Covert Affairs – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 28.08.2010

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Joan, Auggie und Annie

Eines vorweg: Obwohl in einigen Medienberichten die Vergleiche zwischen „Covert Affairs“ und „Alias“ nur so sprudeln, darf man getrost feststellen, dass beide Formate praktisch nichts miteinander zu tun haben, trotz weiblicher CIA-Agentin als Protagonistin. Stattdessen gelingt dem neuen Format von USA das Kunststück von vorne bis hinten durchstilisiert zu sein und dennoch eine gewaltige Portion Realismus auf den Bildschirm zu bringen. Alles ist sehr bedacht ausgewählt: Einstellungen, Beleuchtung, Schnitt und die oft hervorragende Musik. In der Einsatzzentrale in Langley sucht man überdrehte „Navy CIS“ oder „C.S.I.“-Technik vergebens. Stattdessen ist die Einrichtung modern, aber dennoch recht nachvollziehbar und vertraut. Als Zugabe gibt es für alle Kaffee-Fans auch noch eine hauseigene Starbucks-Filiale – ein Detail, das so bizarr ist, dass es nur der Realität entspringen kann.

Genauso überzeugend wie das Ambiente ist von der ersten Sekunde an Piper Perabo als Annie Walker. Trotz ihres offensichtlichen Talents sind die Nervosität und die leichte Tollpatschigkeit des ersten Tages am Traum-Arbeitsplatz ebenso nachvollziehbar wie die verdrängten Gefühle für ihre große Liebe. Besonders interessant ist außerdem, dass sie nicht über ihren Arbeitsalltag mit ihrer Familie sprechen kann. Auch nicht mir ihrer großen Schwester Danielle (Anne Dudek, „Mad Men“), bei der sie in einem Vorort von Washington wohnt und die glaubt, dass Annie als Kuratorin im Smithsonian Museum arbeitet. Danielle ist das genaue Gegenteil von Annie, hat sich mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern gemütlich niedergelassen, während Annie schon immer akut vom Reisefieber befallen war. Man darf sicher davon ausgehen, dass Danielle und ihre Familie früher oder später von Annies durchaus gefährlichem Arbeitsalltag eingeholt werden. Bis dahin ist aber eher Annie die Gefährdete, vor allem durch Danielles Kuppelversuche.

Danielle (Anne Dudek) ahnt nichts von dem eigentlichen Beruf ihrer Schwester Annie.

Als Zuschauer will man gar nicht, dass Annie in der Ferne nach einer potentiellen Romanze Ausschau hält. Mit Auggie liegt das Gute doch so nah. Christopher Gorham, der bereits als sexy Geek in „Alles Betty!“ eine große Fangemeinde für sich gewinnen konnte, ist die Idealbesetzung für den charmanten Technik-Freak, der sich seiner Anziehungskraft durchaus bewusst ist. Auffallend ist dabei, dass Auggie sofort seinen Flirt-Motor in Gang setzt, wenn eine Kollegin den Raum betritt. Bei Annie ist der Respekt aber irgendwie größer, die beiden verstehen sich. Der Ausflug in die Leichenhalle ist Beweis genug dafür, dass Annie und Auggie als Team äußerst erfolgreich, und recht schamlos sein können.

Darauf setzt sicher auch die eisgekühlte, für den Heimatschutz verantwortliche Chefin Joan Campbell – zumindest, wenn sie nicht gerade mit ihren eigenen Grabenkriegen beschäftigt ist. Joan, exzellent verkörpert von Kari Matchett, nutzt nämlich sämtliche Ressourcen der CIA um ihrem Ehemann Arthur (Peter Gallgher, „O.C., California“) hinterher zu spionieren. Der ist wiederum selbst ein hohes Tier beim Geheimdienst. Das Ehepaar befindet sich in ihrem eigenen, kalten Krieg, der auch nicht endet, nachdem Joan zweifelsfrei per Spionage feststellt, dass Arthur doch keine Affäre mit einer Kollegin hat. Noch wirken sich die Spannungen der beiden nicht auf ihre jeweiligen Aufgaben in Langley aus. Doch falls die eisige Stimmung anhält, dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein.

Piper Perabo und Christopher Gorham

Ab der zweiten Episode dürfen sich „Heroes“-Fans außerdem auf ein Wiedersehen mit Sendhil Ramamurthy freuen, der als Jai Wilcox Joans Team verstärkt. Dabei stößt der geschniegelte und aalglatte Sohn einer Familie, die seit Generationen mit der CIA verbunden ist, sofort auf Abneigung von praktisch allen außer Annie. Nicht einmal Joan scheint ihn unbedingt freiwillig in ihre Einsatzgruppe aufgenommen zu haben.

„Covert Affairs“ zieht seine Zuschauer von der ersten Minute an durch kunstvolle Montagen, kombiniert mit ausgezeichneter Musik, in den Bann. Daneben gelingt es den Autoren Matt Corman und Chris Ord, die Spannung konstant zu erhöhen, wobei sie am Ende der Episode noch höher ist als während des Piloten. Nach dem kunstvollen Cliffhanger will man einfach mehr. Das Potential für ausgezeichnetes Geschichtenerzählen ist bei „Covert Affairs“ aufgrund der sorgsam konstruierten Figuren und der Welt, in der sie sich bewegen, ohnehin schon außergewöhnlich groß. Durch die Einbindung von Annies großer Sri Lanka-Liebe Ben (Eion Bailey, „Emergency Room“) in die übergreifende Erzählung wird „Covert Affairs“ zusätzlich aufgewertet. Der Interessenskonflikt für Annie, gefangen zwischen Ben und CIA, ist praktisch vorprogrammiert, was äußerst vielversprechende Aussichten eröffnet. Bemerkenswert ist außerdem, dass „Covert Affairs“ weder die CIA als Institution in den siebten Himmel lobt, noch zunächst auffallend stark kritisiert. Die Ambivalenz von Annies Tätigkeit wirft dennoch ihre Schatten voraus, erhält sie doch umgehend von ihrem ehemaligen College-Professor den, fast schon flehend wirkenden, Rat, nicht für „diese Leute“ zu arbeiten – eine Warnung, die Annie (noch) nicht ernst nimmt. Dennoch sind „diese Leute“, Annies Kollegen, bislang weder finster, noch gemein und böse. Stattdessen beeindrucken sämtliche Figuren durch einen hohen Level von Professionalität, den man sich durchaus auch an seinem eigenen Arbeitsplatz wünschen darf. Dennoch sind Joan und Arthur als Vorgesetzte durchaus berechnend und ihre Ziele sind mehr als unklar. Annies unschuldige Begeisterung für ihr neues Leben wird sicher nicht endlos anhalten.

Sommerserien sind so eine Sache. In diesem Jahr hatten wir recht billig wirkende Austausch-Produkte wie „Scoundrels“ auf dem Network ABC, klischeebeladene Starvehikel wie „Memphis Beat“ auf TNT und anspruchsvolle Nischenware wie der Verschwörungsthriller „Rubicon“ auf AMC. Dennoch geht der Preis für die beste Sommerserie zweifelsohne an „Covert Affairs“. Kein anderes, neues Format hat in den letzten Monaten Spaßfaktor und Massentauglichkeit so erfolgreich mit stimmigen Charakteren, sympathischen Darstellern, anspruchsvollen Storylines und herausragendem, optischen und akustischem Stil vereinbart. Annie Walkers hoffentlich äußerst lange Karriere hat gerade erst begonnen.

Meine Wertung: 5/​5
Alle Bilder: © 2010 NBC Universal, Inc.

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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