Fakt ist! Folge 29: Abbruch tabu! Neuer Streit ums Abtreibungsrecht
Folge 29
Abbruch tabu! Neuer Streit ums Abtreibungsrecht
Folge 29
785.000 Kinder wurden im Jahr 2017 in Deutschland geboren. Im gleichen Zeitraum wurden hierzulande gut 100.000 Schwangerschaften abgebrochen. Ein Thema, mit dem fast jede zweite Frau, die einmal schwanger war, in ihrem Leben bereits in Berührung gekommen ist. Doch darüber geredet wird im Allgemeinen nicht – aus Scham und zunehmend aus Angst vor Verurteilung. „Fakt ist!“ aus Magdeburg macht das Tabu zum Thema. Seit einigen Monaten sind Schwangerschaftsabbrüche wieder in der öffentlichen Diskussion. Grund dafür ist weniger, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nach Paragraf 218 immer noch eine Straftat darstellen. Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche bleibt der Eingriff lediglich straffrei, sofern die betroffene Frau eine unabhängige Beratung nachweisen kann. Der aktuelle Streit dreht sich vielmehr um den Paragraphen 219a – das so genannte Werbeverbot für Ärzte. Sie durften bis vor kurzem nicht einmal darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Wer es dennoch tat, musste mit Klagen und Strafen rechnen. Ein Kompromiss regelt das inzwischen. Doch weiterführende Informationen zum Thema soll es auch in Zukunft nur bei staatlichen Stellen geben. In den Augen vieler Ostfrauen ist das ein deutlicher Rückschritt. Sie konnten in der DDR eigenverantwortlich entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft ganz legal abbrechen lassen. Mit der Wiedervereinigung trat auch im
Osten der Paragraph 218 in Kraft, mit dem Abtreibung fortan wieder unter Strafe stand. Der Streit macht deutlich: Die Lage für betroffene Frauen wird zunehmend schwieriger. Denn es ist nicht nur schwierig für sie, sich über Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs zu informieren, auch ganz real sinkt die Zahl der Kliniken und Ärzte, die solche Eingriffe anbieten. Selbst unabhängige Berater wie „pro familia“ halten sich sehr bedeckt, ihre Angebote sind zum Teil schwer zu finden. Ganz im Gegensatz zu den Abtreibungsgegnern. Ihr Widerstand formiert sich sicht- und hörbar und beschränkt sich keineswegs auf Angebote der Kirchen, betroffenen Frauen Alternativen zu einem Abbruch aufzuzeigen. Selbsternannte Lebensschützer konfrontieren beratungswillige Frauen mit Mahnwachen und expliziten Webseiten, die auch schon mal Schwangerschaftsabbrüche mit Massen- oder gar Völkermord gleichsetzen, gedeckt von der Meinungsfreiheit. Der Widerstand wird also zunehmend radikaler. Und doch mehren sich inzwischen auch wieder die Stimmen, die Selbstbestimmung für die Frauen einfordern – und das Recht, eigenverantwortlich über ihren Körper entscheiden zu dürfen. Lässt die Politik betroffene Frauen und Ärzte allein? Warum müssen Ärzte zum Thema schweigen, während Abtreibungsgegner offenbar alles sagen dürfen? Was ist höher zu bewerten: der Schutz des ungeborenen Lebens oder das Selbstbestimmungsrecht der Frau? (Text: mdr)