75 Jahre ARD: Meine märchenhafte Fernsehkindheit mit Puppenspiel, Zeichentrick, Klamauk und viel Musik

Rückblick auf unbeschwerte TV-Erlebnisse voller Sammelleidenschaft in den 80er und 90er Jahren

Florian Gessner
Florian Gessner – 19.04.2025, 09:00 Uhr

75 Jahre ARD: Meine märchenhafte Fernsehkindheit mit Puppenspiel, Zeichentrick, Klamauk und viel Musik – Rückblick auf unbeschwerte TV-Erlebnisse voller Sammelleidenschaft in den 80er und 90er Jahren – Bild: ARD/MDR/Barrandov-Filmstudio/SRFCiné aktuell Filmgesellschaft GmbH/BR/Fotostudio Meile/HR/Krátký Film/SWR/Studio Hamburg Enterprises/ORF/Apollo Filmverleih/Cat's/Marlyse Press Photo/MPP/WDR/Trickstudio Lutterbeck/ARD Degeto/Radio Bremen/Collage by TV Wuns

Der Zauber des Zeichentricks

Bunte animierte Bilder waren in meiner sehr frühen Kindheit das, was mich auf dem Fernsehbildschirm am meisten ansprach. In dieser Hinsicht unterschied ich mich wahrscheinlich nicht von den meisten anderen Kindern. Meine wahren „Zeichentrick-Lieblinge“ waren dabei eher im ZDF zu Hause. Vom ARD-Angebot der 80er Jahre konnte mich allerdings noch über das Vorschulalter hinaus „Die kleine Hexe“ (nach Otfried Preußler) auf ganz besondere Weise verzaubern. Dieser erstmals 1985 in drei Teilen im Ersten gezeigte Film, den man als Mischung aus Zeichentrick und Scherenschnitt bezeichnen kann und der sich auch in unserem Videoarchiv befand, ist zugegebenermaßen aus heutiger Sicht sehr schlicht produziert – ähnlich wie der Flachfiguren-Animationsfilm „Krabat“. Die Münder der Figuren bewegen sich während der Dialoge nicht, was für das Genre Zeichentrick eher untypisch ist. Zudem wurden in der westdeutschen Fassung des SDR alle Charaktere von einer Person, nämlich der Schauspielerin Gisela Trowe, synchronisiert.

Als Kind störte ich mich aber kaum an der knappen technischen Ausstattung, weil ich deutlich spürte, dass dennoch viel Liebe in dieser Produktion der Firma Krátký Film steckt. Insbesondere die Musik von Petr Skoumal trug dazu bei, dass ich mich als Kind an den richtigen Stellen entweder geborgen fühlte oder regelrecht gruselte. Bemerkenswerterweise blieb mir diese nur selten wiederholte Verfilmung in all den Jahren stets präsent, während die Erinnerung an viele aufwändiger gestaltete Zeichentrickfilme mit der Zeit verblasste.

Ein weiterer solcher Videoarchiv-Schatz war der amerikanisch-ungarische Zeichentrickfilm „Das Nilpferd Hugo“, der von der Freundschaft eines verwaisten Nilpferds mit Kindern erzählt und 1983 innerhalb des ARD-Weihnachtsprogramms zu sehen war. Zum Jahresende 1988 durfte ich dann endlich selbst einmal die deutsche TV-Premiere eines solchen weihnachtlichen Zeichentrick-Highlights miterleben (wenn auch noch unter elterlicher Aufsicht oder in Anwesenheit meiner Geschwister), nämlich den sehr eindrucksvoll produzierten „Glücks-Bärchi-Film“. Vor dem bösen Geist, der den Zauberlehrling Nicholas dazu anstiftet, alle Liebe auf der Welt in Hass zu verwandeln, habe ich mich damals besonders gegruselt. Die Darstellung des Geistes als leuchtendes Gesicht in einem Zauberbuch konnte für Kinder im Vorschulalter schon sehr angsteinflößend sein. Doch zum Glück gab es ja noch die Bärchis.

In der Zeit, in der ich mich dann deutlich interessierter mit dem aktuellen und linearen TV-Angebot befasste, zählte vor allem die Serie „Es war einmal … das Leben“ (SWF/​WDR) mit dem eingängigen von Gabie Loh gesungenen Titelsong zu meinen Favoriten. Mein Bruder machte mich darauf aufmerksam, als die Sendung 1990 nachmittags im Ersten lief. Ich fand die Idee von menschlich agierenden Blutkörperchen, Antikörpern und anderen kuriosen Gestalten innerhalb des eigenen Körpers schon ziemlich beeindruckend. Dass die Realität nicht so aussah, war mir klar. Aber diese Vorstellung half mir bei Krankheiten des Öfteren dabei, an die eigenen Abwehrkräfte zu glauben. Für den Biologie-Unterricht half mir die Serie jedoch nicht und weckte bei mir auch kein Interesse, mich mit medizinischen Themen zu befassen.

Ähnlich verhielt es sich mit der verwandten (ursprünglich im ZDF gezeigten) Serie „Es war einmal … der Mensch“, die in meiner Kindheit in den ARD-Programmen wiederholt wurde. Das Beste daran ist für mich noch heute der Titelsong „Tausend Jahre sind ein Tag“ von Udo Jürgens, weshalb ich den Vorspann immer wieder gerne sah. Dem daran anschließenden Geschichtsunterricht konnte ich trotz der bunten Bilder und zuweilen lustigen Charaktere dagegen nicht sehr viel abgewinnen. Das wahre Leben machte mir allerdings in deutlich höherem Ausmaß bewusst, wie wichtig es tatsächlich ist, die Gegenwart zu verstehen und sich mit den Fehlern der menschlichen Vergangenheit zu befassen.

Mein größtes Lob innerhalb der ARD-Zeichentrickhistorie möchte ich gegenüber dem japanisch-deutschen Klassiker „Nils Holgersson“ von 1979/​80 aussprechen, der im Auftrag von BR, HR und dem ORF entstand. Diese Serie über den Reifeprozess des Bauernsohn Nils von einem faulen und bösartigen Jungen zu einem verantwortungsbewussten und tierlieben Menschen lernte ich erst mit der Wiederholung von 1994 und in den Folgejahren richtig kennen. Die Figuren waren mir bereits vorher vertraut, da wir ein Gesellschaftsspiel zur Serie hatten. Seit jeher ist es genau diese Kombination von händischer Zeichentechnik, authentischer Synchronisation und melancholisch angehauchter musikalischer Begleitung, die mich damals wie heute am meisten berühren kann. Mehr noch als die Geschichte verzauberte mich hier ein weiteres Mal die bewegende Musik von Karel Svoboda, dessen Soundtracks für die im ZDF gezeigten und auf ähnliche Weise produzierten Serien „Wickie und die starken Männer“, „Die Biene Maja“, „Pinocchio“ und „Tao Tao“ nach meinem Empfinden ebenso einzigartig und unverwechselbar sind.

Darüber hinaus hatte ich immer wieder großen Spaß an klassischen Cartoons wie solchen, die innerhalb der „Trickfilmschau“ liefen. Gleichwohl hatte ProSieben in dieser Hinsicht in den frühen 90ern deutlich mehr zu bieten wie beispielsweise die „Familie Feuerstein“, die jedoch ursprünglich mal in den ARD-Regionalprogrammen gezeigt wurde. Unvergessen bleiben für mich außerdem die ARD-Erstausstrahlungen der Comic-Verfilmungen „Asterix, der Gallier“ (25. Dezember 1990), „Asterix und Kleopatra“ (25. Dezember 1991) und „Asterix erobert Rom“ (26. Dezember 1992), die ich zusammen mit meinen älteren Geschwistern sah. Noch heute amüsiere ich mich köstlich über die Prüfung, in welcher Asterix und Obelix den Passierschein A38 aus der Präfekturverwaltung besorgen sollen.

In der heutigen Realität komme ich mir oft ganz genauso vor wie die beiden in diesem „Haus, das Verrückte macht“. Damals war dies eher seltener der Fall. Das allgemeine soziale Miteinander fühlte sich für mich ohnehin noch ganz anders an als heutzutage. Zu dieser Zeit war es außerdem noch ein echtes Event, wenn solche Kinoklassiker wie die Asterix-Filme – obwohl diese damals schon mehrere Jahre auf dem Buckel hatten – erstmals im Free-TV zu sehen waren. Gerade in der Weihnachtszeit, die für mich immer die schönste Zeit des Jahres war, nahm ich es auch ganz genau so wahr. Es waren sozusagen echte zusätzliche Weihnachtsgeschenke, um die das familiäre Videoarchiv wieder etwas erweitert wurde.

„Die Sendung mit der Maus“ – Der zeitlose Kinderprogrammklassiker

Wie sicher für die meisten Kinder der 80er und 90er Jahre war „Die Sendung mit der Maus“ auch für mich ein kleines Highlight am Sonntagmittag. Vor allem die Ausgaben der Jahre 1991 bis 1993 habe ich sehr konsequent mitverfolgt. Ich erinnere mich noch heute sehr gerne an die darin gezeigten Lachgeschichten „Der kleine Maulwurf“, „Zirp, die Grille“, „Der Hase und der faule Förster“, „Barney“, „Der kleine Eisbär“, „Lilliputput“ und sogar noch an den erstmaligen Auftritt von „Käpt’n Blaubär“, der ab 1993 mit dem „Käpt’n Blaubär Club“ eine eigene Sendung bekam.

Die Sachgeschichten, in denen Armin Maiwald und Christoph Biemann so manches erklärten, was nicht einmal die Erwachsenen wussten, fand ich ebenfalls interessant und spannend gestaltet. Am meisten beeindruckte es mich immer, wenn man Einblicke in den Arbeitsablauf von Fabriken bekam. Der für mich wohl interessanteste Beitrag war damals ein Film über die Herstellung von Musikkassetten. Neben der Videokassette war dies für mich das wichtigste Medium überhaupt. Denn Hörspiele und Musik waren schon immer meine große Leidenschaft, besonders wenn sie sich mit TV-Erlebnissen kombinieren ließen. So war es relativ klar, dass ich die eingängigen und mit Zeichnungen begleiteten Kinderlieder in der Maus ebenso gerne sah und hörte, darunter zum Beispiel „Der Computerstorch“, „Ein Hund fährt mit der U-Bahn“, „Die Teichpiraten“ oder der „Katzentatzentanz“. Zuweilen zeigte West 3 diese Titel sogar außerhalb der Maus als Lückenfüller in seinem Kinderprogramm.

Auch die Maus-Folgen der frühen 90er Jahre archivierte ich damals sehr exakt auf Video, entschied aber dann nach einigen Jahren, dass die Bänder überspielt werden können. Ich hatte schlichtweg den Eindruck, dass die 1971 gestartete „Sendung mit der Maus“ in dieser Form nicht vernünftig archiviert werden konnte. Denn es handelt sich bei nahezu jeder Ausgabe um eine Kompilation aus mehreren alten und neuen Einzelbeiträgen, die sich teilweise in späteren Folgen wiederholten. Zudem fesselten mich die eher kurzweilig erzählten Geschichten ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr so sehr wie beispielsweise die Mehrteiler der Augsburger Puppenkiste. Heute finde ich es schade, die Aufzeichnungen nicht aufbewahrt zu haben, ist doch letztlich jede Maus-Folge trotz allem ein Unikat, also eine einzigartige Zusammenstellung. Insbesondere die seinerzeit nur einmal oder selten in der Maus gezeigten Beiträge dürften heute besonders rar und nur schwer zugänglich sein.

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