2015/2016, Folge 479–497

  • Folge 479
    Immer Ärger mit Griechenland? Das Schuldendrama schien im Sommer beendet, der „Grexit“ abgewendet. Doch der aktuelle Generalstreik gegen die Reformen in Griechenland zeigt: Der Konflikt mit den internationalen Schuldnern schwelt weiter. Und auch in der Flüchtlingspolitik herrscht Streit: Die EU-Partner werfen Athen Versagen bei der Sicherung der Außengrenzen vor. Welche Folgen hat das für Deutschland? Eskaliert der Streit unter den EU-Partnern – mit unabsehbaren Folgen?
    Die Gäste: Yanis Varoufakis (ehem. griechischer Finanzminister), Elmar Brok, CDU (Europa-Abgeordneter), Sahra Wagenknecht, Die Linke (Fraktionsvorsitzende), Christian Lindner, FDP (Parteivorsitzender), Nikolaus Blome (stellv. BILD-Chefredakteur)
    Yanis Varoufakis
    Kein europäischer Politiker polarisierte während der Eurokrise im letzten Jahr so stark wie Yanis Varoufakis, der die von der Eurogruppe verordnete Sparpolitik vehement ablehnte, sie mitverantwortlich für die soziale Misere in Griechenland machte. Der Wirtschaftsprofessor avancierte zum „Rockstar“ („Stern“) unter den Finanzministern. Nach seinem Rücktritt im Sommer 2015 will Varoufakis jetzt mit der Gründung der linken europäischen Bewegung „DiEM 25“ die EU revolutionieren.
    Elmar Brok
    „Eine so vielfältige Krisenlage der EU habe ich bisher noch nicht erlebt“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. „Nationale Abschottung ist keine Lösung, das zeigt gerade die Flüchtlingspolitik. Europa ist nur gemeinsam stark“, sagt der EU-Parlamentarier, der auch der Verhandlungsdelegation über den drohenden Austritt Großbritanniens angehört. Man dürfe Griechenland die Kontrolle der EU-Außengrenzen nicht alleine überlassen. Ein gemeinsamer europäischer Grenzschutz sei notwendig.
    Sahra Wagenknecht
    „Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt. Am dramatischsten zeigt sich das in Griechenland „, sagt die Vorsitzende der Bundestagsfraktion. Daran sei vor allem die deutsche Bundesregierung Schuld. Auch die mangelnde Solidarität in der EU bei der Verteilung der Flüchtlinge gehe darauf zurück, dass Deutschland vorher „leider sehr viel Porzellan zerschlagen hat“, glaubt Sahra Wagenknecht.
    Christian Lindner
    „Europa ist auf dem Weg in eine Transferunion. Das unterspült das Vertrauen in unsere Währung.“ Der FDP-Chef ist überzeugt, dass die Griechen ihre Schulden nicht zurückzahlen können. Deswegen fordert er einen zeitweiligen „Grexit“ und einen „Schuldenschnitt außerhalb des Euro“. In der EU-Flüchtlingspolitik fordert der NRW-Fraktionschef Mittelkürzungen gegenüber Ländern wie Polen, wenn sie weiter keine Flüchtlinge aufnehmen wollen: „Sonst erodiert das europäische Projekt.“
    Nikolaus Blome
    Bereits 2010 forderte der Journalist: „Tretet aus, ihr Griechen!“ Auf Dauer würden die finanziellen Hilfen für Athen nichts bringen: „Nach dem ersten Milliardenkredit ist vor dem nächsten.“ Die Verantwortung für die griechische Krise läge allein bei den Griechen, sagt der Politik-Chef der BILD: „Wenn die Maßnahmen seit fünf Jahren nicht funktionieren – und die gleichen Maßnahmen funktionieren in anderen Ländern wie Spanien, Portugal, Irland sehr gut -, hat das mit dem Land zu tun.“ Ein freiwilliger „Grexit“ sei daher die einzige Lösung. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 10.02.2016 Das Erste
  • Folge 480
    Kann Bundeskanzlerin Angela Merkel beim kommenden EU-Gipfel ihre Amtskollegen von einer gerechteren Verteilung der Flüchtlinge überzeugen oder muss Deutschland weiter die Hauptlast tragen? Doch wo ist die Belastungsgrenze für unseren Sozialstaat? Die Bundesarbeitsministerin rechnet bereits damit, dass es wegen des Flüchtlingszuzugs deutlich mehr Hartz-IV-Empfänger geben wird. Wie viele Zuwanderer werden einen Arbeitsplatz finden? Werden Flüchtlinge und deutsche Arbeitslose gegeneinander ausgespielt? Droht jetzt ein neuer Verteilungskampf – nicht zwischen arm und reich, sondern zwischen arm und arm?
    Die Gäste: Wolfgang Grupp (Unternehmer), Roland Tichy (Publizist), Leni Breymaier (Ver.di-Landeschefin), Edeltraud Sack („Tafel“-Leiterin), Bernd Raffelhüschen (Wirtschaftswissenschaftler), Marcel Fratzscher (Wirtschaftswissenschaftler), Alireza Faghihzadeh (Flüchtling und Lehrling)
    Wolfgang Grupp
    „Jeder, der nähen kann, bekommt bei mir einen Arbeitsplatz – egal ob Deutscher oder Zuwanderer“, sagt der schwäbische Textilunternehmer. Im letzten September wollte er einen pakistanischen Flüchtling beschäftigen. „Drei Monate dauerte es, bis wir ihn schließlich anstellen konnten. Das kann doch nicht sein“, klagt Wolfgang Grupp über bürokratische Hemmnisse. Dabei hätte er am nächsten Tag anfangen können.
    Roland Tichy
    „Wir haben uns Armut ins Land geholt, unser Sozialstaat ist in Gefahr und erhebliche Verteilungskämpfe sind zu befürchten“, glaubt der ehemalige Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“. Zudem sei die Qualifikation der Zuwanderer so schlecht, dass sie nur schwer in Arbeit kämen. „Kein Paketbote kann seinen Job machen, wenn er die Adresse nicht lesen kann. Wer nur arabische Schriftzeichen beherrscht, wird erst mal jahrelang arbeitslos sein“, sagt der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung.
    Leni Breymaier
    „Wir sollten viel mehr vom volkswirtschaftlichen Nutzen der Flüchtlinge reden als von den Kosten“, sagt die Ver.di-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg. Staatliche Ausgaben für Flüchtlinge würden wie ein Motor für die Wirtschaft wirken. Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende ist überzeugt: Die Flüchtlinge seien nicht wegen der Sozialleistungen nach Deutschland gekommen. „Die wollen arbeiten und nicht rumhocken.“
    Edeltraud Sack
    Der Flüchtlingsandrang stellt die ehrenamtlichen Initiativen der „Tafeln“ für Bedürftige bundesweit vor große Herausforderungen. Bereits jetzt gebe es immer wieder kulturelle Konflikte bei der Essensausgabe, beklagen die Helfer. „Wenn noch mehr Flüchtlinge zu uns kommen, dann haben wir nicht mehr genug für alle, und der Ärger ist vorprogrammiert“, sagt die Leiterin der „Tafel“ aus dem niedersächsischen Gifhorn.
    Bernd Raffelhüschen
    Die deutsche Flüchtlingspolitik sei „der größte Fehler der vergangenen Jahrzehnte“, wettert der renommierte Ökonom bereits seit Monaten. Auf bis zu eine Billion Euro veranschlagt er die Kosten des Flüchtlingszuzugs, die nur mit massiven Steuererhöhungen finanziert werden könnten. „70 Prozent der Flüchtlinge sind unqualifiziert. Es wird eher eine Integration in die sozialen Sicherungssysteme als in den Arbeitsmarkt geben“, erklärt der Sozialexperte.
    Marcel Fratzscher
    „Die Rechnung, Flüchtlinge sind ein Verlustgeschäft für Deutschland, ist grundfalsch und manipulativ. Dann sind auch zwei Drittel der Deutschen ein Verlustgeschäft“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Ökonom ist überzeugt, dass Deutschland von den Flüchtlingen profitieren wird: „Ein Flüchtling erwirtschaftet nach fünf Jahren mehr, als er den Staat kostet.“
    Alireza Faghihzadeh
    Er ist ein Vorzeige-Immigrant: Zweieinhalb Jahre nach seiner Flucht lebt der 22-jährige Iraner unabhängig von staatlicher Unterstützung in Berlin. Als er nach Deutschland kam, sprach er kaum Deutsch. Inzwischen beherrscht er die Sprache fließend und macht eine Ausbildung als Elektroniker für Automatisierungstechnik. Paradox: Über seinen Asylantrag ist bis heute nicht entschieden. Faghihzadeh lässt sich aber von seinem Ziel nicht abbringen: „Ich will Deutscher werden.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 17.02.2016 Das Erste
  • Folge 481
    Deutschland ist fassungslos. Erneut ist Sachsen das Zentrum fremdenfeindlicher Ausschreitungen. Stehen in Zeiten von AfD und Pegida mehr als nur Minderheiten hinter rechtsextremen Protesten? Oder hat Merkels Koalition, die ihre Konflikte in der Flüchtlingsdebatte auf offener Bühne austrägt, für eine Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung gesorgt?
    Gäste: Jan Josef Liefers (Schauspieler), Armin Laschet (CDU, NRW-Landesvorsitzender), Peter Ramsauer (CSU, ehem. Verkehrsminister), Natascha Kohnen (SPD, Generalsekretärin Bayern), Hans-Hermann Tiedje (Journalist und Politikberater) (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 24.02.2016 Das Erste
  • Folge 482
    Er plädiert für brutale Folter und die Todesstrafe, will Muslime nicht ins Land lassen und eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen: Donald Trump kommt mit seinen radikalen Positionen bei überraschend vielen amerikanischen Wählern an. Wer kann den „derzeit gefährlichsten Mann der Welt“ („Spiegel“) stoppen? Hillary Clinton, die Favoritin bei den Demokraten, nimmt den Milliardär bereits ins Visier. Politische Beobachter erwarten in den nächsten Monaten eine Schlammschlacht.
    Gäste: Tom Buhrow (langjähriger USA-Korrespondent/​WDR-Intendant), John Kornblum (ehemaliger US-Botschafter in Deutschland), Hans-Christian Ströbele (B’90/​Grüne, Bundestagsabgeordneter), Nadja Atwal (deutsche PR-Unternehmerin in New York), Debra Milke (saß 22 Jahre unschuldig in US-Todeszelle) (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 02.03.2016 Das Erste
  • Folge 483
    Die drei Landtagswahlen am kommenden Sonntag bergen erheblichen politischen Sprengstoff: Die SPD könnte ihren Nimbus als Volkspartei verlieren, die Grünen trotz eines Wahltriumphes in Baden-Württemberg die Macht im Ländle abgeben und die AfD könnte mit zweistelligen Ergebnissen den etablierten Parteien das Fürchten lehren. Erstmalig haben die Bürger in den Ländern die Gelegenheit über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel abzustimmen. Muss die Kanzlerin mit einem Debakel rechnen oder könnte sie am Ende doch gewinnen?
    Gäste: Annegret Kramp-Karrenbauer (Ministerpräsidentin Saarland, CDU), Thomas Oppermann (Fraktionsvorsitzender, SPD), Sahra Wagenknecht (Fraktionsvorsitzende, Die Linke), Cem Özdemir (Parteivorsitzender, B’90/​Grüne), Alexander Gauland (Parteivize, AfD), Wolfgang Kubicki (Parteivize, FDP) (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 09.03.2016 Das Erste
  • Folge 484
    Ist die Kanzlerin als mächtigste Frau Europas politisch geschwächt – kurz vor dem Brüsseler Gipfel, kurz vor brisanten Verhandlungen zur Flüchtlingsfrage mit der Türkei, die Visafreiheit und beschleunigte Beitrittsverhandlungen zur EU fordert? In Deutschland haben die konservativen Wähler Angela Merkel am vergangenen Sonntag abgestraft, sind scharenweise zu den Rechtspopulisten übergelaufen. Heißt das auch: Die nationalistischen Gegner der Kanzlerin in Europa können sich gestärkt fühlen und Merkels Kurs boykottieren?
    Gäste: Klaus von Dohnanyi (ehem. Hamburger Bürgermeister, SPD), Peter Hintze (Bundestagsvizepräsident, CDU), Hans-Ulrich Jörges („Stern“-Kolumnist), Claus Strunz (Journalist) (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 16.03.2016 Das Erste
  • Folge 485
    Die Zahl der Straftaten in Deutschland wuchs im vergangenen Jahr gegenüber 2014 um 4,1 Prozent auf insgesamt 6,33 Millionen. Besonders der drastische Anstieg der Einbrüche, den die vorab bekannt gewordene Kriminalstatistik verzeichnet, hat jetzt viele Menschen aufgeschreckt. Aufgeklärt werden nur die wenigsten Fälle. Führt diese dramatische Entwicklung dazu, dass immer mehr Menschen sich selbst schützen wollen, sogar mit Waffen?
    Die Gäste: Marijke Amado (Moderatorin und Einbruchsopfer), Sebastian Fiedler (Bund Deutscher Kriminalbeamter), Stefan Studt (SPD, Innenminister Schleswig-Holstein), Siegfried Massat (Ehemaliger Berufseinbrecher), Jürgen Behr (Pfarrer und Einbruchsopfer), Katja Triebel (Inhaberin eines Waffengeschäfts)
    Marijke Amado
    Im November 2009 wurde sie Opfer eines spektakulären Einbruchs: „Ich war nachmittags nur eine halbe Stunde weg. In der kurzen Zeit haben Einbrecher mein komplettes Haus leer geräumt.“ Offenbar waren sie mit einem großen Transporter vorgefahren. „Ich habe monatelang schlecht geschlafen“, sagt Marijke Amado. Seitdem ist die Moderatorin vorsichtiger geworden und hat nicht nur ihr Haus gesichert. Sie und ihre ebenfalls betroffenen Nachbarn informieren sich jetzt gegenseitig über auffällige Autos mit fremden Kennzeichen.
    Sebastian Fiedler
    „Die hohen Zuwächse bei den Einbruchszahlen haben wir durch reisende Täter aus dem Ausland, das sind keine Junkies oder Nachbarschaftstäter“, sagt der Kriminalbeamte. Der Polizei könne man deswegen aber keinen Vorwurf machen; sie sei nicht zu schlecht, sondern schlicht unterbesetzt. Vor dem Kauf von Selbstverteidigungswaffen warnt der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BdK) eindringlich: „Die negativen Auswirkungen sind viel, viel größer als der Nutzen.“
    Stefan Studt
    Angesichts des dramatischen Anstiegs von Einbrüchen in 2015 um 12,3 Prozent in seinem Bundesland will Schleswig-Holsteins Innenminister eine härtere Gangart gegenüber den Tätern einschlagen, vor allem gegenüber überregional agierenden Banden vom Balkan. „Wer als Tourist einreist, um in Deutschland Straftaten zu begehen und dann nach der Festnahme ‚Asyl‘ ruft, ist hier fehl am Platze“, sagt der SPD-Politiker. Er sieht aber auch die Bürger in der Pflicht: „Jeder kann sehr viel dazu beitragen, Einbrechern das Leben so schwer wie möglich zu machen.“
    Siegfried Massat
    „Deutschland ist ein Eldorado für Einbrecher. Als Einbrecher kommen Sie überall rein. Wenn das Haus alarmgesichert ist, steigen Sie eben über das Dach ein“, erklärt der frühere Profi-Einbrecher. Schon als Jugendlicher wurde Siegfried Massat kriminell, war fast 50 Jahre Einbrecher – mit einem langen Strafregister: Er saß insgesamt 30 Jahre lang im Gefängnis. Heute berät er Sicherheitsfirmen. „Über die Angst, die ich bei den Opfern ausgelöst habe, habe ich mir sehr lange keine Gedanken gemacht.“, sagt der 73-Jährige heute.
    Jürgen Behr
    Der Pfarrer aus Remscheid wurde im vergangenen November Opfer eines brutalen Raubüberfalls. Mitten in der Nacht überraschte er zwei Täter beim Einbruch und wurde von ihnen über eine Stunde lang mit einem Messer bedroht, getreten, geschlagen und schließlich gefesselt. „Ich bin zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass ich den Abend nicht überleben werde“, berichtet der katholische Geistliche. Einer der beiden albanischen Täter wurde gefasst und vor zwei Wochen zu acht Jahren Haft verurteilt.
    Katja Triebel
    „Wer sich unsicher fühlt, muss das Recht haben sich zu verteidigen“, sagt die Inhaberin eines Waffengeschäfts. Viele ihrer Kunden fühlten sich von der Polizei nicht ausreichend geschützt. „Da beruhigt eine Schreckschusspistole oder ein Pfefferspray unheimlich“, berichtet Katja Triebel, die sich für ein liberaleres Waffengesetz einsetzt. „Der Gesetzgeber sollte alle Anstrengungen unternehmen, um Gewalttäter zu entwaffnen, statt den Waffenbesitz gesetzestreuer Bürger einzuschränken.“, sagt die Waffenlobbyistin. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 06.04.2016 Das Erste
  • Folge 486
    Die Enthüllungen des Rechercheverbundes WDR/​NDR/​Süddeutsche Zeitung zu den „Panama Papers“ haben nicht nur Politiker wie gerade Finanzminister Schäuble in Zugzwang gebracht. Bei vielen Menschen hat sich der Eindruck verfestigt: Wer als Millionär sein Vermögen in Steueroasen verstecken will, dem helfen die Banken. Normalverdiener dagegen werden nur zur Kasse gebeten: Mit höheren Kontogebühren und bald vielleicht mit Strafzinsen. Verlieren die Sparer in der Nullzinsfalle ihr Geld, weil Bankberater versagen?
    Gäste: Frank Lehmann (ehemaliger ARD-Börsenjournalist), Sahra Wagenknecht (Fraktionsvorsitzende, Die Linke), Josef Müller (Millionenbetrüger, Ex-Honorarkonsul von Panama), Urbe Sommermeyer (Rentnerin), Helge Petersen (Rechtsanwalt geprellter Anleger) (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 13.04.2016 Das Erste
  • Folge 487
    Eine Satire wird zum politischen Krisenfall mit offenem Ende: In der Bundesregierung drückte Angela Merkel jetzt ihr Votum für Ermittlungen im Fall Jan Böhmermann gegen den Widerstand der SPD durch. In der Bevölkerung ist die Bundeskanzlerin laut Umfragen völlig isoliert. Mit Spannung wird deshalb ihre Reise in die Türkei am kommenden Wochenende erwartet. Wird Angela Merkel sich trauen, mit deutlichen Worten gegenüber Staatschef Erdogan die Presse- und Kunstfreiheit zu verteidigen?
    Die Gäste: Jürgen Trittin, B’90/​Grüne (ehemaliger Bundesminister), Stephan Mayer, CSU (Innenpolitischer Sprecher Unionsfraktion), Idil Baydar (Kabarettistin), Ralf Höcker (Medienanwalt), Ozan Ceyhun (türkischer AKP-Politiker), Ulrich Kienzle (Nahostexperte)
    Jürgen Trittin
    „Mit der Zulassung des Strafverfahrens gegen Böhmermann hat Angela Merkel eine Grenze überschritten“, sagt der grüne Außenpolitiker. Der türkische Präsident wolle seiner Bevölkerung demonstrieren: „Seht ihr, was ich bei uns mache, nämlich kritische Journalisten zu verfolgen, kann ich auch im Ausland.“ Die Bundesregierung mache sich den Strafantrag eines autokratischen Herrschers zu eigen. „Denn sie hat Angst, sonst von Erdogan nicht zu bekommen, was sie sich in der Flüchtlingspolitik erhofft“, meint der frühere Bundesminister.
    Stephan Mayer
    Der CSU-Innenpolitiker verteidigt die Kanzlerin gegen die Vorwürfe, sie habe mit ihrer Zulassung des Strafverfahrens die guten Beziehungen zu Erdogans Türkei vor die Kunst- und Pressefreiheit gestellt. „Die Entscheidung von Angela Merkel ist keine Lex Erdogan.“ Der Jurist warnt zudem vor einer Abschaffung des Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches. „Wir sollten uns grundsätzlich davor hüten, auf Grund eines Einzelfalles gleich gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu reklamieren.“
    Idil Baydar
    „Es sind alle Klischees aufgeführt, mit denen wir als Türken schon betitelt wurden: Ob Ziegenficker, ob Unterdrückte, ob Frauenschläger“, sagt die deutsch-türkische Kabarettistin über Böhmermanns Schmähgedicht. Trotzdem sei der Text ein Geschenk. „So leidenschaftlich ist in Deutschland schon lange nicht mehr über Meinungsfreiheit diskutiert worden“, freut sich der Youtube-Star. Der eigentliche Skandal sei nicht, dass Erdogan versuche, Einfluss auf die Pressefreiheit in Deutschland zu nehmen, sondern dass Kanzlerin Merkel dies aus politischem Opportunismus zulasse.
    Ralf Höcker
    „Böhmermann hat eine Beleidigungsorgie zelebriert und damit die Grenze der zulässigen Satire überschritten“, sagt der Jurist. Er hält es für wahrscheinlich, dass der Moderator vor Gericht verurteilt wird. Der Medienanwalt unterstützt Angela Merkels Entscheidung, das Strafverfahren gegen Böhmermann zuzulassen. „Damit hat sie nicht in der Sache entschieden, sondern nur dafür gesorgt, dass die Justiz entscheidet. Das ist der Regelfall. Es ist völlig unsinnig, der Kanzlerin ein Einknicken vor der Türkei vorzuwerfen.“
    Ozan Ceyhun
    Der Berater der Regierungspartei von Staatschef Erdogan verurteilt Jan Böhmermanns Gedicht scharf: „Diese hasserfüllten Worte können von keinem demokratischen Staat akzeptiert werden.“ Er sieht die Würde der Türken durch die Äußerungen verletzt. Dass der Fernsehmoderator von vielen Deutschen unterstützt wird, kann der ehemalige SPD-Europaabgeordnete nicht nachvollziehen: „Wenn respektlose und unangebrachte Äußerungen verteidigt werden, nur weil sie gegen Erdogan gerichtet sind, ist das eine Schande.“
    Ulrich Kienzle
    Der frühere ARD-Korrespondent für den Mittleren Osten kritisiert die Entscheidung der Kanzlerin scharf: „Sie hat mitgeholfen, diese Staatsaffäre zu kreieren.“ Angela Merkel hätte keine Stellung beziehen dürfen. „Wenn Frau Merkel nicht in einer so schwachen Position gegenüber Erdogan wäre, dann wäre das kein Thema geworden“, sagt der Journalist. Die Reaktion des türkischen Staatschef sei aber übertrieben: „Er ist persönlich beleidigt. Der Erfolg ist Erdogan zu Kopf gestiegen, und deswegen ist er völlig abgehoben.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 20.04.2016 Das Erste
  • Folge 488
    Nein zu Flüchtlingen, Nein zum Euro, Nein zum Islam – die Kritiker der etablierten Parteien machen Verweigerung zu ihrer politischen Leitlinie. Sie verstärken Ängste vor Fremden, sehen Deutschland als Nation in Gefahr. Am nächsten Wochenende will die rechtspopulistische AfD ein schon jetzt kontrovers diskutiertes Parteiprogramm verabschieden. Bekommt die AfD inhaltlich Rückenwind von den neuen Thesen des früheren SPD-Politikers Thilo Sarrazin?
    Die Gäste: Thilo Sarrazin (ehemaliger SPD-Politiker), Gregor Gysi, Die Linke (ehemaliger Fraktionsvorsitzender), Beatrix von Storch, AfD (stellvertretende Parteivorsitzende), Elmar Brok, CDU (Europaabgeordneter), Albrecht von Lucke (Politologe)
    Thilo Sarrazin
    In seinem neuen Buch „Wunschdenken“ zeichnet der frühere Berliner Finanzsenator eine düstere Prognose für Deutschland. Im Zentrum steht die „utopische Einwanderungspolitik der Bundesregierung“, die er als „den größten Fehler der deutschen Nachkriegspolitik“ bezeichnet. Sein Fazit: „Wir schaffen das nicht“. Zum Aufstieg der AfD befindet der Ex-Bundesbanker: „Hätten die verantwortlichen Politiker der CDU und SPD meine Analysen ernst genommen und gehandelt, wäre die AfD gar nicht erst gegründet worden.“
    Gregor Gysi
    „Alle demokratischen Parteien von der Linken bis zur Union müssen über ihren Schatten springen und Wege finden, den Rechtsruck in Europa und in Deutschland zu stoppen. Wenn wir diesen Trend nicht gemeinsam verhindern, begehen wir einen historischen Fehler“, sagt der Ex-Bundestagsfraktionschef der Linken. In der Bevölkerung herrsche eine abstrakte Angst vor Flüchtlingen und dem islamischen Glauben. Gysi warnt: „Die rassistische Abschottungspolitik der AfD, die Rückkehr zum alten Nationalstaat ist nicht nur inhuman, sondern unmöglich.“
    Beatrix von Storch
    „Die Volksparteien sind getrieben von der AfD. Wir sind erfolgreich, weil wir die Probleme ansprechen und keine Scheindebatten führen“, erklärt die Europaabgeordnete. Der neueste Vorstoß der Vizechefin der AfD ist eine scharfe Anti-Islam-Politik: „Der Islam ist eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.“ Sie fordert ein Verbot von Minaretten, Muezzins und der Vollverschleierung. Auf dem AfD-Parteitag Ende April will die Berliner Landesvorsitzende den Anti-Islam-Kurs im Parteiprogramm festschreiben.
    Elmar Brok
    „Thilo Sarrazin und die AfD spielen mit Ängsten, um möglichst viel Verunsicherung auszulösen“, beklagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Es werde ein billiges Feindbild aufgebaut. Die Folge: „Die Stimmung in Deutschland war nie so antieuropäisch wie jetzt.“ Das bekommt der EU-Parlamentarier auch persönlich zu spüren: „Übelste Beschimpfungen und Drohungen erreichen mich, eine unerträgliche Tonlage.“
    Albrecht von Lucke
    „Die AfD hat ein so großes Potential, wie es eine rechte Partei seit 1945 nicht hatte“, sagt der Parteienexperte. Dafür verantwortlich seien die etablierten Parteien, die durch Alternativlosigkeit ein Vakuum hinterlassen hätten. „Die AfD ist das Salz in den Wunden der anderen Parteien“, so von Lucke. Aktuell radikalisiere sie sich allerdings mit ihrer Annäherung an den französischen Front National. Der Kurs einer harten Anti-Islam-Partei könnte viele gemäßigte Anhänger wieder abstoßen, sagt der Buchautor („Die schwarze Republik“). (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 27.04.2016 Das Erste
  • Folge 489
    Die Übergriffe der Kölner Silvesternacht blieben nicht ohne Folgen: Das Asylrecht wurde bereits verschärft, das Sexualstrafrecht soll jetzt folgen. Und die Diskussion über Islam und Integration wird seither verstärkt als hitzige Geschlechterdebatte geführt. Sind viele junge muslimische Männer, die als Flüchtlinge zu uns kommen, frauenfeindlich gesinnt? Und wie weit sind sie dabei von religiösen oder vor allem gesellschaftlichen Traditionen geprägt? Könnte eine Reform des Islam auch das Frauenbild verändern?
    Die Gäste: Alice Schwarzer (Feministin und Journalistin), Simone Peter, B’90/​Grüne (Bundesvorsitzende), Murat Kayman (DITIB-Vorstand NRW), Samuel Schirmbeck (ehemaliger ARD-Korrespondent in Nordafrika
    Alice Schwarzer
    „Es gibt einen traditionellen, eingefleischten Sexismus in der arabischen und muslimischen Welt“, schreibt die Publizistin in ihrem aktuellen Buch „Der Schock“ über die Silvesternacht von Köln. Ihre Analyse: Die Täter seien „schriftgläubige Scharia-Muslime. Männer, für die Frauen unrein sind und am Abend nichts auf der Straße zu suchen haben, sonst sind sie Freiwild.“ Die Feministin fürchtet, dass Islamisten Frauen auch mitten in Europa aus dem öffentlichen Raum vertreiben wollen, wie sie es in vielen Ländern schon getan haben.
    Simone Peter
    Es sei unverantwortlich, ganze Ethnien in Haft zu nehmen, kritisierte die Bundesvorsitzende der Grünen nach den Ereignissen in Köln: „Sexuelle Übergriffe auf Frauen in Deutschland sind immer noch trauriger Alltag, und die meisten Täter sind Verwandte oder Partner deutscher Herkunft.“ Besonders die Union befeuere mit ihren Plänen für ein Integrationsgesetz vorurteilsbeladene Debatten. „Die Vorschläge durchzieht ein roter Faden aus Gängelung und Sanktionierung, obwohl Integration mit erhobenem Zeigefinger nie funktioniert hat“, erklärt Simone Peter.
    Murat Kayman
    Sexuelle Belästigungen von Muslimen gegenüber Frauen haben nichts mit dem Islam zu tun, sagt der Rechtsanwalt. Im Islam habe der Mann Zurückhaltung gegenüber der Frau zu üben. Der Spitzenvertreter des türkisch-islamischen Dachverbands DITIB kritisiert pauschale Verurteilungen der Muslime: „Wir sind eine moderne muslimische Gemeinde, die rechtstreu und friedlich zusammenlebt.“ Der Islam habe längst seinen Platz in Deutschland gefunden.
    Samuel Schirmbeck
    „In Deutschland ist Islamkritik überfällig“, sagt der frühere ARD-Korrespondent in Algier, „nicht als generelle Kritik an Muslimen, sondern zum Schutz vor seinen menschenverachtenden Auswüchsen“. Aber wer den Islam hierzulande kritisiere, gelte sofort als islamophob oder rechtspopulistisch. Dabei arbeite der offizielle Islam in den arabischen Ländern Hand in Hand mit den Diktaturen gegen Demokratie, Menschenrechte und die Gleichstellung der Frau, erklärt der Journalist. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 11.05.2016 Das Erste
  • Folge 490
    Die EU ist in der vielleicht größten Krise ihrer Geschichte: In wenigen Wochen stimmen die Briten über einen EU-Austritt ab. Der Grexit bleibt ein drohendes Gespenst. Und in Österreich könnte am Sonntag ein Rechtspopulist und bekennender EU-Kritiker Bundespräsident werden. Überhaupt scheint das umstrittene EU-Management der Finanz- und Flüchtlingskrise die anti-europäisch gesinnten Parteien von Paris bis Warschau zu beflügeln. Letzte Woche schockierte eine aktuelle Umfrage das politische Establishment in Brüssel und Berlin: 34 Prozent der Deutschen sind dafür, die EU zu verlassen, in Italien sind es sogar 48, in Frankreich 41 Prozent.
    Die Gäste: Edmund Stoiber (CSU, ehemaliger Ministerpräsident Bayerns), Rolf-Dieter Krause (ARD-Studioleiter Brüssel), Ska Keller (B’90/​Grüne, Europaabgeordnete), Richard Sulik (Slowakischer Europa-Abgeordneter), Jorgo Chatzimarkakis (ehemaliger FDP-Europaabgeordneter)
    Edmund Stoiber
    Die Kanzlerin mache Europa kaputt, warf der CSU-Ehrenvorsitzende Angela Merkel vor. Ihre Flüchtlingspolitik habe eine europäische Krise verursacht und zur Stärkung der Rechtsparteien in ganz Europa geführt. Die Kurskorrektur durch den EU-Türkei-Deal befürwortet Stoiber: „Das war wichtig. Aber wir müssen erst einmal sehen, ob sich Erdogan an das Abkommen hält.“ Ein Brexit wäre zudem ein fatales Signal für Europa, glaubt der langjährige bayerische Ministerpräsident. Besonders die Exportnation Deutschland würde ein großer Verlierer eines Austritts der Briten sein.
    Rolf-Dieter Krause
    „Viele reden leichtfertig darüber, dass Europa zerbrechen kann. Ein zerfallendes Europa würde uns mindestens Wohlstand kosten. Es könnte uns aber eines Tages selber zu Flüchtlingen machen“, sagt der Brüssel-Korrespondent der ARD über die größte Krise in der Geschichte der Europäischen Union. Auch die deutsche Regierung habe sich nicht mit Ruhm bekleckert. „Es ist ein Sumpf an Engstirnigkeit, der uns umgibt. Man kann nur hoffen, dass bald Besinnung einkehrt“, mahnt Rolf-Dieter Krause.
    Ska Keller
    Die Grünen-Politikerin kritisiert die Vereinbarung der EU mit Erdogans Türkei: „Dieser Deal ist für niemanden ein Verhandlungserfolg. Er ist in der Praxis kaum umsetzbar und tritt Menschenrechte mit Füßen.“ Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament ist eine scharfe Gegnerin des Abschottungskurses der EU: „Grenzen töten. Wir müssen Zäune niederreißen“, so Ska Keller. Die Lösung der Flüchtlingskrise liege in einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge: „Die EU ist auf Solidarität gegründet, und da kann man nicht sagen, das gilt nicht für Asyl.“
    Richard Sulik
    Der frühere slowakische Parlamentspräsident übt grundsätzliche Kritik an der EU. „Die Strukturfonds haben nur Korruption in unser Land gebracht“, kritisiert er die Subventionen, die auch die Slowakei erhalten hat. Man brauche nicht Geld, um zusammen zu wachsen. „Das ist Brüsseler Blabla“, schimpft der Vorsitzende der größten slowakischen Oppositionspartei „Freiheit und Solidarität“. Auch einem Referendum würde er sich nicht verschließen: „Wenn die Bürger die EU nicht mehr wollen, dann machen wir eine Abstimmung und akzeptieren das Ergebnis.“
    Jorgo Chatzimarkakis
    Der Deutsch-Grieche saß zehn Jahre lang für die FDP im Europäischen Parlament und nennt sich einen „überzeugten, europäischen Patrioten“. Inzwischen zeigt er sich enttäuscht von den europäischen Institutionen. „Die EU hat die besten Jahre längst hinter sich. Wo es um die gemeinsame Zusammenarbeit geht, ist es ein rein symbolischer Zirkus geworden“, sagt Chatzimarkakis, der als Lobbyist in Brüssel arbeitet. Mit Skepsis blickt er auch auf die aktuellen Verhandlungen mit Athen: „Wenn das Brexit-Thema vorbei ist, wird man sich im Juli wieder mit dem Grexit beschäftigen.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 18.05.2016 Das Erste
  • Folge 491
    Kein anderes Nahrungsmittel wird so verteufelt: „Zucker ist der neue Tabak“, warnt die frühere Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Im Durchschnitt nimmt ein Deutscher 35 Kilo Zucker im Jahr zu sich. In vielen industriellen Lebensmitteln ist der versteckte Zucker auf den ersten Blick nicht erkennbar. Warum aber steckt so viel Zucker in den Produkten? Weil die Verbraucher es wollen? Oder weil ein Bündnis aus Industrie und Zuckerlobby es will? Wissenschaftler warnen nicht nur vor den gesundheitlichen Folgen, sondern auch vor dem Suchtpotential. Ist Zucker tatsächlich so gefährlich wie Alkohol oder Nikotin, und muss die Politik genauso scharf dagegen vorgehen?
    Gäste: Renate Künast, B’90/​Grüne (ehemalige Verbraucherschutzministerin), Susanne Holst (Tagesschau-Moderatorin und Ärztin), Katja Burkard (Fernsehmoderatorin), Matthias Steiner (Olympiasieger und Diabetiker), Christoph Minhoff (Sprecher der Lebensmittelindustrie), Armin Valet (Verbraucherschützer), Uwe Knop (Ernährungsberater)
    Renate Künast
    Mit ihrer provokanten Gleichsetzung von Tabak und Zucker hat die Grünen-Politikerin für Aufsehen gesorgt. Renate Künast kritisiert, dass die Industrie bei immer mehr Lebensmitteln Zucker hinzufügt. „Der Zuckerkonsum hat fatale Folgen für die Gesundheit und hat inzwischen etwas von einer Epidemie.“ Die ehemalige Verbraucherschutzministerin attackiert schon lange die Blockadepolitik der Zuckerlobby gegen die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, nicht mehr als zehn Prozent des täglichen Kalorienbedarfs aus Zucker zu bestreiten.
    Susanne Holst
    „Ohne Zucker können wir nicht denken, unser Körper braucht ihn. Aber wir nehmen definitiv zu viel davon zu uns“, sagt die Medizinerin und ARD-Journalistin. Die Konsequenz sei: „Wer zu viel Zucker zu sich nimmt, der muss wissen, dass Zucker süchtig und krank machen kann.“ Die Mutter von zwei Kindern setzt nicht auf Sanktionen, sondern auf Aufklärung: „Die Menschen müssen besser darüber informiert werden, worin überall Zucker schlummert und welche Alternativen es dazu gibt.“
    Katja Burkard
    „Ich gehöre definitiv zu den Menschen, die nur ganz schwer auf Zucker verzichten können – wahrscheinlich sogar süchtig danach sind“, gesteht die RTL-Moderatorin. Kürzlich machte sie daher für einen Monat einen Selbstversuch und verzichtete ganz auf Zucker in ihrer Ernährung. Katja Burkard war überrascht, in wie vielen Produkten sie dabei Zucker entdeckte.
    Matthias Steiner
    „Zucker – der neue Tabak? Nein, es ist letzten Endes noch schlimmer. Denn Tabak ist ja wenigstens für Kinder verboten“, schimpft der früher Gewichtheber. „Es darf nicht sein, dass es der Lebensmittelindustrie durch alle möglichen Tricks möglich ist, uns Zucker zuzuführen und wir es nicht mitbekommen“, sagt der Olympiasieger, der seit seinem 18. Lebensjahr an Diabetes leidet. Seit dem Rückzug aus dem Leistungssport 2013 hat der ehemalige Spitzenathlet 45 Kilo verloren. „Ich mache keine Diät, achte auf Kohlenhydrate und verzichte auf Säfte und Salatdressings, denn dort versteckt sich der Zucker!“
    Christoph Minhoff
    „Die Behauptung, Zucker könne süchtig machen, ist wissenschaftlich nicht belegt“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Lebensmittelverbände BLL und BVE. Von staatlicher Bevormundung beim Zuckerkonsum oder einer Steuer auf zuckerhaltige Lebensmittel hält der ehemalige Fernsehmoderator genauso wenig wie von Werbeverboten. Christoph Minhoff nimmt die Nahrungsmittelindustrie vor Kritik in Schutz, etwa bei der Kennzeichnung des Zuckergehalts in den Produkten: „Die Unternehmen halten sich dabei an Recht und Gesetz.“
    Armin Valet
    „Zucker hat beim Verbraucher ein negatives Image. Deshalb wollen die Hersteller ihn nicht so leicht erkennbar in der Zutatenliste haben“, weiß der Ernährungsexperte. Es gäbe geradezu ein Versteckspiel mit dem Zucker, so Armin Valet. Die Industrie habe mittlerweile bis zu 70 verschiedene Bezeichnungen für Süßmacher entwickelt. Bioprodukte seien oft nicht besser: „Wenn es um Karies oder um Übergewicht geht, macht das keinen Unterschied“, sagt der Verbraucherschützer.
    Uwe Knop
    „Es gibt keinen einzigen wissenschaftlich Beweis, dass Zucker krank, dick oder süchtig macht. Das muss jeder zugeben, der sich objektiv und ideologiefrei mit der Studienlage auseinandersetzt“, behauptet der Ernährungsberater. Vielmehr sei Zucker der Haupttreibstoff des Gehirns und wichtig für den Stoffwechsel. „Lebensmittel in ‚gesund‘ und ‚ungesund‘ einzuteilen, macht keinen Sinn. Dazu bräuchte man objektive Kriterien, und die gibt es nicht“, kritisiert der Publizist, der in seinem aktuellen Buch vor einem „Ernährungswahn“ warnt. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 25.05.2016 Das Erste
  • Folge 492
    Ein zweites deutsches Wirtschaftswunder durch die Flüchtlinge erhoffte sich Daimler-Chef Dieter Zetzsche im letzten Herbst. Inzwischen macht sich mancherorts Ernüchterung breit: Gelingt es Deutschland nicht, die vielen Ankömmlinge auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren? Stehen wir uns dabei selbst im Wege mit unserem Misstrauen gegen Fremde, obwohl viele Unternehmen händeringend nach Mitarbeitern suchen? Oder könnten die Migranten zur Belastung der Sozialsysteme werden, weil die meisten eben keine Ärzte, Ingenieure oder Facharbeiter sind?
    Die Gäste: Volker Beck, B’90/​Grüne (Bundestagsabgeordneter), Jörg Meuthen, AfD (Bundesvorsitzender), Christian von Stetten, CDU (Bundestagsabgeordneter), Arthur Mashuryan (Unternehmer), Nicola von Hollander (Fernsehredakteurin), Beq Zeqiri (abgelehnter Asylbewerber), Ulrike Herrmann (Wirtschaftsjournalistin)
    Volker Beck
    Der migrationspolitische Sprecher der Grünen ist überzeugt, dass Deutschland auch weiterhin eine hohe Zahl von Einwanderern verkraften kann – Akademiker genauso wie Analphabeten. „Auch denen müssen wir eine Chance geben und sie fit machen: Deutschunterricht, Schulabschluss und Vermittlung in Ausbildung. Wir brauchen zum Beispiel viele Leute in der Pflege, da braucht man keine hohe Schulbildung“, meint der Bundestagsabgeordnete. Das neue Integrationsgesetz der Bundesregierung verschärfe dabei aber nur Probleme, anstatt sie zu lösen.
    Jörg Meuthen
    „Meine Partei fordert eine kontrollierte Zuwanderung zum Nutzen der deutschen Gesellschaft“, sagt der baden-württembergische AfD-Fraktionschef. Vorbild wäre ein Punktesystem wie in Kanada. „Qualifizierte Migranten mit hoher Integrationsbereitschaft sind willkommen“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler. Jörg Meuthen kritisiert die „unkontrollierte Einwanderungspolitik der Bundesregierung“, weil es dabei nur Verlierer gäbe: „Auf der einen Seite die schwer integrierbaren, arbeitslosen Einwanderer und auf der anderen Seite die deutsche Gesellschaft, deren Sozialsysteme unnötig belastet werden.“
    Christian von Stetten
    „Bei der Planung von Integrationsmaßnahmen müssen wir zwischen anerkannten Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen unterscheiden. Die Flüchtlinge finden bei uns nur vorübergehend Schutz und kehren nach Beendigung des Krieges in ihre Heimatländer zurück“, sagt der mittelstandspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Der CDU-Politiker fordert „eine Entbürokratisierung der Arbeitsrechtsvorschriften“. Diese würde die Integration von Flüchtlingen erleichtern, so Christian von Stetten. Er schlägt zum Beispiel vor, Flüchtlinge vom Mindestlohn auszunehmen.
    Arthur Mashuryan
    „Deutschland hat keine Willkommenskultur. Ich habe mich hier noch nie willkommen gefühlt. Als Flüchtling erlebt man den Erstkontakt mit Behörden eher als Mensch zweiter Klasse“, sagt der in Armenien geborene Unternehmer. Als Zwölfjähriger war er mit seiner Familie vor politischen Unruhen nach Rheinland-Pfalz geflüchtet und integrierte sich vorbildlich: Abitur, Studium, Einbürgerung. Heute leitet er mehrere Cafés und eine Konditorei mit zehn Angestellten: „Man leistet seinen Teil, wird aber nicht anerkannt. Ich habe das Gefühl, die Deutschen wollen eigentlich nicht, dass man sich hier heimisch fühlt“, so Arthur Mashuryan.
    Nicola von Hollander
    Monatelang suchte sie vergeblich einen Mitarbeiter für den Hof ihrer Familie in Schleswig-Holstein. Dann wollte sie einen qualifizierten Flüchtling aus dem Kosovo anheuern. „Es ist unmöglich, deutsche Helfer zu finden, die durchhalten und so schlichte Arbeit machen wollen“, sagt die Fernsehredakteurin („Zapp“, NDR). Und Beq Zeqiri dagegen sei jemand, der wirklich anpacken wollte. Nicola von Hollander bietet dem gelernten Automechaniker einen Arbeitsvertrag an. Doch die deutschen Behörden verhindern, dass er den Job annehmen kann, und schieben ihn im Januar ab. Seitdem versucht Nicola von Hollander, ihm ein deutsches Arbeitsvisum zu organisieren.
    Beq Zeqiri
    Der frühere Kriegsflüchtling war im Dezember 2015 zu Gast bei „maischberger“ und berichtete von der drohenden Abschiebung in seine Heimat. „Kosovo ist voller Korruption und es gibt keine Arbeit. Ich will nicht zurück. Ich möchte in Deutschland arbeiten. Ich kann sofort jede Arbeit machen.“ Obwohl der 46-Jährige sein Versprechen wahr machen wollte und bei Nicola von Hollander sofort mit einer Vollzeitstelle hätte anfangen können, wurde er im Januar abgeschoben. Wie erwartet findet der Familienvater im Kosovo keine Arbeit und sieht dort keine Zukunft für sich. „Ich leihe mir Geld von Bekannten und von meinem Bruder, um zu überleben“, erzählt er. Ihm bleibt nur noch die Hoffnung auf das Arbeitsvisum.
    Ulrike Herrmann
    Die Wirtschaftskorrespondentin der „taz“ glaubt, dass Deutschland noch mehr Flüchtlinge aufnehmen kann, ohne wirtschaftlich darunter zu leiden: „Das zeigt der Mauerfall. Die Wiedervereinigung hat die Deutschen zwei Billionen Euro gekostet, aber die Wirtschaft ist dabei nicht kollabiert.“ Im Gegenteil, Flüchtlinge bedeuteten auch Einnahmen für das Land: „Mit der steigenden Zahl der Konsumenten und Arbeitnehmer kommt auch ein höheres Wachstum. Wir brauchen alle Zuwanderer, egal mit welcher Qualifikation“, meint die Publizistin. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 01.06.2016 Das Erste
  • Folge 493
    Ist es noch die schönste Nebensache der Welt oder schlicht und einfach „Organisierte Kriminalität“? Kurz vor der Fußball-EM und den Olympischen Sommerspielen wird die Sportwelt mit immer neuen Enthüllungen erschüttert: Wurde Doping in Russland flächendeckend organisiert – auch mit staatlicher Billigung oder Unterstützung? Die ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping – Showdown für Russland“ zeigt, dass es nicht nur um Leichtathletik und Olympia geht: Ausgerechnet ein Doping-Fall im Fußball scheint darauf hinzuweisen, dass vielleicht sogar der russische Sportminister selbst Teil der Vertuschungsstrukturen sein könnte. Die Sport-Großmacht Russland steht an einem Scheideweg: Den russischen Leichtathleten droht der Ausschluss von den Olympischen Spielen in Rio. Welche Folgen für den Sport würde das haben? Wäre das ein wirkungsvoller Schlag gegen das weltweite Doping?
    Die Gäste: Hajo Seppelt (ARD-Dopingexperte), Ivan Rodionov (russischer Journalist), Michael Vesper (Vorstandsvorsitzender Deutschen Olympischen Sportbundes), Prof. Dr. Perikles Simon (Sportmediziner), Ines Geipel (ehemalige Leichtathletin und Dopingopfer), Peter Neururer (Fußballtrainer)
    Hajo Seppelt
    Die ARD zeigt am 8. Juni die neue Dokumentation des Filmemachers: „Geheimsache Doping – Showdown für Russland“. Seine Enthüllungen weisen darauf hin, dass in Russland in Sachen Doping noch immer alles unverändert scheint und nicht nur die Leichtathletik sondern auch der Fußball Teil der Dopingstruktur ist. Kurz vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft an diesem Freitag werfen die Recherchen von Hajo Seppelt gar die Frage auf, ob ranghohe russische Beamte, vielleicht sogar der russische Sportminister selbst, Teil der Vertuschungsstrukturen im Doping sind. Bereits vor zwei Jahren enthüllte der Journalist in einer weltweit Aufsehen erregenden Dokumentation ein betrügerisches Dopingsystem russischer Leichtathleten, denen deshalb jetzt der Ausschluss von den Olympischen Sommerspielen in Rio droht. „Die russischen Leichtathleten haben es nicht verdient, an den Spielen teilzunehmen.“ so Hajo Seppelt.
    Ivan Rodionov
    Der Vorwurf erschütterte vor wenigen Wochen die gesamte Sportwelt: Die russische Regierung, der Geheimdienst, Athleten und Dopingspezialisten hätten in einem gemeinsamen Komplott Dopingproben manipuliert, um bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi viele Siege zu erringen. Der Chefredakteur des russischen Fernsehsenders „RT Deutsch“ hält die Enthüllungen des früheren Chefs der russischen Anti-Doping-Labors für unglaubwürdig. Vertuscht die russische Politik systematisch Doping der Sportler? Sollen russische Leichtathleten für die Olympischen Spiele gesperrt werden? Und was würde ein Ausschluss von Olympia für Russland bedeuten?
    Michael Vesper
    Die neuen Vorwürfe gegen Russland wegen staatlich gelenkter Dopingpraktiken bezeichnet er als alarmierend: Es wäre ein „Skandal, der zu härtesten Konsequenzen führen müsste.“ Im entschlossenen Kampf gegen Doping begrüßt der Sportfunktionär eine Nachkontrolle der Proben auch Jahre später. Das sei eine Abschreckung und Warnung an alle Athleten, die betrügen, so Michael Vesper, der die Deutsche Olympiamannschaft als Chef der Mission nach Rio begleitet. Er verspricht: „Die Sportler können sich nicht sicher fühlen, auch wenn sie Mittel nutzen, die noch nicht nachweisbar sind.“
    Prof. Dr. Perikles Simon
    „Wir werden in Rio die gedoptesten Spiele erleben, die es je gegeben hat“, fürchtet der Mainzer Wissenschaftler und fordert eine radikale Reform des Doping-Kontrollsystems. Der Sportmediziner kritisiert die Qualität der Dopingtests als Volksverdummung. Es seien keine biomedizinischen Testverfahren: „Wir können entweder unprofessionell weitermachen wie bisher und irgendwelche kleine Würstchen, die sich keinen Anwalt leisten können, des Dopings überführen. Oder wir bauen endlich ein neues System auf“, sagt Perikles Simon.
    Ines Geipel
    Die ehemalige DDR-Leichtathletin und Weltrekordlerin war selbst jahrelang Opfer eines staatlich verordneten Zwangsdopings. Ines Geipel verweist als Vorsitzende der „Doping-Opfer-Hilfe“ auf die schweren gesundheitlichen Schäden der Betroffenen und kritisiert, dass sich im heutigen Spitzensport nichts gebessert habe: „Wollen wir wirklich so eine Art Sport, wo wir immer wieder kaputte Seelen und Körper produzieren?“ Die Autorin („No Limit – Wie viel Doping verträgt die Gesellschaft“) spricht nicht von einem Dopingverdacht, der auf dem Sport laste, sondern einer „Generalgewissheit“ – auch im Fußball.
    Peter Neururer
    Kaum ein anderer Trainer kennt die Bundesliga so gut wie er: Schalke 04, Hannover 96 oder VfL Bochum – 13 Bundesliga-Vereine trainierte Peter Neururer. Vor acht Jahren schockierte er die Öffentlichkeit mit der Aussage, dass Doping früher gang und gäbe gewesen sei. Vor allem Captagon, ein Amphetamin-Derivat, sei unter Fußballern sehr verbreitet gewesen. Mit der Einführung flächendeckender Dopingkontrollen seien diese Mittel aber verschwunden: „Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass es Doping seit Jahren in den deutschen Bundesligen nicht mehr gibt“, so der Kult-Trainer. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 08.06.2016 Das Erste
  • Folge 494
    Goodbye, Britain – Gute Nacht, Europa? Die Volksabstimmung in Großbritannien am kommenden Donnerstag über einen EU-Austritt könnte Europa nachhaltig erschüttern: Entscheiden sich die Briten für den Brexit, wären politische und wirtschaftliche Folgen unabsehbar. Kommt es zu einem dramatischen Börsencrash, gar zu einer Wirtschaftskrise? Droht ein Nachahmungseffekt und andere EU-Länder verabschieden sich? Bricht am Ende die Union auseinander? Oder schaden sich die Briten am Ende nur selbst, weil sie sich isolieren?
    Die Gäste:
    Francis Fulton-Smith (Schauspieler)
    Wolf von Lojewski (Langjähriger ARD-Korrespondent in London)
    Anja Kohl (ARD-Börsenexpertin)
    Jean Asselborn (Luxemburgischer Außenminister)
    Roger Köppel (Schweizer Journalist und SVP-Politiker)
    Francis Fulton-Smith
    „Der Austritt Großbritanniens aus der EU wäre ein Erdbeben mit gravierenden Folgen“, befürchtet der Schauspieler mit britischem Pass. Als Sohn einer Deutschen und eines Engländers in München aufgewachsen, bezeichnet sich Francis Fulton-Smith selbst als „bayrischen Engländer“. Der Hauptdarsteller der beliebten ARD-Serie „Familie Dr. Kleist“ hofft zwar inständig, dass die Engländer in der EU bleiben, „aber ich habe das Gefühl, diesmal könnte es wirklich schiefgehen.“ Eine Ursache für die britische EU-Skepsis sei, dass England nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung verloren habe und an angeschlagenem Selbstbewusstsein leide.
    Wolf von Lojewski
    Mit einem Brexit werde die Faszination für Europa rapide abnehmen, sorgt sich der langjährige Leiter des ARD-Studios in London. Wolf von Lojewski, der mehrfach die europaskeptische Premierministerin Margret Thatcher interviewte, zeigt Verständnis dafür, dass die Briten in Europäischen Fragen schon immer einen Sonderweg gegangen seien. Es sei eine Schwäche der EU, „dass es immer zu viele offene Probleme bei Vertragsabschlüssen wie etwa im Maastricht-Kontrakt gab“. Europa sei kein Verein, in dem alle gleich seien, schon gar nicht die Briten.
    Anja Kohl
    „Kapital wird in Massen abwandern, auf Devisenmärkten wird es größte Verwerfungen geben und das britische Pfund durch einen Brexit an Wert verlieren“, prognostiziert die Finanzexpertin. „Dennoch teile ich nicht die Weltuntergangsstimmung“, sagt Anja Kohl. Es werde sich alles einpendeln: „Wirtschaftlich können das sowohl die Europäische Union als auch Großbritannien verkraften.“ Ein Austritt der Briten könnte daher auch eine Chance sein: „Die Europäische Union wird dann gezwungen sein, sich den großen Fragen um Reform- und Handlungsfähigkeit zu stellen.“
    Jean Asselborn
    „Das Referendum über den Brexit ist ein historischer Fehler von Cameron“, wirft der dienstälteste Außenminister der Europäischen Union dem britischen Premierminister vor. „Bei einem Brexit wäre die EU amputiert. Ohne Großbritannien spielt die EU nicht mehr in der Champions League“, sagt der Sozialist. Asselborn befürchtet einen Verlust an wirtschaftspolitischem Gewicht und eine finanzielle Schwächung der EU. Dennoch glaubt der luxemburgische Politiker an eine Zukunft der Union: „Europa wird an einem Brexit nicht sterben und es wird keinen Dominoeffekt geben.“
    Roger Köppel
    „Die EU entwickelt sich immer mehr zu einer Diktatur“, sagt der Journalist und Abgeordnete der Schweizer Volkspartei. Sie sei „ein zutiefst demokratiefeindliches Gebilde mit einer unsympathischen Geringschätzung des Bürgers“. Brüssel habe zu viel, die Bürgerinnen und Bürger zu wenig zu sagen, kritisiert der „Weltwoche“-Herausgeber. „Die Menschen wünschen sich die Rückkehr zum Konkreten, zum Überschaubaren, zum Eigenen“, davon ist der nationalkonservative Politiker überzeugt.
    Deutsche TV-Premiere Mi. 22.06.2016 Das Erste
  • Folge 495
    Die EU scheint in der größten Krise ihrer Geschichte wie gelähmt. Es herrscht Uneinigkeit darüber, wie Angela Merkel und die anderen europäischen Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel auf den Brexit reagieren sollten. Viele Rechtspopulisten dagegen wie Marine Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden scheinen nach dem Votum der Briten genau zu wissen, was sie wollen: Auch in ihren Ländern die EU-Mitgliedschaft zur Abstimmung stellen. Eine unkontrollierte Wut auf die Europäische Union scheint um sich zu greifen. Wird Europa jetzt rechter und nationalistischer?
    Die Gäste:
    Viviane Reding (ehemalige EU-Kommissarin); Heinz-Christian Strache, FPÖ (Parteichef); Jürgen Trittin, B’90/​Die Grünen (Ex-Bundesminister); Dirk Schümer (Journalist); Albrecht von Lucke (Politikwissenschaftler)
    Viviane Reding
    Die luxemburgische Europa-Abgeordnete sieht in dem Brexit eine Chance, die europäische Idee zu retten. „Wir brauchen Mitspieler statt Quertreiber. Großbritannien ist immer ein erbitterter Gegner jedweder Vertiefung der Europäischen Union gewesen“, meint die frühere Vize-Präsidentin der EU-Kommission und kritisiert: „Viele Staaten sehen Europa nur als gemeinsamen Topf, aus dem sie gespeist werden.“ Wenn sie etwas zurückgeben müssten, wie etwa in der Flüchtlingskrise, sei „das Wort Solidarität weder in ihren Worten noch Handlungen verankert“.
    Heinz-Christian Strache
    Der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) begrüßt den Brexit und gratuliert den Briten zu ihrer „wiedererlangten Souveränität“. „Es ist ein Sieg über die ungezügelte Migration und die gescheiterte Willkommenskultur“, sagt Heinz-Christian Strache. Auch für Österreich sei ein Referendum über einen Austritt denkbar: „Sollte die EU an ihrer Reformunwilligkeit weiter erlahmen und auch noch Länder wie die Türkei hereinholen, dann ist eine Abstimmung eine politische Zielerklärung“, kündigt der Parteichef der rechtspopulistischen FPÖ an.
    Jürgen Trittin
    „Der Brexit ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Ich halte es für denkbar, dass es in anderen Ländern Versuche geben wird, dem britischen Vorbild zu folgen“, befürchtet der grüne Außenpolitiker. Der Sieg der britischen Brexit-Befürworter habe die Europäische Union in eine tiefe Krise gestürzt und werfe die Frage auf, ob es das derzeitige Europa langfristig geben werde. Vor allem Ältere, Geringqualifizierte und Einkommensschwache sähen in der Europäischen Union eine Bedrohung und glaubten, der Nationalstaat garantiere ihnen bessere Lebensverhältnisse.
    Dirk Schümer
    „Die Briten verlassen die EU nicht als bornierte Snobs, die es eigentlich nicht so gemeint haben, sondern als stolze Demokraten, die Webfehler und politisches Versagen der EU nicht länger hinnehmen wollen“, sagt der Europa-Korrespondent der „Welt“. Durch die Chaoswährung des Euro und die Duldung der regellosen Zuwanderung habe die EU dramatisch an Sympathien verloren, so Dirk Schümer. Im Grunde hätten die britischen Wähler am Donnerstag auch Angela Merkel abgewählt, die mit ihren Alleingängen maßgeblich zu dieser Stimmung beigetragen habe.
    Albrecht von Lucke
    „Der Brexit ist eine schwere Bewährungsprobe für Europa.“ Dennoch erwartet der Parteienforscher keinen Dominoeffekt für andere EU-Staaten. „Der Schock und die Erosionsbewegungen der Schotten und Nordiren wirken abschreckend. Es ist noch nicht ausgemacht, ob das englische Beispiel positiv oder negativ ausgehen wird. Deswegen gibt es noch eine gewisse Zurückhaltung der Populisten“, erklärt der Politikwissenschaftler. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 29.06.2016 Das Erste
  • Folge 496
    Es könnte der schlimmste Serienmord der deutschen Nachkriegsgeschichte sein: Der Krankenpfleger Niels H. steht im Verdacht, bis zu 200 Menschen mit Medikamenten getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kliniken, die den Verdachtsfällen nicht konsequent nachgegangen seien. Die Politik ist alarmiert. Haben Kontrollmechanismen versagt? Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe warnt vor übereilten Schuldzuweisungen. Trotzdem fragen sich Patienten, Angehörige und Experten: Muss man Klinikpersonal prinzipiell besser überwachen?
    Die Gäste: Kathrin Lohmann (Tochter eines Mordopfers), Frank Lauxtermann (Krankenpfleger), Gisela Friedrichsen (Gerichtsreporterin), Dr. Dirk Tenzer (Vorstand Klinikum Oldenburg), Judith Arlt (Schwiegertochter eines Patientenmordopfers), Karl Lauterbach, SPD (Gesundheitsexperte)
    Kathrin Lohmann
    Auch dank ihrer Beharrlichkeit steht Niels H. unter Mordanklage. Als 2003 ihre Mutter völlig überraschend auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst stirbt, glaubt Kathrin Lohmann nicht an eine natürliche Todesursache. 12 Jahre lang kämpft die Altenpflegerin gegen viele Widerstände um Aufklärung. Erst eine Exhumierung bringt den Beweis: Kathrin Lohmanns Mutter wurde ein gefährliches Medikament gespritzt, an dem sie starb. Der Verdacht gegen Niels H. erhärtet sich. „Meine Mutter und ich standen uns sehr nahe. Es war das Einzige was ich noch für sie tun konnte“, sagt Kathrin Lohmann über ihren Einsatz, für den sie mit dem Zivilcouragepreis ausgezeichnet wurde.
    Frank Lauxtermann
    Er hatte seinen Kollegen schon früh im Verdacht: Frank Lauxtermann arbeitete mit Niels H. auf der Intensivstation der Klinik Oldenburg zusammen. „Bei Herzstillständen war er auffällig oft am Bett der Patienten. Und nach einer Reanimation war der Kaliumwert häufig unerklärlich hoch. Wir wussten, da muss nachgeholfen worden sein.“ Der Krankenpfleger machte die Klinikleitung darauf aufmerksam, doch nichts passierte. „Es war eine Kultur des Wegsehens und Schweigens“, kritisiert der 53-Jährige und fordert eine schonungslose Aufklärung.
    Gisela Friedrichsen
    „Der Fall Niels H. erschüttert das Vertrauen von Patienten und Angehörigen in Pfleger und Ärzte“, fürchtet die Gerichtsreporterin. Gisela Friedrichsen übt scharfe Kritik am Verhalten der Verantwortlichen in den Krankenhäusern: „Fällt ein Mitarbeiter durch eigenartiges Verhalten auf, wird er mit einem guten Zeugnis entlassen und kann mit seinen kriminellen Machenschaften direkt in der nächsten Klinik weitermachen. Hauptsache, der gute Ruf des Krankenhauses wird nicht beschädigt“, beklagt die „Spiegel“-Journalistin.
    Dr. Dirk Tenzer
    „Wir gehen in unserem Haus von bislang 16 Patientenmorden durch Niels H. aus“, sagt der Arzt und Krankenhauschef. Etwa dreieinhalb Jahre hatte der Pfleger auf der Intensivstation und in der Anästhesie des Klinikums Oldenburg gearbeitet. Zwar gab es unter den Kollegen immer wieder Gerede über den „Pechvogel“, der auffällig oft bei Reanimationen dabei war, doch weder Sterberate noch Medikamentenverbrauch waren besonders auffällig. Der damals neue Klinikvorstand setzte, nachdem ihm das Verfahren gegen Niels H. bekannt wurde, einen externen medizinischen Gutachter ein: „Wir wollen das Geschehene lückenlos aufklären und alles dafür tun, solche Taten zu verhindern“, so Dr. Dirk Tenzer.
    Judith Arlt
    „Mit dem Tod meines Schwiegervaters habe ich mich abgefunden, aber nicht mit der Art und Weise, wie er gestorben ist“, sagt die Schriftstellerin. Der damals 77-jährige Gerhard Arlt wurde 2006 in der Berliner Charité das Opfer der Krankenschwester Irene B, die ihn mit einer Injektion tötete. Er war kein Einzelfall. Der so genannte „Todesengel der Charité“ wurde wegen fünffachen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Judith Arlt kritisiert: „Da die Patientenmörderin schon vorher auffällig geworden ist, hätte die Klinik früher handeln müssen.“ Und sie ist sich sicher: „Hätte man aus dem damaligen Fall an der Charité gelernt, Niels H. hätte nicht so viele Patienten ermorden können.“
    Karl Lauterbach
    „Wir müssen an mehr Patienten, die plötzlich versterben, deutlich häufiger Autopsien vornehmen als bislang üblich“, sagt der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende nach der Entdeckung des vermutlich größten Serienmordes der deutschen Nachkriegsgeschichte an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst. Es handle sich um gravierende Vorgänge, nach denen man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne. Kliniken müssten Unregelmäßigkeiten strikt verfolgen, fordert der Mediziner und Gesundheitsökonom. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 13.07.2016 Das Erste
  • Folge 497
    Keine Bomben, sondern ein Lkw als Mordwaffe; kein Gewehr, sondern eine Axt: Die Anschläge von Nizza und Würzburg scheinen eine andere Strategie des Schreckens zu verfolgen als bislang bekannt. Sind wir dem neuen Terror schutzlos ausgeliefert?
    Sandra Maischberger diskutiert mit
    Wolfgang Bosbach (CDU-Innenpolitiker)
    Ahmad Mansour (Psychologe)
    Claus Strunz (Journalist)
    Guido Steinberg (Terrorismusexperte)
    Judith Assländer (Pflegemutter von jungen Asylbewerbern) (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 20.07.2016 Das Erste

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