„Dynasty“: Der neue „Denver-Clan“ will viel, schafft zu wenig – Review

Modernisierung des Soap-Klassikers muss sich noch selbst finden

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 26.10.2017, 17:30 Uhr

Fallon, Blake und Cristal reloaded: „Dynasty“ – Bild: The CW
Fallon, Blake und Cristal reloaded: „Dynasty“

„Der Denver-Clan“ wird in diesen Tagen auf dem US-Network The CW zum „Atlanta-Clan“. Auch in Deutschland hätte die Neuauflage von „Dynasty“ bereits bei Netflix online gehen sollen. Stattdessen hängen wir noch in der Warteschleife (fernsehserien.de berichtete), während bei unseren europäischen Nachbarn Fallon bereits die Köpfe von Braut und Bräutigam auf der Hochzeitstorte abknabbern durften. Blake Carringtons Tochter ins Zentrum der neuen Serie zu stellen, verdient bereits Lob und Anerkennung, schließlich wurde die Figur im Original, damals verkörpert von Pamela Sue Martin und Emma Samms, nach einem vielversprechenden Start regelrecht verheizt. Doch so viel Josh Schwartz und Stephanie Savage („Gossip Girl“) mit der Konzeption des neuen „Dynasty“ richtig gemacht hat, so stark hinkt es auch noch in der Umsetzung.

Fallon Carrington (Elizabeth Gillies) wird von ihrem Vater Blake (Grant Show) nach Atlanta zurückbeordert. Anstatt der erhofften Beförderung im Familienunternehmen Carrington Atlantic wartet auf die Milliarden-Erbin aber unerwünschter Familienzuwachs: Blake hat sich mit seiner Angestellten Cristal Flores (Nathalie Kelley) verlobt, was auch bei seinem Sohn Steven (James Mackay) Überraschung auslöst, wenn auch kein Entsetzen. Schließlich ist Steven daran gewöhnt, dass sein Vater in moralischen Grauzonen operiert. Als ausgerechnet Cristal die heiß ersehnte Beförderung erhält, verbündet sich Fallon mit Blakes Konkurrent Jeff Colby (Sam Adegoke), der ohnehin ein Auge auf sie geworfen hat. Als ihr undurchsichtiger Neffe Sammy Jo (Rafael de la Fuente) auf der Hochzeit auftaucht, könnte Cristal von den Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt werden.

Fallon und Steven stehlen hier ganz klar die Show, was vor allem Elizabeth Gillies und James Mackay zu verdanken ist, aber auch der geschickten Neupositionierung der Figuren. Fallon darf ungeniert als stylische Tabu-Brecherin auftreten und erhält als Geschäftsfrau endlich jene Macht, die man im Original bei dieser Rolle stets vermisste. Stevens Stellung als schwarzes Schaf der Carringtons wird nicht länger nur über seine Homosexualität definiert, als „liberaler Gutmensch“ trennen ihn von Blake hier eher ideologische Welten. Außerdem geht er an seiner Außenseiter-Position nicht zu Grunde, sondern scheint sie als Beobachter mit geschärftem Auge regelrecht zu genießen.

Steven (James Mackay, m.) und Fallon (Elizabeth Gillies, 2.v.r.) stehlen der neuen „Dynasty“ die Show.


Besonders gelungen ist auch sein Verhältnis zu Sammy Jo, eine männliche Version von Heather Locklears Original-Rolle, die einst nur eingeführt wurde, um den damaligen Steven (Al Corley) in eine Hetero-Beziehung zu zwängen. Der aktuelle Steven weiß genau, dass Sam seine eigenen Absichten verfolgt, ist aber dennoch absolut fasziniert von ihm. Lasst die Spiele beginnen! Zugleich zeigt sich an Steven und Sammy Jo aber auch das Problem einer Serie, die vieles sein möchte, es letztendlich aber (noch) nicht ist.

„Dynasty“ will sexy sein, doch die bisherigen Bett- und Liebesszenen kommen viel zu zahm daher. Steven und Sammy Jo werden von der Regie zu verstecktem Herumräkeln unter Bettlaken verurteilt. Selbst, als der Neuankömmling nackt aus dem Swimmingpool steigt, ist dies in einer Kälte inszeniert, die fast schon Angst macht. Auch innerhalb der Beschränkungen eines Networks ist mehr Erotik möglich, was andere The-CW-Serien wie „Supernatural“ oder „Arrow“ bereits unter Beweis gestellt haben.

„Dynasty“ will stylisch sein, doch die neue Carrington-Villa ähnelt bislang allzusehr einer austauschbaren McMansion. Familiäre Wärme und der Mut zu mehr Farbe fehlen. Immerhin lassen die Outfits von Fallon, Sammy Jo und Jeff Colby in der zweiten Episode eine positive Steigerung in dieser Hinsicht erkennen. Für Folge 3 wurde außerdem eine glamouröse 80er-Jahre-Party angekündigt.

Könnte noch einen Schuss Erotik vertragen: Fallons Affäre mit ihrem Chauffeur Culhane (Robert Christopher Riley)


„Dynasty“ will brandaktuell sein, doch der Vergleich mit superreichen WASP-Familien wie den Trumps wird dem Zuschauer gleich zu Beginn ausformuliert um die Ohren gehauen. Auch Soap-Fans sind smart genug, um solche Vergleiche selbst ziehen zu können. Gleichzeitig wird ein möglicher Hauptkonflikt bislang komplett verschenkt. Was macht es mit einer äußerst privilegierten, weißen Familie, wenn plötzlich zwei Latinos einziehen und den Bunker aufmischen? Stattdessen scheint Cristal bereits in der Luxus-Welt angekommen zu ein, schicke Downtown-Wohnung inklusive. Wenigstens bieten die neureichen und nun afro-amerikanischen Colbys auf diesem Gebiet noch ein paar Reibungspunkte.

Schließlich will „Dynasty“ schnell, spritzig und skandalös sein, doch gerade der Pilot ist in dieser Hinsicht äußerst holprig. Die Zahnräder der Handlung greifen nicht flüssig ineinander und das Drehbuch von Sallie Patrick („Revenge“) hangelt sich viel zu eng am Original entlang. Der Versuch, einen dreistündigen Fernsehfilm des Jahres 1980 zu einem einstündigen Pilot von heute zusammenzuschrumpfen, gerät dabei zum Himmelfahrtskommando. Den wichtigsten Plot-Punkten und Figuren kann so kaum die nötige Aufmerksamkeit zuteilwerden und selbst die üppig ausgestattete Hochzeit zwischen Blake und Cristal wird in Windeseile heruntergespult.

Catfight in 3, 2, 1 …

Grant Show schrieb als Biker Jake Hanson in „Melrose Place“ Soap-Geschichte, doch als Blake Carrington verströmt er bislang kaum die notwendige Autorität, um Familie und Geschäft zusammenzuhalten. Fast möchte man meinen, Blake ist sich nicht wohl in seiner Haut – was ebenfalls ein interessanter Charakterzug sein könnte, würden die Macher denn darauf eingehen. Vielleicht hat Blake ja die Nase voll, vielleicht würde er lieber im Fuhrpark des Anwesens an seinen Autos herumschrauben. Aber solche reizvollen Widersprüche bieten die Figur und ihr Darsteller bislang nicht.

Auch der erste Catfight zwischen Fallon und Cristal gerät direkt zur Enttäuschung – kann er aber eigentlich auch nur. Die Teich-, Feder- und Schlammschlachten zwischen Alexis und Krystle im „Denver-Clan“ waren dramaturgisch äußerst geschickt platziert – sie fanden eigentlich immer am Ende einer Storyline statt, nicht am Anfang. Hier entlud sich jene Spannung, die über eine ganze Staffel hinweg aufgebaut worden war. Im neuen Pilot wird der eigentlich köstliche Moment aber lediglich zu einem weiteren Teil der abzuhakenden Checkliste.

Immerhin ist die zweite Episode von „Dynasty“ bereits deutlich besser als die erste und der aberwitzige Friedhofs-Moment, in dem eine aufgebrachte Cristal die verdutzte Fallon in ein frisch ausgehobenes Grab stößt, ist ein kleines Soap-Juwel. Bitte mehr davon und mehr Mut zur Abweichung und Unterwanderung! Das neue „Dynasty“ muss schleunigst noch stärker auf seine Darsteller und ihre Stärken zugeschnitten werden, wenn es nicht Gefahr laufen will, nach kurzer Zeit wieder vom Bildschirm zu verschwinden – so wie einst das neue „Melrose Place“ oder die Fortsetzung von „Dallas“. Fallon und Steven hätten das nicht verdient.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie „Dynasty“.

Meine Wertung: 2,5/​5

Ralf Döbele
© Alle Bilder: The CW

Aktuell strahlt der US-Sender The CW die erste Staffel des Remakes „Dynasty“ aus. In Österreich und der Schweiz wird die Serie aktuell schon von Netflix in einer deutschen Synchronfassung ausgestrahlt, bis zum Jahresende 2017 soll es auch in Deutschland soweit sein. Netflix führt die Serie im deutschsprachigen Raum übrigens erneut unter dem Titel „Der Denver-Clan“ – obwohl die Serie diesmal in Atlanta (Georgia), mehrere tausend Kilometer südöstlich von Denver (Colorado) angesiedelt ist …

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1963) am

    Moment keiner. Zumindest in Deutschland
    • am

      Welcher Sender strahlt Dynasty denn aus?

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