Serienpreview: „Chicago Fire“ – Review

TV-Kritik zur neuen Feuerwehrserie auf NBC – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 28.11.2012, 15:42 Uhr

Das Team von „Chicago Fire“

Mit „Law & Order“ schuf Dick Wolf eine der erfolgreichsten Marken der Seriengeschichte. Von bis zu vier Franchise-Serien, die noch 2005 zeitgleich auf NBC liefen, ist inzwischen allerdings nur noch eine übrig: „Law & Order: Special Victims Unit“. Daneben waren Wolfs Versuche, auch außerhalb seines Dauerbrenners neue Serienhits auf Sendung zu schicken, in den letzten Jahren nie von Erfolg gekrönt. Formate wie das Anwaltsdrama „Conviction“ oder der Krimi-Thriller „Polizeibericht Los Angeles“ floppten und wurden recht schnell wieder eingestellt.

Umso mehr dürfte für Dick Wolf vom Erfolg seiner jüngsten Produktion abhängen. Die Crew eines Feuerwehrhauses steht im Zentrum von „Chicago Fire“, das darum bemüht ist, sowohl den Prinzipien Wolfs hinsichtlich eines wöchentlichen Procedurals gerecht zu werden, als auch gleichwertige Figurenentwicklung zu bieten. Leider gelingt dieser Balanceakt der Serie, die Anfang Oktober 2012 auf NBC Premiere feierte, in den ersten drei Episoden so gut wie überhaupt nicht. Umso ärgerlicher ist dies, da es Dick Wolf gelungen ist, eine recht beeindruckende Darstellerriege zu versammeln.

„Dr. House“”-Veteran Jesse Spencer ist als Lt. Matthew Casey, dem Vorgesetzten des Feuerwehr-Trucks 81, meilenweit von seinem früheren Image als treuer Dr. Chase entfernt. Vielmehr verleiht er seiner neuen Figur Autorität durch eine bissige Ernsthaftigkeit, die ihn eigentlich zum idealen Leading Man der Serie macht. Seit dem Tod eines Kollegen ist Caseys Beziehung zu Lt. Kelly Severide (Taylor Kinney) von gegenseitigen Anschuldigungen gezeichnet. Dass Severide, Anführer der Rescue Squad 3, im Vergleich zu Casey eher als lockerer Draufgänger unterwegs ist, trägt kaum dazu bei, die Spannungen zwischen den Beiden zu lösen.

An der potentiell interessanten Hintergrundgeschichte der beiden Konkurrenten wird beispielhaft das größte Problem von „Chicago Fire“ deutlich. Die Serienerfinder und Actionfilm-Autoren Derek Haas und Michael Brandt („2 Fast, 2 Furious“) geben jeder ihrer Figuren private Handlungsbögen voller Potential – und schöpfen sie von Beginn an überhaupt nicht aus. Alles wirkt farb- und lieblos: Caseys Versuch mit seiner Ex-Verlobten Hallie (Teri Reeves) wieder zusammen zu kommen, während seine Kollegin, die Rettungssanitäterin Gabriela Dawson (Monica Raymund) immer stärkere Gefühle für ihn entwickelt. Oder Kellys heimliche Sucht nach Schmerzmitteln, der diese ausgerechnet von einer weiteren Sanitäterin namens Leslie Shay erhält. Lauren German wirkt in dieser Rolle genauso blass und belanglos wie zuletzt in der zweiten Staffel von „Hawaii Five-0“.

Peter (Charlie Bennett, l.) ist der neue im Team, Christopher (David Eigenberg, r.) ist in Geldnöten
Dann sind da noch die Probleme des Feuerwehrmanns Christopher Herrmann, der mit seiner Familie bei seinen Schwiegereltern einziehen muss, nachdem er sein eigenes Haus durch dubiose Finanzgeschäfte verloren hat. Herrmann wird verkörpert von David Eigenberg, der als Steve Brady in „Sex and the City“ stets zur Höchstform auflief, und hier durch einen inkonsequent vor sich her wabernden Erzählstil ausgebremst wird. Auch Charlie Barnett tun die Autoren keinen Gefallen mit seiner Rolle als Azubi Peter Mills, der als Neuling im Team brav alle Klischees des Genres erfüllt.

Fast meint man, die Darsteller würden sich nicht vollkommen wohl in ihrer Haut fühlen. So entsteht zu keinem Zeitpunkt echte Chemie zwischen den Figuren, was umso schwerer ins Gewicht fällt, da die Crew des Feuerwehrhauses ja eigentlich gemeinsam durch dick und dünn gehen sollte. Doch statt echtem Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht hier nur ein großes Nebeneinander. Die Figuren agieren aneinander vorbei. Nie werden Charaktere gezeigt, mit denen man als Zuschauer Woche für Woche in den Einsatz gehen will.

In krassem Gegensatz hierzu stehen die spektakulären Stunt-Sequenzen, die durch ausgefallene Ideen und vor Ort in Chicago gedrehte Szenen überzeugen und fesseln. Sei es der Brand in der Eröffnungssequenz des Piloten, in der ein Mitglied der Crew getötet wird, der nächtliche Einsatz auf dem Dach eines brennenden Hochhauses oder ein Autounfall in der Innenstadt, nach dem einer der Wagen mitsamt Passagieren über das Geländer in die Autobahnunterführung zu stürzen droht – Second Unit und Stunt-Team zeigen, was sie drauf haben und das ist eine ganze Menge. Dieser Einsatz verhilft immerhin Casey zu ein wenig mehr Profil. In Erinnerung bleibt so eine Nebenhandlung, in der er auf die Spur eines korrupten Polizei-Detectives kommt.

Unfreiwillig unterstreichen die Stuntmänner mit ihrer herausragenden Arbeit allerdings nur noch die Unausgeglichenheit von „Chicago Fire“. Als Zuschauer wird man abwechselnd zwischen einer nervenaufreibenden, spannenden Sequenz und vollkommen blanglos inszenierten und erzählten Nebengeschichten hin- und hergerissen. Frustration ist die Folge, weshalb „Chicago Fire“ nie die pulsierende Anziehungskraft von „Third Watch“, die soziale Relevanz von „Rescue Me“ oder den Wohlfühl-Faktor von „Notruf California“ erreicht.

Zwar hat NBC „Chicago Fire“ bereits für eine komplette Staffel mit 22 Episoden verlängert. Doch wenn dies Dick Wolfs Versuch sein soll, zu zeigen, dass er auch außerhalb seines bekanntesten Franchise herausragend spannende und dramatische Geschichten erzählen kann, dann darf dieser Test als gescheitert gelten. Sowohl Wolf als auch die meisten hier verheizten Hauptdarsteller müssten es eigentlich besser können.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von „Chicago Fire“.

Meine Wertung: 2/​5
© Alle Bilder: NBC

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1969) am

    Chicago Fire habe ich immer gerne geguckt, Staffel 1-7 war auch alles zu verstehen. Aber Staffel 8 ist katastrophal, Sprache kaum noch zu verstehen, Musik übertön die ganze Zeit. Warum bitte muss immer die Musik über die Sprache stehen?
    Bitte ändern, für schwerhörige Menschen nervig. 🥴😖😩😡🤬

    Antwort wäre schön.

    Mit freundlichen Grüßen
    Delphinpelle

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