Pumuckl-Comeback, „Wetten, dass..?“-Abschied, Sparkurs und Ende der Retrowelle: Das deutsche Fernsehjahr 2023 im Rückblick

Trends, Ereignisse, Aufreger, Jubiläen und Abschiede des TV-Jahres

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 25.12.2023, 09:00 Uhr

Sky Deutschland zieht sich komplett aus fiktionalen Produktionen zurück: Ende des Serienbooms eingeläutet?

„Babylon Berlin“ Frédéric Batier/​X Filme Creative Pool/​SKY/​ARD Degeto

Ende Juni schlug eine Meldung ein wie eine Bombe, die insbesondere am Produktionsstandort Deutschland für düstere Zukunftsaussichten sorgt: Der Pay-TV-Gigant Sky hat angekündigt, auf die Produktion weiterer fiktionaler Serien in Deutschland komplett zu verzichten und sich aus dem Markt zurückzuziehen. Selbst die Produktion einer potenziellen fünften Staffel des Serien-Aushängeschilds „Babylon Berlin“ kommt für den Anbieter nicht mehr infrage. Die gute Nachricht für Fans speziell dieser Serie: Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der Sky-Pläne hat die ARD als verbliebener Auftraggeber bestärkt, dass man die Serie auch ohne Beteiligung von Sky fortsetzen wolle.

Die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe von Sky bereits in Produktion befindlichen Serienprojekte werden noch abgeschlossen, wie die neue Dystopie „Helgoland 513“ und die Polit-Dramedy „Public Affairs“. Mit einer vierten Staffel ging im September das Serien-Reboot von „Das Boot“ zu Ende. Nicht mehr realisiert werden (zumindest bei Sky) andere angekündigte Projekte, wie etwa „Frankenstein Untold“, das Historiendrama „Huntsville AL“ oder das Familiendrama „Garten Eden“. Die von Sky in Auftrag gegebene Klinikserie „KraNK“ wurde zwischenzeitlich von ZDFneo übernommen.

Sky

Für Serien wie „Babylon Berlin“, „Der Pass“ und „Das Boot“ hat Sky in den vergangenen Jahren sowohl von Kritikern als auch von Zuschauern viel Lob erhalten und auch einige Preise eingeheimst. Weshalb nun also der plötzliche und unerwartete Schlussstrich? In einem internen Schreiben hatte sich Sky-Deutschland-Chef Devesh Raj an die Belegschaft gewandt und begründete den Schritt damit, dass sich die Unterhaltungsbranche, die Inhalte-Landschaft und das Zuschauerverhalten rasant entwickelt habe, seitdem Sky im Jahr 2015 in die Serienproduktion eingestiegen ist.

Gestiegene Kosten und wachsende Konkurrenz hätten dafür gesorgt, dass es insbesondere für Drama-Serien schwieriger geworden sei, sich durchzusetzen. Da wir uns weiterhin auf den Aufbau eines nachhaltigen Geschäfts in der DACH-Region konzentrieren, müssen wir harte Entscheidungen darüber treffen, wo wir unsere Investitionen einsetzen, um sicherzustellen, dass wir einen Mehrwert für das Unternehmen und unsere Kunden schaffen, so der Sky-Chef. Diese Investitionen dürften sich künftig vorrangig wieder auf Sportrechte beziehen – und auf die Produktion von Reality-Doku-Soaps wie „Diese Ochsenknechts“, mit denen Sky zuletzt geworben hat.

Sky

Kürzung der Film- und Serienförderung durch den Bundestag

Für den Serienstandort Deutschland ist diese Entwicklung ein schwerer Schlag. Hinzu kommen noch weitere Probleme wie steigende Kosten und die Haushaltssperre. Die Produzentenallianz hat in ihrer Herbstumfrage eine pessimistische Zukunftsprognose veröffentlicht. So bewerten mehr als die Hälfte der befragten Produktionsunternehmen die aktuelle wirtschaftliche Lage als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ – und befürchten dies auch für das kommende Jahr. Der Bundestag hat nämlich eine deutliche Kürzung der Film- und Serienförderung in Form des DFFF I, DFFF II und des German Motion Picture Funds (GMPF) angekündigt. Wurden zuletzt Projekte noch mit rund 160 Millionen Euro gefördert, sollen im kommenden Jahr nur noch 133 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Produzentenallianz-Geschäftsführer Björn Böhning bestätigte im Dezember, dass viele Unternehmen aufgrund der sinkenden Film- und Serienförderung nicht wissen, wie sie ihre geplanten Projekte finanzieren sollen. Böhning fordert deshalb ein neues Modell der Rechteteilung zwischen Produzenten und Auftraggebern. Diese fatale Entscheidung des Bundestages erhöht die Dringlichkeit einer strukturellen Reform. Das bevorstehende „Krisenjahr 2024“ könne man nur bewältigen, wenn man Dinge verändere.

Kaiser Franz Joseph (Jannik Schümann) und Sisi (Dominique Devenport) RTL

Wichtigste Auftraggeber für fiktionale deutsche Produktionen sind mit großem Abstand ARD und ZDF. Darauf folgen Streamingdienste wie Netflix und Prime Video, während Privatsender nur eine untergeordnete Rolle spielen. RTL produziert vorrangig für seinen Streamingdienst RTL+ regelmäßig aufwendige Serien wie „Sisi“ oder „Der König von Palma“ und hat jüngst auch die Krimireihen für sich entdeckt. Seven.One hat sich hingegen fast komplett aus der Produktion fiktionaler Inhalte verabschiedet. Während Sat.1 mit „Die Landarztpraxis“ und „Das Küstenrevier“ immerhin für Nachschub am Vorabend sorgt, haben ProSieben oder Joyn gar keine eigenproduzierten Filme oder Serien mehr in der Planung.

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