NBC bei der TCA: „Cruel Intentions“ weiter im Limbus, Neuigkeiten zu den Neustarts

Plus: Dick Wolf, das „Chicago“-Franchise und Olympia-Strategie

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 03.08.2016, 17:33 Uhr

Sind die Hauptdarsteller in „Timeless“: (V.l.) Malcolm Barrett, Matt Lanter und Abigail Spencer – Bild: NBC
Sind die Hauptdarsteller in „Timeless“: (V.l.) Malcolm Barrett, Matt Lanter und Abigail Spencer

Mit NBC wurde am Dienstag bei der TCA Press Tour der Reigen der fünf großen Networks eröffnet. Obwohl Senderchef Bob Greenblatt im Mai noch erwartet hatte, die Season 2015/​16 als Bestes Network bezüglich der Zuschauerquoten in der werberelevanten Zielgruppe abschließen zu können, musste er nun zunächst klein beigeben: CBS konnte die Krone knapp erringen, maßgeblich unterstützt von der Super-Bowl-Übertragung im Februar. Dank der zugkräftigen Olympischen Spiele ist sich NBC aber sicher, das Kalenderjahr 2016 zu gewinnen.

Eingangs der TCA-Veranstaltung wurde Jimmy Fallon als „Golden Globes“-Host verkündet (fernsehserien.de berichtete).

NBC und die Serien in Bezug auf Olympia
NBC betont stets, dass die Olympischen Sommerspiele ein perfektes Spungbrett seien, die neuen Herbstserien zu promoten (mit einer der öffentlichen Gründe, warum NBC sich die teuren Rechte leistet). Praktische Beispiele für einen dauerhaften Zuschaueranstieg gibt es nicht.

Auf Rückfrage erklärte Programmchef Greenblatt nun, dass NBC in diesem Jahr keine der neuen Serien direkt nach Olympia (also Mitte August) starten werde: Die Programmforschung hat herausgefunden, dass die Zuschauer nach dem „Dauerfeuer Olympia“ in der Regel erstmal dem Fernseher den Rücken kehren. In diese „Dürreperiode“ will man keine neue Serie versenken.

Zwei Bestandsserien werden allerdings mit Olympia gepusht. Einerseits darf „The Voice“ mit einer Audition-Sendung Appetit auf die neue Staffel machen. Und dann wird der Comedy-Überraschungserfolg „Superstore“ mit einer Sonderepisode ran dürfen, da sie Ende 2015/​Anfang 2016 eher in ungünstigem Programmumfeld startete und nun nochmal einen Boost erhalten soll. Dabei steht die Folge als „Flashback“ außerhalb der aktuellen Handlung (Staffel eins endete mit einem Cliffhanger). Greenblatt analysierte, dass NBC zwischenzeitlich für seine smarten, aber nur bedingt massentauglichen Sitcoms bekannt war („30 Rock“, „Parks and Recreation“). Den Versuch, in den letzten Jahren mit der Brechstange – vielen Formaten – ein Massenpublikum zu erreichen, seien gescheitert. Mit dem ordentlichen Erfolg von „Superstore“ sei der Sender zu seinen alten Stärken zurückgekehrt. Daneben erläuterte Greenblatt, dass die Auftaktfolge von „Superstore“ inklusive zeitversetzter Zuschauer seit der Veröffentlichung und über alle Plattformen nicht weniger Zuschauer erreicht habe, als die Premiere der Staffel von Quotenbringer „The Voice“. Die Bewertungszeiträume würden sich eben ändern.

Cruel Intentions
Weiterhin hat NBC die Serienfortsetzung „Cruel Intentions“ zum Film „Eiskalte Engel“ nicht zu den Akten gelegt. Noch immer wurde aber auch noch keine Serienbestellung getätigt (fernsehserien.de berichtete). NBC-Managerin Jennifer Salke erläuterte, dass der Sender eine einzelnen Soap-Sendeplatz im Herbstprogramm gehabt habe – und auf den hätte „This Is Us“ deutlich besser gepasst.

Derzeit wird überlegt, dass „Cruel Intentions“ auch über einen in der Diskussion befindlichen eigenen Streaming-Dienst angeboten werden könnte. Eventuell könnte es dann auch zwei Schnittfassungen geben, wobei eine dann die für Networks geltenden Grenzen in Sachen Darstellung sexueller Szenen überschreiten könnte. Dafür sei „Cruel Intentions“ geradezu prädestiniert.

Eigener Streaming-Dienst
CBS hat seinen eigenen Dienst CBS All Access, ABC hat jüngst mit Watch ABC eine umfangreiche Bibliothek alter Serienerfolge online zugänglich gemacht. Auch bei NBC ist ein eigenes Streaming-Angebot im Gespräch. Spruchreif sei dazu nichts, vermutlich könne man in einigen Monaten mehr sagen.

Besondere Herausforderung für NBC sei es, dass die Mutterfirma Comcast eben ein Kabelanbieter sei. Und deren Geschäftsmodell läuft ein – vom Kabelfernsehen unabhängiges – Streamingangebot zuwider. Natürlich müsse man da vorsichtig sein.

Dick Wolf und sein „Chicago“-Franchise
„Jedes Mal, wenn ich denke, Dick Wolf ist endlich am Ende eines Projekts angekommen, kommt er mit einer neuen Idee für einen Ausbau zu mir“, kommentierte Greenblatt die Frage, ob Wolf seinen vier „Chicago“-Serien („Chicago Fire“, „Chicago P.D.“, „Chicago Med“ und „Chicago Justice“) demnächst noch eine weitere hinzufügen werde.

Grundsätzlich glaubt Greenblatt nicht an einen „Chicago“-Ausbau. Salke ergänzte, dass aktuell das „Law & Order“-Franchise von Wolf mit der True-Crime-Mini-Serie um die Menendez-Brüder ausgebaut würde (fernsehserien.de berichtete) und deutet an, dass es danach mit Wolf eventuell wieder zurück nach New York für ein Crime-Franchise gehen könnte.

Dick Wolf und sein „Chicago“-Franchise – Teil 2
Später hatte auch Ausnahmeproduzent Wolf sein eigenes Panel. Dabei wurde vorgestellt, dass sich Ato Essandoh („Copper – Justice is brutal“) in der zweiten Staffel „Chicago Med“ anschließen wird. Seine Figur soll als neuer Mentor für Dr. Connor Rhodes (Colin Donnell) fungieren.

Daneben kündigte Wolf an, dass das bereits letztes Jahr angedachte Chicago-Crossover mit allen Serien in der aktuellen Season deutlich nach dem Jahreswechsel angesetzt sei. „(Das Crossover) hat keinen Sinn, bevor ‚Justice‘ gestartet ist und die Zuschauer mit den Figuren vertraut sind.“ Daneben deutete Wolf an, dass im Rahmen des Crossovers nicht alle vier Serien gleichstark involviert sein dürften, sondern manche nur am Rand an den Geschehnissen beteiligt sind (also etwa nur die Nebenhandlung, nicht der Haupthandlungsstrang der Folge).

Auch von Wolf ins Feld geführt wurde, dass er bei den Emmys gerne sein gesamtes „Chicago“-Franchise mit vier Serien als ein Serien-Universum antreten lassen würde. Er habe bereits der Fernseh-Akademie (ATAS) einen entsprechenden Antrag zugesandt.

„This is Us“
Serienschöpfer Dan Fogelman („The Neighbors“) versteht, warum seine kommende Serie gerne mit „Parenthood“ verglichen wird, der letzten großen Drama-Soap von NBC. Doch er sieht es eher als „Dramedy-Version von „Lost“„. Fogelman erläutert, dass es in der Serie sehr wichtig sein werde, über welche Bahnen und Ereignisse die einzelnen Figuren und Familien miteinander verbunden sind (eine Rolle spielt, dass mehrere Figuren am selben Tag geboren wurden – genauere Details dazu gibt es noch nicht).

Fogelman fügte an, dass „This is Us“ (im Gegensatz zu „Lost“) fest in der „Realität“ verankert ist, Alltagsgeschehnisse zeigt. Gleichzeitig gehört zu einer Fernsehserie aber Drama, Melodramatik dazu, so dass diese alltäglichen Ereignisse eine ganz und gar nicht alltägliche Wirkung bei den Zuschauern und den Figuren haben. Daneben war es Fogelman wichtig, mit „This is Us“ eine hoffnungsvolle Geschichte zu erzählen, die sich aus den düsteren und pessimistischen Dramen abhebt, die derzeit die Medienlandschaft beherrschen.

Als frühe Gaststars konnte unter anderem Katey Sagal angeworben werden. Sie porträtiert eine Managerin, die in der Serie den Schauspieler Kevin (Justin Hartley) vertreten wird. Brad Garrett („Alle lieben Raymond“) spielt einen einflussreichen Network-Präsidenten, der ebenfalls auf Kevin treffen wird.

Timeless
Jedes aufwändige Drama versucht, die Fehler seiner gescheiterten Vorgänger zu vermeiden. Das gilt auch für NBCs Prestigeprojekt „Timeless“, in dem ein zusammengewürfeltes dreiköpfiges Team einem Zeitverbrecher hinterher rast.

Das Hauptproblem, dem man nicht zum Opfer fallen will, ist eine zu serielle Erzählweise (die eben bei Network-Serien nur bedingt funktioniert). So sollen die zentralen 80 Prozent jeder Folge ein in sich abgeschlossenes Abenteuer in einer anderen Zeit sein. Nur jeweils Anfang und Ende der Folgen sollen eine übergreifende Handlung sein (eben Grund für die spezifische Reise liefern und Erfolge verdeutlichen). Ko-Serienschöpfer Shawn Ryan verdeutlichte dies mit dem Vergleich, „Timeless“ sei „mehr „Zurück in die Vergangenheit“ als „12 Monkeys“„.

Weiterhin sei es den Machern wichtig gewesen, geschichtskritisch zu sein. Die populäre Version der Geschichte sei fast ausschließlich von „weißen Männern“ geschrieben worden. Bewusst habe man sich daher für eine Frau und einen Schwarzen im Figuren-Trio entschieden, mit denen man die sozialen Probleme der besuchten Epochen besser thematisieren könne. Während andere Zeitreiseserien durchaus auf verklärende Nostalgie setzen, die schönsten Details oder soziale Vordenker herauskehren, will „Timeless“ eben ein Gegengewicht setzen.

In den frühen Episoden werden unter anderem die Ermordung von Abraham Lincoln, Las Vegas im Jahr 1962, der Fall der texanischen Festung Alamo, die Zeit der Watergate-Affäre, Deutschland während des Zweiten Weltkriegs und das sogenannte Space Race besucht.

The Good Place
Auch die neue Comedy-Serie „The Good Place“ entstand nach den Worten ihres Schöpfers Michael Schur („Parks and Recreation“) nach dem Baumuster des Inseldramas „Lost“. In „The Good Place“ gelangt Eleanor (Kristen Bell) nach ihrem Tod irrtümlich nach „The Good Place“ – die Serie will sich nicht auf ein religiöses Weltbild einlassen und so ist vor allem bekannt, dass es eben einen „guten“ Ort gibt, in dem rechtschaffene Menschen nach ihrem Tod landen – und eine nicht so guten für die anderen. Eleanor ist nun eigentlich eine der „anderen“. Als ihr bewusst wird, dass ihr irdisches Leben „ewige“ Konsequenzen haben kann, will sie natürlich alles tun, um in „Good Place“ zu bleiben. Ted Danson spielt Michael, den örtlichen Verwalter des „Good Place“.

Abgeschaut hat sich Schur von „Lost“, dass es dramatische Wendungen geben wird, die in schneller Folge die ganze bisherige Handlung auf den Kopf stellen werden und auch häufig Cliffhanger eingesetzt werden. Vor allem wolle man den Serienfolgen kein „Schema F“ aufdrücken.

Bewusst versucht man sich in der Serie von religiösen Fragen fern zu halten. Stattdessen konzentriere man sich laut Schur auf moralische Fragen, insbesondere: Wie ist man ein ‚guter‘ Mensch? Menschliches Verhalten und seine langfristigen Konsequenzen sind ein weiterer Schwerpunkt.

Die Dreharbeiten zur 13-teiligen Staffel sind dank der verhältnismäßig frühzeitigen Bestellung der kompletten Staffel bereits nahezu abgeschlossen. Schur betonte, dass es ihm bei der Serie sehr wichtig gewesen sei, diese erst an den Sender zu bringen, als er sich über das Staffelfinale endgültig klar geworden war.

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