft, Pizza wird bestellt, das wird ein langer Abend