25 Jahre „Big Brother“ – Vom Massenphänomen in die Streamingnische

Ultimativer Rückblick auf die Geschichte der Mutter aller Realityshows

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 21.02.2025, 08:45 Uhr

RTL II opfert Big Brother für Laien-Soaps, Promi Big Brother startet in Sat.1

RTL II verschrieb sich zunehmend dem Genre der Scripted-Reality-Formate. So ging im Sommer 2010 „X-Diaries – love, sun & fun“ an den Start, in dem überwiegend junge Party-Touristen bei ihren Eskapaden und Exzessen auf Mallorca, Lloret de Mar, Rimini und Ibiza gefilmt wurden. Im September 2011 fiel dann der Startschuss für „Berlin – Tag & Nacht“, das den 19-Uhr-Sendeplatz von „Big Brother“ einnahm. Der Erfolg dieser geskripteten Pseudo-Reality-Soaps bedeutete gleichzeitig auch das Aus für den Großen Bruder bei RTL II. Die Senderverantwortlichen freuten sich über die Tatsache, dass sie nun nicht mehr abwarten mussten, bis sich echte Konflikte entwickelten – bei einer geskripteten Sendung kann das gewünschte Verhalten schließlich einfach per Drehbuch-Anweisung erreicht werden. Auf „Big Brother“-Fans wartete nun erstmal eine lange Durststrecke.

Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher Sat.1/​Paul Schirnhofer

Überraschend wurde Mitte 2013 verkündet, dass sich Sat.1 die Rechte an einer deutschen Variante von „Promi Big Brother“ gesichert hatte. Nach dem Vorbild von „Celebrity Big Brother“, das in Großbritannien schon seit 2001 parallel zur Normalo-Version produziert wird, sollte die Promi-Variante dem Großen Bruder in Deutschland neues Leben einhauchen. Die erste Staffel konnte mit Namen wie Jenny Elvers, Martin Semmelrogge, David Hasselhoff und Pamela Anderson aufwarten und wurde noch von Oliver Pocher und Cindy aus Marzahn moderiert. Seit der zweiten Staffel im Jahr 2014 ist Jochen Schropp Moderator von „Promi Big Brother“, seit 2018 unterstützt ihn Marlene Lufen.

Im Gegensatz zur Normalo-Variante ist „Promi Big Brother“ kein Projekt über mehrere Monate, sondern besitzt mit einer Laufzeit von zwei bis drei Wochen einen Eventcharakter wie „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“. Mit durchschnittlich 1,5 bis 2 Millionen Zuschauern hat sich „Promi Big Brother“, wovon inzwischen zwölf Staffeln liefen, für Sat.1 als wichtiges jährliches Programmhighlight etabliert.

Big Brother 12: Erster Comeback-Versuch bei sixx

Es dauerte vier Jahre, bis 2015 ein erster Versuch unternommen wurde, Normalo-„Big Brother“ zurückzubringen. Ziemlich überraschend wurde als Senderheimat dafür der zur ProSiebenSat.1-Gruppe gehörende Frauensender sixx gewählt. Als Moderator wurde Jochen Bendel engagiert, der nicht nur vor vielen Jahren bereits die Begleitshow „Nachtfalke“ auf Tele 5 präsentiert hatte, sondern seit 2014 auch „Promi Big Brother – Die Late Night Show“ moderiert.

Jochen Bendel sixx/​Willi Weber

Konzeptuell wollte man weniger auf spektakuläre Innovationen setzen, sondern sich stattdessen auf die Ursprünge besinnen. Dies bedeutete: Verzicht auf ein Spielfeld für aufwendige Matches, Challenges und ähnlichen Schnickschnack späterer RTL II-Staffeln. Stattdessen mussten die Bewohner es im sogenanten „Secret-Room“ Wochenaufgaben und Spiele bewältigen, die allerdings deutlich kostengünstiger im Vergleich zu früheren Staffeln daherkamen. Auch getrennte Reich- und Arm-Bereiche gab es nicht. Stattdessen lebten alle Bewohner gemeinsam in einem einladenden, gemütlichen Haus. Im Garten gab es allerdings einen kuppelförmigen Strafbereich.

Der Garten inklusive Strafbereich sixx/​Martin Rottenkolber

Zu Beginn mussten die Bewohner einen Partner aussuchen, mit dem sie bis auf Weiteres ein Team bildeten, gemeinsam Matches bestritten – und auch gemeinsam auf der Nominierungsliste landeten. Neu eingeführt wurden außerdem sogenannte Joker, die die Teams in der zweiten Woche aus einer Lostrommel ziehen konnten und im Verlauf der Staffel einlösen konnten. Bei den Jokern handelte es sich beispielsweise um Nominierungsschutz für eine Woche oder eine doppelte Nominierungsstimme. Gegen Ende der Staffel hatten die Bewohner außerdem mehrfach die Möglichkeit, eine Wildcard zu ergattern, mit der sie sich direkt einen Platz im Finale sichern konnten.

Die Bewohner der zwölften Staffel sixx/​Stefan Menne

Für Unmut bei den Fans sorgte die Tatsache, dass bei einigen Bewohnern erneut auf Kandidaten zurückgegriffen wurde, die bereits TV-Erfahrung besaßen und offenbar aus einer Castingdatenbank stammten. Anders als früher waren die Tageszusammenfassungen nicht mehr am Vorabend zu sehen, sondern am späten Abend gegen 22 Uhr auf sixx. Der Pay-TV-Anbieter Sky war wieder mit einem 24-Stunden-Livekanal als Partner an Bord. Mit einer Dauer von 92 Tagen handelte es sich um die bis dato kürzeste deutsche BB-Staffel aller Zeiten. Als Siegerin verließ am 22. Dezember 2015 Lusy mit 100.000 Euro das Haus. Der erhoffte Erfolg stellte sich jedoch nicht ein: Im Schnitt fanden zwischen 300.000 und 500.000 BB-Fans zu sixx. In der werberelevanten Zielgruppe kam die Staffel auf 1,8 Prozent. Damit lag BB zwar ein gutes Stück über dem Senderschnitt, doch für ein teures Prestige-Projekt war dies zu wenig. Daher wurde am Finaltag bekannt gegeben, dass es vorerst keine weitere Normalo-Staffel geben wird.

Big Brother 13: Die Corona-Staffel mit Glas- und Blockhaus

Geschlagene fünf Jahre mussten BB-Fans warten, bis es weiterging: Im Februar 2020 und damit fast genau 20 Jahre nachdem „Big Brother“ das erste Mal in Deutschland startete, wollte diesmal Sat.1 mit einer Jubiläumsstaffel für Aufwind an seinem chronisch schwachen Vorabendprogramm sorgen, nachdem auf dem 19-Uhr-Sendeplatz zuvor bereits zahlreiche Genres wie Daily Soap, Quiz, Magazin und Kuppelshow untergegangen waren. Durch die Live-Shows am Montagabend führte erstmals „Promi Big Brother“-Moderator Jochen Schropp. Auf sixx gab es im Anschluss an die Live-Shows in Sat.1 außerdem „Big Brother – Die Late Night Show“ mit Jochen Bendel und Melissa Khalaj, die mit Gästen über die aktuellen Ereignisse diskutierten.

Bewohner im Glashaus Sat.1

Diesmal wurden zu Beginn 14 Bewohner in zwei Wohnbereiche aufgeteilt: ein spartanisch eingerichtetes „Blockhaus“ mit Berghüttenflair inklusive Hühnerstall stand einem futuristischen „Glashaus“ mit modernster Technik gegenüber. Eine Roboterdame namens Temi interagierte dort mit den Bewohnern. Weder im Glashaus noch im Blockhaus mussten die Kandidaten echte Entbehrungen hinnehmen, hungern oder vor sich hinvegetieren. Stattdessen boten beide Wohnbereiche unterschiedliche Lebenswelten, die jeweils ihre Vorzüge besaßen. Weiterhin gab es hin und wieder Matches, jedoch im Vergleich zu früher viel seltener und deutlich kostengünstiger.

Karnevalsparty im Blockhaus Sat.1

Besonderer Clou der 13. Staffel war, dass die Bewohner – entgegen des Ursprungskonzepts – Informationen von draußen bekamen. Genauer gesagt erhielten sie Sterne-Bewertungen und Kommentare der Zuschauer als Feedback ins Glashaus gespielt – was zu Verunsicherungen bei den Bewohnern und einem Überdenken ihres Verhaltens führen sollte. Wer von den Zuschauern gut bewertet wurde, durfte sich über Belohnungen freuen oder sich einen Wunsch erfüllen – und wurde zum Beispiel vor einer Nominierung geschützt. Zudem hatten die Zuschauer Einfluss darauf, welche Bewohner in den jeweils anderen Bereich wechseln dürfen, doch auch die Bewohner selbst konnten dies durch eigene Leistung beeinflussen.

Die Bewohner werden von Jochen Schropp (l.) und einem Arzt über die Corona-Pandemie informiert. Sat.1

In die Geschichte ging die 13. Staffel vor allem ein, weil sie während des Ausbruchs der Corona-Pandemie stattfand – wovon die von der Außenwelt isolierten Bewohner zunächst überhaupt nichts mitbekamen. Erst am 17. März 2020, in einer live übertragenen Sondersendung, erfuhren die sichtlich geschockten Bewohner davon, als Moderator Jochen Schropp sie zusammen mit einem Arzt und einem Einspielfilm darüber unterrichtete, was gerade in der Welt passierte.

Die Bewohner sind sichtlich geschockt von der Nachricht. Sat.1

Großes Zuschauerinteresse an der Staffel stellte sich jedoch trotzdem nicht ein. Schon im Vorfeld enstand nicht unbedingt der Eindruck, dass Sat.1 für „Big Brother“ viel die Werbetrommel rührte. Es wirkte stets so, als würde der Sender nur mit angezogener Handbremse fahren und dem Format nur geringe Priorität einräumen. Diverse handwerkliche Mängel und Fehlentscheidungen taten ihr Übriges: So gab es zum ersten Mal seit 2004 bei einer Normalo-Staffel keinen 24-Stunden-Livestream mehr, darüber hinaus verzichtete man aus unerfindlichen Gründen auf Tageszusammenfassungen am Wochenende. Zu allem Überfluss ließ man aufgrund gesunkener Quoten nachträglich Ex–„DSDS“-Kandidat Menowin Fröhlich sowie die erfahrenen Reality-TV-Darsteller Jade Übach und Serkan Yavuz einziehen, die zu den restlichen, angenehm „normalen“ Bewohnern wie Gina, Pat, Rebecca und Tim überhaupt nicht passten. Zum Sieger der 100.000 Euro gewählt wurde Cedric Beidinger, der kurz darauf in die Schlagzeilen kam, weil er eine Liaison mit Reality-TV-Luxuslady Claudia Obert einging.

Die Finalisten der 13. Staffel: (v. l.) Vanessa, Gina, Cedric, Philipp, Pat und RebeccaSat.1

Im Schnitt verfolgten die Staffel in Sat.1 zwischen 800.000 und einer Million Zuschauer. Verglichen mit den späteren Staffeln bei RTL Zwei fiel der Unterschied gar nicht mal so eklatant aus. Problematisch war allerdings die Tatsache, dass gerade junge Zuschauer in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen der Sendung fernblieben und die Marktanteile in dieser Altersklasse mit durchschnittlich 5,7 Prozent ungenügend waren – weshalb eine weitere Staffel erneut in weite Ferne rückte.

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