2024/2025, Folge 127–144
Brauchen wir Schmerz?
Folge 127 (26 Min.)Die meisten Menschen vermeiden Schmerz. Wir haben viele Strategien entwickelt, um ihn zu vermeiden – vom Federkissen bis zum Schmerzmittel. Wir sind Weltmeister in der Schmerzvermeidung. Die Kehrseite: Abhängigkeit, Sucht. Manche behaupten sogar, dass Schmerzvermeidung unsere Demokratie gefährdet. Denn wir gingen nicht nur körperlichen Schmerzen aus dem Weg, sondern auch sozialen. Wir leben in Meinungsblasen und vermeiden die Auseinandersetzung mit anderen Ideen und Ansichten. Das gefährdet, so der Philosoph Byung-Chul Han, unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil wir nicht mehr in der Lage sind, über Positionen zu diskutieren und uns so einander anzunähern. Brauchen wir also mehr Schmerz? Ist Schmerz mehr als ein unangenehmes Gefühl? Auf jeden Fall ist er eine der intensivsten Empfindungen des Menschen, und ohne Schmerz wäre der Homo sapiens nicht lebensfähig.
Denn er warnt vor Verletzungen oder mahnt uns, uns zu schonen. Schmerz ist aber auch viel mehr als nur körperlich: Liebeskummer, Mobbing, emotionaler Schmerz. Oder der lustvolle Schmerz. Schmerz ist so individuell wie wir selbst. Wie stark wir ihn empfinden, ob er unser ständiger Begleiter ist oder nur gelegentlich, ob wir ihn fürchten oder vielleicht sogar genießen. Schmerz ist ein Paradoxon, sagt der französische Anthropologe David Le Breton. „42 – Die Antwort auf fast alles“ geht dem Schmerz auf den Grund und klärt die Frage, ob wir mehr Schmerz brauchen. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 01.09.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 02.08.2024 arte.tv Haben Tiere bessere Staaten?
Folge 128 (27 Min.)Logo zu „42 – Die Antwort auf fast alles“.Bild: arteDer Gedanke, dass wir in Sachen Zusammenleben vom Tierreich lernen können, ist alles andere als neu. Schon König Salomo in der Bibel, sagt der Literaturwissenschaftler Niels Werber, lobt die Ameise für ihre in Selbstorganisation erreichte Effizienz. Und auch danach tauchen Wölfe, Ameisen, Bienen mit ihren Rudeln und Staaten häufig in der Literatur auf. Große Denker haben über die Jahrhunderte immer wieder in Tiergesellschaften Parallelen zu uns oder auch Vorbilder gesehen. Weil es Tiergesellschaften offenbar dauerhaft gelingt, individuelle und soziale Bedürfnisse auszubalancieren und im Verbund das Beste für alle herauszuholen.
Oder ist das nur eine Vermutung? Die Evolutionsbiologin Susanne Foitzik warnt vor einer unzulässigen Vermenschlichung, ohne die erstaunlichen zivilisatorischen Leistungen der Insekten schmälern zu wollen. Wer weiß schon, dass manche Ameisenarten seit Jahrmillionen Ackerbau und Viehzucht betreiben? Der Blick in die Staaten der Tiere macht uns auf andere Möglichkeiten des Zusammenlebens aufmerksam. Nicht alle eignen sich zur Übernahme durch den Menschen. Aber manche, betont die Verhaltensbiologin Meg Crofoot, lassen uns erkennen, wie gut wir Menschen eigentlich ausgestattet wären, um uns stabilere, bessere Ordnungen zu bauen. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 08.09.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 09.08.2024 arte.tv Wie mächtig sind Landkarten?
Folge 129 (29 Min.)Landkarten scheinen objektiv zu sein. Denn wo auf der Karte eine Kirche ist, ist auch in Wirklichkeit eine Kirche. Aber ob es eine Kirche auf der Karte gibt, ist eine Entscheidung. Genauso wie die Frage, ob Google Maps Läden und Cafés mit einem Symbol versieht – oder öffentliche Wasserspender und Skaterplätze. Nicht nur offensichtliche Propagandakarten haben eine Agenda. Auch ganz einfache Stadtpläne oder vermeintlich neutrale Weltkarten. Karten sind Ausdruck der Macht derer, die sie in Auftrag geben. Und hinter den meisten Karten standen lange Zeit große Auftraggeber wie Kirchen oder staatliche Institutionen.
Dass diese Karten spezifische Interessen widerspiegeln, wird in der Kartographie seit den 1960er Jahren hinterfragt. Kritische Kartographie weist immer wieder darauf hin, wie eng Karten mit spezifischen Interessen, mit der Entstehung der europäischen Nationalstaaten und mit dem Kolonialismus verbunden sind. Aufschlussreich ist auch die Frage, wer eine Region kartographieren darf. Die Bewohner selbst, wie bei einem Kartierungsprojekt in einer informellen Siedlung in Kenia? Oder ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie im Fall von Google Maps, das mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent unseren Raum weltweit erfasst und interpretiert? Neben der Wissenschaft weisen vor allem die Kunst und die indigenen Völker immer wieder auf die Macht von Karten hin.
Denn um Karten zu erstellen, braucht es Geld, Zugang zu Bildung und Autorität. Es ist gut zu wissen, welche Geschichte hinter den Karten steckt, welches Interesse – und welches Potenzial. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 15.09.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 16.08.2024 arte.tv Verändern Quanten unsere Realität?
Folge 130 (25 Min.)In der mikroskopisch kleinen Welt verhalten sich Atome, Elektronen und andere Quantenteilchen seltsam. „Wenn ich auf die Größe eines Atoms schrumpfen könnte, würden alle Gesetze und Verhaltensweisen um mich herum meinem Verständnis widersprechen“ sagt der Physiker Julien Bobroff. Denn Quantenteilchen können mehrere Zustände gleichzeitig annehmen – Superposition nennt man das. Und nicht nur das: Verschränkt man zwei Quantenteilchen, bleiben sie noch über große Distanzen wie magisch miteinander verbunden. Schon die Physiker Niels Bohr und Albert Einstein haben sich über Quantenphänomene die Köpfe zerbrochen.
So eigenartig dieses Quantenverhalten ist, es kann uns sehr nützlich sein. Etwa, um hochpräzise Messsensoren zu bauen. „Die besonderen Eigenschaften von Quantenteilchen sind allerdings sehr fragil“, erklärt die Quantenphysikerin Monika Aidelsburger. Die Quantenteilchen sind so empfindlich, dass die kleinste Wechselwirkung mit der Umgebung die Superposition verschwinden lässt, weshalb die Wissenschaftler sehr behutsam vorgehen müssen.
Die Quanten haben unser Leben bereits entscheidend verändert. Die Erfindung des Lasers und der Mikrochips wäre ohne Quantenphysik undenkbar gewesen. Nun könnte eine weitere Erfindung unsere Welt revolutionieren: der Quantencomputer. „Er würde uns helfen, in kurzer Zeit bessere Medikamente und Materialien zu entwickeln“, sagt Ignacio Cirac vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Viele Anwendungen sind heute noch nicht absehbar. Die Quantenteilchen und ihr seltsames Verhalten sind drauf und dran, unsere Welt auf den Kopf zu stellen. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 22.09.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Mi. 18.09.2024 arte.tv Warum haben wir weniger Sex?
Folge 131 (25 Min.)Vielleicht habt ihr euch auch schon diese Frage gestellt: Habe ich zu oft Sex – oder zu selten? Es wundert nicht, dass solche Fragen aufkommen, dass wir Angst haben, etwas zu verpassen. Es scheint, als würden die Menschen in westlichen Ländern in der sexvollsten Zeit überhaupt leben. Oder haben wir sogar weniger Sex als früher ..? (Text: arte.tv)Deutsche TV-Premiere So. 29.09.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 30.08.2024 arte.tv Hat uns die Sklaverei rassistisch gemacht?
Folge 132 (25 Min.)Verglichen mit der Sklaverei bei den Griechen, Wikingern oder Maya war die transatlantische Sklaverei von circa 1500 bis 1850 etwas Neues: rational durchorganisiert, systematisch gewalttätig und vor allem zutiefst rassistisch. Die jahrtausendealte Praxis, Menschen zu versklaven, veränderte sich radikal. Warum geschah dies ausgerechnet in der Renaissance, die den Wert des Vernunftwesens Mensch betonte? War das Problem vielleicht genau die Einsicht, dass es ethisch falsch ist, Menschen zu versklaven? Damit stand Europa vor einem Dilemma: Ohne Sklaverei hätte es seine Eroberungen in Übersee nicht kolonisieren, keine riesigen Zucker-, Kaffee- und Baumwollplantagen betreiben können. Die brachten extreme Profite, (ver-) brauchten aber massenhaft menschliche Arbeitskräfte.
Die Erfindung der Rassen bot eine Lösung: Wenn man Menschen nicht versklaven kann, definiert man diejenigen, die man versklaven will, als nicht vollwertige Menschen. Das System der Sklaverei hat bis heute nachweisbare ökonomische und sozialpsychologische Folgen: Banken und Konzerne, die mit dem Sklavenhandel reich geworden sind, massiver Rassismus gegen schwarze Menschen, Instabilität in afrikanischen Regionen, in denen besonders viele Sklaven gefangen genommen und verkauft wurden. Ist Wiedergutmachung überhaupt möglich? Etwa durch Reparationen, wie es der Plan einer Task Force in Kalifornien vorsieht? Oder braucht es etwas anderes, um mit dem Erbe der Sklaverei umzugehen? (Text: arte)Deutsche TV-Premiere Sa. 12.10.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Sa. 05.10.2024 ARD Mediathek Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 06.10.2024Muss Wohnen so teuer sein?
Folge 133 (25 Min.)In fast allen europäischen Städten wird das Wohnen seit Jahren immer teurer. Überall dort, wo viele Menschen Arbeit oder Ausbildung suchen, internationale Unternehmen tagieren und der Tourismus boomt, wird der Platz knapp. Doch auf den wenigen verbleibenden Flächen entstehen oft teure Eigentumswohnungen statt bezahlbare Mietwohnungen. Woran liegt das? Welche Faktoren sorgen – unabhängig von Konjunktur und Wirtschaftspolitik – dafür, dass die Nachfrage nach Wohnraum so stark steigt? Warum hinkt das Angebot meist hinterher? Und was können wir tun, damit sich die Lage entspannt? (Text: arte.tv)Deutsche TV-Premiere So. 13.10.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 13.09.2024 arte.tv Können aus Feinden Freunde werden?
Folge 134 (28 Min.)In einer Welt, die von Konflikten und Gewalt geprägt ist, stellt sich immer drängender die Frage, wie Annäherung und vielleicht sogar Versöhnung möglich werden können. Auf der persönlichen Ebene ist eine Entschuldigung oft ein entscheidender Schritt. Sie kann wie ein Wunder wirken, betont die Sozialpsychologin Nurit Shnabel von der Universität Tel Aviv. Sie erklärt, wie unterschiedliche psychologische Bedürfnisse die Versöhnung beeinflussen und was eine gute Entschuldigung auf persönlicher Ebene ausmacht. Auf gesellschaftlicher Ebene können nur wenige Gesellschaften von sich behaupten, sich ausgesöhnt zu haben. Frankreich und Deutschland haben diesen Weg erfolgreich beschritten.
Corine Defrance, Historikerin am Centre national de la recherche scientifique (CNRS), stellt einige Bausteine der deutsch-französischen Versöhnung vor und zeigt auf, welche Schritte den Versöhnungsprozess begünstigt haben. Brandon Hamber, Friedensforscher an der Universität Ulster in Belfast, erläutert, welche wichtige Rolle Wahrheitskommissionen, Gerichtsverfahren und Reparationen bei der Annäherung verfeindeter Lager spielen. Er berichtet über den Verlauf der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission und erklärt das Konzept der „Transitional Justice“: der verschiedenen Säulen, die auf internationaler Ebene als wichtige Voraussetzung für einen Versöhnungsprozess angesehen werden. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 20.10.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Mo. 14.10.2024 arte.tv Können wir die Bestäuber ersetzen?
Folge 135 (29 Min.)Bestäubung ist ein komplexer Prozess mit vielen Beteiligten. Am wichtigsten sind die Bienen. „Das ist nicht nur die Honigbiene, sondern es sind 20.000 Bienenarten“, weiß Bestäubungsökologin Alexandra-Maria Klein. Es gibt auch andere Bestäuber: Ameisen bestäuben Kakao und Vögel bestäuben Akazien. Die Blüten locken dabei die Bestäuber ganz unterschiedlich an. „Manche riechen nach verfaulendem Fleisch und locken zum Beispiel Fliegen an, die von diesem Geruch angezogen werden“, erzählt Botanikerin Sarah Darwin.
Aber dieser einst verlässliche Pakt zwischen Bestäubern und Pflanzen ist in Gefahr – und damit auch unsere Nahrungssicherheit. „Drei Viertel der Nutzpflanzen müssen von Insekten bestäubt werden, um eine gute Ernte zu erzielen“, sagt der britische Biologe Dave Goulson. Klimawandel, Lebensraumverlust und Pestizide sind nur einige der Gründe, warum es immer schlechter um die Bestäuber steht. Bereits jetzt greifen wir Menschen der Natur bei der Bestäubung unter die Arme, etwa durch Handbestäubung bei der Produktion von Vanille und Maracuja.
Und auch Honigbienen werden gezielt in Gegenden gebracht, in denen es sonst fast keine Bestäuber mehr gibt, um beispielsweise die Mandelernte zu garantieren. Pflanzen und Bestäuber haben sich evolutionär gut aufeinander abgestimmt, vielleicht könnten sie es einfach wieder tun? „Pflanzen könnten sich auch an andere Bestäuber wieder anpassen oder eine Zeit überdauern und sich selbst bestäuben“, sagt Biologe Florian Etl von der Uni Wien. Aber wie lange das wohl dauern würde – und ob es schnell genug ginge für die Menschheit? (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 27.10.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 27.09.2024 arte.tv Riskieren wir genug?
Folge 136 (27 Min.)Bild: ArteEs ist ganz einfach: Risiken gehören zu unserem Leben. Nur gehen wir sie unterschiedlich gerne ein. Während die einen bereit sind, sich in einem Fass die Niagarafälle hinunterzustürzen, ist für andere schon das Trinken von abgelaufener Milch eine besonders riskante Handlung. Doch in jedem Risiko steckt auch eine Chance, wie der Psychologe Gerd Gigerenzer deutlich macht. Und nicht nur das: Seine Forschungen zeigen, dass wir, wenn wir versuchen, ein Risiko zu vermeiden, sogar Gefahr laufen, uns ein noch größeres einzuhandeln. Um solchen Ängsten gar nicht erst auf den Leim zu gehen, können Zahlen und Statistiken helfen, denn „dann lassen sich Risiken tatsächlich berechnen und miteinander vergleichen“, erklärt der Mathematiker Christian Hesse.
Mit der Maßeinheit Mikromort lässt sich sogar ermitteln, wie hoch das Sterberisiko bei bestimmten Aktivitäten ist. Es kommt aber auch darauf an, wie die Wahrscheinlichkeit eines Risikos dargestellt wird. So kann ein relativer Anstieg des Risikos besonders groß erscheinen, während er in absoluten Zahlen irrelevant ist. Und was, wenn die Wahrscheinlichkeiten sich gar nicht erst berechnen lassen? (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 03.11.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 04.10.2024 arte.tv Lernen wir jetzt unsere Vorfahren kennen?
Folge 137 (25 Min.)Bild: ArteSind alle Menschen auf der Welt genetisch gesehen eng verwandt? Oder leben auf unterschiedlichen Kontinenten Menschen, die sich aus verschiedenen Vormenschen-Arten entwickelt haben? Dann wären etwa Europäer und Amerikaner bestenfalls entfernte Cousins. Bevor Pioniere der Archäogenetik in den vergangenen zwei Jahrzehnten das Können entwickelt haben, aus alten Knochen intakte DNA zu extrahieren und unsere genetische Vergangenheit lesbar zu machen, wurde um solche Fragen erbittert gestritten. Inzwischen wissen wir so viel mehr über den Weg von Homo Sapiens durch die Jahrtausende.
Unser Erbgut verrät uns etwas über die frühen menschlichen Populationen, ihren Kampf während der letzten Eiszeit, ihre Begegnungen mit dem Neandertaler – von dem wir heute noch kleine Stückchen in uns tragen. Einiges war scheinbar doch anders, als wir bislang annahmen. „Die Geschichte des Menschen ist eine Geschichte des Scheiterns“, sagt der Anthropologe Jean-Jacques Hublin vom Collège de France in Paris. Die Genome unserer Vorfahren enthüllen Überraschendes – etwa, dass Jäger und Sammler wie der britische „Cheddar Man“ wohl dunkle Haut und blaue Augen hatten.
„Das hat manche Menschen erzürnt“, erklärt Selina Brace vom National History Museum in London. Die Archäogenetik verschafft uns ein klareres Bild von unseren Vorfahren. Sie zeichnet Wanderungen von Populationen nach, die etwa die Landwirtschaft mit sich gebracht haben. Es sind faszinierende Einblicke in eine Zeit vor der schriftlichen Aufzeichnung – die einiges zurechtrücken. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 10.11.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Mo. 28.10.2024 arte.tv Können wir ohne Gewalt leben?
Folge 138 (28 Min.)Bild: StoryblocksGewalt zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Blicken wir heute zurück in die Antike oder das Mittelalter, so erscheinen uns diese Epochen als grausam. Zur Schau gestellte physische Gewalt wie das öffentliche Abschlachten von Kriegsgefangenen in der Arena oder die Folter und Hinrichtung von Straftätern auf dem Marktplatz sind längst aus unserem Leben verschwunden. Deshalb empfinden wir solche Gewalt als barbarisch. Unser Blick hat sich verändert. Weil wir in einer Gesellschaft leben, in der wir nicht jeden Tag Angst haben müssen, ausgeraubt und ermordet zu werden. Das gilt zumindest für die westeuropäischen Länder. Dort haben wir dem Staat das Gewaltmonopol übertragen.
Nur er darf legitim Gewalt ausüben – um uns zu schützen und um diejenigen zu bestrafen, die sich nicht an die Gesetze halten. Zudem haben Bildung und Wohlstand dazu beigetragen, Gewalt zu ächten. Trotzdem verschwindet sie nicht. Weil wir nicht anders können? Ist es unser Schicksal, dass wir aggressiv sind, im Affekt zuschlagen oder Gewalt geplant einsetzen, um uns einen Vorteil zu verschaffen? Die Forschung sagt: Nein. Neben der Biologie haben auch das soziale Umfeld oder persönliche Erfahrungen einen großen Einfluss auf unsere Gewaltbereitschaft. Angenommen, alle Menschen in einer Gesellschaft würden unter den besten Bedingungen aufwachsen: Gäbe es dann keine Gewalt mehr? (Text: arte)Deutsche TV-Premiere Sa. 16.11.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Do. 17.10.2024 arte.tv Können wir Erinnerung festhalten?
Folge 139 (28 Min.)Bild: ArteUnsere autobiografische Erinnerung ist das Rohmaterial für die Konstruktion unserer Lebensgeschichte. Prof. Tilmann Habermas, Psychologe und Psychoanalytiker an der International Psychoanalytic University Berlin, untersucht, wie wir durch Erinnern unser Selbstbild formen und unserer Biografie einen roten Faden geben. Diese Lebensgeschichten sind nie starr. Entsprechend flexibel muss auch unser Gedächtnis bleiben. Wie unser Gehirn dies ermöglicht, erforscht die Neurowissenschaftlerin Denise Manahan-Vaughan von der Ruhr-Universität Bochum: Schon die Art und Weise, wie persönliche Erinnerungen im Gehirn gespeichert werden, sorgt dafür, dass sie lebendig bleiben. Denn eine Erinnerung wird nicht isoliert an einem bestimmten Ort im Gedächtnis abgelegt, sondern in ein großes neuronales Netzwerk eingeflochten.
Indem sich diese Verknüpfungen im Netzwerk verändern, ist das Gedächtnis nicht nur ein reproduzierendes, sondern ein produzierendes, kreatives Vermögen, meint der Philosoph Sven Bernecker von der Universität Köln. Für ihn ist Veränderung keine Fehlfunktion der Erinnerung – sondern seine Aufgabe. Denn Erinnern ist weit mehr als das Festhalten von Vergangenem. Davon geht auch die Neuropsychologin Helene Intraub von der University of Delaware aus. In Experimenten zeigt sie, dass das automatische Erweitern und Ausschmücken von Erinnerungen sogar ein Zeichen für ein gut funktionierendes Gedächtnis sein kann. Ist es also ganz normal, dass sich unsere Erinnerungen ständig verändern? (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 24.11.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 25.10.2024 arte.tv Was hält das Universum zusammen?
Folge 140 (25 Min.)Bild: ArteUnsere Sonne ist nur ein Funke in einem unendlichen kosmischen Feuerwerk, unsere Milchstraße nur ein Sandkorn im Ozean der Galaxien. Doch hinter dem, was wir sehen, verbirgt sich mehr – etwas, das dem Universum seine Form gibt und es zusammenhält. Wissenschaftler vermuten hinter dieser mysteriösen Kraft einen Stoff namens Dunkle Materie. Doch wie findet man etwas, das kein Licht ausstrahlt, nicht reflektiert und kaum mit Atomen in Wechselwirkung tritt? (Text: arte.tv)Deutsche TV-Premiere So. 01.12.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 01.11.2024 arte.tv Brauchen wir Gott noch?
Folge 141 (25 Min.)Bild: ArteUm zu verstehen, warum Menschen heute glauben, muss man zunächst verstehen, warum unsere Vorfahren zum Glauben gefunden haben. Der Religionssoziologe Detlef Pollack hält Religion für eine wichtige Triebfeder der zwischenmenschlichen Kooperationsbereitschaft. Und da Religionen und Götter ein weltweites Phänomen sind, stellt sich auch die Frage: Sind wir von Natur aus darauf programmiert, an höhere Wesen zu glauben? Psychologen und Biologen haben Erstaunliches herausgefunden: Auch Kinder, die nicht religiös erzogen wurden, sind oft bereit, die Existenz übernatürlicher Mächte zu akzeptieren. Der Persönlichkeitspsychologe Christian Kandler wies anhand von Zwillingsstudien nach, dass der individuelle Grad der Religiosität sogar ein vererbbares Persönlichkeitsmerkmal ist.
Doch ob religiös veranlagt oder nicht: Religion hat seit jeher auch die Funktion eines sozialen Regelwerks. Wie also beeinflusst die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft unser Denken und Handeln? Wann wirkt Religion als Kitt und wann als Keil für das Miteinander? Die Religionswissenschaftlerin Edith Franke und die Religionsanthropologin Anne-Laure Zwilling erklären, wie Religion als identitätsstiftender Kult, aber auch als harte Abgrenzung funktioniert – und was das mit dem Erstarken atheistischer Bewegungen zu tun hat. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 08.12.2024 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 08.11.2024 arte.tv Welcher Protest wirkt?
Folge 142 (25 Min.)Bild: ArteWeltweit gehen derzeit ungewöhnlich viele Menschen auf die Straße. Sie protestieren für mehr Freiheit, mehr Rechte oder für die Gleichheit aller Bürger. Wir leben in einem wahren Protestzeitalter, sagt die Philosophin Sandra Laugier. Manche dieser Proteste sind erfolgreich und erreichen ihre Ziele. Andere nicht.
Woran liegt das? Welcher Protest funktioniert? (Text: arte.tv)Deutsche TV-Premiere So. 05.01.2025 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 06.12.2024 arte.tv Sind Kinder andere Wesen?
Folge 143 (26 Min.)Bild: Studio KrokodilAuch wenn wir mit Kindern leben – wir verstehen sie nicht immer richtig, denn Kinder ticken ganz anders als wir Erwachsenen. Diese Erfahrung machte auch die Autorin Michaeleen Doucleff, nachdem sie Mutter geworden war. Nach einer Phase der Überforderung und Verzweiflung begab sie sich mit ihrer kleinen Tochter Rosy auf eine anthropologische Entdeckungsreise zu indigenen Gemeinschaften. Sie stellte fest: Wie unser Verhältnis zu Kindern ist, hat vor allem mit den Erwachsenen zu tun. Um Kinder besser zu verstehen, müssen wir zuerst ihre Perspektive einnehmen, und das ist nicht immer einfach.
Denn Kinder sehen und nutzen die Welt zum Teil ganz anders als Erwachsene, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Hannelore Faulstich-Wieland. Während Erwachsene oft ritualisierte Strukturen und Gewohnheiten haben, sind Kinder im permanenten Erkundungsmodus. Den neurobiologischen Hintergrund liefert der Hirnforscher Gerald Hüther. Er erklärt, was das Gehirn mit einer Zwiebel gemeinsam hat und dass Kinder so viele Nervenverbindungen haben wie kein Erwachsener und deshalb die Welt viel offener erleben und mit Freude und Neugier gestalten – wenn man sie dabei unterstützt.
Dass Erziehung und Gesellschaft Kinder auch einschränken können, zeigt die Langzeitstudie ELFE (Étude Longitudinale Française depuis l’Enfance) in Frankreich. Studienleiterin Marie-Aline Charles fasst zentrale Beobachtungen zusammen – zum Beispiel, dass die Grundschule offenbar dazu führt, dass Mädchen schlechter in Mathe sind als vorher. Doch selbst wenn die Gesellschaft die Kinder formt, verändern Kinder umgekehrt auch immer die Gesellschaft. (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 12.01.2025 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 13.12.2024 arte.tv Trauern wir in Zukunft anders?
Folge 144 (29 Min.)Bild: NDR/ARTESchon Norbert Elias wusste: Der Tod ist ein Problem der Lebenden. Menschen verlieren nahestehende Menschen und wollen die Verstorbenen nicht gehen lassen. Gleichzeitig lassen die schnell ablaufenden biologischen Prozesse kaum Zeit für ein langes Abschiednehmen. Daher haben Menschen die Erinnerung an Verstorbene auf einzigartige Weise kultiviert: durch Bestattungen – eine der ältesten Kulturleistungen überhaupt. Seit etwa 240.000 Jahren ist das Erdbegräbnis die bevorzugte Bestattungsart. Doch diese Praxis bereitet heute Probleme: In manchen Großstädten gibt es kaum noch Platz für die klassische Sargbestattung.
Und auch die Feuerbestattung führt in eine Sackgasse, wenn es nicht genügend Nischen in Kolumbarien gibt. Soziologe Dr. Thorsten Benkel meint: „Je größer die Stadt und je stärker bebaut, desto weniger Fläche für den Friedhof. Da muss man kreativ werden.“ Zudem kommt es bei den klassischen Bestattungsarten zu Umweltbelastungen: Allein in den USA werden jedes Jahr neun Millionen Meter Holz, 2.700 Tonnen Kupfer und Bronze, über 100.000 Tonnen Stahl und circa 1.600.000 Tonnen Beton für Bestattungen verbraucht.
Allein in Deutschland werden durch Feuerbestattungen jährlich mehr als 200.000 Tonnen CO2 freigesetzt. Die Bestattungsbranche setzt auf radikale Reduktion. Die Liste an Death-Techs, die immer weniger von den Verstorbenen übriglassen, wird länger. Dazu zählen zum Beispiel Kompostieren oder in Säure auflösen. Aber: Wenn es keine herkömmlichen Gräber mehr gibt, wohin geht man, um zu trauern? Wie erinnert man sich an die Toten, wenn nichts mehr an sie erinnert? (Text: arte)Deutsche TV-Premiere So. 19.01.2025 arte Deutsche Streaming-Premiere Fr. 20.12.2024 arte.tv
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