The Night Manager – Review
Miniserie mit Hugh Laurie und Tom Hiddleston – von Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 21.03.2016, 13:34 Uhr
Jonathan Pine scheint für den Beruf des Nachtportiers geboren zu sein: Er ist ein distinguierter britischer Gentleman, spricht feinstes Oxford-Englisch, erscheint immer höflich und zuvorkommend. Hinter dieser Fassade verbirgt sich aber noch ein anderer, gebrochenerer Mann, ein ehemaliger Irakkriegs-Soldat, der dort Dinge gesehen und erlebt hat, die er nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Pine arbeitet in einem Luxushotel in Kairo, als dort 2011 der Arabische Frühling ausbricht. Inmitten der politischen Turbulenzen auf den Straßen kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung: Die Araberin Sophie Alekan (Aure Atika), Geliebte eines ägyptischen Geschäftsmanns, bittet ihn, einige Unterlagen zu kopieren. Es handelt sich um Listen mit gefährlichen Waffen, die der offenbar von dem angesehenen Briten Richard Onslow Roper gekauft hat, um den Volksaufstand niederzuschlagen. Pine sucht Hilfe bei der britischen Botschaft, die ihn aber hängen lässt. Die Informantin wird erst geschlagen und später, nach einer gemeinsamen Nacht und einem misslungenen Versuch Pines, sie außer Landes zu bringen, ermordet.
Vier Jahre später hat sich Pine in die abgelegene Welt der Schweizer Alpen zurückgezogen, lebt wie ein Einsiedler in einem spartanischen Haus im Nirgendwo und arbeitet als Nachportier in einem deutlich kleineren Hotel in Zermatt. Und wie es der Zufall (und John le Carré, der Autor der Romanvorlage) so will, steigt eines Abends ausgerechnet Richard Roper dort ab, jener Waffenhändler, der Pines Kairoer Geliebte Sophie auf dem Gewissen hat. In dem sonst so zurückhaltenden Mann wächst der Entschluss, dieses Monster zur Strecke zu bringen …
1993 veröffentlichte Altmeister Le Carré seinen ersten Spionageroman, der nach dem Kalten Krieg spielte. Drehbuchautor David Farr („Spooks – Im Visier des MI5“, „Wer ist Hanna?“) hat die Handlung für die Verfilmung als sechsteilige Miniserie in die Gegenwart verlegt. Durch den Auftakt während des Arabischen Frühlings in Kairo bekommt die Geschichte eine zusätzliche politische Aktualität. Nach dem noch etwas langatmigen Anfang nimmt die Handlung an Fahrt auf, nachdem Pine die Geheimdienstoffizierin Angela Burr (Olivia Colman aus „Broadchurch“) in London kontaktiert hat. Die ist schon länger hinter Roper her und rekrutiert den Portier, der sich in den engsten Kreis des Waffenhändlers einschleusen soll. Dazu braucht er jedoch erst einmal eine glaubwürdige kriminelle Vergangenheit.
Die dritte Partei im Spiel sind die Geheimdienste, die allerdings keineswegs am gleichen Strang ziehen. Angela Burr, früher beim MI-6, dort aber in Ungnade gefallen und inzwischen Leiterin einer wesentlich kleineren Geheimdiensteinheit, steht in ihrem Kampf gegen den skrupellosen Roper weitgehend alleine. Nicht nur, dass ihre ehemaligen Kollegen beim MI-6 ihr zu verstehen geben, dass ihr Fall auf zu wackligen Füßen stehe – es scheint auch Verbindungen zwischen Geheimdienstlern und Waffenhändlern zu geben. Hilfe kommt aber von der anderen Seite des Atlantiks, von Burrs altem Freund und Geheimdienstkollegen Joel Steadman (David Harewood aus „Homeland“ und „Supergirl“ kommt aus dem Rollenfach des Regierungsangestellten einfach nicht heraus).
Noch ist nicht so richtig abzusehen, wohin sich die Geschichte entwickeln wird, insbesondere die zweite Folge ist mit ihrer verschachtelten, zwischen den Zeitebenen und Orten springenden Erzählweise und stimmungsvollen Bildern aber schon vielversprechend. Leider drohen letztere manchmal, etwas ins Kunstgewerbliche abzugleiten, werden etwa Sonnenuntergänge über dem Meer zu häufig bemüht. Die Gemeinschaftsproduktion „The Night Manager“ der BBC mit dem US-Kabelsender AMC („Mad Men“, „Breaking Bad“) ist bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt (unter anderem sind „Rom“- und „Outlander“-Star Tobias Menzies sowie „Utopia“-Computerfreak Adeel Akhtar als sehr unterschiedliche Geheimdienstmitarbeiter zu sehen) und mit kinoreifen Aufnahmen von Schweizer Berglandschaften und spanischen Meeresküsten versehen. Was etwas fehlt, ist eine individuelle Inszenierung. Von Susanne Biers in ihren Kinodramen oft so eindringlicher Schauspielführung in Dialogszenen ist zumindest bislang noch wenig zu spüren. Wer Spionagegeschichten liebt und einen etwas realistischeren Ansatz als bei 007 schätzt, wird hier aber sicher gut bedient.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen der Serie.
Meine Wertung: 3,5/5
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: BBC One/AMC
Über den Autor
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.
Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing