In „Smeilingen“ versauern Negah Amiri und Armin Rohde in ARD-Sketchen – Review

Schützenfest, Schule und Schwule: Die 30-minütigen Episoden witzeln über das traditionelle und nebenbei moderne Provinznest „Smeilingen“. Dabei überrascht die ARD mit 17 Comedians, Schauspielern und Promis etwa als Bürgermeister, Influencer und Postbote. Zum Beispiel Tony Bauer, Uwe Ochsenknecht und Cordula Stratmann schlüpfen in die Haut kurioser Figuren. Sie nehmen das Dorfleben in abwechslungsreichen Sketchen aufs Korn. Lahmer Klamauk und plumpe Gags lassen manche Ideen versauern. Die sechsteilige Serie steht seit dem 31. Oktober in der ARD Mediathek bereit. Zudem zeigt das Erste je eine Folge – ab dem 1. November freitags um 21:45 Uhr.

„Daddy Cool“ läuft bei Beichte mit Cocktails

Die vielseitigen Situationen verbessern die Laune vor den Bildschirmen. Die Darstellerinnen und Darsteller erfassen ihre Charaktere genau: Sie porträtieren liebevoll Dörflerinnen und Dörfler wie die bayerische Gastwirtin Biggi Straßburger (Christine Neubauer) und den schillernden Supermarkt-Chef Marc Frisch (Nico Stank). Gleich zum Start lädt der katholische Geistliche Simon Krintsch (Martin Klempnow) in die „Happy Hour – Fröhliche Beichte mit Cocktail“. Mit „Daddy Cool“ von Boney M. als Hintergrundmusik rät der Pfarrer der untreuen Frau: Wie wäre es denn, wenn du deinen Freund beim nächsten Mal einfach fragst, ob er mitkommen will?

Michelle Hunziker verkörpert Michelle Hunziker

Leider versacken Dialoge, als etwa die Influencer Leif (Tony Bauer) und Isi Sommer (Negah Amiri) Alpakas mit Ziegen verwechseln. Dem leitenden Autor Simon Hauschild liegen wohl eher die aktuellen Sprüche in „extra 3“ und „heute-show“. In „Smeilingen“ findet er selten packende Worte. Zusammen mit seinem Team entwirft er jedoch lustige Szenen. Cordula Stratmann und Martin Klempnow schreiben eigene Sketche, die eher zünden.

Die Profis wie Katrin Bauerfeind („Frau Jordan stellt gleich“) und Heino Ferch („Allmen“) überspielen die Mängel. Michelle Hunziker erfüllt die Aufgabe, glaubwürdig Michelle Hunziker zu verkörpern. Das im Web angesagte Paar Leif & Isi vertritt geschickt die jüngere Generation. Als Frank Stimpel wechselt Phil Laude vorerst von „Almania“ nach „Smeilingen“. Dabei begeistert er als Super-Deutscher, der mit dem Geo-Dreieck den perfekten Schnitt für ein Wiener Würstchen ausmisst und seine Nachbarin für ihren defekten Gartenschlauch maßregelt.

Als Bürgermeister posiert Uwe Ochsenknecht mit Leiche

Uwe Ochsenknecht glänzt als Bürgermeister Markus Seider, der an seinen Amtskollegen Wolfgang Wöller aus „Um Himmels Willen“ erinnert. Indes entblößt er schöner seine gebleichten Zähne als seinerzeit Fritz Wepper. Übereifrig rasselt er von einer Panne in das nächste Unglück, was niemanden richtig stört. Allerdings wird wohl eine Einwohnerin den unsanften Umgang mit ihrem Vater kritisieren. Sie weiß nicht, dass der alte Mann den ganzen Tag gewartet hat: Das Oberhaupt der Gemeinde soll ihm Blumen und Schaumwein zum 95. Geburtstag überreichen.

Herr Baumann ist inzwischen im Rathaus gestorben, worüber Markus Seider bei seiner Sekretärin motzt: Da wollte ich einmal pünktlich Feierabend machen und dann jetzt sowas! Auf das Foto für die Presse will er trotzdem nicht verzichten: Kneifen Sie ihm mal in die Wange, damit er nicht so abgestorben aussieht. Als die Tochter des Jubilars eintrifft, schiebt er versehentlich den Rollstuhl mit der Leiche in eine Glasvitrine oder etwas Ähnliches. Aber wir hatten so viel Spaß, lügt der Würdenträger, der beinahe wie ein gewisser Ministerpräsident heißt.

Heino Ferch und Hannes Jaenicke ziehen Knarren

Als Polizist überzeugt Heino Ferch in der Rolle von Hauke Mayer. Wie bereits in einer Folge von „Viktor Bringt’s“ karikiert er sein Image. Als Kollege Hanno Meier begeistert Hannes Jaenicke wohl lediglich seine Fans. Dennoch funktioniert das Gespann, indem es eine Nagelsperre an einer Straße aufbaut. Ein harmloses Ehepaar rollt in seiner Karre langsam heran und hält erschrocken vor dem Hindernis. Wir kennen Sie nicht, bemängelt Hauke Mayer und verlangt Führerschein und Fahrzeugpapiere. Als die Senioren nur langsam reagieren, ziehen die beiden Super-Bullen ihre Knarren – denn sie dulden weder Drogen noch Zuhälterei.

Mirja Boes liebt Gurken und Radieschen

Immerhin schwafelt Mirja Boes herrlich, obwohl ein überflüssiges Wortspiel beim Namen nervt. Der Bestatterin Frieda Grabowski fehlt jeglicher Respekt vor den Hinterbliebenen. So empfiehlt sie für die Gurkenzucht im Garten: Ich weiß ja nicht, ob Sie wussten, was für einen 1-A-Dünger eine Totenasche abgibt. Die tüchtige Kleinunternehmerin folgt ihrem Motto: Nicht die Radieschen von unten angucken, sondern selber das Radieschen sein. Das praktische Angebot verscheucht die Kunden, die mangels Alternativen vermutlich zurückkehren: Unsere biologisch-dynamischen Beerdigungen sind im Moment der letzte Schrei – und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Dieser schwarze Humor fehlt bei anderen Gelegenheiten. „Smeilingen“ dümpelt oft vor sich hin. Liebe Macher der Serie, nehmt euch ein Beispiel an „The League of Gentlemen“! Dort dreht die Bevölkerung des britischen Städtchens Royston Vasey voll auf. Oder glaubt ihr, dass deutsche Zuschauerinnen und Zuschauern keine Zumutungen vertragen?

Jorge González verbreitet gute Stimmung

Anders als die Comedians und Schauspieler benötigen die Promis Michelle Hunziker und Jorge González („Let’s Dance“) kaum besondere Gags. Sie vertrauen ihrer Präsenz aus etlichen Shows. Irgendwann ermüdet diese Strategie. Als kubanischer Austauschlehrer Juan Jiménez begegnet Jorge González Vorbehalten. Er muss mit der kulturellen Arroganz und Ignoranz klarkommen. Jedenfalls verbreitet er gute Stimmung und weckt Sympathien. Juan Jiménez katapultiert einen Schuljungen vom Drehhocker in den Raum. Solche Einsätze der Fliehkraft langweilten schon in den Pauker-Filmen der 70er-Jahre. Hingegen amüsieren Missverständnisse an den Sprachbarrieren.

Armin Rohdes Urgewalt erschüttert Publikum

Großartigen Eindruck wie immer hinterlässt Armin Rohde („Nachtschicht“). Seine Urgewalt erschüttert das Publikum sogar ohne ausgefeilte Sätze. Das Fußballspiel auf dem Sportplatz bereitet Genuss – Trainer Ingo Pannek schreit, springt und spuckt: Jörg, wie blind kann man eigentlich sein? Warum läufst du nicht mit den Anderen zum Tor?

Das Vergnügen wächst, wenn zwei Schlachtenbummler wie die beiden Muppet-Opas meckern: Äh, Ingo, weißt du, an wen du mich vom Trainer-Typ her erinnerst? Die knappe Reaktion lautet Nee, worauf es heißt: An Bill Kaulitz. Ingo will mehr wissen. Wer is’ dat denn? Dieser Sänger? Der hat doch vom Fußball keine Ahnung, meint der Coach und bekommt zu hören: Ja eben! Ein Wutausbruch und zwei Platzverweise resultieren aus der Beleidigung.

Liebreizender Chorgesang untermalt idyllische Aufnahmen

Originelle Einfälle fließen durchaus in „Smeilingen“ ein. Die idyllischen Aufnahmen verdienen besonderes Lob. Nicht zuletzt ist liebreizendes nana-nana-nana-na-na zu hören: Der Chorgesang stammt aus Rudi Carrells Schlager Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?. Darüber hinaus wachsen vielleicht die Ansprüche für die nächste Staffel.

Dieser Text beruht auf der Sichtung aller sechs Folgen von „Smeilingen – Ein Dorf wie Du und Ich“.

Das Erste zeigt den 30-minütigen Auftakt zu „Smeilingen“ am 1. November – um 21:45 Uhr zwischen dem „Freitag im Ersten“-Wohlfühlfilm und den „Tagesthemen“. Die anderen Episoden laufen freitags zur gleichen Zeit. Streamen können Sie die gesamte Staffel in der ARD Mediathek seit dem 31. Oktober.