The Musketeers – Review

TV-Kritik zur BBC-Abenteuerserie – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 10.03.2014, 10:30 Uhr

Jungs mit Fehl und Tadel (v.l.n.r.): Santiago Cabrera, Tom Burke, Luke Pasqualino und Howard Charles

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Neues von den Drei Musketieren! Seit Stummfilmzeiten geistern Aramis, Athos, Porthos und ihr Kumpel D’Artagnan durch Film und Fernsehen. Die Florettfechter aus dem Roman (1844) von Alexandre Dumas gehören zu den unkaputtbaren Ikonen des Abenteuer- und Actionkinos. Jede neue Zuschauergeneration braucht da ein filmisches Update, ganz so, wie das auch mit Tarzan, Dracula, Robin Hood oder den Mythen rund um Artus’ Tafelrunde der Fall ist.

Diesmal holt also die BBC die Musketiere wieder aus der Mottenkiste. Stilistisch geht’s dabei so zu wie im bis dato letzten und leider ziemlich missratenen Musketier-Film von 2011 (mit Christoph Waltz als Richelieu): Die Kostüme sind der historischen Epoche verpflichtet (dem frühen 17. Jahrhundert im absolutistischen Frankreich), die geschliffenen Dialoge hingegen sind, ebenso wie die gelackte Machart und die State-of-the-Art-Actionszenen, auf die Sehgewohnheiten heutiger Zuschauer geeicht.

Serien-Creator Adrian Hodges („Primeval“, „Survivors“) führt die drei Musketiere lasterhaft ein: Athos (Tom Burke) erwacht verkatert und steckt seinen Schädel in einen Eimer voller Eiswasser. Porthos (Howard Charles) bringt mit gezinkten Karten einen Schergen der Roten Wache gegen sich auf. Und Aramis (Santiago Cabrera, „Heroes“) wälzt sich nach vollzogenem Akt aus dem Bett einer drallen Schönen – es ist die Frau des Kardinals Richelieu. Der Säufer, der Spieler, der Casanova: Diese Virtuosen der schnellen Klinge sind Hallodris, soll das wohl heißen. Hier werden keine altmodischen Tugendritter ins Abenteuer geschickt, sondern Jungs mit Fehl und Tadel. Zweifellos werden sie aber immer dann, wenn’s darauf ankommt, ihren Mann stehen. Einer für alle, alle für einen, man kennt das ja.

Der Eine, der zu den Dreien dann noch stößt, ist wie im Roman und wie in allen anderen Verfilmungen als Identifikationsfigur gedacht: D’Artagnan, der jugendliche Bauernsohn und Schwertkämpfer, wird hier von Luke Pasqualino („Skins“, „Die Borgias“) gespielt, dessen samthaarige, mandeläugige Schönheit ebenso wie sein leicht hölzernes Spiel an den jungen Keanu Reeves erinnern. Bemerkenswert schnell verwindet seine Figur das Eingangstrauma: Vater Alexandre wird noch in den ersten Minuten dahingemeuchelt, von einem Maskierten, der sich als Athos ausgibt, aber natürlich nicht jener Athos ist, der gerade noch seinen Kater-Kopf ins Eiswasser tunkte. Für die einstündige Pilotfolge (routinierte Regie: Toby Haynes) ist der Plot damit bereits abgesteckt: D’Artagnan will sich an Athos rächen, wird dann aber sehr schnell überzeugt, dass es sich um eine Intrige handelt, woraufhin er an der Seite seiner neuen Freunde, der Musketiere, nach den wahren Tätern fahndet.

Peter Capaldi, der neue „Doctor Who“, als Kardinal Richelieu.
Womit wir bei den Antagonisten wären: Kardinal Richelieu hat wie schon bei Dumas mit dem historischen Vorbild zu Zeiten Ludwigs XIII. nur das ausgeprägte Machtstreben gemein, Peter Capaldi gibt ihn mit wehendem Mantel und aristokratischem Bärtchen in ungehemmter Camp-Manier als pantoffelige Tywin-Lannister-Kopie. Unbezahlbar sein in die innere Verwüstung gerichteter Blick, als ihm seine von ihm selbst zur Hinrichtung begleitete Frau entgegenruft: „Du wirst in der Hölle brennen!“, und er dann leise zu sich selbst sagt: „Zuvor habe ich hier noch Arbeit zu erledigen.“ Ähnlich aasig ist auch seine Co-Intrigantin, Milady de Winter, eine bösartige Femme Fatale, deren Darstellerin Maimie McCoy nicht einmal den Versuch unternimmt, glaubwürdig herüberzukommen – was durchaus unterhaltsam ist! Mit bedenklich prallem Push-Up-Korsett taucht sie stets wie aus dem Nichts aus, um arglose Männer mit ihrer Verruchtheit zu bedrängen. Konsequent wird ihr deshalb auch jeweils der Cliffhanger am Episodenende zugesprochen: Süffisant lächelnd und/​oder verschwörerisch in Richtung Kamera blickend macht sie die Zuschauer zum Komplizen ihrer Heimtücke, und einmal reißt sie gar buchstäblich einen Pfarrer aus dem Beichtstuhl und brüllt: „Ich will keine Absolution, ich will Rache!“

Louis XIII. wird von Ryan Gage als effeminierter Weichling gespielt, vor allem wohl, damit niemand Zweifel daran hegt, dass dieser Regent nichts anderes ist als eine Strohpuppe des Strippenziehers Richelieu. Königin Anne (Alexandra Dowling, deren Anblick seit ihrem Braut-Auftritt in der berüchtigten „Game of Thrones“-Folge „The Rains of Castamere“ eine eher beunruhigende Wirkung hat) wirkt dagegen fast normal. Zu erwähnen sind im Main Cast noch Constance Bonacieux (Tamla Kari aus dem „Inbetweeners“-Kinofilm), die, obgleich Frau eines Tuchhändlers, ein Auge auf ihren süßen Untermieter D’Artagnan wirft (ohne sich das freilich einzugestehen), sowie Captain Treville (Hugo Speer), der Boss der Musketiere, der sich bislang jedoch mit dem Status einer dramaturgischen Randfigur begnügen muss.

Hodges schickt dieses schillernde Personal durch einstündige, bei aller Rasanz durch einige Längen gebremste Actionthrillerplots. Diese kulminieren verlässlich in einer lupenreinen Last-Minute-Rescue, wobei jeweils eine Sympathiefigur vor drohender Erschießung oder tödlicher Explosion gerettet werden muss. Die Lunte brennt, der Countdown tickt. Nach der Exposition in der Pilotepisode geht es in der zweiten Folge gegen einen russischen Taschenspieler (Jason Flemyng, „Bube, Dame, König, grAS“), der sich als Revoluzzer aufspielt, aber eigentlich nur ans Geld aus der königlichen Schatzkammer will. Und in der dritten, bislang unterhaltsamsten Folge, muss einem exaltierten Sklavenhändler das Handwerk gelegt werden: So überzogen, wie „Battlestar Galactica“-Star James Callis diesen dick geschminkten Ohrring-Piraten gibt, der enthusiasmiert dem Bitchfight zweier Verehrerinnen zuschaut und zu Täuschungszwecken sogar einmal einen Orgasmus simuliert, das hat schon fast die gar nichts mehr ernst nehmenden Budenzauberqualitäten der „Fluch der Karibik“-Filme.

Nebenher gewinnen die Hauptfiguren an Profil: Porthos etwa muss sich angesichts des Sklavenhändlers mit seiner eigenen Herkunft auseinandersetzen, der fesche Aramis knüpft zarte, aber gefährliche Bande zur Königin, und Athos’ Alkoholproblem scheint aus einer Jahre zurückliegenden, tragischen Verbindung mit der fiesen Milady herzurühren. Noch während man meint, daraus ließe sich ein staffelübergreifender Handlungsbogen stricken, wird das Drama in der dritten Folge bereits aufgelöst – pathosschwangere Rückblenden inklusive.

Inszeniert wird das alles im bewährten Hochglanzstil all der anderen (halb-)historischen Abenteuer- und Fantasyserien, die da derzeit von „Da Vinci’s Demons“ über „Atlantis“ bis zu „Reign“ um Genrefans buhlen: Designerschmutz auf Studiostraßen, Mittelalter-trifft-Gypsymusik auf der Tonspur, Kostüme zwischen Leder und Mieder, dazu viel Gegenlicht durchs offene Fenster. Denn im Gegenlicht sieht man den wirbelnden Staub. Und in solchen Serien ist Staub ein Indiz für Authentizität.

So richtig übelnehmen kann man den „Musketeers“ diese standardisierte Machart dennoch nicht. Denn das, was sie sein will, liefert die Serie auch: aufpoliertes Abenteuer-Entertainment alter Schule, eine Variation aufs altbekannte Thema, ganz so, als habe jemand einen Eighties-Serienhit wie „Robin Hood“ auf den neuesten Stand gebracht, ohne dabei zu viel zu wollen. Mit der ironischen Schärfe eines „Sherlock“ kann dabei genauso wenig konkurriert werden wie mit der coolen Musketier-Verfilmung von Richard Lester (1973). Dem Genre fügen „The Musketeers“ sicher nichts Neues hinzu. Doch wer Stagnation nicht aus Prinzip schon öde findet, wird sich solide unterhalten wissen. Wie es in der nächsten Staffel weitergeht, steht mittlerweile allerdings in den Sternen: Mit Chef-Schuft Richelieu geht eine zentrale Figur von Bord. Peter Capaldi hat nämlich den Job gewechselt: Er ist jetzt der zwölfte Doctor in „Doctor Who“.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „The Musketeers“.

Meine Wertung: 3/​5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: BBC

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen