Die Sintflut – die alles wegspült, was Gott nicht gefällt: Gibt es überhaupt eine Geschichte in der Bibel, die sich stärker eingeprägt hat als die Erzählung von Noah und seiner Arche? Zweifellos eine sehr märchenhaft anmutende Geschichte. Hat sie sich wirklich ereignet – eine Überschwemmung von so gigantischen Ausmaßen? Und wo könnte das gewesen sein? Bulgarische Forscher sind fest davon überzeugt, den Schauplatz der biblischen Sintflut identifiziert zu haben: das heutige Schwarze Meer. Unter dem Grund der See haben sie in Bohrkernen Sedimente von Süßwasserorganismen entdeckt. Ein Beweis dafür, dass das Schwarze Meer einst ein Binnensee war. Nach ihrer Theorie sah das Szenario der Sintflut folgendermaßen aus: Am Ende der letzten Eiszeit brach durch das Ansteigen des Meeresspiegels die schmale Landbrücke am heutigen Bosporus ein, und das Mittelmeer ergoss sich in den tiefer liegenden See, bis er zum heutigen Schwarzen Meer aufgefüllt war. Für die Menschen, die dort lebten, tatsächlich eine Sintflut von gigantischen Ausmaßen. Aber wie gelangte die Erinnerung an die historische Katastrophe eigentlich in die Bibel? Jahrhundertelang war die Antwort klar: Mose hat das Ereignis genau so aufgeschrieben, wie es sich zugetragen hat. Die Gläubigen gingen sogar davon aus, dass Gott persönlich Mose die Sätze der Bibel diktiert hat. Doch dann kam der Schock: Als in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Mitarbeiter des Britischen Museum babylonische Keilschrifttafeln entzifferte, traute er seinen Augen nicht: Da stand die gesamte Sintflutgeschichte inklusive der wunderbaren Rettung von Mensch und Tier in einer Arche. Nur – diese Texte waren zweifelsfrei Jahrhunderte älter als die Bibel. Seit damals weiß man: Die Spur der Bibel führt nach Babylon. Dafür ist vor allem einer verantwortlich: der babylonische König Nebukadnezar. Im 6. Jahrhundert v. Chr. erobert er Jerusalem und lässt Teile der judäischen Bevölkerung nach Mesopotamien verschleppen. Aus der Sicht heutiger Wissenschaftler ein Ereignis von epochaler Bedeutung. Denn im Exil an den „Wassern von Babylon“ werden wesentliche Teile der biblischen Überlieferung erstmals fixiert. Die ihrer Heimat und ihrem religiösen Zentrum beraubten Israeliten schreiben ihre Erinnerung auf. Damals entsteht auch die Grunddramaturgie der Bibel: Ein zorniger, eifersüchtiger Gott wacht über das Schicksal seines Volkes. Er belohnt seine
Folgsamkeit und bestraft seine Untreue. Aber auch andere Erfahrungen des Exils finden in der Bibel ihren Niederschlag. Denn die Verschleppten lernen in Babylon nicht nur die Geschichte von der Sintflut kennen. In der gigantischen Metropole Babylon lässt König Nebukadnezar damals einen gewaltigen Tempelturm errichten. Als „Turm zu Babel“ ist er in die biblische Überlieferung eingeflossen. Die Eroberung Jerusalems durch die Babylonier wirft noch andere Fragen auf. Was geschah mit der legendären Bundeslade, die seit damals verschollen ist? Liegt sie bis heute in einem Versteck, wie manche Schatzsucher glauben? Und wie konnte die Stadt beim Angriff der Feinde immerhin 18 Monate lang einer Belagerung widerstehen, bevor sie gestürmt wurde? Der Schlüssel dazu lag in einer raffinierten Wasserversorgung, einem einen Kilometer langen Tunnel unterhalb der Stadt. Der israelische Geologe Aryeh Shimron hat dem Bauwerk seine Geheimnisse entrissen. Wie gelang es den Erbauern mit den damaligen Methoden von zwei Seiten aus zu graben und sich in der Mitte zu treffen? Und stimmen die biblischen Berichte über den Tunnel? Auch die Epoche nach der Rückkehr aus dem Exil schildert die Bibel nicht weniger dramatisch. Durch den Eroberungszug Alexanders des Großen gerät Israel unter die Herrschaft hellenistischer Könige, die die jüdische Religion brutal unterdrücken. Der berühmteste literarische Niederschlag dieser Zeit ist das biblische Buch des Propheten Daniel mit seiner rätselhaften Vision vom Ende der Welt. Immer wieder wurde – wie etwa von den Zeugen Jehovas – versucht, mit Hilfe des verschlüsselten Textes das exakte Datum des Weltuntergangs zu errechnen. Aus der Sicht von Bibelforschern ein gründliches Missverständnis. Der Text will nämlich nichts anderes, als den Zeitgenossen der blutigen Verfolgungen Hoffnung auf ein baldiges Ende der verhassten Herrschaft der Griechen machen. Allerdings – man kann tatsächlich mit der Bibel rechnen, wie der Film demonstriert. Und das wird von jüdischen Rabbis bis heute getan – aber nicht um die Zukunft vorauszusagen, sondern als Form religiöser Meditation. „Gematria“ nennt man dieses fromme Zahlenspiel. Es beruht auf der Tatsache, dass die hebräischen Buchstaben gleichzeitig auch Ziffern repräsentieren. Mit ihnen kann man mathematische Experimente anstellen. Sie verraten tatsächlich erstaunliche, neue Zusammenhänge und Beziehungen zwischen den Worten. Die Bibel ist eben immer wieder für Überraschungen gut. (Text: ZDF)