„Foundation“: Komplexe Asimov-Adaption ist verwirrend, aber gut – Review

Apples Sci-Fi-Epos überzeugt mit starken SchauspielerInnen und tollen Bildern

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 24.09.2021, 07:00 Uhr

„Foundation“ – Bild: Apple TV+
„Foundation“

Es ist schon ein etwas größenwahnsinniges Unterfangen, das sich David S. Goyer („The Dark Knight“) und Josh Friedman („Snowpiercer“) für ihre Apple TV+-Serie „Foundation“ vorgenommen haben. Sie wollen die Geschichte der (zukünftigen) Menschheit in einem Zeitraum von 1000 Jahren erzählen, basierend nicht etwa auf einem Science-Fiction-Roman, sondern auf dem ausufernden Romanzyklus von Isaac Asimov. Der begann bereits in den 1940er Jahren mit einzelnen Geschichten, die 1951 zum ersten Band der späteren Foundation-Trilogie (deutscher Titel: „Der Tausendjahresplan“) zusammengefasst wurden. Knapp 30 Jahre nach Beendigung der Trilogie entstanden erste Fortsetzungen, ältere Bücher des Autors wurden nach und nach durch Querverweise in den Zyklus integriert. Die TV-Serie, die auf 80 Folgen angelegt sein soll, bedient sich sehr frei an einzelnen Ideen und Figuren – wohl vor allem der Original-Trilogie – und kombiniert diese mit eigenen Ideen neu.

Als Zuschauer ohne größere Vorkenntnisse schwirrt einem während der gut einstündigen Auftaktepisode des Öfteren der Kopf, so schnell werden hier fremdartige theoretische Konzepte wie die Psychohistorik, neue Planeten, Völker und das Galaktische Imperium mit seiner bereits 12000-jährigen Geschichte weniger eingeführt, als vielmehr als gegeben vorausgesetzt. Ähnlich wie etwa in David Lynchs umstrittener Verfilmung von „Dune – Der Wüstenplanet“ versteht man erstmal nur die Hälfte, wenn man die Romane nicht gelesen hat. Das leistet der Faszination aber keinen Abbruch, ist es doch eine schillernde und hier zudem technisch hervorragend in Szene gesetzte Welt, die Asimov entworfen hat.

Da ist zunächst der urbane Planet Trantor, Hauptwelt des 50 Millionen Planeten umfassenden Imperiums und Sitz des Imperators Cleon I. Der wird wohl nicht nur der erste, sondern auch der letzte Kaiser sein, regiert er doch bereits seit 400 Jahren und ist durch Klonen quasi unsterblich. Faktisch wird er einfach alle paar Jahrzehnte durch sein jüngeres Ich ersetzt. Gleichzeitig opfert sich der gealterte frühere Diktator, nachdem ein neues Baby als Thronfolger geklont wurde. So existieren immer drei unterschiedlich alte Versionen der gleichen Person, wobei die mittlere (der Amtsinhaber) immer von Lee Pace dargestellt wird, egal im welchem Jahrhundert sich die Handlung gerade abspielt. Pace spielt den selbstgerechten unterkühlten Alleinherrscher mit jener Arroganz, die er schon seiner Figur in „Halt and Catch Fire“ verlieh, allerdings um einige Potenzen gesteigert.

Dekadenter und quasi unsterblicher Diktator: Lee Pace als Cleon I. Apple TV+

Dass Trantor kein Planet ist, auf dem man gerne leben würde, wird trotz aller Macht, die er ausstrahlt, schnell klar. Vieles an dem Herrschaftssystem erinnert an das dekadente Römische Reich (an dessen Untergang sich Asimov auch orientiert hat) und schon bald prophezeit der angesehene Mathematiker Hari Seldon (Jared Harris, „Chernobyl“) den unaufhaltsamen Zerfall des Imperiums. Diesen hat er mit Hilfe der von ihm entwickelten Wissenschaft der Psychohistorik berechnet. Seine These bringt ihn schnell wegen Aufrufs zum Aufruhr vor Gericht. Er wird in einem Scheinprozess auch verurteilt, dann aber von Cleon I. ins Exil geschickt. Auf dem Planten Terminus am Rande der Galaxis soll er mit anderen WissenschaftlerInnen eine neue Zivilisation aufbauen – die titelgebende Foundation -, die der Diktator – sollte sich Seldons These wider Erwarten bestätigen und das Reich untergehen – einfach annektieren und so seine Macht sichern könnte.

Bereits in den ersten drei Episoden springt die Handlung mehrere Male Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte vor und zurück. Erst allmählich erschließen sich die Zusammenhänge und die Hintergründe des komplexen politischen Systems. Nicht gerade hilfreich dabei, einen emotionalen Zugang zu der Geschichte zu finden, ist auch, dass die beiden zentralen, positiv besetzten Hauptfiguren am Ende der zweiten Folge – vorläufig – aus dem Spiel genommen werden. Das ist neben Seldon, den Haris mit seiner unnachahmlichen britischen Art zum Sympathieträger macht, die junge Mathematikerin Gaal Dornick (Lou Llobell), die es dank ihrer Intelligenz von einer armen und wissenschaftsfeindlichen Außenwelt zur Assistentin Seldons gebracht hat. Llobell ist eine echte Neuentdeckung, eine starke Frauen- und Identifikationsfigur für die ZuschauerInnen, die auch als Off-Erzählerin durch die Handlung führt.

Stammt aus ärmlichen Verhältnissen, ist aber brillant: Lou Llobell als Gaal Dornick Apple TV+

Eine weitere starke Frau ist Salvor Hardin (Leah Harvey), die einige Jahrzehnte nach dem Aufbruch Seldons auf Terminus als eine Art Soldatin/​Polizistin für die Sicherheit der Siedler sorgt, bis ein Krieg mit den ursprünglichen BewohnerInnen ausbricht. Dieser actionlastige Handlungsstrang ist bisher der uninteressanteste, weil man Ähnliches schon zu oft gesehen hat.

Faszinierend ist hingegen alles, was sich im und rund um den Kaiserpalast auf Trantor abspielt, intrigieren die drei „Brüder“ des Triumvirats trotz ihrer genetischen Identität doch oft eher gegeneinander, statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Und dann ist da auch noch ihre engste Beraterin Eto Demerzel (Laura Birn), ein weiblicher Roboter und Überlebende der Roboterkriege, die seit Jahrtausenden im Hintergrund die Strippen zieht.

Mit seinen komplexen Hintergrundkonzepten und -geschichten sowie den zahlreichen parallel verlaufenden Handlungssträngen ist „Foundation“ der neueste Vertreter jener modernen Art von Science-Fiction-Serien, zu denen auch „The Expanse“ zählt. Und als anderes Vorbild muss man trotz des anderen Genres sicher auch „Game of Thrones“ nennen, das den Weg für solche ausufernden TV-Verfilmungen ganzer Romanreihen geebnet hat.

Durch seine Theorien wird er zum Visionär und Gründer einer neuen Zivilisation: Jared Haris als Hari Seldon Apple TV+

Produktionstechnisch steht die Asimov-Adaption auf gleicher Stufe: Egal, ob der nächtliche Himmel über einem Wasserplaneten oder gigantische Raumstationen, die über endlosen Megastädten schweben – alles sieht phantastisch aus. Hinzu kommt noch der kongeniale Soundtrack von Bear McCreary („Battlestar Galactica“). Auch die schauspielerische Qualität ist erstklassig, nicht nur in den Haupt-, sondern auch in den Nebenrollen, was man schon an Gaststars wie Clarke Peters („The Wire“) oder Alexander Siddig („Star Trek – Deep Space Nine“) erkennt.

Hinter allem technischen und mathematischen Hokuspokus entwirft die Serie zudem im Kern höchst menschliche Figuren und existenzielle Fragestellungen. Egoismus, Gier und Verrat beschäftigen die Menschheit offenbar auch noch in 12000 Jahren, ebenso wie der Konflikt zwischen Schicksal und Selbstbestimmung. Und die Frage, ob unser Planet und unsere Lebensform eigentlich noch zu retten sind, ist ja gerade mal wieder hoch aktuell. Eine Antwort darauf deutet „Foundation“ bereits in den ersten Folgen an: Zumindest ohne grundlegende Veränderungen wird es nicht gehen.

Phantastische Welten: Gaals Heimatplanet Apple TV+

„Foundation“ ist aber auch eine Serie, die es ihren ZuschauerInnen nicht einfach macht, die manchmal ermüdend oder unverständlich wirkt. Vielen SF-Fans wird das wohl schon nach kurzer Zeit zu viel werden und auch bei mehr Geduld ist nach sechs Folgen noch nicht absehbar, ob diese Erzählweise wirklich über viele Staffeln tragen wird. Das Fundament für ein neues Maßstäbe setzendes TV-Weltraumepos ist aber gelegt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten sechs Episoden von „Foundation“.

Meine Wertung: 4/​5

Die erste Staffel von „Foundation“ startet weltweit am 24.September auf Apple TV+ mit der Veröffentlichung von zwei Folgen. Die restlichen Episoden der ersten Staffel folgen im wöchentlichen Rhythmus.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Absolut sehenswerte Umsetzung der Romanreihe.

    Die lautstarken, pauschalen Negativkritiken einzelner Kritiker sind politisch motivierte. Hat nichts mit der Qualität der Serie zu tun.
    • am

      Absolute Enttäuschung.
      Was für ein großartiger Roman (Foundation-Trilogie) von Isaac Asimov - und was für ein erbarmungswürdiger Abstieg der Verfilmung in political correctness, Genderismus, zwanghafter Diversität und Anti-Diskriminierungs-Hysterie.
      Mit großer Vorfreude bin ich begierig eingestiegen, auf ein sicherlich grandioses Erlebnis einer schon lange überfälligen Verfilmung mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln, mit der Erwartung an die Darstellung starker, bewundernswerter, vorbildhafter Charaktere, auf überwältigende Bilder einer Jahrtausende alten galaktischen Hoch-Zivilisation.
      Doch statt eines großartigen Wurfes - ein erbärmliches klein-klein, zwei verliebte Hoppel-Häschen deplazieren einen Hary Seldon, dargestellt als einen altkluger, aufschneiderischen Dummkopf, ausgestattet mit ein paar albernen Fachausdrücken, aber sonst überall menschlich-daneben, in die zweite Reihe.
      Nichts von der Stimmung des Romans, von der Großartigkeit unt´d Tragweite eines einzigartigen, weitdenkenden Geistes.
      In dümmlicher political correctness werden die von Asimov ja achso benachteiligte Randgruppen in Form eines dunkelhäutigen verängstigten kleinen Mädchens in den Vordergrund gepusht, die, da sie schon ihren Heimatplaneten vor dem - hört, hört! - steigenden Meeresspiegel gewarnt hat, nun schnell auch noch mit ihrer selbst Seldon überragenden Brillianz zur Erretterin der ganzen Galaxis gekürt.
      Nichts davon im Roman.
      Ich habe nach anderthalb Folgen abgebrochen - tief enttäuscht.
      Man muß schon voll medial brainwashed sein, um noch irgendetwas Sehenswertes in einer 100%en Anpassung an den politisch korrekten Mainstream-Wahn entdecken zu können.
      Vielleicht auch kommt man ja mit dem politisch anbiedernden Flachsinn besser zurecht, wenn man den Roman nicht kennt.
      Aus Sicht von Apple ist die Intention jedenfalls klar ersichtlich: mache statt eines weißen, erwachsenen Mannes eine nichtweißes, weibliches Kind zum Protagonisten, und und niemand wird es wagen, das Machwerk - wie schlecht auch immer - mit negativer Kritik zu belegen.

      Von mir jedenfalls 0 Sterne für die schlechteste Vorlagenumsetzung des Jahres.
      • am

        Ich habe bis jetzt nur die erste Episode gesehen und finde es bislang okay. Die Bücher habe ich nicht gelesen, finde aber, dass einem das oft den Spaß an Film- und Fernsehadaptionen zerstört, weil man unweigerlich anfängt zu vergleichen.


        Meine kleine Zusammenfassung meines unvollständigen Eindrucks: Es ist komplex, macht neugierig, aber obwohl es bildgewaltig gefilmt ist, fehlt es dem Piloten gleich in mehrfacher Hinsicht an Originalität, auch was das Setting anbelangt. Hier sehe ich noch Verbesserungsbedarf.


        Die Serie hatte ich als Anlass für ein Testabo von Apple TV genommen und mich sehr darauf gefreut, aber wenn sich die Serie nicht deutlich steigert, glaube ich nicht, dass ich nach dem Ablauf der Testzeit noch weiter dabei bleiben werde.
        • (geb. 1965) am

          Apple TV + auf eine einzige Serie zu reduzieren - das ist schräg. In Sachen Qualität. sowohl technisch als auch erzählerisch, ist das für mich der beste Streaming-Service.
      • (geb. 1954) am

        Hört auf zu gendern. Die Mehrheit ist dagegen. Hier verseucht es sogar unsere emotionalen Rückzugsräume ohne Not mit Ideologie.
        • am

          Emotionale Rückzugsräume? Fernsehserien.de? Okay, das klingt schräg...


          Trotzdem, nur weil eine Mehrheit angeblich dagegen ist, möchtest du den Leuten hier vorschreiben, wie sie zu schreiben haben? Das finde ich jetzt schon mehr als schräg. :-O
        • (geb. 1955) am

          Es sind wohl eher die wenigen Mebschen, die der Mehrheit vorschreiben wollen, anders als bisher zu schreiben.
          Und da immer noch die alten Regeln gelten, stimmt es wohl, worüber sich nicht nur ein Leser aufregt - unabhöngig davon, was er erwartet oder nicht.

          Gendern entzweit die Gesellschaft, anstatt sie zu vereinen; erreicht damit eher das Gegenteil von gelebter Gleichberechtigung.
        • am

          Ich halte den Grund für das Gendern für frei erfunden (als ob jemals beim Ruf "Das Büfett ist eröffnet" jemand sitzen geblieben wäre, weil er sich nicht angesprochen fühlte).
          Aber Gott sei Dank, gibt es ja das Plugin "Binnen-I be gone" für den Browser der Wahl.
          Deswegen habe ich vom Gendern hier auch erst durch den Kommentar erfahren.
        • am

          sehe ich auch so, danke!

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