Die Brüder Vince (Jason Bateman, l.) und Jake (Jude Law) stecken tief im Schlamassel
Bild: Netflix
Welche Konsequenzen es haben kann, wenn man sich mit kriminellen Kräften einlässt, erforschte US-Schauspieler Jason Bateman als Finanzberater in Nöten schon in der erfolgreichen Netflix-Serie „Ozark“. Auch das Thriller-Drama „Black Rabbit“, das ebenfalls im Auftrag des Streamingriesen entstand, zeigt ihn in der Rolle eines Mannes, der immer wieder mit dem Feuer spielt und sich dabei die Finger verbrennt (bzw. einen solchen verliert). Die Geschichte um zwei auf den ersten Blick grundverschiedene Brüder – der andere verkörpert von Jude Law – setzt sich aus größtenteils vertrauten Bausteinen zusammen, zieht den Betrachter aber geschickt in das an bedrohlichen Momenten nicht arme Geschehen hinein. Nach und nach wirkt der dramaturgische Aufbau allerdings mechanischer, und es drängt sich der Eindruck auf, dass die Miniserie etwas auf der Stelle tritt.
„Ab jetzt keine Scheiße mehr!“, versprechen sich die Geschwister Jake (Law) und Vince Friedken (Bateman) nach einer emotionalen Unterhaltung. Doch als Zuschauer weiß man ganz genau, dass diese Abmachung nicht lange halten kann. Bereits der die Auftaktfolge eröffnende Vorausblick enthüllt, dass sich in ihrem Restaurant, dem titelgebenden „Black Rabbit“, in Kürze die Ereignisse überschlagen werden. Von Anfang an hängt ein aus dem Ruder laufender Raubüberfall unheilvoll über der von Kate Susman („The Order“) und Zach Baylin („The Crow“) entwickelten Netflix-Produktion, die laut Pressebeschreibung inmitten des hektischen Nachtlebens von New York City spielt.
Hat Jake (Jude Law) wirklich alles im Griff? Netflix
Wer einen tieferen Einblick in die Gastroszene erwartet, wie ihn etwa die Hulu-Serie „The Bear: King of the Kitchen“ präsentiert, schaut allerdings in die Röhre – zumindest in den ersten fünf von insgesamt acht Folgen, die für diese Kritik in Augenschein genommen wurden. „Black Rabbit“ macht zwar gelegentlich den hektischen, kräftezehrenden Alltag im Restaurantbetrieb greifbar, interessiert sich aber weniger für die konkreten Arbeitsabläufe. Im Fokus stehen die Probleme der beiden Brüder, die – so scheint es zunächst – aus gänzlich anderem Holz geschnitzt sind. Ersterer hat das Lokal mit integrierter VIP-Lounge zu einem der angesagtesten Etablissements des Big Apples gemacht und gibt den großen Kümmerer, der seine Mitarbeiter fordert, sie allerdings auch immer wieder kräftig lobt. Das „Black Rabbit“ sei ein Ort für die Community, für die Familie, betont er vollmundig.
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Vince hingegen, früher Teilhaber des Ladens, hat Schwierigkeiten stets magisch angezogen, verschwand vor zwei Jahren von der Bildfläche – und taucht nun, in eher verlottertem Zustand, wieder in der Ostküstenmetropole auf. Der Verkauf der Münzsammlung seines Vaters nahm einen unschönen Verlauf, was er seinem jüngeren Bruder jedoch verschweigt. Aus alter Verbundenheit öffnet ihm Jake wieder die Tür. Eine Entscheidung, die der Restaurantbetreiber schon bald bereut, da Vince den Gangstern Junior (Forrest Weber) und Babbit (Chris Coy) eine ganze Stange Geld schuldet, die er nun so schnell wie möglich auftreiben soll.
Batemans Figur ist das schwarze Kaninchen, pardon, das schwarze Schaf, während Jake hart arbeitet und etwas Großes geschaffen hat. Diesen Eindruck kann man anfangs gewinnen. Mehr und mehr zeigt sich aber, dass die Rollen nicht so eindeutig verteilt sind. Vince mag der Hallodri sein, hatte allerdings, wie eine Rückblende illustriert, überhaupt erst die Vision für das „Black Rabbit“. Gewiss schafft er es immer wieder, beherzt ins Klo zu greifen, sich mit seinem Verhalten in Bedrängnis zu bringen. Gerade darin ist ihm Jake, der Ehrgeizige der beiden, jedoch gar nicht so unähnlich. Auch er überschreitet seine Grenzen, nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau – vor allem, um seinen großen Traum, ein noch schickeres, nur ihm gehörendes Restaurant, zu verwirklichen. Schon früh deutet sein Ausweichen bei Fragen nach der Buchhaltung auf einen Kontrollverlust hin. Heikel ist nicht zuletzt, dass er ausgerechnet mit Estelle (Cleopatra Coleman), der Partnerin des superreichen „Black Rabbit“-Investors Wes (Sope Dirisu) anbandelt. Selbst Jakes Auftreten als Arbeitgeber mit offenem Ohr für seine Belegschaft erscheint ab einem gewissen Punkt höchst zweifelhaft.
Junior (Forrest Weber, l.) und Babbit (Chris Coy, Mitte) setzen Vince (Jason Bateman) zu. Netflix
Die Zutaten der Miniserie sind sicherlich nicht neu. Eine Eskalation wie hier hat man schon oft gesehen. Und doch gelingt es den Machern (Jason Bateman inszenierte die ersten beiden Folgen, Schauspielkollegin Laura Linney die dritte und die vierte Episode), uns in diese aus Lügen, falschen Versprechungen und gefährlichen Ambitionen gespeiste Welt hineinzuziehen. Die häufig in spärlich ausgeleuchteten Innenräumen spielende Handlung macht atmosphärisch einiges her und baut rasch ausreichend Druck auf – auch dank eines nervös pumpenden Scores. Jake und Vince müssen ständig neue Entscheidungen treffen, verrennen sich dabei aber nur noch mehr. Als die von Netflix angekündigte Charakterstudie funktioniert „Black Rabbit“ trotz engagierter Darbietungen der beiden Hauptdarsteller vielleicht nur bedingt. Eine mitreißende Achterbahnfahrt, wie sie der Streamer verspricht, bekommt das Publikum gleichwohl geboten.
Das Problem an der Sache: Ab dem vierten Kapitel gerät die Drehbuchkonstruktion schematischer und bequemer. In manchen Augenblicken greifen die dramaturgischen Rädchen etwas zu schön und sauber ineinander. Der Seitenstrang um Vinces Tochter Gen (Odessa Young) läuft irgendwie nebenher, dient vor allem dazu, eine Drohkulisse zu errichten. Ähnlich unterentwickelt bleibt die Geschichte rund um Barkeeperin Anna (Abbey Lee), über die die Serie die Themen „Machtmissbrauch“ und „sexuelle Gewalt“ aufmacht. Mit einer vollwertigen Figur haben wir es hier nicht zu tun. Vielmehr entpuppt sich die junge Frau als erzählerisches Mittel, das in erster Linie den Plot vorantreiben und in eine andere Richtung lenken soll. Zur Hälfte beschleicht einen außerdem das Gefühl, dass sich „Black Rabbit“ etwas im Kreise dreht. Immerhin lassen sich Junior und Babbit stets aufs Neue vertrösten, was die Spannung auf Dauer beeinträchtigt. Pointiert könnte man sagen: Die Miniserie ist ein bisschen wie Jake, der nach außen auf dicke Hose macht, während es in seinem Leben tatsächlich einige Baustellen gibt.
Meine Wertung: 3/5
Alle acht Folgen der Miniserie „Black Rabbit“ sind ab Donnerstag, den 18. September bei Netflix verfügbar.
Über den Autor
Christopher Diekhaus, Jahrgang 1985, erlebte seine TV-Sozialisation in den 1990er-Jahren. Seine echte Liebe für den Flimmerkasten entbrannte allerdings erst gegen Ende der Schulzeit. Nach seinem Studium landete er zunächst in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma. Seit 2013 schreibt Christopher als Freiberufler Film- und Serienkritiken. Das Portal fernsehserien.de unterstützt er seit Ende 2019. Im Meer der Veröffentlichungen die Perlen zu entdecken – diese Aussicht spornt ihn immer wieder an. Insgeheim hofft er, irgendwann eines seiner in der Schublade liegenden Drehbücher zu verkaufen. Bis er den Oscar in Händen hält, sichtet und rezensiert er aber weiter fleißig die neuesten Serien.