„The Marvelous Mrs. Maisel“: Witzige und warmherzige Dramedy-Serie der „Gilmore Girls“-Macher – Review

50er-Jahre-Hausfrau als Stand-Up-Komikerin

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 14.12.2017, 19:00 Uhr

Rachel Brosnahan als Miriam „Midge“ Maisel „The Marvelous Mrs. Maisel“ – Bild: Amazon Studios
Rachel Brosnahan als Miriam „Midge“ Maisel „The Marvelous Mrs. Maisel“

Miriam Maisel (Rachel Brosnahan), von allen außer ihren Eltern nur Midge genannt, ist die perfekte 1950er-Jahre-Hausfrau: schön, klug, charmant, energiegeladen, Kindererziehung, gesellschaftliche Verpflichtungen und liebevolle Aufmerksamkeit für den Ehemann problemlos unter einen Hut bringend. Ihr Gatte Joel (Michael Zegen) ist hingegen eher ein Durchschnittstyp: Er hat einen Job im mittleren Management einer Kunststofffirma, den sein Vater ihm besorgt hat, ist von der Arbeit aber so gelangweilt, dass er von einer Karriere als Stand-Up-Komiker träumt. Jedoch ist er leider nicht besonders lustig. Seine Ehefrau unterstützt ihn selbstlos bei seinen eher erfolglosen Versuchen, auf der offenen Kleinkunstbühne eines Manhattaner Nachtclubs zu reüssieren. Die scheinbar perfekte Zweisamkeit platzt eines Abends nach einem besonders misslungenen Auftritt (vorher fand Midge bereits zu ihrer größten Enttäuschung heraus, dass Joel seine besten Gags von einem bekannten Fernsehkomiker geklaut hatte), als er ihr gesteht, eine Affäre mit seiner Sekretärin zu haben, und beginnt, seinen Koffer zu packen. Plötzlich steht die junge Frau alleine mit ihren beiden kleinen Kindern da, muss wieder bei ihren exzentrischen Eltern einziehen (die praktischerweise im gleichen Appartmenthaus wohnen) und sich darüber klar werden, was sie nun aus ihrer wiedergewonnenen Freiheit machen will. Gleich der erste Weg nach dem großen Krach führt sie dabei zurück zur und erstmals selbst auf die Comedybühne. Bei ihrem völlig improvisierten Monolog über ihre gescheiterte Ehe erkennen nicht nur wir Zuschauer sofort, wer hier wirklich das komödiantische Talent ist.

Stand-Up-Comedy ist ein Thema, das US-amerikanische Serienmacher einfach nicht loslässt. Nach diversen fiktionalisierten Lebensgeschichten echter Komiker in Serienform ist „The Marvelous Mrs. Maisel“ bereits die zweite einstündige Dramedy nach Showtimes eher halb erfolgreichem „I’m Dying Up Here“, die sich aktuell des Themas annimmt. Der größte Pluspunkt der neuen Amazon-Originalserie gegenüber dem Konkurrenzformat ist, dass (nicht nur) die Bühnenmonologe diesmal wirklich lustig sind. Das überrascht nicht, wenn man einen Blick auf die Abspann-Titel wirft, stecken mit Amy Sherman-Palladino und ihrem Ehemann Daniel Palladino doch die beiden Köpfe hinter der Serie, die der Welt schon die „Gilmore Girls“ geschenkt haben. Und die sind ja vor allem für ihre großartigen spritzigen Dialoge berühmt. Die Palladinos haben nichts von ihren Schreibkünsten verlernt, egal, ob es um die Comedyroutinen der Nachwuchskomikerin selbst geht, oder um die liebevoll-sarkastischen Streits zwischen Midge und ihren jüdischen Eltern (oder zwischen diesen und den Schwiegereltern).

Solche Dialoge schreibt sonst nur Woody Allen, an dessen bevorzugte Themen das Setting von „Mrs. Maisel“ ohnehin stark erinnert (gehobenes jüdisches Millieu in Manhattan mit Angehörigen der Elterngeneration, die fröhlich ihre Neurosen pflegen). Etwa der, wenn Midges herrlich verschrobener Vater Abe (Ex–„Monk“-Darsteller Tony Shalhoub beweist großartig, dass er auch ganz anders komisch sein kann) nach einem Essen mit Joels Vater von dessen Selbstbeweihräucherung völlig entnervt ist: „Wenn er noch einmal von diesen Menschen angefangen hätte, die er aus Deutschland rausgeholt hat! Ich habe diese Leute in seiner Fabrik arbeiten gesehen. Bezahlt er sie? Gibt es eine Toilette für diese Leute? Einige sahen so aus, als dächten sie, sie hätten ihr Glück lieber in Deutschland suchen sollen.“

Abe Weissman (Tony Shalhoub) und seine unzähmbare Tochter Midge Maisel (Rachel Brosnahan)


Die zweite Gemeinsamkeit zu „Gilmore Girls“ sind die starken Frauenfiguren und die generelle feministische Grundstimmung, die sich durch beide Serien zieht. Wobei das Thema Emanzipation diesmal schon aufgrund der Epoche deutlicher in den Vordergrund tritt. Im Jahr 1958 war eine geschiedene Frau mit kleinen Kindern eben noch eher eine gesellschaftliche Schande als eine Selbstverständlichkeit, eine arbeitende Mutter ein Kuriosum und eine Frau, die auf der Bühne witzig ist, fast schon unerhört. So wird Midge auch gleich bei ihrem ersten Auftritt von Polizisten aus dem Scheinwerferlicht gezogen, wegen angeblich öbszöner Rede (okay, dass sie ihre Brüste entblößt, um dem Publikum zu zeigen, auf was ihr Gatte nun verzichte, trägt sicher auch dazu bei). Die Geschichte der Midge Maisel ist vor allem eine Geschichte der Selbstfindung und der Emanzipation nicht nur vom Noch-Ehemann, sondern auch von den eigenen Eltern, ihrer Gesellschaftsschicht und generell den Erwartungen und (Selbst-)Beschränkungen, die für Frauen in dieser Zeit galten. Dabei vermitteln die AutorInnen ihre Botschaft nie verbissen oder polemisch, sondern auch dank der wunderbaren Hauptdarstellerin höchst charmant und sympathisch.

Midges erster Auftritt – gleich wird balnk gezogen …


Rachel Brosnahan ist ein Glücksfall für diese Serie. Ihr komödiantisches Talent bewies die vor allem aus der Dramaserie „Manhattan“ bekannte Schauspielerin schon in Woody Allens wenig geschätzter Amazon-Miniserie „Crisis in Six Scenes“. Hier darf sie nun aber richtig aufdrehen, wobei sie neben der Rampensau-Attitüde auch die emotionaleren Momente beherrscht.

Ihre kongeniale Partnerin in einer charakterlich komplett entgegengesetzten Rolle ist Alex Borstein als Susie Myerson, einer tomboyhaften Mitarbeiterin des Nachtclubs, die sich selbst zu Midges Managerin macht. Auch die anderen Nebendarsteller können durchweg überzeugen, wobei der schon erwähnte Tony Shalhoub als exzentrischer Mathematikprofessor, der auch zu Hause seine peniblen Routinen pflegen will, besonders heraussticht. In bemerkenswerten Gastrollen sind zudem Luke Kirby („Rectify“) als erfahrener Komiker, der wunderbare Wallace Shawn (ein weiterer Woody-Allen-Veteran) und Ex–„Glee“-Star Jane Lynch zu sehen.

Alex Borstein als Susie Meyerson, die sich zu Midges Managerin aufschwingt – Borstein war schon in Serienpiloten der Gilmore Girls dabei


Neben Allen-Filmen muss man auch noch „Mad Men“ als wichtige Referenz für „Mrs. Maisel“ nennen. Ähnlich wie die zeitlich wenig später einsetzende Dramaserie, in der die Emanzipation der Frauen ebenfalls eines der zentralen Themen war, legen die Produzenten auch hier großen Wert auf eine bis in die Details stimmige Ausstattung und viel Zeitkolorit. Dazu gehört auch die Musikauswahl, bei der die meist zeitgenössischen Songtexte regelmäßig die Handlung respektive die Gefühle der Protagonistin kommentieren. Und wer konnte schon besser über Gefühle singen als etwa Frank Sinatra? Das einzige, was man der ersten Staffel ankreiden könnte, ist, dass sie mit nur acht Folgen viel zu kurz ist. Aber da Amazon die Fortsetzung gleich zusammen mit der Debütstaffel bestellt hat, werden wir noch viel Spaß dabei haben, den Ausbruch der wunderbaren Midge Maisel aus ihrer kleinbürgerlichen Welt mitzuverfolgen.

Dieser Text basiert auf Sichtung der kompletten ersten Staffel der Serie „The Marvelous Mrs. Maisel“

Meine Wertung: 4,5/​5

Marcus Kirzynowski © Alle Bilder: AmazonDie komplette erste Staffel von „The Marvelous Mrs. Maisel“ mit acht Episoden findet sich bereits in einer englischen Sprachfassung im Angebot von Amazon Prime. Ein Termin für die deutsche Synchronfassung wurde noch nicht verkündet. Eine zweite Staffel wurde ebenfalls bereits beauftragt.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Ich habe schon lange keinen Serien-Trailer mehr gesehen, den ich so witzig und ansprechend fand. Ich bin mir nicht sicher, ob das als Serie funktioniert, aber ich schau es mir garantiert an.

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