„German Genius“ schlachtet „Extras“ von Ricky Gervais aus – Review

Detlev Buck veredelt deutsche Version mit Kida Ramadan aus „4 Blocks“

Stefan Genrich
Rezension von Stefan Genrich – 23.05.2023, 18:42 Uhr

Für sein Projekt „German Genius“ umgarnt Kida Ramadan (Kida Khodr Ramadan, l.) den britischen Comedian Ricky Gervais (Ricky Gervais) – Bild: Warner TV Comedy
Für sein Projekt „German Genius“ umgarnt Kida Ramadan (Kida Khodr Ramadan, l.) den britischen Comedian Ricky Gervais (Ricky Gervais)

Irgendwann verlor Filmstar Romy Schneider die Lust, die österreichische Kaiserin „Sissi“ zu spielen. Ihr heutiger Kollege Kida Ramadan steckt in einer ähnlichen Klemme: Wie der reale Darsteller Kida Khodr Ramadan („Greyzone“) hat er Erfolge in „4 Blocks“ gefeiert. Doch jetzt will er nicht länger als libanesischer Gangster Toni Hamady gelten, zumal ein Fan ihn anhimmelt: Wenn ich mit meiner Frau schlafe, bist du immer dabei. Kida sucht nach einem Stoff, der seine künstlerischen Träume verwirklicht. Dabei erlaubt ihm der britische Comedian Ricky Gervais („The Office“), eine deutsche Version der Serie „Extras“ zu entwickeln. Aus diesen Vorgaben haben Detlev Buck („Bibi & Tina“) und Cüneyt Kaya („Der Weihnachtsgrummel“) eine lustige Mediensatire gebastelt. Allerdings ist „German Genius“ schwieriger als die Sitcom „Pastewka“ zu verdauen, die ebenfalls die TV-Branche verspottet.

Bei Leni Riefenstahl gibt es nichts zu lachen

Schräge Gastauftritte vieler Promis wie Anne Ratte-Polle („Dark“) und Sascha Alexander Geršak („Gute Freunde – Die wahre Geschichte des FC Bayern München“ ) entschädigen die Zuschauerinnen und Zuschauer für intellektuelle Höhenflüge. Die Anspielungen treffen ins Schwarze. Besonders in der Schlussfolge verschwimmen die Grenzen zwischen Komödie und Tragödie, sodass Lachen im Halse stecken bleibt. Lediglich Experten verstehen biografische Hinweise, als Maria Furtwängler („Ausgebremst“) in die Haut einer fragwürdigen Regisseurin schlüpft und dem Publikum die moralischen Abgründe vom Business zeigt: In diesen erschreckenden Szenen scheint der Geist von Leni Riefenstahl („Olympia 1. Teil – Fest der Völker“) in die Schauspielerin zu fahren. Ihr könnt doch nicht ’ner Nazi-Braut eine Bühne geben, kritisiert Kida, wie sein Konzept entstellt wird: Wenn das in Deutschland Erfolg ist, dann will ich diesen Erfolg nicht haben. Wir könnten diese Empörung eher glauben, wenn Kida seinen Absturz nicht beweinen würde. Wird er sich irgendwann erholen – vielleicht sogar auf internationaler Bühne?

In der Serie „German Genius“ will sich Schauspieler Kida Ramadan (M.) zwischen Albert Einstein (Trystan Pütter) und Regisseurin Heike Makatsch (Heike Makatsch) behaupten. Warner TV Comedy

Man kennt sich, man mag sich, man hilft sich

Die Leute am Set kennen einander und haben oft zusammengearbeitet. Kida Khodr Ramadan versteht sich mit Nebendarsteller Frederick Lau so gut, dass die beiden Männer ein Buch über ihre Freundschaft geschrieben haben: „Zusammen sind wir Könige“. Unter der Regie von Kida Khodr Ramadan wirkte Frederik Lau ebenso wie Detlev Buck an „Asbest“ mit. Cüneyt Kaya führte wiederum Regie in sechs Episoden von „Blockbustaz“ – erneut mit den Darstellern Kida Khodr Ramadan und Frederik Lau. Heike Makatsch („Die Affäre Semmeling“) lief Marc Hosemann („Die Discounter“) in „Intimate.“ über den Weg. Detlev Buck schrieb Maria Furtwängler die Rolle als Madame Houpflé in sein Drehbuch zu „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“.

Mag sein, dass deutsche Film- und Fernseh-Schaffende ohnehin ständig über die Füße ihrer Kolleginnen und Kollegen stolpern. Doch die Vertrautheit ist in „German Genius“ zu spüren. Sie entlockt dem Team überzeugende Leistungen. So überrascht Musiker und Moderator Olli Schulz („Schulz & Böhmermann“) mit einem Ausflug in die Schauspielerei – als Kaiser Wilhem II. mit Tütchen für Hundekacke. Heimtückisch verdrängt Tom Schilling („Ich und die Anderen“) seinen Kumpel Kida als Regisseur – denn ich bin der beste Regisseur, den ich jemals hatte.: Dabei dreht er ein Spektakel mit Explosionen, um seine eigene Karriere mit dem fertigen Trailer zu fördern.

Aufsteiger Marius Jürgens (Detlev Buck, l.), Produzentin Maria Furtwängler (2. v. l.), Redakteurin Sabine (Christine Große) und Regisseur Volker Schlöndorff (2. v. r.) lassen Kida am Rand stehen. Warner TV Comedy

Dolchstöße bereichern Demütigungen

Als germanischer Anführer trainiert Kidas ewiger Konkurrent Sascha Geršak lächerliche Posen mit einem Schwert. Aus Unwissen schlägt Kida seine Chance bei diesem internationalen Projekt „Sklave Nr. 5“ aus. Sein nebenberuflicher Friseursalon „Toni Hamady“ spendet nur wenig Trost. Als Stargast gerät Kida in die Bescheidungsfeier eines Clan-Chefs. Ungeplant verliert auch Kidas Sohn Sami (Momo Ramadan) die Vorhaut, was später einen Shitstorm auslösen wird. Auf Geldgeschenke für die Zeremonie muss Sami verzichten, weil die Polizei das Fest der Gangster stürmt.

Starregisseur Wim Wenders („Anselm – Das Rauschen der Zeit“) lehnt die Regie von „German Genius“ ab: Ich bin kein Serientäter. Daniel Kehlmann („Das letzte Problem“) will keine Verantwortung als Head-Autor übernehmen: Alle wollen immer mitreden. Im echten Leben hat er Detlev Buck bei „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ unterstützt. Trocken kommentiert Daniel Kehlmanns Sohn die Ausrede seines Vaters: Er ist jetzt eben Amerikaner. Seit Kindestagen demütigt Diva Edith Kirchhoff (Tatja Seibt, „Die Chefin“) ihren Sohn Marius Jürgens. Stolz zeigt sie erst über seinen Versuch, die alte Dame ins Pflegeheim abzuschieben und ihre Villa für „German Genius“ zu beleihen.

Der Geist von Leni Riefenstahl scheint die Produzentin und Schauspielerin Maria Furtwängler zu ergreifen. Warner TV Comedy

Tote Legenden ersetzen lebende Stars

Unabsichtlich hat Ricky Gervais mit einem Tweet das Chaos verursacht, als er Kidas Serie „4 Blocks“ lobte. Der Darsteller aus Deutschland fliegt nach London, um den Comedian zu einem Treffen zu nötigen. Beim Kaffee fragt der Brite: You wanna remake my Show ‚Extras‘ in German for German people?. Ricky Gervais stellt klar: You know, the important thing is, like big stars. Im Original hat er zum Beispiel Ben Stiller, Kate Winslet und Patrick Stewart eingespannt. Kein Problem – Kida nennt Einstein, Marlene Dietrich, Brecht, Goethe. Verunsichert reagiert Ricky Gervais: They are certainly very, very famous – but they are dead. Kida erklärt seine deutsche Variante: The small stars in Germany will play the big German geniuses.

Zu Hause wird er Probleme dieser Idee vom Film-im-Film verdecken – durch unzählige Übertreibungen wie Ricky Gervais ist dabei!. Der Star aus dem Ausland berauscht deutsche Kreative. Kidas Feldzug zur Selbstverwirklichung macht nicht nur Spaß, sondern verteilt gleichzeitig Ohrfeigen an die verlogene Branche. Schade, dass „German Genius“ wie das geschilderte Projekt zu kompliziert wirkt. Bereits die herrlichen Auftritte von Detlev Buck gleichen die Mängel der Serie aus: Er spielt den Verräter und künftigen Produzenten, als ob er wirklich solch ein Widerling wäre. Vielleicht hat er den Medienzirkus genau beobachtet.

Dieser Text beruht auf der Sichtung der achtteiligen Serie „German Genius“.

Meine Wertung: 4/​5

Ab 23. Mai läuft „German Genius“ dienstags ab 20:15 Uhr in Doppelfolgen auf Warner TV Comedy, zu empfangen über Pay-TV-Anbieter wie Sky und MagentaTV. Nach der Premiere stehen die Folgen etwa bei WOW zum Streaming bereit.

Über den Autor

Seit 2016 hat Stefan Genrich Websites entwickelt und an einer Hochschule unterrichtet. Vor einer siebenjährigen Pause bei fernsehserien.de würdigte er das weihnachtliche TV-Programm im United Kingdom: Sein Herz schlägt für britisches Fernsehen. Daher verfolgt er jeden Cliffhanger von „Doctor Who“. Der Journalist kritisiert nebenberuflich Serien. Ihn ärgern Mängel bei ARD und ZDF – oder er genießt „Tagesthemen“ sowie „Nord bei Nordwest“. Frühe Begegnungen mit „Disco“ und „Raumschiff Enterprise“ haben Spuren hinterlassen. Später scheiterte Stefan beim Versuch, die Frisur von „MacGyver“ zu kopieren. Wegen „Star Trek: Strange New Worlds“ und „1923“ mag er Paramount+.

Lieblingsserien: Frasier, Raumpatrouille, Star Trek – Deep Space Nine

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