Als Jugendliche wird Melissa Jesperson von ihrem Vater Keith (Dennis Quaid) auf einen Ausflug mitgenommen. Sie übernachten in einer abgelegenen Hütte. Obwohl ihr Dad sie zu beruhigen versucht, findet das Mädchen irgendetwas an diesem Häuschen unheimlich. Nachts wacht sie auf und entdeckt einen roten Fleck auf einem Balken über dem Bett. Keith steht in der Tür und erklärt, das sei nur Spaghettisoße. Wenig später wird Melissa erfahren, dass ihr Vater der berüchtigte Happy Face Killer ist und acht Frauen umgebracht hat.
Die Tochter, die nach ihrer Heirat den Namen Melissa Moore annahm, hat ihre Lebensgeschichte bereits in dem Podcast „Happy Face“ verarbeitet und gemeinsam mit M. Bridget Cook auch ein Buch darüber veröffentlicht. True Crime ist immer noch ein höchst angesagtes Thema und so gibt es beim Streamingdienst Paramount+ nun eine fiktionalisierte Miniserie, die auf dem Podcast und Melissas Geschichte basiert. Die Adaption besorgte das Ehepaar Robert King und Michelle King, bekannt vor allem durch „Good Wife“ und dessen Ableger „The Good Fight“, gemeinsam mit Jennifer Cacicio („Your Honor“), die auch als Showrunnerin fungierte. In „Happy Face“, der Serie, wird Melissa selbst zur Ermittlerin zu einem weiteren Mord, den ihr Vater nach Jahrzehnten für sich „in Anspruch nimmt“.
Zu Beginn der ersten von acht Episoden führt Melissa Moore (jetzt: Annaleigh Ashford) ein scheinbar normales und glückliches Leben in Seattle. Sie arbeitet als Maskenbildnerin bei einer Daily Talkshow namens „The Dr. Greg Show“, ist seit 20 Jahren mit Ben (James Wolk) verheiratet und hat zwei Kinder, den neunjährigen Max und die 15-jährige Hazel (Khiyla Aynne). Seltsam wirkt nur, dass sie ungeöffnete Briefe in einem Schranksafe versteckt und sehr ungehalten reagiert, als Hazel ein Foto von einem angeblichen Onkel geschickt bekommt. Der Absender nimmt kurz darauf auch Kontakt mit ihrem Arbeitgeber auf. Bei einem Gespräch mit Dr. Greg (David Harewood, „Supergirl“) gesteht sie, dass der Anrufer der als Happy Face Killer berühmt gewordene Keith Hunter Jesperson ist (der Tatorte und Briefe immer mit einem lächelnden Smilie versah) und sie dessen Tochter.
Scheinbar normale Familie: Max, Ben (James Wolk), Hazel (Khiyla Aynne) und Melissa Moore (Annaleigh Ashford) Paramount+
Daraufhin wird sie – halb gegen ihren Willen – gleich zur Producerin befördert und zusammen mit ihrer Kollegin Ivy (Tamera Tomakili) auf den Fall angesetzt. Denn Jesperson behauptet, in den 1990er Jahren eine weitere Frau ermordet zu haben. Für diesen Mord sitzt seit mehr als zwei Jahrzehnten ein anderer Mann in der Todeszelle: der Afro-Amerikaner Elijah (Damon Gupton, „Criminal Minds“). Dessen Hinrichtungstermin steht unmittelbar bevor. Für Melissa ändert sich von heute auf morgen alles: Bisher wusste nur Ehemann Ben von ihrer düsteren Familiengeschichte. Jetzt steht sie plötzlich im Licht der Öffentlichkeit, nachdem sie selbst in Dr. Gregs Show über ihre Kindheit und ihren Vater gesprochen hat.
Lange verdrängte Traumata („Ich war in meinem ganzen Leben noch nie beim Therapeuten.“) kommen nach oben, Tochter Hazel wird in der Schule erst gemobbt und dann zum Objekt des Interesses für von True Crime faszinierte Mitschülerinnen. Vor allem aber stellt sich Melissa immer wieder die Frage: Habe ich etwas von der Bösartigkeit meines Vaters geerbt?
Interview im Gefängnis: Vater Keith (Dennis Quaid, 2.v.l.) und Tochter Melissa Paramount+
Kann man ein guter Mensch sein, wenn der eigene Vater ein Serienmörder ist? Das ist auch die zentrale Frage der Serie. Nach den ersten drei Episoden lässt sich soviel sagen: Zumindest versucht es Melissa sehr angestrengt. Dazu gehört natürlich, das Leben eines eventuell Unschuldigen zu retten, also zu verhindern, dass Elijah für einen Mord hingerichtet wird, den ihr Vater begangen haben könnte. Auch ihre afro-amerikanische Kollegin Ivy hat persönlich ein starkes Interesse, Elijah zu retten – wäre er doch beileibe nicht der erste Schwarze, der bei einem Kapitalverbrechen als Sündenbock herhalten muss.
Während also die beiden Frauen recherchieren, den Heimatort der getöteten Frau aufsuchen, Angehörige ebenso befragen wie den in der Todeszelle sitzenden Elijah, der damals ihr Freund war, bekommen wir als Zusehende durch kurze Rückblenden Einblicke in Melissas Jugend, als sie noch nichts von den grausamen Taten ihres geliebten Vaters ahnte. Und dann ist da noch Keith Hunter Jesperson selbst, der aus dem Hochsicherheitstrakt heraus die Fäden führt. Aufgrund eines „Deals“ konnte er damals der Todesstrafe entkommen, indem er acht Taten gestand. Ort des neunten Mordes war allerdings Texas und im Fall einer Auslieferung dorthin und Verurteilung könnte Jesperson doch noch auf dem Elektrischen Stuhl enden. Mit Hilfe eingeschmuggelter Handys und verbündeter Justizbeamter nimmt er Einfluss auf das Geschehen draußen. Und obwohl er sich in Gesprächen mit seiner Tochter als liebender Vater gibt, wird klar, dass dieser Mann immer noch höchst gefährlich ist.
Diabolischer Mörder oder doch liebender Daddy? Keith Hunter Jesperson (Dennis Quaid) Paramount+
Zu den eher unangenehmen Momenten der Miniserie gehören jene Szenen, in denen der Killer von seinen Taten erzählt. Ja, er hätte diese Frauen erwürgt, aber der vorhergegangene Sex sei immer einvernehmlich gewesen, er habe nie eine Frau vergewaltigt. Es gäbe eben Frauen, die es beim Sex härter mögen. Selbstzweifel sind diesem Mann jedenfalls völlig fremd, den Altstar Dennis Quaid mit einem zwischen Jovialität und aggressivem Zynismus changierenden Lächeln spielt. Etwas weniger überzeugend ist in der Hauptrolle Annaleigh Ashford, die sich zwar schon in Nebenrollen wie in „Masters of Sex“ als sympathische Darstellerin erwiesen hat, der aber vielleicht doch etwas die Ausstrahlung fehlt, um eine Serie weitgehend allein zu tragen.
Die Handlung ist mit den Wechseln zwischen (halbwegs) professionellen Ermittlungen und der persönlichen Geschichte der Heldin und ihrer Familie hinreichend interessant, um die Zusehenden am Ball zu halten. Manchmal driften Dialoge und Inszenierung aber etwas zu sehr in True-Crime-Klischees ab. Und es bleibt auch die grundsätzliche Frage, ob man solch eine reale Reihe brutaler Verbrechen ausschlachten sollte, um daraus eine Unterhaltungsserie zu machen. Eine Frage, die sich bei diesen eher durchschnittlichen Figuren viel stärker aufdrängt als etwa bei Ryan Murphys True-Crime-Serien wie zuletzt der zweiten Staffel von „Monster“ mit ihren exaltierten Charakteren, die eh schon bigger than life wirken. So bleibt „Happy Face“ letztendlich vor allem eine Geschmackssache.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „Happy Face“.
Meine Wertung: 3,5/5
Die achtteilige Miniserie startet mit zwei Episoden am 20. März auf Paramount+ in den USA und am 21. März dann in in Deutschland. Die weiteren Folgen gibt es dann jeweils im Wochentakt.
Über den Autor
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.
hm? Das Konzept hat doch beim letzten Mal schon nicht funktioniert. Was der Vater der Figur ist, spielt doch maximal eine Rolle in der Backstory. Mit dieser Konstallation habe wir es nur wieder mit einem Protagonisten zu tun, der in der Opferrole feststeckt. Ist das ein interessanter Protagonist? Spoiler: NEIN!
Flapwazzle am
Von welchem "letzten Mal" schreibst Du hier bzw. auf was beziehst Du Dich?
User 65112 am
da gab es eine andere Serie, da war es der Sohn, der einen Vater hatte, der ein Serienkiller war. Ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, aber die wurde nach einer Staffel abgesetzt.