„Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“: (v.l.) Jannis Niewöhner als Siegfried von Xanten und Gijs Naber als Hagen
Bild: RTL/Constantin Film Verleih
Bei RTL+ erscheint am Donnerstag die neue Miniserie „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“. Die nimmt sich Motive der Nibelungensage zur Vorlage, die ihrerseits durch die Linse von Fantasyautor Wolfgang Hohlbein in dem Roman „Hagen von Tronje“ niedergelegt wurden. Daraus haben die Drehbuchautoren Cyrill Boss und Philipp Stennert mit Doron Wisotzky gleich zwei Geschichten geschneidert: Einerseits den Film „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ (erschien 2024) und andererseits die nun zur Veröffentlichung kommende sechsteilige Miniserie um den „Kampf der Königreiche“. Bei beiden haben Boss und Stennert als Regisseure fungiert.
Das allein ist schon eine Menge Vorgeschichte, wobei die Nibelungen und die Hauptfiguren wie Siegfried, der Drachentöter, der zumeist finster gezeichnete Hagen von Tronje, die Prinzessin Kriemhild und die Walküre Brunhild seit der Niederschrift des Nibelungenliedes vor 800 Jahren ein essentieller Teil der deutschen Kulturgeschichte sind – inklusive Wagner-Opern und Heldenverklärung von Siegfried dem Drachentöter. In der Umsetzung der Vorlage sind die Macher eigene Wege gegangen, weswegen in diesem Text auch nur eine Frage im Zentrum stehen soll: Für wen lohnt sich diese Miniserie?
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Bewusst außen vorgelassen werden dabei Vergleiche zur Romanvorlage sowie zur bei den gleichen Dreharbeiten herausgesprungenen Filmversion.
Darum geht es im „Kampf der Königreiche“
Die Handlung von „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ spielt im Umfeld der historischen Völkerwanderung an der Grenze zwischen Antike und Mittelalter, als aus dem Osten angreifende Hunnen aufgrund ihres brutal kompromisslosen Vorgehens fliehende Volksmassen ebenso wie manche Armee vor sich hertreiben. So kommt es, dass man sich im Land Burgund und der Hauptstadt Worms Sorgen machen muss. Dort herrscht der standfeste König Dankrat (Jörg Hartmann). Für ihn ist klar: Um die Integrität seines Landes zu wahren, müssen Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden, schließlich hat Burgund eine eigene Bevölkerung zu versorgen.
Dabei federführend ist sein Waffenmeister Hagen (Gijs Naber). Der war in seiner Jugend als schwer verwundetes Findelkind in Burgund angekommen. König Dankrat erkannte in ihm jemanden, der allerschwerste Wunden überlebt hatte – einen angehenden Krieger und Vorbild für die Burgunder! So nahm er ihn als Ziehsohn an seinen Hof auf, gab ihm Verantwortungen. Allerdings stand Hagen immer im Schatten der vier – jüngeren – Königskinder und war sich seiner Position als Dienstmann des Königs bewusst. Daher nahm er seine Verantwortung grimmig ernst. Und auch aufkommenden Gefühle gegenüber der einzigen Burgunder-Prinzessin Kriemhild (Lilja van der Zwaag) unterdrückte er mit Pflichtgefühl: Ihr war vorausbestimmt, durch eine kluge Verheiratung der Bündnispolitik ihres Vaters zu dienen.
Kriemhild (Lilja van der Zwaag) und Hagen (Gijs Naber) haben unerfüllbare Gefühle füreinander. RTL / Constantin Film
Dankrat hatte zuvor in seinem Land auch eine Kampagne gegen die Alten Wesen durchgeführt: der Magie befähigter Wesen wie Alp, Zwerg oder Nornen. Aber auch der letzte Drache gehört zu ihnen oder die Walküre Brunhild von der Insel Isenland, die später die Bühne betritt. Auch in dieser Säuberungskampagne hat Hagen als scharfes Schwert seines Herren blutige Ernte gehalten. Im Angesicht der bevorstehenden unruhigen Zeiten und der Notwendigkeit, sein Reich zu sichern, setzt Dankrat auf bewährte Methoden: Abschottung und Heiratspolitik – wie auch schon seine Ehe mit Königin Ute (Jördis Triebel) Burgund stärkte, wird nach einem passenden König für Kriemhild gesucht.
Doch dazu kommt es zunächst nicht: Dankrat verstirbt überraschend und sein ältester Sohn Gunter (Dominic Marcus Singer) übernimmt den Thron – seine Brüder Giselher (Alessandro Schuster) sowie der eigenwillige Gernot (Béla Gabor Lenz) stehen an seiner Seite. Allerdings kehrt mit Gunter Wankelmut ein. Zunächst will der neue König die erfolgreiche Politik seines Vaters nahtlos fortsetzen und Kriemhild schnell nutzbringend verheiraten.
Die zweite Reihe der Königsfamilie von Burgund: (v.l.) Gernot (Béla Gabor Lenz), Giselher (Alessandro Schuster), Kriemhild (Lilja van der Zwaag) und Königin Ute (Jördis Triebel). RTL / Constantin Film
Gunters Wankelmut zeigt sich unmittelbar mit der Ankunft eines gewissen Siegfried (Jannis Niewöhner) mit seiner Söldnerschar vor den Toren von Worms: Gunter ist es in den unsicheren Zeiten zunächst sehr recht, dass diese wilden Gesellen gar nicht erst in die Stadt kommen wollen. Als Siegfried es sich dann doch anders überlegt, ist Gunter wiederum schnell erfreut: Denn dieser Siegfried von Xanten ist der Sohn eines alten Verbündeten und unter den auf „Krieg“ stehenden Vorzeichen ist der erfahrene Söldnertrupp eine willkommene Bereicherung der Burgunder Soldaten. Auch, wenn Siegfried sich wie der Herr im Haus und gar nicht wie ein demütiger Gast aufführt.
König Gunter (Dominic Marcus Singer). RTL / Constantin Film
Gunter entgeht, dass seine Schwester in Siegfried den Mann erkennt, von dessen Erlebnis als Drachentöter und auch von dessen innerer Agonie visionäre Träume hatte. Auch Siegfried, der nach einem Bad im Blut des erschlagenen Drachen nun – bis auf eine kleine Stelle am Rücken – einen unverwundbaren Körper hat, ist von Kriemhild angezogen.
So nistet sich die kleine Schar des Xanteners in Worms ein. Schnell wird dabei klar, dass Siegfried ein getriebener Mensch ist – wer sonst ließe sich auf einen Kampf mit einem Drachen (dem letzten Drachen) ein? Während Waffenmeister Hagen den Schmerz seiner Herkunft darin ummünzt, seine neue Heimat und insbesondere die Königsfamilie zu schützen, scheint Siegfried aufgrund seines Schmerzes dazu verdammt, immer im aktuellen Augenblick zu leben, ohne Verbindung zu seiner Vergangenheit oder Gedanken an die Zukunft – was zu diversen sprunghaften Entscheidungen führt.
Zunächst kann sich Gunter darüber freuen, Siegfried als neuen Kämpfer gewonnen zu haben – auch, wenn es in der Natur des Xanteners liegt, die Autorität des Königs mit beiläufigen Bemerkungen zu untergraben: Mit Siegfried haben die Burgunder das Schlachtenglück auf ihrer Seite. Allerdings um einen hohen Preis. Denn Siegfried ist in allen Dingen selbstzerstörerisch. Nur ist er eben unverwundbar, so dass die Menschen in seiner Umgebung die Konsequenzen tragen müssen. Daneben jubelt das Volk dem Xantener als Hoffnungsschimmer zu, ignoriert den eigenen König.
Auch weiter ist Gunter wankelmütig in seiner Staatsführung. Bald kommt er davon ab, durch Kriemhilds Verheiratung militärische Verstärkung zu sichern und verfällt auf die Idee, mit den seinem Vater so verhassten Alten ins Bündnis zu kommen: Er will die Walküre Brunhild (Rosalinde Mynster) als Ehefrau gewinnen, die auch über mächtige Kämpfer verfügt. Zur Brautwerbung – einer Reise nach Isenland – will er sich auf Siegfried und Hagen verlassen und macht schließlich von Siegfrieds Hilfe (der schon auf Isenland war) seine Zustimmung zu dessen (Liebes-)Heirat mit Kriemhild abhängig …
Verlieben sich: Der unstete Siegfried (Jannis Niewöhner) und die besonnene Kriemhild (Lilja van der Zwaag). RTL / Constantin Film
So kommt es, dass die fast schon aus der Welt verdrängten Alten Wesen in den „Kampf der Königreiche“ und das Leben in Worms eingebunden werden – seit seinem Sieg über den Lindwurm folgt Siegfried bereits dessen früherer Diener Alberich (Johanna Kolberg), der sich in Worms immer in den Schatten verbirgt. Dass die Vermischung von Altem und Neuem nicht gut gehen kann und wie am Ende der Frieden zur Tragödie führt, zeigt die zweite Staffelhälfte.
Ende gut, alles gut?
Gerade bei Miniserien hat das Finale und seine Bedeutung für die Interpretation der Figuren ein hohes Gewicht. Bei „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ kann man festhalten: Das Ende reißt eine ganze Menge raus; neben der großartigen Ausstattung der frühmittelalterlichen Kostüme ist es vermutlich der größte Pluspunkt der Serie. Allerdings liegt auf dem Weg dorthin einiges im Argen.
Das fängt schon mit dem Titel der Miniserie an, der kaum zum Inhalt passen will. „Kampf der Königreiche“ suggeriert mehr Action. Der Blickwinkel der Handlung folgt fast ausschließlich dem Wormser Hof im Königreich Burgund und seinen Figuren, die Zuschauer wissen nur, was auch dieser Figurenkreis weiß. Nur sehr selten verlässt die Serie die oben beschriebenen Charaktere. „Gastauftritte“ machen gerade mal als starker Mann der römischen Nachbarn Flavius Aetius (Tim Seyfi) sowie der Hunnenkönig Etzel (Vladimir Korneev). Andere Königreiche werden nur durch Schlachten erwähnt.
Besuch der Römer: Flavius Aetius (Tim Seyfi). RTL / Constantin Film
Apropos Schlachten: Auch hier hätte man vom „Kampf der Königreiche“ mehr erhoffen können. In der Handlung wird sehr oft das Stilmittel bemüht, die Schlachtfelder erst nach Ende eines Kampfes zu besuchen und statt des aufwendig zu produzierenden Schlachtengetümmels eben die Leichen zu zeigen, oder das unritterliche Abmurksen noch röchelnder Gegner.
Ein weiterer diesbezüglicher Kritikpunkt ist die Darstellung der als kampfkräftig dargestellten Armee der Burgunder: Häufig werden Ausbildungsszenen aus der Königsburg in Worms gezeigt, bei denen knapp drei Dutzend Soldaten die Schwerter schwingen – gerne werden diese mechanischen Trainingseinheiten dann durch das Auftreten Siegfrieds wilden Haufen oder anderer Kämpfer konterkariert. Ein einziges Mal wird die militärische Macht des Königreichs durch einen langen, mehrere Hundert Soldaten umfassenden Heerwurm gezeigt, der über die Hügel vor Worms in die Schlacht zieht – und dabei natürlich als Computer-Generation erscheint. Rational ist es nachzuvollziehen, dass es nicht in einem fort Schlachten und Massenszenen wie bei „Game of Thrones“ oder auch nur „Vikings“ geben kann. Aber emotional weckt der Serientitel halt schon Erwartungen.
Daneben wird dieser Autor gewiss nicht der einzige sein, der nach dem Konsum der kompletten Serie erstmal nachschlagen muss, wer jetzt eigentlich diese Nibelungen sind. Erklärt wird es in der Serie nicht, das wird wohl als Sagen-Vorwissen vorausgesetzt. Wie bei Roman und Film wäre hier die Ansage, dass die Handlung stark durch die Sicht von Hagen geprägt wird, für den Titel anzuraten gewesen.
Gijs Nabers imposante Darstellung als Hagen wird durch gedämpfte Synchronisation untergraben. RTL / Constantin Film
Womit wir auch bei den Hauptfiguren angekommen sind. Bedauerlich erscheint, dass Protagonist Hagen auch in der „deutschen Originalversion“ nicht mit der Stimme des niederländischen Darstellers Gijs Naber spricht, sondern von Torben Liebrecht im Studio nachsynchronisiert wurde (wie auch schon im Film). Das dämpft die Kraft der Figur, die immer wieder anfeuernde Reden hält, einige Voice-over beisteuert und eben an den meisten zentralen Gesprächen der Serie beteiligt ist, ungemein.
Niewöhner kann da den immer wieder aufbrausenden Wahnsinn in Siegfried besser herüberbringen. Auch Dominic Marcus Singer kann Gunter als jungen, unsicheren König darstellen, der sein Fähnchen immer nach der Richtung ausrichtet, die gerade Erfolg zu bringen scheint, ohne eine fundierte eigene Meinung zu haben.
Aus dramatischer Sicht die interessantesten Charakter-Reisen durchleben Kriemhild und in geringerem Umfang Brunhild (die auch erst Mitte der Serie auftritt): Kriemhild beginnt als eingeschüchterte Königstochter, die weiß, dass ihr Leben der Staatsräson folgen muss. Nach und nach befreit sie sich aus diesem Käfig, indem sie etwa die begrenzten Vorräte Burgunds mit Flüchtlingen teilt und sich später Siegfried als Mann wählt. Brunhild ist eine ungezügelte Naturgewalt einer Kriegerin, die auf verschlungenen Pfaden in den Mauern Burgunds landet und dort geradezu eingeht – sich aber auch wieder Freiheiten erkämpft.
Insbesondere Kenner anderer moderner Phantastik-Serien werden die Löcher im Worldbuilding schmerzhaft wahrnehmen. Da erfahren wir etwa, dass Utes Heirat mit Dankrat Burgund politisch gestärkt habe, erfahren aber nicht, aus welchem Königreich sie denn nun stammt (oder bekommen Auswirkungen solch eines Bündnisses in der Gegenwart zu sehen). Insbesondere Siegfried umgibt ein großer blinder Fleck in Sachen Exposition: Die Zuschauer erfahren gerade mal, wie der Königssohn zum Drachentöter wurde. Ausgeschwiegen wird sich jedoch über die Lage in seiner Heimat, die als alter Verbündeter beschrieben wird: Wer herrscht dort jetzt, und warum wendet man sich nicht an den alten Bündnispartner? Jedenfalls hat Siegfried einen königlichen Siegelring, der in der „Wertigkeit“ dem von Burgunder-König Gunter zu entsprechen scheint.
Anzusprechen gilt es, dass die Miniserie sich in ihren sechs Folgen recht wechselhaft zeigt. Zum Auftakt besteht die Handlung viel aus Dialogen in den Mauern von Worms, Ausritten in die Umgebung. Die Endszenen der ersten drei Episoden zudem sind mit Popmusik unterlegt, was eher unpassend wirkt. Ab Folge vier wird dies nicht mehr getan. Stattdessen – beginnend mit einer Reisegesellschaft zu Brunhild nach Isenland – zieht das übernatürlich-magische der Alten Wesen verstärkt in die Handlung ein: Lange Sequenzen ohne Dialoge, aber mit getragener Musik herrschen vor, diverse Charaktere müssen ihre Beziehung zu den Alten Wesen im wortlosen Ringen mit sich selbst ausmachen.
Brunhild (Rosalinde Mynster) in den harschen Weiten von Isenland. RTL / Constantin Film
Folge sechs widmet sich dann sozusagen dem Endspiel: Die Serienhandlung über haben die Charaktere im Schatten kriegerischer Bedrohungen mit schrägen Kompromissen gelebt, gute Miene zum Bösen Spiel gezeigt. Als sich am Schluss der Druck von Außen zunächst löst, müssen sie einen Weg finden, mit den schwierigen, vorbelasteten persönlichen Beziehungen zu leben. Wie erwähnt, hier und in der Auflösung liegt dann eine der stärksten Passagen der Serie. Allerdings ist es schade, dass nicht für alle größeren Charaktere die Auflösung ihrer Geschichte erzählt wird.
Insgesamt liefert „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ sehenswerte Phantastik-Unterhaltung. Wer an so etwas Freude hat, wird hier auch gut unterhalten. Auch, wer vielleicht englischsprachige Serien verschmäht und die größeren Phantastik-Highlights wie „Game of Thrones“ oder auch realistische Kostümdramen auslässt, kann seinen Serienkonsum mit dieser „deutschen“ Produktion bereichern.
Wer aber nur (Phantastik-)Formate auf höchstem Niveau gelten lässt, wird hier zu viel zu kritisieren haben, um Spaß zu empfinden. Auf jeden Fall wird der „Kampf der Königreiche“ es auf keine 800 Jahre Haltwertszeit bringen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten Miniserie „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“.
Meine Wertung: 3,5/5
„Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ wird mit allen sechs Folgen am 6. November bei RTL+ veröffentlicht. Einen Termin für eine lineare Ausstrahlung gibt es noch nicht.
Über den Autor
Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.
Das Projekt gab es in einer gekürzten Version als Kinofilm. Ich habe den Film im Kino gesehen. Er hat mir persönlich überhaupt nicht gefallen. Daran konnte auch ein Jannis Niewöhner, den ich sonst sehr schätze, leider nichts ändern. Der Film zog sich ohne nennenswerte Ereignisse in die Länge, da hatte ich mir wirklich mehr erhofft.