„Shifting Gears“: Guckt mal, was da dämmert – Review

Neue Sitcom mit Comedy-Altstar Tim Allen in bewährter Vaterrolle wirkt ziemlich altbacken

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 04.02.2025, 18:00 Uhr

Kommen (meistens) gut klar: Werkstattbesitzer Matt Parker (Tim Allen) und Tochter Riley (Kat Dennings) – Bild: ABC
Kommen (meistens) gut klar: Werkstattbesitzer Matt Parker (Tim Allen) und Tochter Riley (Kat Dennings)

Mit „Hör mal, wer da hämmert“ war Tim Allen einer der größten Sitcom-Stars der Neunziger. Vier Jahre nach dem Ende von „Last Man Standing“ wärmt der inzwischen 71-Jährige das Erfolgsrezept des wertkonservativen, aber herzensguten Vorstadt-Vaters nun ein weiteres Mal auf – mit „2 Broke Girls“-Star Kat Dennings in der Tochterrolle. Wir haben uns die ersten Episoden von „Shifting Gears“ angesehen und können vermelden: So schlimm ist’s nicht, dass die ABC-Sitcom noch keinen deutschen Starttermin hat.

Der Serientitel „Shifting Gears“, den man mit „den Gang wechseln“ übersetzen könnte, klingt schwer nach Autoschrauber-Reality-Show. Tatsächlich aber haben wir es hier mit einer sehr klassischen Tim-Allen-Sitcom zu tun: In „Hör mal, wer da hämmert“ (1991–1999) moderierte er 204 Folgen lang eine Heimwerkersendung, in „Last Man Standing“ (2011–2021) arbeitete er für ein Outdoor-Fachgeschäft, und in „Shifting Gears“ leitet er nun eine Autowerkstatt. Genauer gesagt: eine sogenannte Restomod-Werkstatt, in der Oldtimer restauriert und zeitgemäß upgegradet werden. Kurz hofft man denn auch, dass dieser Job symbolisch stehen könnte für die Herangehensweise an diese stilecht im Multi-Kamera-Verfahren vor Publikum aufgezeichnete (und mit Laugh Track versehene) Sitcom, dass also auch hier klassische Versatzstücke modernisiert worden sein könnten. Dem allerdings ist nicht so. Wie eh und je spielt Allen in der Rolle des Matt Parker einen echten, rechtschaffenen und grantelnden Mann, der maskuline Dinge tut (Handwerken! Verkaufen!), und wie eh und je geht es dabei weniger um die Arbeitswelt als um die Nöte der Familie, die sich rundherum auffächern.

Hier brettert ihm gleich zu Beginn seine vor anderthalb Jahrzehnten in die weite Welt aufgebrochene Tochter Riley in die Werkstatt, in jenem Pontiac GTO, den sie ihm damals entwendet hatte. Im Schlepptau hat sie ihre zwei Kinder: den unsicheren Teenager Carter und die vorwitzige Elfjährige Georgia. Von deren Vater, einem unsteten Musiker, lässt Riley sich gerade scheiden und für die Übergangszeit ersucht sie ihren erstaunten Vater um Obdach – das er der Jungfamilie natürlich gewährt. Der nach dem Tod seiner Frau (Rileys Mutter) etwas einsam und wunderlich gewordene Witwer hat damit plötzlich wieder ein Familienleben, womit die notwendige Basis für eine Sitcom beim selbst schwer in die Jahre gekommenen Network-Sender ABC gefunden ist. Steht ein großes Sofa im Wohnzimmer? Na, selbstverständlich.

Hoffentlich guckt das Jugendamt nicht zu: Georgia (Barrett Margolis, l.) und Carter (Maxwell Simkins, r.) zocken Videogames mit Opa Matt. ABC

Tim Allen macht als Privatperson keinen Hehl aus seiner (in Hollywood eher ungewöhnlichen) konservativen Ausrichtung. Er steht politisch den US-Republikanern nahe, wenn auch nicht Donald Trump. Nachdem er die liberals der Branche während Trumps erster Amtszeit im Interview mit Jimmy Kimmel als „Nazis“ bezeichnet hatte, wurde seine damalige Sitcom „Last Man Standing“ vom Disney-Sender ABC eingestellt und nach einer Zwangspause bei Fox weitergeführt: Seit dieser Zäsur wettert Allen auf Social Media regelmäßig gegen den „woken“ Zeitgeist, Gedankenpolizei und Cancel Culture. Dass er als Originalstimme von Buzz Lightyear im „Toy Story“-Franchise weiter auf der großzügigen Gehaltsliste von Disney verblieb, dass ABC nun gar seine neue Serie produziert, das passt natürlich schlecht in dieses Rebellen-Narrativ – doch sei’s drum.

Auch vor der Kamera spielt Allen meist den wertkonservativen Daddy. In „Hör mal, wer da hämmert“ hatte er es mit Ehefrau und drei Söhnen zu tun, in „Last Man Standing“ war er der Hahn im Korb zwischen Gattin und drei Töchtern. Schon damals war der Umstand, dass seine Figur von progressiver Weiblichkeit umschwirrt wurde, das notwendige Korrektiv für die altväterlichen, wenn auch ironisch dargestellten Einstellungen seiner Figur.

In „Shifting Gears“ setzt Allen nun auf dasselbe Prinzip: Matt Parker spottet über so ziemlich alles, was konservative Männer für unvereinbar halten mit dem von ihnen selbst definierten „gesunden Menschenverstand“. Da geht es gegen individuelle Lernpläne für Kinder, gegen Angststörungsdiagnosen, Psychotherapien („mehr Probleme, mehr Geld“), gegen die demokratische Kongress-Abgeordnete Nancy Pelosi, gegen Pronomen sowieso, gegen Cocktails ohne Alkohol, gegen Kinder, die nur am Bildschirm kleben, gegen Frauen, die mehr verdienen als ihre Männer und gegen das, was er alles angeblich nicht mehr sagen darf („Zwerg“ zum Beispiel). Die Fernsehnachrichten werden von Matt abgekanzelt mit (überspitzten) Sätzen aus der Wutbürgerhölle: „Einer liest die Nachrichten vor, und drei andere erzählen mir, wie ich sie zu verstehen habe … als könnte ich mir meine eigene wütende Meinung nicht selbst bilden.“

Nun ist die Figur des rechtsoffen zeternden Familienpatriarchen in der Fernsehkomödie nichts Neues – Matt Parker tritt hier auf wie ein Update von Archie Bunker, dem Antihelden der Siebzigerjahre-Sitcom „All In The Family“ bzw. dessen deutscher Variante Ekel Alfred aus „Ein Herz und eine Seele“. Wie dort gibt es auch in „Shifting Gears“ den nötigen Widerspruch: Kat Dennings („Thor“), die die Serie mitproduziert, stellt der Früher-war-alles-besser-Attitüde ihres Vaters, in der sich Teile des Publikums gewiss aufgehoben fühlen dürften, einen moderneren, gelasseneren, dezent „woken“ Geist entgegen – in dem Riley auch ihre Kinder erzogen hat. Dieser Gegensatz kommt der Dialogeskalation entgegen, die sich zwischen Vater und Tochter einstellt, nicht nur, wenn es um Rileys aus Matts Sicht vermurksten Lebensweg geht.

Die guten Geister der Autoschrauber-Werkstatt: Stitch (Daryl „Chill“ Mitchell, l.), Frankie (Cynthia Quiles) und Gabriel (Seann William Scott) erdulden ihren Chef. ABC

Überwiegend spielen sich die Episoden entweder in Matts Vorstadthaus oder in der Werkstatt ab, wo mit All-American-Guy Gabriel und dem im Rollstuhl sitzenden Stitch zwei klassische Sitcom-Nebenfiguren auf ihre Auftritte warten: Seann William Scott, als „American Pie“-Chaotiker Stifler berühmt geworden, spielt den attraktiven Endvierziger, der in der Heimat hängengeblieben ist und nichts lieber tut, als an Autos herumzuschrauben: Klar ist, dass er früher oder später zu Rileys Love Interest avancieren dürfte. Daryl „Chill“ Mitchell („Navy CIS: New Orleans“) spielte mit Tim Allen schon in „Galaxy Quest“ zusammen, hier darf er mit sarkastischen Sprüchen aus dem Hintergrund für Auflockerung sorgen. Eine lesbische Mechanikerin – hart an der Männerfantasie – ist auch mit dabei, hat bislang aber nichts Wesentliches beizutragen.

Der Familienzusammenhang funktioniert recht gut: Kat Dennings transferiert ihre bestens erprobte Troubled-Girl-Rolle aus „2 Broke Girls“ in die Enddreißiger-Phase; die besorgte Mutter nimmt man ihr ebenso ab wie die unkaputtbare Sympathie für ihren Vater, über dessen Vorliebe für Ronald-Reagan-Gnome als Einrichtungsgegenstände sie sich dennoch entgeistert zeigt.

Maxwell Simkins, stark in „Mighty Ducks: Game Changer“, muss als Carter vielleicht ein bisschen zu sehr den ungelenken Simpel geben und Newcomerin Barrett Margolis als Schwesterchen Georgia vor allem das bewährte Comedy-Gegensatzmuster bedienen, ein niedliches Pre-Teen-Mädchen abgründige Sätze sagen zu lassen. Insgesamt aber sind das Figuren, mit denen sich im boulevardesken Sinn einer Situationskomödie viel anfangen lassen könnte.

Warum wirkt es aber dennoch so altbacken, warum dämmert alles so halblustig vor sich hin? Im Detail ist nicht bekannt, wieso die beiden Stoffentwickler von „Shifting Gears“ die Serie schon vor Produktionsstart verließen. Fakt ist aber, dass mit Mike Scully und Julie Thacker-Scully zwei Hochkaräter gegangen sind, mit vielen Folgen „Simpsons“ oder auch „Parks and Recreation“ auf dem Buckel. Als Ersatz-Showrunnerin soll jetzt Michelle Nader den Kahn über Wasser halten, was nur so leidlich gelingt. Fast krampfhaft muss Tim Allen selbstreferenzielle „Santa Clause“-Gags reißen, diverse Gastauftritte (etwa von Brenda Song, Dennings’ „Dollface“-Co-Star) wirken bemüht. Dazu schickt Nader das Ensemble auch noch durch eher abgenudelte Comedy-Standards: zur Elternversammlung, auf Jobsuche, zum Date in die Bar.

Peinliche Begegnung beim Elternabend: Riley und Matt treffen die frustrierte Caitlyn (Brenda Song, l.). ABC

Immerhin: Folge 4, in der Matt zur Trauertherapie verdonnert wird, berührt einen Punkt, an dem die Serie wirklich, ihrem Titel gemäß, einen Gang runter- und dann wieder hochschaltet. Denn bei aller Gagseligkeit soll es in „Shifting Gears“ vor allem um eine Familie gehen, die sich selbst wieder zusammenschrauben und dabei auch mit der (von Vater wie Tochter verdrängten) Trauer um die verstorbene Mutterfigur zurechtkommen muss. Es gibt aufrichtig emotionale Momente in diesem Kontext, in denen auch Allen schauspielerisch weiter gehen darf als sonst. Trotzdem stehen diese Szenen erkennbar quer zur Witzelei, in die sie eingebettet sind. Der richtige Tonfall wird wohl noch gesucht.

Zwischen vielen Rohrkrepierern findet sich fraglos der ein oder andere echte Treffer – etwa wenn Matt mit den Enkeln ein gewaltlastiges Videogame à la „Grand Theft Auto“ spielt und hinterher sagt: „Klingt es seltsam, wenn ich sage, dass ich es liebe, im Familienkreis zu töten?“ Oder wenn Riley die toxische Atmosphäre in der Werkstatt so beschreibt: „Es riecht nach Bremsflüssigkeit und Angst.“ Oder wenn sie das smarte Radio in Matts Küche immer wieder um eine fröhliche Playlist bittet – und jedes Mal der rechtspopulistische Podcast von Joe Rogan startet.

Das sind gute Pointen, die eine Ahnung davon vermitteln, was die Sitcom Erhellendes über den Gegensatz zwischen den Generationen oder Menschen verschiedener politischer Ansichten hätte erzählen können. Im besten Fall könnte sie komödiantisch aufzeigen, wie ein Zusammenleben trotz gesellschaftlicher Spaltungen gelingen kann. Allzu oft jedoch zieht sie sich dann aber doch nur auf banale Witzchen und konstruierte Situationen zurück, die man so oder ähnlich schon aus zig anderen Sitcoms kennt.

Natürlich gilt auch hier, was für Comedyserien immer gilt: Das Autorenteam muss (wie die Parker-Familie) erst „finden“, was in diesem Setting am besten funktioniert. Womöglich aber hat Tim Allen mit seinen ewigen Daddy-Rollen auch einfach nichts Originelles mehr zu bieten. Für ABC immerhin hat es sich schon gelohnt: „Shifting Gears“ war für den Sender der erfolgreichste Serienstart seit sechs Jahren.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier Episoden von „Shifting Gears“.

Meine Wertung: 2,5/​5

Die Comedyserie „Shifting Gears“ wird in den USA beim Sender ABC seit dem 8. Januar ausgestrahlt und von 20th Television produziert. Eine deutsche Heimat wurde noch nicht bestätigt.

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kom­mu­ni­ka­tions­wis­sen­schaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1971) am

    Freue mich schon sehr auf die Serie. Als großer Fan von "Hör mal wer da hämmert" und "Last Man Standing" wird die Serie für mich ein Fest...zudem bin ich ein Riesen-Fan von Tim Allen und auch seinen Filmen. Hoffentlich wird die Serie gemnauso langledig wie seine beiden Vorgänger!
    • (geb. 1973) am

      Mal wieder eine Sitcom in der man 80% des Casts kennt:

      Tim Allen: "Hör mal wer das hämmert" (1991-1999), "Last Man Standing" (2011-2017, 2018-2021)

      Kat Dennings: "2 Broke Girls"
      Seann William Scott: "Lethal Weapon" Staffel 3
      Daryll Mitchell: "Navy CIS: New Orleans"



      also ich werde es Schauen!!
      • am

        Wie fresh ist da doch die 20 Jahre alte Comedy "Malcolm mittendrin", die ich für mich wiederentdeckt habe und gerade feiere. Der Humor ist irgendwie zeitlos.

        Sollte man die Serie mal irgendwann als Stream kaufen können, wäre das für mich eine Option.
        • (geb. 1976) am

          Schade, dass Dennings und Chill Mitchell sich dafür hergeben, mit der reaktionären Type in einer Serie zu spielen.

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