„Schwarzes Gold“: ARD-Eventserie erinnert an „Dallas“ auf dem Immenhof – Review

Historisches Erdöldrama mit Schauwerten und generischem Drehbuch

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 21.12.2025, 10:30 Uhr

„Schwarzes Gold“ mit Harriet Herbig-Matten läuft am 29. Dezember im Ersten – Bild: NDR/Viktoria Grunjajew/Boris Laewen
„Schwarzes Gold“ mit Harriet Herbig-Matten läuft am 29. Dezember im Ersten

Schaffreunde sollten besser einen großen Bogen um „Schwarzes Gold“ machen. Denn den sympathischen Wollproduzenten wird in dem Sechsteiler gleich mehrmals übel mitgespielt: Mal werden sie gekeult, mal öldurchtränkt. Auch ihre BesitzerInnen und generell alle Einwohner des Dorfes in der Lüneburger Heide gelten den örtlichen Großgrundbesitzern als willenlose Herde, über die sich zwecks Ausbeutung ihrer Arbeitskraft wie des Bodens verfügen lässt. Während die Schafe tatsächlich alles blökend hinnehmen, formiert sich aber unter den Kleinbauern und Mägden der Widerstand – angeführt von der jungen Bauerstochter Johanna Lambert (Harriet Herbig-Matten).

Die NDR-Produktion „Schwarzes Gold“, die ARD-Mediathek und das Erste zu Weihnachten ins Programm nehmen, ist eine dieser typischen Event-Miniserien, die rund um die Feiertage etwas Besonderes bieten sollen. Früher hätten die Sender das als dreiteiligen Fernsehfilm ausgezeichnet, heute muss es schon eine Miniserie sein, obwohl die ersten vier Episoden linear gleich am Stück versendet werden (und die beiden bisher nicht zur TV-Ausstrahlung angekündigt sind). Zwischen nationaler Starbesetzung und hohem Produktionsaufwand bleibt die Story dabei leider völlig auf der Strecke. Schwebte Headautor Justin Koch wahrscheinlich so etwas wie ein norddeutscher Western vor, basierend auf historischen Erdölfunden in der Lüneburger Heide, erinnert das Ergebnis eher an „Dallas“ auf dem „Immenhof“.

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1899 hat Johanna es im ländlichen Norddeutschland nicht leicht: Weil das Geld des elterlichen Hofes für ihre Familie nicht annähernd reicht, muss sie sich als Magd beim Großbauern Wilhelm Pape (Tom Wlaschiha) verdingen. Der ist ein Sadist vor dem Herrn, was die Feldarbeit für die Frauen zur Hölle macht.

Nachdem sie sich für eine Kollegin eingesetzt hat, wird Johanna gleich gefeuert und soll sich eine Arbeit in der Stadt suchen. Doch Wilhelms Sohn Richard (Aaron Hilmer), der seit Kindertagen einen Crush auf Johanna hat, hat eine bessere Idee. Er vermutet, dass sich unter dem kleinen Wäldchen der Lamberts Erdöl befindet und will ihnen das Land abkaufen – und gleichzeitig um Johannas Hand anhalten. Doch zwischen den Papes und den Lamberts gibt es eine alte Fehde und Johannas Vater Georg (Peter Schneider, „Dark“) weigert sich, den geerbten Familienwald an die Erzfeinde zu verkaufen. Kurz darauf liegt er tot im Straßengraben.

Hoffnungsträger oder zerstörerisches Element: Erdöl überströmt Johanna (Harriet Herbig-Matten) und Richard (Aaron Hilmer) NDR/​Boris Laewen

Durch einen Trick kann sich Wilhelm das Lambert’sche Waldstück selbst sichern, für den ehrgeizigen Sohn Richard bleibt nur der Job als Platzmeister auf der Bohrstelle. Der Ölrausch zieht auch alle möglichen Menschen von außerhalb an, von Arbeitern bis zu einem britischen Spekulanten. Doch die Bohrungen bleiben nicht ohne Folgen: Austretendes Öl verseucht das Grundwasser und die Felder der Kleinbauern – was Wilhelm (ganz Kapitalist) nur zu den Worten verleitet, umso besser, dann seien die bald gezwungen, ihre Felder zu verkaufen. Einzig Johanna leistet Widerstand und organisiert eine Unterschriftensammlung für eine Petition an den Landrat. Damit bringt sie ihre Restfamilie in große Gefahr …

Nein, das Drehbuch haben nicht Heidi Reichinnek und Jan van Aken verfasst. Vielmehr versuchen die AutorInnen um Koch hier, vor historischem Hintergrund Kapitalismuskritik mit einer großen tragischen Liebesgeschichte zu verbinden. Originell ist daran nichts. Die Grundkonstellation ist Romeo und Julia entlehnt, was an sich ja nicht die schlechteste Referenz sein muss: hier die jungen Liebenden, dort ihre seit Ewigkeiten verfeindeten Familienclans. Auch die generationenübergreifende Fehde zwischen den Ewings und den Barnes hatte sich dieses Konzept schon bei Shakespeare geliehen. So ist es vielleicht kein Zufall, dass „Schwarzes Gold“ stark an die wohl berühmteste Serie übers Erdölbusiness erinnert. Leider ist Tom Wlaschiha aber kein Larry Hagman und Deutschland auch nicht Hollywood. So wirkt alles, was im Texas der 1980er Jahre noch funktionierte, hier gleichermaßen provinziell und überkandidelt.

Pferdeoper in der Lüneburger Heide: Bösewicht Wilhelm (Tom Wlaschiha, vorne) mit Helfer NDR/​Boris Laewen

Ganz billig wird die Produktion wohl nicht gewesen sein. Regelmäßig fliegt die Drohne über die blühende Heide, um die Schönheit der Landschaft einzufangen. Bauerstochter Johanna galoppiert durch den Wald, als hätte sie bei Calamity Jane persönlich das Reiten gelernt, immer gekleidet mit modischem Cowboyhut. Dazu dräunt Originalmusik, die in ihrer Pseudo-Folkigkeit klingt, als hätte ein Blockbuster-Komponist den alten „Robin Hood“-TV-Soundtrack aus den 80ern geremixt. Tatsächlich stammt die Musik – oh, Wunder – von Hans Zimmer, dem Meister des generischen Action-Gewummers. Es gibt Boxkämpfe und brennende Scheunen und mit Jessica Schwarz als verbitterter Mutter Johannas und Lena Urzendowsky („In die Sonne schauen“) als zwischen Lebensfreude und Verzweiflung pendelnder Schwester Richards hat man einige der interessantesten deutschen Schauspielerinnen der Gegenwart versammelt.

Bei all dem Aufwand scheint man aber irgendwie die Drehbucharbeit vergessen zu haben. So unglaubwürdig sich die Handlung entwickelt, so gestelzt und unrealitisch kommen die Dialoge rüber. Alle Figuren werden auf jeweils eine oder zwei Charaktereigenschaften begrenzt. Johanna ist die Starke und Gute, Richard der gutherzige Naivling und sein Vater Wilhelm der selbstsüchtige Böse. Wie das Ganze ausgehen wird, kann man sich nach den ersten Episoden ungefähr denken. Muss man, nebenbei bemerkt, auch, wenn man kein Internet hat, denn im Ersten sind die letzten beiden Episoden gar nicht angekündigt (!).

Die heilige Johanna der Heide: Heldin mit Familie (Jessica Schwarz, l., Leo Knižka) NDR/​Boris Laewen

Es ist schon eine Krux mit den deutschen Prestigeserien: Immer wenn man denkt, langsam hätten es die Produzenten und Auftraggeber verstanden, wie man auch inhaltlich zu internationalen Standards aufschließt (wie zuletzt etwa bei Apples „Where’s Wanda?“ oder Disneys „Call My Agent Berlin“), kommt wieder eine Miniserie daher, bei der das Drehbuch wirkt wie nach dem Prinzip Malen nach Zahlen erstellt. All das, was die großen Erfolgsserien der Streamingdienste so erfolgreich macht – originelle Wendungen, vielschichtige Figuren, die sich weiterentwickeln – fehlt hier völlig. Da helfen alle Schauwerte nichts, wenn man sich schon während der Auftaktfolge abwechselnd langweilt und fremdschämt. Eine Qualitätsserie zeichnet sich eben nicht in erster Linie durch schöne Bilder und unmotivierte Action aus – it’s the characters, stupid!

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Miniserie „Schwarzes Gold“.

Meine Wertung: 2,5/​5

Die sechsteilige Miniserie steht ab dem 22. Dezember in der ARD Mediathek zum Abruf bereit. Die Episoden 1 bis 4 werden am Montag, den 29. Dezember ab 20:15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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