„Mord auf dem Inka-Pfad“: Kampf um ein Geständnis – Review

True-Crime-Miniserie mit kleinen Macken schickt deutsche Ermittlerin nach Andenmord um die Welt

Christopher Diekhaus
Rezension von Christopher Diekhaus – 18.04.2025, 14:00 Uhr

Krebsforscherin Ursula Glück (Amelie Kiefer) kommt während einer Peru-Reise gewaltsam zu Tode – Bild: ARD Degeto Film/BR/Westside Filmproduktion GmbH/Joe Alblas/Composing: Matthias Klegraf
Krebsforscherin Ursula Glück (Amelie Kiefer) kommt während einer Peru-Reise gewaltsam zu Tode

Im März 2025 warf der bekannte Medienanwalt Christian Schertz in einem Interview mit der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ einen kritischen Blick auf den nach wie vor anhaltenden True-Crime-Boom. Manche Formate, die reale Verbrechen rekonstruieren, schlachteten Schicksale für Einschaltquoten und Klickzahlen aus und kümmerten sich nicht um die Rechte der Opfer – so die Bestandsaufnahme des Juristen. Als besonders anstößig empfinde er es, wenn sich sogar öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten an einer reißerischen Aufarbeitung beteiligten wie im Falle einer durch das Land tourenden Live-Show des „Bayern 3 True Crime“-Podcasts, in der das Publikum über Schuld oder Unschuld des verurteilten Mörders abstimmen soll. Mit seinen Anmerkungen trifft Schertz einen wunden Punkt. Denn in der Schwemme an Serien und Filmen über Kriminalgeschichten aus dem wahren Leben gibt es deutlich zu viele Produktionen, die rücksichtslos auf Unterhaltung getrimmt sind. In diese Kategorie fällt die ARD-Degeto-Arbeit „Mord auf dem Inka-Pfad“ zwar nicht. Effekthascherische Mittel kommen aber auch in dem Viertteiler über einen aufsehenerregenden Mordfall aus dem Jahr 1997 sporadisch zum Einsatz.

Basierend auf einer Vorlage des preisgekrönten Fernsehautors Rolf Basedow (unter anderem verantwortlich für Dominik Grafs gefeierte Krimiserie „Im Angesicht des Verbrechens“), entwickelten Mika Kallwass („RESET – Wie weit willst du gehen?“) und Nina Wolfrum („Gestern waren wir noch Kinder“) eigene Drehbücher, in denen sie den gewaltsamen Tod einer deutschen Krebsforscherin auf dem Inka-Trail in Peru nachzeichnen. Das Verbrechen hatte vor und nach der Jahrtausendwende für einige Schlagzeilen gesorgt. Nicht zuletzt, weil die Münchner Polizei intensive, weltumspannende Ermittlungen anstrengen musste, um genügend Beweise für einen Prozess gegen den stets seine Unschuld beteuernden Ehemann des Opfers zu sammeln.

1997 unternimmt die 34-jährige Ursula Glück (Amelie Kiefer, „Push“) zusammen mit ihrem Gatten Jona Kepler (Thomas Prenn, „Deutsches Haus“) eine Reise auf dem berühmten Wanderpfad, der zur Ruinenstadt Machu Picchu führt. Eines Nachts wird die junge Frau im Zelt angeschossen und stirbt kurz darauf in einem Krankenhaus in Lima. Die Täter: einheimische Räuber. Das zumindest behauptet Kepler – der komplette Name des Ehemanns wurde für die Serie abgeändert – gegenüber der Münchener Kommissarin Rita Berg (Nina Gummich, „Theresa Wolff – Der Thüringenkrimi“), die ihn zunächst nur als Zeugen vernimmt. Anders als ihr Kollege Jens Auer (Florian Karlheim, „SOKO München“) ist sie davon überzeugt, dass Jona lügt. Doch auch ihr Vorgesetzter Josef Wilfling (Juergen Maurer, „Vienna Blood“) zögert. Nicht nur ließ die peruanische Polizei den Ehemann trotz eines Anfangsverdachts wieder laufen. Ermittlungen gegen ihn hätte auch politische Sprengkraft. Denn nie zuvor wurde – so heißt es jedenfalls in der Degeto-Produktion – in Deutschland ein israelischer Staatsbürger des Mordes beschuldigt. Ein Aspekt, den Kallwass und Wolfrum allerdings nicht übermäßig aufblasen. Dass die Tötung Ursula Glücks internationale Wellen schlägt, wird im Dialog mehrfach betont. Wohl aus Platz- und Zeitgründen gehen die Macherinnen darauf aber nicht genauer ein.

Kommissarin Rita Berg (Nina Gummich) legt für den Fall einiges an Strecke zurück. ARD Degeto Film/​BR/​Westside Filmproduktion GmbH/​Joe Alblas/​Composing: Matthias Klegraf

Ohnehin sind die Verwicklungen des Falls derart groß, dass man wahrscheinlich selbst in zehn Folgen nicht alles abdecken könnte. Die Miniserie muss viele Ereignisse eindampfen und bewältigt diese Aufgabe größtenteils souverän. Rückblenden, die das Paar auf dem Wanderweg oder beim Kennenlernen in Israel zeigen, wechseln sich mit Szenen im Polizeipräsidium und weiteren Recherchen ab. Letzteres geschieht, weil die von Nina Gummich energisch gespielte Polizistin am Ball bleibt, ihre männlichen Kollegen unbedingt von ihren Zweifeln an Kepler überzeugen will. Jona ist ein undurchschaubarer Charakter, wie Berg von Ursulas Bruder (Daniel Langbein, „Die Toten vom Bodensee“) erfährt. Und der Verdächtige selbst bestätigt, dass seine Beziehung ein ständiges Auf und Ab war – leidenschaftlich halt!

Was er dagegen erst einmal für sich behält: Mit Verantwortung und einer ernsthaften Zukunftsplanung tut er sich schwer. Vor allem nach dem Umzug nach New York war er von seiner Ehefrau finanziell abhängig. Noch dazu hat er in ihrem Namen mehrere Lebensversicherungen abgeschlossen. Eben dieser Punkt und rege, kostspielige Reisebewegungen im Anschluss an Ursulas Tod liefern der Kommissarin schließlich genügend Munition, um Kepler verhaften zu können.

„Mord auf dem Inka-Pfad“ entspinnt sich als Mix aus Reisesequenzen und intimen Verhörpassagen, die in Richtung eines Psychoduells tendieren. Immer wieder bekommen wir wuchtig-ausladende Naturbilder vom Höhenwanderweg serviert, die allerdings nicht in Peru, sondern in Südafrika gedreht wurden. Die Location-Scouts haben sich große Mühe gegeben, Orte zu finden, die die Andenregion doubeln können. Ein wenig ist der landschaftliche Unterschied dennoch auszumachen – was aber keinen nachteiligen Einfluss auf die Wirkung des Geschehens hat. Erfreulicherweise behält die Serie den internationalen Charakter der Ermittlungen weitgehend bei. Will heißen: Die Einheimischen sprechen in ihrer Sprache (oder auf Englisch), es kommt nicht zur allgemeinen Verdeutschung, wie sie in vielen Degeto-Werken üblich ist. Etwas schmunzeln muss man jedoch, als Rita Berg in Cusco auf den fließend Deutsch parlierenden Polizeichef Rocas (Ruben Engel, „Bulletproof“) trifft. Warum er die Kenntnisse besitzt? Ganz einfach! Seine Frau stammt aus Rostock (!).

Jona Kepler (Thomas Prenn) beteuert standhaft seine Unschuld. ARD Degeto Film/​BR/​Westside Filmproduktion GmbH/​Joe Alblas/​Composing: Matthias Klegraf

Ein andere Sache stößt in diesem Zusammenhang negativer auf: Im Revier wird beim Besuch der Münchener Kommissarin eine mysteriöse, fast schon bedrohliche Stimmung erzeugt, die völlig überzogen scheint, selbst wenn die Peruaner bei ihren Nachforschungen nicht ganz sauber gearbeitet haben. Weniger wäre definitiv mehr gewesen. Gelegentlich greift Nina Wolfrum, die zusätzlich zur Drehbuchtätigkeit alle vier Episoden inszenierte, auch andernorts zu leicht aufdringlichen Mitteln. Hier eine bedeutungsschwangere Zeitlupe, da ein betont ominöses Pfeifen Keplers oder eine arg dramatische Musikuntermalung. Überhand nehmen die Spielereien zum Glück aber nicht.

Einen starken Eindruck hinterlässt, abgesehen von einem plakativen, genau zur richtigen Zeit erfolgenden Überfall, die in der dritten Folge einsetzende Tatortbegehung auf dem Inka-Pfad mit mehreren Experten aus Deutschland und Vertretern der örtlichen Behörden. Besonders dieser Teil macht spürbar, wie viel Aufwand, wie viele Anstrengungen unternommen werden, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.

Ihre größte Intensität entwickelt die Serie freilich in den Verhörmomenten. Die von Andreas Köhler („Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“) geführte Kamera rückt den Charakteren dabei unnachgiebig auf die Pelle, erforscht die Gesichter und ruft durch eine zuweilen leicht schräge Perspektive ein Gefühl massiver Anspannung hervor. Bemerkenswert ist außerdem die Darbietung Thomas Prenns, zumal der gebürtige Südtiroler erst kurz vor Drehbeginn zum Team hinzustieß, also nicht viele Vorbereitungsmöglichkeiten hatte. Verletzlichkeit, Unsicherheit, Trotz, Kälte und Arroganz – all diese Facetten bündelt und transportiert er als ständig neue Ausreden suchender, die Schuld entschieden von sich weisender Hauptverdächtiger. Dank seiner eindringlichen Performance spürt man, wie sehr das Ringen um ein Geständnis für die Polizisten zu einem Kraftakt wird. Der einzige Wermutstropfen: Wie so oft im True-Crime-Genre wirkt die Täterfigur am Ende deutlich komplexer als das Opfer, das weniger Handlungsraum erhält.

Dieser Text basiert auf der Sichtung aller vier Folgen der Miniserie „Mord auf dem Inka-Pfad“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die Miniserie „Mord auf dem Inka-Pfad“ ist ab dem 19. April in der ARD Mediathek verfügbar. Am Mittwoch, dem 30. April erfolgt die lineare Ausstrahlung mit den ersten beiden Episoden ab 20:15 Uhr im Ersten. Einen Tag später sind, ebenfalls ab 20:15 Uhr, die Kapitel 3 und 4 zu sehen.

Über den Autor

Christopher Diekhaus, Jahrgang 1985, erlebte seine TV-Sozialisation in den 1990er-Jahren. Seine echte Liebe für den Flimmerkasten entbrannte allerdings erst gegen Ende der Schulzeit. Nach seinem Studium landete er zunächst in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma. Seit 2013 schreibt Christopher als Freiberufler Film- und Serienkritiken. Das Portal fernsehserien.de unterstützt er seit Ende 2019. Im Meer der Veröffentlichungen die Perlen zu entdecken – diese Aussicht spornt ihn immer wieder an. Insgeheim hofft er, irgendwann eines seiner in der Schublade liegenden Drehbücher zu verkaufen. Bis er den Oscar in Händen hält, sichtet und rezensiert er aber weiter fleißig die neuesten Serien.

Lieblingsserien: Devs, Lass es, Larry!, Severance

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