Pumuckl-Comeback, „Wetten, dass..?“-Abschied, Sparkurs und Ende der Retrowelle: Das deutsche Fernsehjahr 2023 im Rückblick

Trends, Ereignisse, Aufreger, Jubiläen und Abschiede des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2023, 09:00 Uhr

Öffentlich-rechtliche Polittalks zu ähnlich?

Kontrollgremium stellt „hart aber fair“, „maischberger“ und Co. auf den Prüfstand

Sandra Maischberger WDR/​Thomas Kierok

Immer wieder in die Kritik geraten die Polittalkshows der Öffentlich-Rechtlichen, in diesem Jahr sogar von offizieller Seite. Unter Berufung auf ein internes Papier berichtete die Süddeutsche Zeitung darüber, dass die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) die ARD-Talkformate zum Prüffall erklärt hat und nach einer intensiven Prüfung ein ernüchterndes Fazit zog: Insbesondere wurde angemahnt, dass sich die Polittalks in ihrer Machart, ihrem Profil und Inhalt deutlich voneinander unterscheiden müssten, unter anderem, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Noch deutlicher wurde das Kontrollgremium mit dem Appell, dass es nicht genüge, dass sich die Talks nur durch unterschiedliche Moderatoren-Persönlichkeiten unterscheiden, wenn gleichzeitig Gästeliste und Themenauswahl zu wenig abwechslungsreich sind.

Gleiche Gäste, gleiche Themen

Laut einer Auswertung des Branchendienstes Meedia seien 2022 etwa CDU-Politiker Norbert Röttgen und WELT-Journalist Robin Alexander besonders oft in diversen Talkshows zu Gast gewesen. Das am häufigsten besprochene Thema war wenig überraschend der Krieg gegen die Ukraine, während in den Vorjahren das alles bestimmende Thema die Corona-Pandemie war, zu dem der heutige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am häufigsten geladen war.

Anne Will NDR/​Wolfgang Borrs

Ein Problem bei der Gestaltung der Polittalks und deren Themen besteht darin, dass sie von unterschiedlichen Landesanstalten produziert werden, deren jeweiliger Zuständigkeitsbereich die redaktionelle Verantwortung trägt: Während „Anne Will“ vom NDR produziert wird, steuert der WDR „hart aber fair“ und „maischberger“ bei. Dennoch teilte ein ARD-Sprecher gegenüber der SZ mit, dass sich die Redaktionen bei der Planung der einzelnen Sendungen abstimmen würden. Dies reicht der GVK allerdings nicht, weshalb sie erwartet, dass sich künftig auch bezüglich der Themen abgestimmt wird, um Dopplungen zu vermeiden und aktuelle Ereignisse und Themen zielgerichteter aufzugreifen.

Im September stellte die ARD ihren Aufsichtsgremien die Talkshow-Pläne für das kommende Jahr vor. So sollen die Formate ab 2024 neu ausgerichtet werden, um Themenvielfalt und Meinungspluralität zu stärken, unterschiedliche Lebenswirklichkeiten stärker abbilden zu können und jüngere Menschen noch besser zu erreichen. Das Bestreben, die gesamte Bevölkerung und insbesondere Menschen unter 50 Jahren mit dem politischen Diskurs zu erreichen, betonte auch ARD-Programmdirektorin Christine Strobl: Es ist wichtig, bei sich zuspitzenden aktuellen gesellschaftlichen Debatten verstärkt auch jüngeren Menschen Raum für den Austausch von Argumenten und für die Vermittlung von unterschiedlichen Positionen zu geben.

Dicke Luft hinter den Kulissen von „hart aber fair“ – Wechsel der Produktionsfirma

Louis Klamroth moderiert seit Anfang 2023 „hart aber fair“ WDR/​Oliver Ziebe

Viele Monate lang knirschte es hinter den Kulissen von „hart aber fair“. Zwischen der Produktionsfirma Ansager & Schnipselmann und Moderator Louis Klamroth, der Anfang des Jahres die Nachfolge von Frank Plasberg antrat, kam es zu Unstimmigkeiten, weshalb die Zusammenarbeit nach dem aktuellen Vertrag beendet wird. An dem Polittalk will die ARD jedoch weiterhin festhalten, so dass es nur eine Lösung gab: Die Produktion von „hart aber fair“ übernimmt ab 2024 eine andere Firma: Florida Factual. Hierbei handelt es sich um eine Firma, die aus Klamroths eigener Firma K2H hervorging. Klamroth befand sich bei „hart aber fair“ in der für ihn ungewohnten Situation, „nur“ als Moderator im Auftrag einer anderen Produktionsfirma zu agieren – womit er sich offensichtlich nicht wohlfühlte. Noch bis Ende des Jahres sahen sich beiden Parteien gezwungen, miteinander auszukommen, bevor Florida Factual ab 2024 übernimmt.

Der mit Louis Klamroth eingeleitete Generationswechsel bei „hart aber fair“ soll fortgeführt werden. Die ARD spricht davon, dass der Talk ins Digitale weiterentwickelt werden soll, um ganz neue Zuschauergruppen für den politischen und gesellschaftlichen Diskurs in der ARD Mediathek zu gewinnen. Linear soll der Talk am Montagabend im Ersten dennoch fortgesetzt werden. Zusammen mit Moderator Klamroth finde aber eine Weiterentwicklung des Konzepts in die digitale Öffentlichkeit statt.

Caren Miosga folgt auf Anne Will

NDR/​Thorsten Jander

Nach rund 16 Jahren hat Anne Will im Dezember auf eigenen Wunsch ihre ARD-Talkshow beendet. Caren Miosga, bislang „Tagesthemen“-Moderatorin, tritt in die Fußstapfen von „Anne Will“ und wird ab 2024 auf dem prestigeträchtigen Sendeplatz am späten Sonntagabend im Ersten ihren neuen Polittalk präsentieren. Dieser soll „die hohe Aufmerksamkeit auf dem Sendeplatz am Sonntagabend“ nutzen, um das aktuell relevanteste Thema der Woche mit verantwortlichen Politikern sowie weiteren Gästen vertiefend zu diskutieren. Die unterschiedlichen Standpunkte und Sichtweisen auf ein Problem sowie die dahinterstehenden politischen Prozesse sollen dabei deutlich werden. Ziel sei es, Mehrwert und Erkenntnisgewinn für Zuschauer zu generieren und Gesprächswert für die kommende Woche zu schaffen. Inwieweit sich „Caren Miosga“ konzeptionell von „Anne Will“ unterscheiden wird, bleibt abzuwarten.

Der derzeit zweimal pro Woche ausgestrahlte Talk „maischberger“ soll laut ARD-Angaben verstetigt werden. Im Vergleich zu den anderen beiden Formaten führt Sandra Maischberger mit ein oder zwei Gästen vertiefende Gespräche. Konzeptionell kämen eine Reihe von flexibel einsetzbaren Modulen wie Einzelgespräch und Duell zum Einsatz. Ein Panel aus Journalisten und Künstlern soll auch weiterhin bei der Einordnung des Tagesgeschehens helfen. Zudem gehe es nicht nur um Politik, sondern auch um Themen aus Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. „maischberger“ soll eine verlässliche, informative und unterhaltsame Begleitung in die Nacht bieten.

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