„Star Trek: Picard“: Der Kater nach der Fan-Fiction-Orgie – Review

Kommentar zum letzten Abenteuer der „Next Generation“

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 21.04.2023, 21:55 Uhr

„Star Trek: Picard“ ging am Freitag mit dem Serienfinale zu Ende – Bild: Paramount+
„Star Trek: Picard“ ging am Freitag mit dem Serienfinale zu Ende

Der folgende Kommentar enthält Spoiler zur dritten Staffel von „Star Trek: Picard“ und deren Ende. Lesen auf eigene Gefahr!

Ich bin ganz froh, dass sie jetzt im Museum ist. Fast 30 Jahre nach ihrem spektakulären Absturz auf Verdian III in „Star Trek – Treffen der Generationen“ steht nun fest: Die Enterprise-D wurde von Geordi La Forge (LeVar Burton) geborgen, liebevoll restauriert und wieder flott gemacht. Und wer hätte es in den langen „Trek“-losen Jahren nach dem Ende von „Enterprise“ noch für möglich gehalten: Noch einmal darf sie das Universum retten.

Die letzte Folge von „Star Trek: Picard“ ist am Freitag mit einem fulminanten Action-Feuerwerk über unsere Streaming-Bildschirme gebraust und dem letzten farbenfrohen Abenteuer der „Next Generation“-Crew konnte sich wohl kaum ein Trekkie entziehen – zumindest nicht diejenigen, die 1993 und ’94 Mittag für Mittag in Sat.1 den Abenteuern von Patrick Stewart und Co. entgegenfieberten. Und dennoch: Es bleibt ein fahler Beigeschmack. Mehr als nur ein wenig. Und es bleibt eine unerfüllte Sehnsucht nach Neuem.

Rettet ein letztes Mal die Menschheit: die Enterprise-D Screenshot/​Paramount+

Oberflächlich gesehen scheint alles gut. Picard, Riker, Beverly, Data, La Forge, Worf, Troi – sie alle wiederzusehen trieb einem ein Lächeln ins Gesicht und die Weiterentwicklung ihrer Figuren waren weitgehend schlüssig und erfreulich. Vielversprechende Neuzugänge und ein fulminanter Durchmarsch von Commander Seven of Nine (Jeri Ryan) zum Captain trugen viel Positives zur dritten Staffel von „Picard“ bei. Aber meine Güte, mussten die letzten zehn Folgen unbedingt in der Gestalt einer vollgestopften Fan-Fiction-Wundertüte daherkommen?

In einem Making-Of der wunderbar restaurierten „Next Generation“-Blu-rays sprach der Autor und spätere „Battlestar Galactica“-Showrunner Ronald D. Moore über die Kriterien, die neue Autoren erfüllen mussten, wollten sie zu Beginn der 1990er Jahre an „Star Trek“ arbeiten. Er sprach von übertriebenen Pitches, die immer wieder auf ihn und seine Kollegen einprasselten: WAS, wenn die KLINGONEN und die ROMULANER fortan GEMEINSAME SACHE MACHEN?! Solche Pitches wurden von ihnen sofort abgelehnt.

Was gab uns die dritte Staffel von „Star Trek: Picard“? Die Wechselbälger und die Borg machen gemeinsame Sache. Wie so oft bei den neuen „Star Trek“-Serien seit 2017, eine Nummer kleiner war einfach nicht drin. Selbst, wenn Showrunner Terry Matalas damit die Seele des Franchise bis an einen nostalgischen, überkommerzialisierten Kitsch-Abgrund schiebt. So entsteht das Gefühl von ungezügelter Fan Fiction mit Millionen-Budget, welches letztendlich die Staffel bestimmte.

Die „TNG“-Crew in ihrem Element Paramount+

Trotzdem stört mich die Enthüllung, dass die Borg hinter dem bösen Plan der Staffel steckten, erstaunlich wenig. Spätestens seit ihrem inflationären Einsatz bei „Star Trek – Voyager“ war ich der Meinung, dass man die einst so furchteinflößenden Superbösewichter der „Next Generation“ vollkommen runtergerockt und entzaubert hatte. Tatsächlich belehrte mich hier der Showdown zwischen Picard, seinem assimilierten Sohn Jack (Ed Speleers) und der grauenvoll entstellten Borg-Königin, einmal mehr fantastisch stimmlich verkörpert von Alice Krige, eines Besseren. So furchteinflößend erlebte ich das Kollektiv zuletzt in „Star Trek – Der erste Kontakt“ und die Verbindung dieses letzten Showdowns mit dem Schicksal von Picard und seiner neu gefundenen Familie machte auf allen Charakter-Ebenen Sinn.

Picard hat aus der selbst gewählten Einsamkeit zurück ins Leben gefunden. Zuvor, auch in seinen aktiven Jahren, war er davon überzeugt, dass mit ihm einfach etwas nicht stimmen kann – eine Überzeugung, die durch den in Staffel 2 enthüllten Suizid seiner Mutter noch befeuert wurde. Nun war er nicht mehr allein, hatte einen Sohn, von dem er nie geahnt hatte, wie sehr er ihn brauchte. Die Versicherung, dass er nun Jack nicht allein lassen würde, diese Versicherung bricht den Bann der Borg über Jack – eine Szene, die berührend und grandios in Szene gesetzt ist. Ohnehin war der durch und durch sympathische Ed Speleers als Jack Crusher der vielleicht größte Gewinn dieser Staffel, selbst wenn seine Storyline mitunter auch vor unvorteilhaften „Please don’t take my baby!!!“-Sci-Fi-Standards strotzte. Scully hat angerufen und möchte ihr übernatürliches Kind zurück.

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