Pumuckl-Comeback, „Wetten, dass..?“-Abschied, Sparkurs und Ende der Retrowelle: Das deutsche Fernsehjahr 2023 im Rückblick

Trends, Ereignisse, Aufreger, Jubiläen und Abschiede des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2023, 09:00 Uhr

ARD und ZDF müssen sparen, sparen, sparen

ARD/​ZDF

Die Inflation und die steigenden Kosten bekommen auch die öffentlich-rechtlichen TV-Sender zu spüren. Deshalb haben sowohl die ARD als auch das ZDF einen drastischen Sparkurs ausgerufen. Bemerkbar ist dies schon jetzt vor allem im Angebot der Dritten. SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender Kai Gniffke kündigte für seinen Sender ein Sparpaket an, mit dem künftig zwölf Millionen Euro im Jahr eingespart werden sollen. Dies geht einher mit einigen Programmkürzungen und der Einstellung diverser Sendungen. SWR-Eigenproduktion wie „Hannes und der Bürgermeister“, „Freunde in der Mäulesmühle“, „Spätschicht – Die Comedy Bühne“ und „Ich trage einen großen Namen“ gehören bereits der Vergangenheit an. Weitere Einsparmaßnahmen werden im Sport getroffen, wo der Aufwand bei Live-Übertragungen zurückgefahren wird, beispielsweise durch die Reduzierung der Anzahl von Übertragungswagen. Außerdem sollen Synergieeffekte entstehen, indem etwa die Rundfunkwellen SWR4 Baden-Württemberg und SWR4 Rheinland-Pfalz zusammengelegt werden.

Der MDR muss ebenfalls den Gürtel enger schnallen und ab dem Jahr 2025 mindestens 40 Millionen Euro pro Jahr sparen. Nachdem bereits die Schlagershows von Ross Antony ersatzlos gestrichen wurden, stand lange Zeit auch die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Showmaster Florian Silbereisen auf der Kippe – vorrangig aufgrund der hohen Kosten seiner Sendungen.

Florian Silbereisen sorgt mit seinen Schlagershows für Topquoten im Ersten. MDR/​ARD/​Thorsten Jander

Kurz vor Ende seines aktuell laufenden Vertrags hat der MDR-Rundfunkrat der Vertragsverlängerung zugestimmt – jedoch nur für ein Jahr. Die Zeiten, in denen ein Vier-Jahres-Vertrag abgeschlossen wurde, wie es zuletzt 2019 der Fall war, sind vorbei. Angesichts der anhaltend starken Einschaltquoten der Silbereisen-Shows erschien eine Verlängerung der Zusammenarbeit von außen betrachtet wie eine Selbstverständlichkeit.

Das Problem stellt vielmehr die Finanzierungsfrage dar. Medienberichten zufolge sollen „Die Feste mit Florian Silbereisen“ im Ersten in den vergangenen vier Jahren insgesamt rund 35 Millionen Euro gekostet haben – weitere zehn Millionen sollen in die Formate geflossen sein, die im MDR Fernsehen liefen, etwa die „Schlagerchance in Leipzig“, „Die Schlager des Sommers“ und „Die Schlager des Jahres“. Angesichts des ausgerufenen Sparkurses der Öffentlich-Rechtlichen ist die Fortführung in diesem Ausmaß nicht mehr möglich. Erste Einschnitte gibt es daher im kommenden Jahr, wenn Silbereisen keine weiteren Formate im MDR mehr präsentieren wird, sondern lediglich seine großen „Feste“ im ARD-Hauptprogramm.

Das „Live nach Neun“-Moderationsteam WDR/​Ben Knabe

Den Sparmaßnahmen zum Opfer fällt auch die werktägliche ARD-Vormittagssendung „Live nach Neun“. 2024 wird das Format nach fünf Jahren trotz steigender Quoten nicht mehr weiter fortgesetzt. Die ARD befindet sich mitten in einer Neustrukturierungsphase, die nicht ohne Einsparungen im linearen Programmbudget auskommt, um die notwendigen Umschichtungen in die ARD Mediathek zu ermöglichen. Deshalb können wir uns leider nicht mehr alles in vollem Umfang leisten, was wir derzeit im Ersten anbieten, und müssen ab dem kommenden Jahr schweren Herzens ein beliebtes tägliches Programm einstellen, sagten ARD-Programmdirektorin Christine Strobl und ARD-Chefredakteur Oliver Köhr in einem gemeinsamen Statement.

„Wochen der Grausamkeit“ beim rbb

Martina Zöllner, Programmdirektorin des rbb rbb/​Gundula Krause

Am deutlichsten wird der Sparkurs derzeit beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), wo bis Ende 2024 insgesamt 100 Stellen gestrichen werden sollen und der Sender mit Einsparungen von rund 49 Millionen Euro wieder auf Kurs gebracht werden soll. Dies hat sich vor allem aus der „Misswirtschaft der vergangenen Jahre“ ergeben, die in dem Skandal um die Vetternwirtschaft und Geldverschwendung der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger mit einem großen Knall endete.

Ohne unser entschiedenes Handeln noch in der laufenden Beitragsperiode würden wir spätestens Ende 2024 in einen finanziellen Abgrund blicken, teilte die Interimsintendantin Katrin Vernau im Februar mit. rbb-Programmdirektorin Martina Zöllner wurde gegenüber der Süddeutschen Zeitung noch deutlicher: Wir haben über uns gesprochen und verarbeitet, was passiert ist, und es war auch ein unglaublicher Zorn unterwegs. Insbesondere das Ermitteln, wo gespart werden soll, seien Wochen der Grausamkeit gewesen.

rbb

Fortan konzentriert sich der rbb auf die regionale Berichterstattung in der Kernzeit zwischen 18 und 22 Uhr. In den „zuschauerschwächeren Zeiten nach 22 Uhr“ soll der Programmaufwand hingegen minimiert werden. Hier werden künftig neben Videostreams von Radio-Produktionen wie „Thadeusz und die Beobachter“ und „Blue Moon“ auch fiktionale Serien aus der ARD Mediathek und Wiederholungen gezeigt. Die Koproduktion des gemeinsamen „Mittagsmagazin“ mit dem ZDF kann der rbb nicht mehr finanzieren, weshalb diese Funktion ab 2024 der MDR übernimmt. Bei den Kosten für Personal und Organisation will der rbb fast elf Millionen Euro einsparen, außerdem soll es Einschnitte bei fiktionalen Produktionen geben.

Immer wieder wird auch über ein gemeinsames Mantelprogramm für die Dritten Programme nachgedacht, um weitere Kosten zu sparen. Dies würde bedeuten, dass rbb, NDR und Co. den Großteil mit einem identischen Programm bestreiten würden und lediglich zu den Kernzeiten des Tages lokale und regionale Sendungen für ihr jeweiliges Sendegebiet ausstrahlen. Momentan stecken solche Überlegungen jedoch noch in den Kinderschuhen – und es wird angesichts der bürokratischen Verflechtungen innerhalb der ARD voraussichtlich noch lange dauern, bis das Vorhaben tatsächlich konkret wird.

ZDF will 100 Millionen Euro in Programm für Junge umschichten

„Letzte Spur Berlin“ wird nach der 13. Staffel eingestellt ZDF

Und dann wäre da auch noch der Blick auf die begehrte junge Zielgruppe, die insbesondere das ZDF ins Visier genommen hat. Intendant Norbert Himmler künftigte eine strategische Umschichtung eines Budgets in Höhe von 100 Millionen Euro an, um speziell jene Zielgruppen zu erreichen, die die Angebote des ZDF zuletzt wenig nutzten. Derzeit erreiche der Sender rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht, insbesondere Jüngere und Zuschauer aus sozial schwächeren Schichten.

Fortan sollen mehr Finanzmittel in die Digitalkanäle und die ZDFmediathek fließen, während es entsprechend weniger Geld für das lineare Hauptprogramm gebe. Dieser Umschichtungsprozess soll bis 2025 laufen. Erste konkrete Einschnitte gab es bereits: So wurden die Magazine „Leute heute“ und „drehscheibe“ beendet und auch die Krimiserien „Letzte Spur Berlin“ und „SOKO Hamburg“ fielen den Plänen zum Opfer. Reduziert wird zudem die Anzahl an „Rosamunde Pilcher“-Verfilmungen pro Jahr.

Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke SWR/​Patricia Neligan

Nicht zuletzt hat der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke Anfang des Jahres angekündigt, sich im Zuge des umfangreichen Sparkurses von einem linearen ARD-Sender zu trennen. Als wahrscheinlichster Kandidat gilt unter Branchenbeobachtern der Spartensender One. Die Investitionen in Eigenproduktionen wurden bereits auf ein Minimum zurückgefahren. Die Entscheidung darüber sollte eigentlich in diesem Jahr fallen, inzwischen wurde sie jedoch auf 2024 vertagt.

Trotz der ausgerufenen Sparmaßnahmen steht ab 2025 voraussichtlich eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags bevor. Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke betonte mit Blick auf die vorläufigen Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), dass die ARD-Sender ihren künftigen Finanzbedarf sehr maßvoll angemeldet hätten. Der vorläufige Entwurf sieht vor, dass der monatliche Beitrag dann von 18,36 Euro auf 18,94 Euro steigen soll.

zurückweiter

weitere Meldungen