25 Jahre „Big Brother“ – Vom Massenphänomen in die Streamingnische

Ultimativer Rückblick auf die Geschichte der Mutter aller Realityshows

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 21.02.2025, 08:45 Uhr

Staffel 2: RTL steigt ein, Deutschland im Nominator-Fieber

Angestachelt vom Erfolg der ersten „Big Brother“-Staffel wollten die Verantwortlichen nicht zu viel Zeit verstreichen lassen. Zur Überbrückung strahlte RTL Zwei im Sommer 2000 mehrere Wochen lang „Big Brother – Das Beste“ und „Big Brother – Das Leben danach“ aus. Nach dem Durchbruch der ersten Staffel gab es einen Bewerberansturm: Insgesamt sollen sich 70.000 Menschen für die zweite Staffel beworben haben – bei der ersten Staffel waren es 15.000.

Nur drei Monate nach dem Finale der ersten Staffel im Juni ging diese schließlich schon im September 2000 an den Start – mit Veränderungen, was die Ausstrahlung anging: Das große RTL wollte ein Stück vom Kuchen haben und stieg als Partnersender mit ein: Fortan wurden dort am Samstagabend die Live-Entscheidungsshows gesendet, die gleichzeitig die erste größere Herausforderung für Newcomer-Moderator Oliver Geissen war. Als Außenreporterin fungierte außerdem Ex-VIVA-Gesicht Aleksandra Bechtel, die sonntagnachmittags zusätzlich den neuen Ableger „Big Brother – Family & Friends“ präsentierte. Die Moderatoren der ersten Staffel, Percy Hoven und Sophie Rosentreter, waren nicht mehr dabei. Die Tageszusammenfassungen liefen weiterhin täglich um 20:15 Uhr bei RTL II. Im Nachtprogramm sorgte Moderatorin Maike Tatzig live mit „Big Brother – Das Quiz“ für so manch schlaflose Nächte. Auf dem damaligen Digital-Spartensender Single-TV wurde außerdem erstmals der 24-Stunden-Livestream im Fernsehen übertragen – und das sogar kostenlos.

Rein konzeptuell gab es in der zweiten Staffel kaum Veränderungen zur ersten Staffel. Allerdings wurde noch mehr das Credo „Back to Basic“ verfolgt und die Kandidaten mussten sich zusätzliche Essensrationen und warmes Wasser erst erarbeiten. Anstelle von zehn zogen diesmal zu Beginn zwölf Bewohner ein und die Laufzeit der Staffel betrug nun 106 statt 100 Tage. Der Erfolg von „Big Brother“ konnte mit der zweiten Staffel dank erneut kultigen Bewohnern wie dem „Nominator“ Christian, Rocker Harry, „Hexe“ Hanka, „Schwester“ Stefanie, Marion, Karim, Daniela, Ebru, Walter und Alida noch gesteigert werden. Ein Novum gab es allerdings: Zum ersten Mal kehrte eine rausgewählte Bewohnerin zurück und durfte wieder im Rennen um die 250.000 D-Mark mitspielen: Marion, die als erste Kandidatin nach nur zwei Wochen von den Zuschauern rausgewählt wurde, kehrte rund drei Wochen nach ihrem Auszug zurück – nur um dann drei Wochen später freiwillig zu gehen.

Der umstrittenste Bewohner der zweiten Staffel war Christian Möllmann, der sich direkt zum Start selbst „Nominator“ nannte und sich zum Ziel setzte, „alle falschen Typen“ aus der Show zu kicken. Anfangs wurde er mit seinem gezielt provokanten Verhalten zum unbeliebtesten Bewohner gewählt, doch im Verlauf der Staffel gelang es ihm, das Meinungsbild zu seinen Gunsten zu drehen. Seine Statements im Sprechzimmer waren gespickt mit ausgeklügelten Seitenhieben und kreativen Formulierungen, mit denen er die Mehrheit der Zuschauer auf seine Seite ziehen konnte. Während der Nominierung setzte er sich eine Sonnenbrille auf und „diktierte“ seinen Fans, wer in der Sendung ein falsches Spiel spielt und deshalb rausgewählt werden soll. Mit dieser Strategie überlebte er zwei Rauswahl-Votings, doch dann verließ Christian plötzlich unerwartet nach 31 Tagen freiwillig das Haus. Nicht die schlechteste Entscheidung, denn auch er nahm anschließend Songs auf und konnte diverse Charterfolge feiern – allen voran mit „Es ist geil, ein Arschloch zu sein“, der sich mehrere Wochen auf Platz 1 halten konnte und eine Platinauszeichnung erhielt.

Der zweite „Big Brother“-Titelsong „Zeig mir dein Gesicht“ von Berger wurde ebenfalls ein großer Erfolg und schaffte es bis auf Platz 2 der Charts. Da die zweite Staffel auch über die Weihnachtsfeiertage hinweg lief, durfte ein Musikalbum namens „Weihnachten mit Big Brother“ nicht fehlen, auf dem zahlreiche Weihnachtshits von unterschiedlichen Bewohnern „gesungen“ wurden. Wer unbedingt hören wollte, wie Zlatko „Jingle Bells“ und der Nominator „Last Christmas“ interpretieren, wurde hier bedient. Mit permanenter Berichterstattung in Boulevardmagazinen sowie einem täglichen Nacht-Quiz und einer vormittäglichen Call-in-Show war die Sendung auch während der zweiten Staffel in aller Munde. Neben einem erneuten Besuch von Verona Pooth gaben sich Zlatko aus Staffel 1, Boxer Wladimir Klitschko und sogar FDP-Politiker Guido Westerwelle für Besuche im Container her.

Aufgrund der Tatsache, dass „Big Brother“ in den ersten Jahren alleiniger Platzhirsch im Reality-TV war, gab es allerdings noch nicht die Möglichkeit, beliebte Kandidaten in anderen Formaten „wiederzuverwerten“. Dennoch konnten neben Christian Möllmann auch noch andere Bewohner ihre gewonnene Bekanntheit nutzen. Walter Unterweger versuchte sich kurzzeitig ebenfalls als Sänger und schaffte es mit seiner Ballade „Ich geh’ nicht ohne dich“ tatsächlich auf Platz 3 der Charts. Anschließend ergatterte er eine Rolle in der ARD-Soap „Marienhof“. Harry Schmidt hatte zwischen 2002 und 2017 eine wiederkehrende Rolle als Kiez-Kneipenwirt Big Harry in der ARD-Vorabendserie „Großstadtrevier“. Zur Gewinnerin gewählt wurde im Finale einen Tag vor Silvester Alida Kurras, die anschließend Moderatorin bei 9Live und ProSieben („Das Geständnis – Heute sage ich alles“) wurde. Weitere Ex-Kandidaten wurden zu Dauergästen in der Sat.1-Vorabendshow „Quizfire“. Und der wohl nachhaltigste Gewinn: Karim und Daniela, die sich in der zweiten Staffel verliebten, blieben viele Jahre lang ein Paar.

Staffel 3 gerät zum Flop, Reality-TV-Überdruss

Mit der dritten Staffel wendete sich das Blatt: Erneut wollte man den anhaltenden „Big Brother“-Hype weiter melken und schickte bereits Ende Januar 2001, nur einen Monat nach dem Finale der zweiten Staffel, die dritte Staffel auf Sendung. Die bestehende Partnerschaft zwischen RTL mit den Live-Shows und RTL II mit den Tageszusammenfassungen und dem nächtlichen Quiz wurde beibehalten – doch die Zuschauerzahlen sanken drastisch. Zu ähnlich war das Gezeigte, zu uninteressant war diesmal der Cast. Wurden in der zweiten Staffel noch über 20 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen eingefahren, waren die Marktanteile bei Staffel 3 nur noch selten zweistellig und lagen durchschnittlich bei unter 8 Prozent. Folglich ging auch das Medieninteresse an „Big Brother“ schlagartig zurück – und aus den Kandidaten der dritten Staffel wurden keine Stars.

Erwähnenswert ist allerdings, dass mit dem Paar Coco und Katja zum ersten Mal zwei Bewohner einzogen, die sich vor der Sendung bereits kannten. Darüber hinaus wurde erstmals ein Maulwurf eingeschleust: Bewohnerin Silvia war ausgebildete Schauspielerin und handelte im Haus im Auftrag von Big Brother. Nach einiger Zeit flog sie auf. Doch all das half der Staffel nicht, deren Bewohner von den Zuschauern überwiegend als uninteressant und langweilig betrachtet wurden. Nach 106 Tagen wurde Karina zur Gewinnerin der dritten Staffel gewählt, die 300.000 D-Mark als Siegprämie erhielt.

‚Big Brother 3‘ kam definitiv zu schnell. 2000 war die Show noch etwas Einzigartiges und Neues. ‚Big Brother‘ war ‚Must-TV‘ und man musste es sehen, um mitreden zu können. Als wir am 28. Januar 2001 die dritte Staffel ins Rennen schickten, waren die Kandidaten der ersten beiden Durchgänge noch in den Zuschauer-Köpfen und der Weg dementsprechend alles andere als frei den Erfolg neuer Gesichter, sagte Produzent Rainer Laux später im Spiegel-Interview selbstkritisch. Hinzu kommt, dass im Reality Soap-Bereich unheimlich schlechte Formate überhastet auf den Markt geworfen wurden und damit das ganze Genre recht schnell einen negativen Touch bekam.

In der Tat setzte eine Übersättigung ein, da die Konkurrenz nicht schlief und plötzlich eine unüberschaubare Anzahl an „Big Brother“-Klonen und Trittbrettfahrer-Formaten wie Pilze aus dem Boden schossen. Doch sämtliche Versuche wie „Girlscamp“, „House of Love“, „to club“, „Big Diet“, „Gestrandet“, „Das Inselduell“ und „Expedition Robinson“ scheiterten. Aus diesem Grund ließen die Sender anschließend vorerst die Hände von weiteren Versuchen und das Genre Reality-TV schien in Deutschland auserzählt – doch weit gefehlt.

Staffel 4: The Battle läutet eine neue Ära ein

RTL II/​Screenshot

Nach dem Misserfolg der dritten Staffel tat man das einzig Richtige und schickte „Big Brother“ vorerst in einer lange Auszeit. Erst nach knapp zwei Jahren wagte man den nächsten Versuch und startete im März 2003 die vierte Staffel – nun wieder ausschließlich bei RTL II. Außerdem wurden die Tageszusammenfassungen fortan nicht mehr zur Primetime, sondern bereits um 19 Uhr gezeigt. Als Hauptmoderatorin der wöchentlichen Live-Shows fungierte nun Aleksandra Bechtel. Als neuer Partnersender stieg dafür Tele 5 ein, wo fortan am späten Abend die Liveshow „Nachtfalke“ lief, in der Jochen Bendel und „der alte Schwede“ Thilo Schrödel täglich das Geschehen kommentierten. Darüber hinaus zeigte der Sender im Anschluss nachts durchgehend Live-Bilder aus dem Haus. Das und ein überarbeitetes Konzept sorgten tatsächlich dafür, dass „Big Brother“ mit der vierten Staffel zu neuer Stärke kam.

Die Bewohner lebten erstmals in zwei voneinander getrennten Bereichen. RTL II/​Screenshot

„Big Brother – The Battle“, so der offizielle Titel, verfolgte einen Ansatz, der bereits in den Niederlanden erprobt wurde und der weniger Langeweile und mehr Spannung versprach. Statt eines einzigen Wohnbereichs gab es nun erstmals ein Haus mit zwei Bereichen: Der luxuriöse Bereich bot mit 530 Quadratmetern Wohn- und Gartenfläche den Bewohnern dreimal so viel Platz wie in den Staffeln zuvor, mitsamt Pool und Whirlpool. Daneben gab es jedoch auch einen kargen Bereich, wo auf Stroh geschlafen werden musste. Geduscht werden konnte nur im Freien mit Kernseife und eiskaltem Wasser. Dort stand auch das Chemie-Klo, das von den Bewohnern selbst gereinigt werden musste. Den Bewohnern im reichen Bereich standen täglich 500 Euro Budget für Luxusartikel zur Verfügung, im armen Bereich war Holz hacken angesagt. Die Bereiche waren durch einen Zaun und eine rote Absperrkordel voneinander getrennt. Wer sie unerlaubterweise überschritt, wurde bestraft.

Die Bewohner des armen Bereichs mussten im Freien schlafen. RTL II/​Screenshot

Die Bewohner wurden entsprechend in zwei Teams aufgeteilt und mussten in „Battles“ kontinuierlich gegeneinander antreten. In körperlich anspruchsvollen Wettkämpfen im Außenbereich, dem sogenannten „Battlefield“, kämpften die Teams darum, im Luxusbereich wohnen zu dürfen.

Das Hängen-Battle: Welches Team kann sich länger halten? RTL II/​Screenshot

Als neue Figur wurde der sogenannte Matchmaster Mac (dargestellt von Creative Producer Sven Steffensmeier) eingeführt, der mit charakteristischem Cap und Sonnenbrille als Schiedsrichter fungierte. Zu Beginn der Staffel betraten acht Bewohner das Haus. Elf weitere Mitbewohner zogen im Verlauf der Staffel ein. Vor ihrem Einzug verbrachten sie ihre Zeit abgeschieden einem geheimen Ort im Exil. Der Konkurrenzkampf zwischen den Teams führte zu einer frischen Dynamik im Haus – und das gefiel den Zuschauern. Auch die Bewohnerauswahl gelang mit interessanten Charakteren wie Ulf, Nadja, Khadra, Hella und Sava wieder deutlich besser als in Staffel 3.

Auch zu nächtlicher Stunde mussten die Bewohner zu Battles antreten, wie diesem Kletterparcours.RTL II/​Screenshot

Kaum jemand aus der Medienbranche glaubte im Vorfeld an einen Erfolg des „Big Brother“-Comebacks, doch das Gegenteil trat ein. Klar, an den Hype der ersten beiden Staffeln kam „The Battle“ nicht mehr heran, doch es lief wieder deutlich besser als in Staffel 3. Großes mediales Interesse generierte die Staffel nicht, doch es kristallisierte sich eine feste Fangemeinde aus rund 1,5 Millionen Zuschauern heraus, die dem Großen Bruder auch viele Jahre danach noch die Treue hielt. Das Finale der vierten Staffel sahen am 7. Juli 2003 sogar über drei Millionen Zuschauer und RTL II jubelte über einen Zielgruppen-Marktanteil von satten 21,1 Prozent. Als Gewinner von 90.000 Euro verließ nach 98 Tagen Jan das Haus. Auch gesungen wurde wieder mit Erfolg: Die Bewohner-Hymne „Anfang ohne Ende“ der Big Brother Allstars landete auf Platz 9 der Charts. Ulf und Hella schafften es mit ihren Solo-Songs „Du bist das Größte“ bzw. „Liebst du mich (oder liebst du mich nicht)“ zudem jeweils auf Platz 10.

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