25 Jahre Nickelodeon – Eine TV-Kindheit in orange

Ein persönlicher Jubiläums-Rückblick auf das Nickelodeon der 90er-Jahre

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 05.07.2020, 10:35 Uhr

25 Jahre Nickelodeon - Eine TV-Kindheit in orange – Ein persönlicher Jubiläums-Rückblick auf das Nickelodeon der 90er-Jahre – Bild: Nickelodeon/Viacom

Nickeloden ist einer der weltweit erfolgreichsten Kindersender mit zahlreichen internationalen Ablegern. Während der Sender in den USA schon 1979 startete, ging es in Deutschland am 5. Juli 1995 los. Nickelodeon feiert heute sein 25-jähriges Bestehen in Deutschland – wobei dies nicht ganz der Wahrheit entspricht. Denn der Weg des Senders war hierzulande steinig und schien zum Scheitern verurteilt. Mitte 1998 musste der Sendebetrieb vorerst eingestellt werden. Es dauerte bis September 2005, als Nickelodeon zum zweiten Mal in Deutschland an den Start ging. fernsehserien.de blickt in einer mehrteiligen Reihe auf die Geschichte des Senders zurück. Im ersten Teil schildert Redakteur Glenn Riedmeier aus einer sehr persönlichen Sicht seine Erinnerungen an das Nickelodeon der 90er-Jahre.

Nickelodeon – Entdeckung und Offenbarung

Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, aber es muss Anfang 1996 gewesen sein. Als damals Zehnjähriger zappte ich auf unserem alten Röhrenfernseher immer wieder durch sämtliche eingespeiste Sender im Münchner Kabelnetz, wenn mal wieder nichts Spannendes auf den üblichen Kanälen zu sehen war. Auf Programmplatz 27 entdeckte ich eines Tages einen Sender mit dem seltsamen Namen Nickelodeon. Es lief eine knallbunte Zeichentrickserie mit Kleinkindern – meine Neugier war sofort geweckt. Ich blieb dran. Was war das für ein Sender? Und weshalb kannte ich all die dort gezeigten Serien noch nicht? Das schien ein völlig neues Universum zu sein.

In den darauffolgenden Wochen verbrachte ich immer mehr Zeit mit Nickelodeon – es wurde zu einem festen Ritual, dass ich mich mit großer Vorfreude nach der Schule nachmittags vor den Fernseher setzte. Die Moderatoren sprachen in einer Weise zu mir und den anderen Kindern vor der Mattscheibe, die ich zuvor aus dem Kinderprogramm noch nicht kannte.

Micky Maus Magazin/​Juli 1997

Sie hießen Ralf, Ute, Matthias, Nina, Kerstin und Patrick. Sie waren sympathisch und offen, sie nahmen uns Kinder ernst. Sie waren lustig, ohne kindisch zu sein. In „Post up“ lasen sie Fanpost vor, in „Spiel mit“ spielten sie über das Telefon Videospiele mit uns.

Micky Maus Magazin/​Juli 1997

Bei „Auf Draht“ tauschten sich die Moderatoren mit den Anrufern zu einem bestimmten Tagesthema aus. Kinder konnten über die kostenfreie(!) Telefonnummer anrufen und ihre Gedanken und Sorgen teilen – oder in den Gewinnspielen die begehrten Gimmicks aus dem Nickelodeon-Universum einheimsen, allen voran den grünen Nickelodeon-Slime.

Nick is Kids

Im Nachmittagsprogramm gab es zwischen den gezeigten Serien mehrere dieser knapp fünfminütigen Live-Sendungen, in denen sich die Moderatoren aus einem quietschbunten Studio voller Spielsachen meldeten. Es waren Moderatoren, mit denen ich mich als Kind identifizieren konnte. Sie füllten den Sender mit Leben, Persönlichkeit und menschlicher Wärme, denn Nickelodeon war das Gegenteil eines kalten Abspielsenders.

Ungewöhnlich fand ich bereits als Kind, dass die Serien stets zur vollen oder halben Stunde begannen. Die übrige Zeit wurde mit Jingles, Pausenfüllern, Trailern und sogenannten Bumpern gefüllt – die ihrerseits bereits ein Füllhorn an Kreativität waren. Selbst die Werbepausen-Jingles schienen bei Nickelodeon mit Liebe gemacht.

Ich fühlte mich wohl bei Nickelodeon, er wurde innerhalb kürzester Zeit zu meinem absoluten Lieblingssender. Ob die abgedrehten Nicktoons wie die „Rugrats“, „Rockos modernes Leben“ und „Die Ren & Stimpy Show“ oder die eigenproduzierten Realserien wie „Clarissa“, „Pete & Pete“, „Grusel, Grauen, Gänsehaut“ und „Was ist los mit Alex Mack?“ – sie alle hatten eine Gemeinsamkeit: Sie waren nicht langweilig, sie waren Rock’n’Roll, einfach anders als alles, was ich davor kannte. Nickelodeon war der Gegenentwurf zum 1997 startenden Kinderkanal, den ich auf Anhieb mit Verachtung strafte. Nein, auf pädagogisch einwandfreies und braves Kinderprogramm (so wirkte es auf mich als Elfjähriger) hatte ich definitiv keine Lust. Das war eine Grundsatzentscheidung, die ich traf.

Nickelodeon

Mein Gefühl hat mich nicht getrogen, denn der Kinderkanal hatte einen entscheidenden Einfluss darauf, dass das Nickelodeon der 90er-Jahre dem Untergang geweiht war. Nickelodeon verlor nach dem Start des Kinderkanals in vielen Kabelnetzen seinen Sendeplatz, wodurch die ohnehin geringe Reichweite des Senders immer weiter schrumpfte. Davon bekam ich als Kind natürlich nichts mit, denn ich konnte den Sender glücklicherweise weiterhin empfangen. Umso härter traf mich der Schock, als eines Tages im Mai 1998 eine Hinweistafel mit blauem Hintergrund eingeblendet wurde:

Nickelodeon/​Screenshot

Ungläubig dachte ich zuerst, dass ich irgendetwas nicht richtig verstanden hatte und Nickelodeon bestimmt nur auf einen anderen Programmplatz wechseln würde. Doch als die Hinweistafel im laufenden Programm nach jeder Serie erneut zu sehen war und auch die Information zusätzlich in einem Laufband zu lesen war, dämmerte es mir allmählich. Aber wieso jetzt? Und warum so plötzlich? Wie ist das möglich, wo doch noch vor wenigen Wochen neue Nick-Moderatoren vorgestellt wurden? Fragen, die unbeantwortet blieben.

Viel Zeit vor dem Abschied blieb nicht mehr. Zwischen den Serien wurden nun immer wieder Auf-Wiedersehen-Trailer und „Der letzte Nick Live Club“ gezeigt, in dem sich alle meine liebgewonnenen Moderatorinnen und Moderatoren im Studio versammelten und mit feuchten Augen ein Abschiedslied sangen.

Das Programm der letzten Sendetage stimmte nicht mehr mit dem eigentlichen Sendeplan überein. Es schien plötzlich alles egal zu sein. Am 31. Mai 1998 gingen endgültig die Lichter aus. Als letzte Sendung lief um 19:30 Uhr „Pete & Pete“, bis heute eine meiner Lieblingsserien. Gezeigt wurde die Folge „Telefonterror“ – ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen.

Eigentlich war meine Zeit mit Nickelodeon von relativ kurzer Dauer – knapp zweieinhalb Jahre. Aber es war eben für mich als Heranwachsenden eine sehr intensive Phase, die mir im Rückblick viel länger vorkommt – weil ich sie in so wohliger Erinnerung habe. Beim Aus des Senders hieß es, dass die Nickelodeon-Serien bestimmt alle ein neues Zuhause finden werden.

Nickelodeon/​Screenshot

Nicht auf alle traf dies zu – so manche Serie lief seitdem überhaupt nicht mehr im deutschen Free-TV. Nicktoons wie „Hey Arnold!“ und „Rockos modernes Leben“ wurden hingegen bald bei RTL im Kinderprogramm gezeigt. Doch irgendetwas in mir hat sich dagegen gesträubt. Es fühlte sich falsch an, die Serien dort zu sehen – es fehlte einfach etwas, und zwar nicht nur das orangefarbene Senderlogo. Erst einige Zeit später war ich bereit dazu.

Als Nickelodeon im September 2005 den zweiten Versuch in Deutschland startete, hatte ich bereits Abitur gemacht. Dennoch habe ich mich über die Rückkehr zunächst gefreut und fieberte dem Sendestart entgegen. Doch schnell stellte ich fest, dass es einfach nicht wie damals war. Ich freute mich für alle Kinder der nachwachsenden Generationen, aber meine Nickelodeon-Zeit war vorbei.

Auf den nächsten Seiten blicken wir intensiver auf die Chronik des Senders sowie prägende Nickelodeon-Sendungen aus den 1990er-Jahren zurück.

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