75 Jahre ARD: Meine märchenhafte Fernsehkindheit mit Puppenspiel, Zeichentrick, Klamauk und viel Musik

Rückblick auf unbeschwerte TV-Erlebnisse voller Sammelleidenschaft in den 80er und 90er Jahren

Florian Gessner
Florian Gessner – 19.04.2025, 09:00 Uhr

75 Jahre ARD: Meine märchenhafte Fernsehkindheit mit Puppenspiel, Zeichentrick, Klamauk und viel Musik – Rückblick auf unbeschwerte TV-Erlebnisse voller Sammelleidenschaft in den 80er und 90er Jahren – Bild: ARD/MDR/Barrandov-Filmstudio/SRFCiné aktuell Filmgesellschaft GmbH/BR/Fotostudio Meile/HR/Krátký Film/SWR/Studio Hamburg Enterprises/ORF/Apollo Filmverleih/Cat's/Marlyse Press Photo/MPP/WDR/Trickstudio Lutterbeck/ARD Degeto/Radio Bremen/Collage by TV Wuns

Die Lümmel-Filme als irreführende Einstimmung auf meine Grundschulzeit

Eine bis heute sehr häufig gezeigte Filmreihe, die meine Schwester, meinen Bruder und mich wieder zusammen vor dem Fernseher versammelte und dabei für jede Menge Spaß sorgte, ist zweifellos „Die Lümmel von der ersten Bank“ mit Hansi Kraus als Pepe Nietnagel und Theo Lingen als Oberstudiendirektor Dr. Taft. Vermutlich ab etwa 1989 sah ich mir die Mitschnitte der im ARD-Programm gesendeten Teile „Zur Hölle mit den Paukern“, „Pepe der Pauker Schreck“, „Hurra, die Schule brennt“ und „Wir hau’n die Pauker in die Pfanne“ einige Male an. Erstmals wurden diese vier Filme nach meinen Recherchen 1987 im Rahmen der ARD-Sommerkomödie im Ersten gezeigt. Dabei handelte es sich um eine Spielfilm-Sendereihe, die im Sommer 1987 von Anfang Juli bis Ende September mit leichter Unterhaltungskost das Programm bereichern sollte. Im Reihentrailer, der jedem Film vorangestellt wurde und mir daher noch besonders gut in Erinnerung geblieben ist, waren ausdrucksstarke Szenen aus den verschiedenen Komödien zu sehen.

Am witzigsten fand ich seinerzeit Ruth Stephan in ihrer Rolle als Frau Dr. Knörz, geb. Pollhagen, die mir im Gegensatz zu ihren männlichen und rigoroser auftretenden Lehrerkollegen sogar manchmal etwas leidtat, wenn sie einem Schülerstreich zum Opfer fiel. Mein Lieblingsfilm der Reihe war damals ganz zweifellos „Hurra, die Schule brennt“ mit Peter Alexander und Heintje. Ausgerechnet diesen Teil mochten meine Geschwister eher weniger, weil innerhalb der Handlung so viel gesungen wird, noch dazu auf volkstümliche und altmodische Art. Mir jedoch machten gerade diese Lieder Spaß, insbesondere „Wir zwei versteh’n uns gut“. Jedoch fehlten zu meinem Ärgernis auf unserem VHS-Mitschnitt die letzten 75 Sekunden des Films. Dr. Peter Bach (Peter Alexander) und Direktor Dr. Taft (Theo Lingen) schweben gerade nach dem Fallschirmsprung aus einem Segelflugzeug in schwindelerregender Höhe in der Luft. Hier endete die Aufnahme und ich wollte unbedingt wissen, was genau im Anschluss passierte. Aber diese Frage konnten mir meine Familienmitglieder leider nicht beantworten. Doch als dann am 19. Oktober 1990 im Ersten eine Wiederholung lief, wurde meine Neugier gestillt und ich durfte endlich sehen, wie der Film ausgeht.

Die Lümmel-Filme werden von Kritikern oft als „Blödelfilme“ betitelt, da sie voller Klamauk sind und wenig Tiefgang zu bieten haben. Als Kind störte ich mich an dem albernen Humor überhaupt nicht oder mochte die Filme vielleicht sogar gerade deshalb so gerne. Allerdings vermittelten sie Vorschulkindern kein realistisches Bild davon, wie es in einer Schule wirklich zugeht, wozu sie auch nie gedacht waren. Aber tatsächlich wurde meine Vorstellung von Schule zunächst sehr nachhaltig durch diese Filme geprägt. So dachte ich, dass alle Lehrer wirklich so seltsam drauf wären wie die unbeliebten Pauker in diesen Filmen und ich freute mich daher absolut nicht auf meine Einschulung. Glücklicherweise machte ich mit Beginn meines ersten Schuljahres dank meiner sehr netten und verständnisvollen Klassenlehrerin die gegenteilige Erfahrung.

Das legendäre ABBA-Special vom „Musikladen“

Last, but not least möchte ich an eine Sendung erinnern, die für mich bis heute eine der eindrucksvollsten Musiksendungen überhaupt ist: die legendäre von Radio Bremen produzierte „Musikladen“-Ausgabe Nr. 27 „The Best of ABBA„. Diese wurde erstmals am 31. März 1976 im seinerzeit nur regional empfangbaren NDR als „Musikladen Extra“ und deutschlandweit am 21. August 1976 im ARD-Programm gezeigt. Im Zusammenhang mit diesem Special, in welchem die vier Schweden zehn starke Songs aus ihrem damaligen Repertoire performten, war im deutschsprachigen und niederländischen Sprachraum die Doppel-LP „The Very Best of ABBA – ABBA’s Greatest Hits“ mit 24 ABBA-Songs erschienen. Dieses Doppelalbum, das sich hierzulande sehr gut verkauft haben muss, befand sich auch in unserem Haushalt. Mein Vater hatte den Großteil der LP-Titel auf eine Kassette überspielt, die hin und wieder während Autofahrten mit der Familie eingelegt wurde.

Obwohl ich als etwa vier- bis fünfjähriger Junge noch kein Englisch verstand, war ich so fasziniert von dieser Musik und diesen eingängigen Liedern, dass die Kassette bald in mein Kinderzimmer wanderte. Dort lief sie auf meinem Kassettenrekorder geradezu in Endlosschleife und ich wollte wissen, von welcher Quelle die Aufnahmen stammten. Wenig später kannte ich dann die gesamte Doppel-LP und bewunderte beim Hören der Songs immer wieder das schöne Plattencover mit den vielen bunten Fotos von den Auftritten im „Musikladen“. Es dauerte allerdings noch bis zur Zeit des ABBA-Revivals in den 90ern, genauer gesagt bis zum 12. April 1993, als es mir während eines Osterurlaubs mit der Familie in Süddeutschland endlich mal vergönnt war, das TV-Special und überhaupt die Gruppe ABBA erstmals in bewegten Bildern erleben zu dürfen. Den Zusammenhang zwischen der Sendung und dem Doppel-Album erkannte ich selbstverständlich sofort mit Beginn des ersten Clips. In visueller Hinsicht imponierten mir besonders die blauen Anzüge, die mir schon auf dem LP-Cover so gut gefallen hatten. Mamma Mia!

Es spricht für sich, dass die Videos aus diesem Special in den Folgejahren noch mehrfach ausgewertet wurden, beispielsweise innerhalb der Sendungen „ABBA & Co.“, „25 Jahre ABBA – Thank You For The Music“ und „Die 30 schönsten Hits von ABBA“. Die „Musikladen“-Clips zu den ABBA-Songs „Fernando“ und „Chiquitita“ (Ausgabe Nr. 45 vom 22. März 1979) schafften es sogar mit der Genehmigung von Radio Bremen bis in die „ZDF-Kultnacht“.

Meine Geburtstagsständchen-Wahl

Wenn ich als Kind das Kürzel ARD hörte, dachte ich ohnehin unweigerlich auch an das ZDF. Wer kannte damals nicht den Spruch: Bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe? Dazu kam, dass gerade während meiner Kindheit noch große Teile des Vormittagsprogramms gleichzeitig im Ersten und im ZDF zu sehen waren. Dies diente dazu, Kosten einzusparen, was allerdings für meine Wahrnehmung belanglos war. Ich erlebte die beiden öffentlich-rechtlichen Programme in meinen unbeschwerten Kindheitsträumen wirklich wie eine harmonische Gemeinschaft, obwohl die ARD als ein eigenständiger Verbund mit ihren regionalen Rundfunkanstalten ganz anders organisiert ist als das ZDF. Dabei ist es Fakt, dass ARD und ZDF eben nicht nur miteinander kooperierten (zum Beispiel in Form von Gemeinschaftssendern wie im Fall von 3sat oder später KiKA und Phoenix), sondern auch in Konkurrenz zueinander standen und stehen.

Mein damaliges Lebensgefühl, mit dem ich in meiner frühen Kindheit und Grundschulzeit aufwuchs, war jedoch ein völlig anderes. Bei allem Konkurrenzdruck, mit dem ich als Kind durchaus schon konfrontiert wurde, dominierte bei mir letztendlich doch immer die Vorstellung, dass man Teil einer Gemeinschaft ist, in der alle miteinander gut auskommen möchten. So nahm ich auch solche Gemeinschaftsaktivitäten von ARD und ZDF wahr. Diese Art von Gefühl kommt meinem Empfinden nach besonders gut durch die im nachfolgenden Video verlinkte Pausenmusik (das Instrumentalstück „Brunch“ von David Mohan) aus dem gemeinsamen Vormittagsprogramm von ARD und ZDF der Jahre 1989–1993 zum Ausdruck. Wenn ich mir erlauben darf, ein Geburtstagsständchen zum 75-jährigen Bestehen der ARD auszuwählen, so ist dies meine erste Wahl.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum 75-jährigen Bestehen, liebe ARD! Und auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit dem ZDF bei Gemeinschaftsprojekten und generell auf hoffentlich harmonischere Zeiten in der Zukunft!

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Über den Autor

Florian Gessner ist Jahrgang 1984 und seit frühester Kindheit fasziniert von märchenhaften und phantasievollen Geschichten. Dies spiegelt sich auch in seiner großen Vorliebe für Klassiker des Kinderfernsehens wie „Biene Maja“, „Heidi“, „Tao Tao“, die Stücke der Augsburger Puppenkiste und die Astrid-Lindgren-Verfilmungen wider. Schon als Kind archivierte er seine Lieblingsserien mit einer akribischen Sammelleidenschaft und liebte es bereits damals, die geschnittenen und zum Teil neu abgemischten Hörspielfassungen mit den TV-Tonspuren zu vergleichen. Seitdem er mit dem Zugang zum Internet in den frühen 2000er Jahren die Portale wunschliste.de und fernsehserien.de entdeckt hat, unterstützt er sie regelmäßig – besonders gerne mit Daten aus der Vergangenheit, in den Jahren 2007 und 2008 auch mit drei kurzen Newsbeiträgen. Im Laufe der Zeit sammelte er dabei ein großes Wissen über die Geschichte des deutschen Kinderfernsehens an, ist jedoch auch gegenüber anderen TV-Genres aufgeschlossen. So interessiert er sich unter anderem für Mysteryserien und Retro-Gameshows, aber auch für Sendungen über gesellschaftskritische und wissenschaftliche Themen aller Art. Im Rahmen seines Studiums der Kom­mu­ni­ka­tions­wis­sen­schaft war er kurzzeitig als Praktikant für die Firma tätig. Für seine Masterarbeit führte er eine 19 Jahre umfassende Längsschnittanalyse der Programmprofile von KiKA und Super RTL durch. Mit seinem eigenen kleinen Hörspielverlag, der 2019 offiziell startete, setzt er nebenberuflich ein Projekt um, das ihm sehr am Herzen liegt. Seit 2024 ist er freiberuflich für wunschliste.de und fernsehserien.de tätig und schreibt seitdem auch wieder Artikel zur Ergänzung und Verstärkung der Newsredaktion.

Lieblingsserien: Ich heirate eine Familie …, Puschel, das Eichhorn, Twilight Zone – Unwahrscheinliche Geschichten

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1984) am

    @Don (1977) (via tvforen.de am 26.04.2025, 22.46 Uhr)

    Meine gestrige Antwort (23.55 Uhr) auf Deinen tvforen-Beitrag erscheint leider systembedingt nicht bei fernsehserien.de. Daher poste ich sie hiermit ein weiteres Mal als eigenen Kommentar:

    > Florian Gessner schrieb am 26.04.2025, 23.55 Uhr:

    In späteren Jahren fand ich die anderen Filme dann auch deutlich interessanter. Aber im Vorschulalter ging für mich die größte Faszination eindeutig von "Hurra, die Schule brennt" aus. Ich meine, der war auch später noch beim jüngeren KiKA-Publikum sehr beliebt. Meine Geschwister waren 1987, als die Filme in der "ARD-Sommerkomödie" ausgestrahlt wurden, bereits 9 und 11. Das hat bestimmt etwas ausgemacht.

    > Dein Geburtstagsständchen, war das nicht auch
    > die Titelmelodie der "Presseschau"?

    Ja, als Titelmelodie der "Presseschau" wurde ein Teil daraus verwendet, offenbar sogar noch in 1995:
    https://www.youtube.com/watch?v=uotJYoJszcI
    • am via tvforen.de

      Mir geht es wie Deinen Geschwistern, "Hurra, die Schule brennt" ist der Lümmelfilm, den ich am wenigsten mag. Peter Alexander ist die ganze Zeit im Film so selig verständnisvoll, fast wie auf Drogen.
      Und diese Bonanza-Aufführung am Ende fand ich unglaublich öde.

      Dein Geburtstagsständchen, war das nicht auch die Titelmelodie der "Presseschau"?
      • am

        Volle Zustimmung. <3
        • (geb. 1984) am

          Vielen Dank! Das freut mich sehr. :-)
      • am via tvforen.de

        Da fällt mir vor allem Peter Podehl's spannende TV Serie für Kinder ein. Am 15.11.62 begann seine zehnteilige Serie "Die Höhlenkinder" (und das war für mich der Beginn meines eigenen Fernsehzeitalters).

        Gruss,

        Chrissie
        • am via tvforen.de

          Zeichentrickfilme und Augsburger Puppenkiste mochte ich nicht, aber "Lassie" mit Jeff fand ich wunderbar.
        • am via tvforen.de

          chrissie777 schrieb:
          -------------------------------------------------------
          > Zeichentrickfilme und Augsburger Puppenkiste
          > mochte ich nicht, aber "Lassie" mit Jeff fand ich
          > wunderbar.

          Bei mir war es genau andersrum. Konnte mit "Lassie" gar nichts anfangen.
        • am via tvforen.de

          Krid H. Erne schrieb:
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          > chrissie777 schrieb:
          > --------------------------------------------------
          > -----
          > > Zeichentrickfilme und Augsburger Puppenkiste
          > > mochte ich nicht, aber "Lassie" mit Jeff fand
          > ich
          > > wunderbar.
          >
          > Bei mir war es genau andersrum. Konnte mit
          > "Lassie" gar nichts anfangen.


          ...bei mir genauso,nur dass ich heute immer noch Zeichentrickserien und Augsburger Puppenkiste
          anschau,aber Lassie nicht mehr...

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